Vom selbstgesteuerten zum selbstregulierten Lernen: Aktuelle Ansätze und Erkenntnisse Grenzen, Herausforderungen und Chancen für die Lehre
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- Frieda Weiss
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1 Vom selbstgesteuerten zum selbstregulierten Lernen: Aktuelle Ansätze und Erkenntnisse Grenzen, Herausforderungen und Chancen für die Lehre Matthias Nückles
2 Selbstgesteuert und selbstreguliert Pädagogische Perspektive - Vom Programmierten Unterricht zum selbstgesteuerten Lernen Psychologische Perspektive - Individuum als sich selbst-regulierendes System 2
3 Selbstgesteuertes bzw. selbstreguliertes Lernen ist ein Lernen, bei dem der Lernende die wesentlichen Entscheidungen, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich beeinflussen kann (Weinert, 1982) Schließt Übernahme von Verantwortung für den eigenen Lernprozess mit ein Handlungsspielräume können sich je nach Unterrichtsform sehr unterscheiden Lernen ohne Mindestmaß an Selbststeuerung gar nicht denkbar!
4 Philosophische Wurzeln: Idee des potenziell selbstbewussten Subjekts Descartes Vgl. Keller (1998) Darwin Galilei 4
5 Wieso ist das Thema wichtig für Sie als Lehrende am ZfS? Universitäres Studium Traditionell hoher Anteil des Selbststudiums Modularisierung macht Selbststudiumsanteile explizit (nicht selten 80% und mehr des Workloads!) Große Bedeutung des Selbststudiums für Studienerfolg Kompetenzen zum selbstgesteuerten Lernen bei Studierenden - Oft Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität - Zunehmende Heterogenität der Lernvoraussetzungen durch Internationalisierung Sie vermitteln wichtige Bereiche selbstgesteuerten Lernens im ZfS! 5
6 Welche Anforderungen stellt das selbstgesteuerte Lernen an die Lernenden? 1. Vor dem Lernen Ziele setzen Vorwissen aktivieren sich motivieren Strategieeinsatz planen Zyklisch-interaktives Modell (Zimmerman, 2000) 3. Nach dem Lernen Bewertung des Lernergebnisses Zielerreichung Bewältigung Konsequenzen 2. Während d. Lernens Lernstrategien einsetzen Überwachen und regulieren Motivation und Konzentration aufrechterhalten 6
7 Zwei wichtige Unterscheidungen in diesem Zusammenhang 1. Kognition und Metakognition - ich plane, überwache und bewerte meine Lernprozesse 2. Kognitive und nicht-kognitive (d.h. motivationale und volitionale Prozesse) - ich überwache und reguliere nicht nur meine kognitiven Prozesse, sondern auch meine Lernmotivation, Konzentration und meine Gefühle 7
8 Zusammenspiel kognitiver und metakognitiver Strategien Metakognitive Strategien Planung Überwachung Bewertung Kognitive Strategien Organisationsstrategien Elaborationsstrategien Wiederholungsstrategien Funktion Ordnen Andocken Speichern z.b. Unterstreichen Gliederung machen Schaubilder anfertigen z.b. Beispiele generieren Kritisch bewerten Analogien finden z.b. Im Geiste wiederholen Mehrfach lesen
9 Volitionale Strategien damit man dranbleibt und das Lernziel nicht aus dem Blick verliert Kontrolle von Motivation und Emotion - Sich ein positives Lernergebnis vorstellen - Unangenehme Gefühle ausblenden - Defensiver Pessimismus Aufrechterhaltung der Konzentration - Sich vor ablenkenden Reizen abschirmen - Bei Aufgabenflut Prioritäten setzen Wenn solche Strategien fehlen - Z.B. Tendenz zum Aufschieben (Prokrastination) 9
10 Aufschiebeverhalten Ein Beispiel - Es war ganz oft, dass man sich dann dachte, ach ja, die WG könnte mal wieder geputzt werden. Altglas wegbringen ist eigentlich auch eine schöne Tätigkeit. Vor allem weil sich immer soviel anhäuft, da ist man dann auch erst mal einen Nachmittag mit beschäftigt. Briefe schreiben, s beantworten, solche Sachen. Ja, und leider hat man dann keine Zeit mehr zum Lernen. Führt oft zu einem Teufelskreis - Je mehr man prokrastiniert, desto geringer die Zuversicht, dass man seine Aufgaben schafft - Je geringer die Zuversicht, desto größer die Prokrastination
11 Wie können Sie selbstgesteuertes/ selbstreguliertes Lernen fördern? Friedrich & Mandl (1997) Direkte Förderung - Lernstrategien durch Training direkt vermitteln Indirekte Förderung - Lernumgebungen so gestalten, dass sie erwünschte Lernstrategien nahelegen und die Übernahme der Verantwortung für den eigenen Lernprozess begünstigen 11
12 Direkte Förderung: Kernprinzipien Kognitives Modellieren - Lehrender macht Strategie vor und verbalisiert dabei seine Problemlöseprozesse Zum Beispiel beim akademischen Schreiben Informiertes Training - Informiert über den Sinn und Zweck von Lernstrategien und in welcher Situation sie sinnvoll sind - Reduziert Produktions- und Nutzungsdefizite (Tal der Tränen) Allmähliches Ausblenden der Unterstützung (Fading-out) 12
13 Nutzungsdefizit: Tal der Tränen Lernleistung Vgl. Hasselhorn & Gold (2009) A B C D alte Strategie Erste Nutzung der neuen Strategie spätere Strategienutzung 13
14 Zwei Beispiele für indirekte Förderung selbstregulierten Lernens Projektorientiertes Lernen Lerntagebücher 14
15 Projektorientiertes Lernen Authentische und komplexe Fragestellungen vorgeben Problemlösen, Produkterstellung in der Kleingruppe Ermöglicht Förderung von Autonomie- und Kompetenzerleben sowie soziale Eingebundenheit Schlüsselkompetenzen, z.b. kommunikative Fähigkeiten, Medienkompetenz, etc. Reflektion auf die Lernprozesse in der Gruppe (Metakognition) 15
16 Projektorientiertes Lernen Zu beachten allerdings Etablierung von Regeln! - Paradox: Selbstgesteuertes Lernen ermöglichen durch Einengung der Handlungsspielräume Regelmäßiges Coaching erforderlich Regelmäßige Reflektion auf Lernprozess und Lernfortschritt Setzt Basiskompetenzen voraus 16
17 Dass die regelmäßige Reflektion auf den Lernfortschritt wichtig ist, zeigt die folgende Prokrastinationskurve: hoch 3,0 Prokrastination (Aufschiebeverhalten) 2,9 2,8 2,7 2,6 2,5 2,4 niedrig Semsteranfang Vor Weihnachten Ende des Semester Prüfungszeit Längsschnittstudie in der Fakultät für Forst- und Umweltwissenschaften der Universität Freiburg (gefördert durch einen IDA) 17
18 Lerntagebücher als Medium selbstgesteuerten Lernens Schriftliche Reflektion über den Lernstoff, die eigenen Lernerfahrungen und Lerngewinne Individuelle Gestaltung & Schwerpunktsetzungen Leitfragen zur Anregung kognitiver und metakognitiver Strategien - Überwindung von Produktionsdefiziten
19 Leitfragen zum Verfassen eines Lerntagebuchs (Nückles et al., 2010) Leitfragen zur Verständnisüberwachung Welche zentralen Inhalte habe ich nicht verstanden? Leitfragen zur tiefen Verarbeitung Welche Beispiele fallen mir ein, die das Gelernte illustrieren, bestätigen oder ihm widersprechen? Leitfragen zur Regulation Welche Möglichkeiten habe ich jetzt, meine Verständnisschwierigkeiten zu klären?
20 Für Sie zum Mitnehmen Idee des selbstreflexiven Individuums, das Verantwortung für sein Lernen übernehmen kann Man unterscheidet kognitive, metakognitive sowie motivationale und volitionale Teilkompetenzen, die zyklisch und interaktiv zusammenwirken Typische kognitive Defizite sind Produktions- und Nutzungsdefizite Prokrastination ist ein verbreitetes volitionales Defizit insbesondere (aber nicht nur ) bei Studierenden Wichtige Prinzipien direkter Förderung sind kognitive Modellierung, informiertes Training sowie Fading-out Empirische bewährte Methoden indirekter Förderung sind das projektorientierte Lernen sowie Lerntagebücher - Auch hier gilt das Paradox: Handlungsspielräume zunächst einschränken, um letztlich Selbststeuerung zu ermöglichen! 20
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