Interaktion begreifen Interaktions-Modelle

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1 Interaktion begreifen Interaktions-Modelle Kommunikationsparadigmen Mentale Modelle UX BHT Berlin Ilse Schmiedecke 2013

2 Der Modellbegriff Abbild Abstraktion Reduktion Perspektive Strukturierung Idealisierung Alternative Anwendung (Pragmatismus) Beispiele Benutzermodell (Profil, Persona) Kognitionsmodell nach Wickens ACT-Gedächtnismodell schmiedecke 12 HCI 2

3 Modelle in der HCI "Benutzerfreundlichkeit abstrakt" Komplexität vermeiden Schwierigkeiten lokalisieren 3 Aspekte der Interaktion Benutzerrolle Kommunikationsparadigmen Verständnis mentale Modelle Handhabung Handlungsmodelle Mentale Modelle Komplexität und Kohärenz Modell-Inkompatibilitäten Handlungsmodelle Aufwand - intellektuell und manuell / sensorisch dargestellt als "Abstand" (Transformationsdistanz) schmiedecke 08 HCI 3

4 KOMMUNIKATIONSPARADIGMEN: Was erlebt der Nutzer? Der Computer wird auf verschiedenste Weise benutzt: um Musik und Filme abzuspielen um im Internet zu surfen um an Termine und Aufgaben zu erinnern um Telefonverbindungen herzustellen um Adressen zu finden um Bewerbungen zu schreiben um Mails zu senden und zu empfangen um die Buchführung zu machen um Bilder zu bearbeiten um WOW-Abenteuer zu bestehen um Bankgeschäfte zu erledigen um Plakate und Flyer zu gestalten um Fotos zu speichern um zu chatten... schmiedecke 12 HCI 4

5 Kommunikationsparadigmen Paradigma: gebräuchliche Form einer Verrichtung oder Handlung Kommunikation: aber das Gegenüber ist eine Maschine! Kommunikationsparadigmen: In welcher Rolle erlebe ich den Computer? schmiedecke 12 HCI 5

6 Kommunikationsparadigmen Kommunikationsparadigmen: - Computer als Ressource (Arbeitsmittel) Nutzer benutzt und verbraucht Ressource Welche Rolle spielt der Computer? - Computer als Werkzeug (Funktion oder Automat) Nutzer verändert Objekte mithilfe des Werkzeugs - Computer als Kommunikationspartner (Assistent, Partner, Überwacher oder Ausführender) Nutzer kommuniziert mit dem Computer - Computer als Medium (Mittler zur Anwendungswelt) Nutzer erlebt die oder interagiert mit der Anwendungswelt durch den Computer - Computer als Künstliche Realität (der Computer wird unsichtbar) Nutzer bewegt sich in einer künstlichen Welt schmiedecke 12 HCI 6

7 Und was, wenn die Grenzen verwischen... Starfire, the Movie "Julie was looking forward to a good day until Michael O'Connor tried to deep-six her sports car project. Now, only her team, scattered around the world, can save her..." The film, developed in 1992, predicted the explosive growth of the world wide web at a time before graphical web browsers even existed. Starfire: The Directors' Cut explores in candid detail a technological future based on industry cooperation, human-centered design, and the continued presence of bad guys. schmiedecke 12 HCI 7

8 Mentale Modelle MENTALE MODELLE Strukturierte Vorstellungen von einem Gebilde und dessen Verhalten. Alle haben mentale Modelle: Einbrecher Modell vom Verhalten ihrer Opfer Modell von der interessierenden Örtlichkeit Ablaufplan des Einbruchs Schüler Modell vom Verhalten des Lehrers Modell vom Bewertungsschema Modell vom Sympathieschema Plan für den unbeobachteten Spickereinsatz schmiedecke 12 HCI 8

9 Mentale Modelle und Kognition Begriff von Kenneth Craik eingführt: "The Nature of Explanation" 1943 Verstehen Entscheiden Planen Handeln geschieht aufgrund von Vorstellungen, also mentalen Modellen Mentale Modelle bilden die Grundlage der Kognition und der Interaktion schmiedecke 12 HCI 9

10 Vielschichtig Mentale sind schwer fassbar, vielschichtig manchmal "gehen sie nicht auf" M.C.Escher, Treppauf-Treppab (Ausschn Versch. Formalisierungsansätze, z.b Johnson-Laird 1983: schmiedecke 12 HCI 10

11 Kompatibilitätsmodell von Norman Interaktion ist verständnisbasiert Norman modelliert die relative "Richtigkeit" des Verständnisses, nicht das Verständnis selbst (1988) Wer besitzt ein mentales Modell? (im Kontext eines gegebenen Anwendungssystems) Der Systemdesigner (D) Der Benutzer (B) oder (U) Das System (S) Sind die Modelle miteinander kompatibel? schmiedecke 12 HCI 11

12 Abhängigkeiten Mentaler Modelle Alle Modelle beziehen sich auf den Anwendungsbereich (A) "Typische Entstehungsgeschichte": B(A) D(B(A)) D(A) D(S(A)) S(A) B(S(A)) D(B(S(A))) GUI, Fehlermeldungen, Hilfe Inkompatibilitäten zwischen mentalen Modellen führen zu Verständnisproblemen! schmiedecke 12 HCI 12

13 2.3.2 Mentaler Modelle in der Analyse Inkompatibiltäten Und immer wieder kann es krachen" D(A) B(A) D(B(S(A))) B(S(A)) S(A) B(A) S(S(A)) S(A) Und so weiter. schmiedecke 12 HCI 13

14 Inkompatibilitäten: Compiler Fehlermultiplikation durch Korrektur? Beim Compilieren eines Programms gibt es 7 Fehlermeldungen Nach Korrektur der Fehler erscheinen 34 Fehlermeldungen Da stimmt doch etwas nicht. Oder? Grund: Der Compiler arbeitet in mehreren Durchgängen (Pässen) Solange bei einem Durchgang noch Fehler erkannt werden, wird der nächste Durchgang gar nicht gestartet. Inkompatibilität? Abhilfe? schmiedecke 12 HCI 14

15 Inkompatibilitäten: Formatierung Seite im Querformat Du arbeitest in MS Word und markierst eine Seite. Dann selektierst Du Datei>Seite einrichten und wählst das Querformat. Nicht nur die markierte Seite, sondern das gesamte Dokument ist jetzt im Querformat. Grund: Das Dokument ist logisch nicht in Seiten eingeteilt, sondern in Abschnitte. Der Befehl bezieht sich auf den aktuellen Abschnitt. Inkompatibilität? Abhilfe? schmiedecke 12 HCI 15

16 Inkompatibilitäten: Fehlermeldung "Cannot find Main Type" Du programmierst in Java unter eclipse. Beim Versuch, das Programm zu starten meldet eclipse: Cannot find main type Du durchsuchst die Java Dokumentation nach main type" vergeblich. Du erfährst, dass main type eine Klasse mit einer main-methode bezeichnet. Eine solche Klasse ist im Projekt vorhanden! Grund: Die Klasse wird in einem Ordner angezeigt, nicht in einem Paket, d.h. sie wird nicht als Java-Programm betrachtet und deshalb nicht gefunden. Inkompatibilität? Abhilfe? schmiedecke 12 HCI 16

17 Inkompatibilitäten: Ikea-Anleitung Zu wenig Bauteile Als erfahrener Ikea-Kunde zählst du zuerst die Einzelteile. Es sind zu wenig und einige Teile sehen ganz anders aus als auf der Abbildung Grund: einige Teile sind vormontiert. Inkompatibilitäten? Abhilfe? schmiedecke 12 HCI 17

18 Inkompatibilitäten: Adobe Connect-Lernraum Hochladen von Dateien gelingt nicht Du versuchst, vorbereitete Dateien hochzuladen. Der Hochladevorgang wird abgeschlossen Die Dateien sind unauffindbar Grund: Es werden nur wenige Dateitypen angenommen. Inkompatibilität? Abhilfe? schmiedecke 12 HCI 18

19 Verschiedene mentale Modelle 2.3 Mentale Modelle Wir unterscheiden Konstruierte oder konzeptuelle Modelle Gestaltung einer neuen Realität Vorwegnahme oder Planung erworbene Modelle ermöglichen den Umgang mit der Realität werden durch Lernen erweitert und korrigiert schmiedecke 12 HCI 19

20 Entstehung Mentaler Modelle: Erworben oder konzipiert? B(A) D(B(A)) D(A) D(S(A)) S(A) B(S(A)) D(B(S(A))) Mentale Modelle entstehen durch Lernen und Erfahrung - erworbene Modelle Konstruktion und Entwurf - konzeptuelle Modelle Usability-Aufgabe Konzeptuelle Modelle kompatibel zu initialen Modellen der Benutzer entwickeln Konzeptuelle Modelle dem Benutzer kommunizieren schmiedecke 12 HCI 20

21 Kommunikation des konzeptuellen Modells Explizite Kommunikation: Tutorials Hilfetexte Erste Schritte Implizite Kommunikation Durch das User Interface!

22 Das konzeptuelle Modell darlegen? Modelle sind schwer fassbar schwer darlegbar Explizite Darlegeung trotzdem erforderlich Für den Entwurfsprozess Für die Verifikation Für die Evaluation Pragmatischer Ansatz für das konzeptuelle Modell Es lassen sich nicht alle Aspekte darlegen, deshalb Beschränkung auf: Objekt- und Beziehungsstruktur der zugrundeliegenden Logik (vgl. Klassenmodell) Metaphern (vor allem für die Abbildung der Realität auf das IT-System) Album, Lesezeichen, Papierkorb... Gern auch mit bildhafter Darstellung als Icon

23 Beispiele konzeptueller Modelle Excel / Visicalc Metapher: Kontenblatt, Buchhaltung Modell: Tabelle, Spalte, Zeile, Zelle, Bezüge Browser Metaphern: Stöbern, Reisen, Navigieren Modell URL, Seite, Link, Pfad Fotogalerie Metaphern: Foto(abzug), Album, Standort/Regal Diashow, Collage, Fotobuch nicht: Film Modell Foto, Album, Rechte Metaphorische Aktionen Rechtevergabe: Schlüssel weitergeben, in privaten Raum stellen schmiedecke 12 HCI 23

24 Beispiel: Mentale Modelle eines Organizers B(A) D(B(A)) D(A) D(S(A)) D(B(S(A))) Der Anwender kennt Taschenkalender, Wandkalender Designer listet alle interaktiven Funktionen auf (und vergisst Feiertage, Schulferien, Bestätigt -Kürzel) Designer beschreibt reduzierte Fachlogik Monate, Wochen, Tage, Viertelstunden, Termine von-bis, wiederholbar Erinnerungsfunktion Metaphern für die Detaillierung: - Zoom passt nicht (evtl. Viertelstunden) - Kalendersichten (Teile des Taschenkalenders) - Blättern - Bändchen für heute besser verbal: HEUTE

25 Metaphern? Konzeptuelle Modelle Eigentlich kommen wir ohne Metaphern nicht aus... Metaphern im Interaktionsentwurf wurden vielfach kritisiert: zu einschränkend man bricht zwangsläufig anerkannte Regeln (Papierkorb auf dem Schreibtisch) dominieren das Design schränken die Phantasie von Designern und Nutzern ein. Aber: Metaphern funktionieren wie Witze: nur die Pointe muss passen z.b. "Zahn der Zeit" Karies ist nicht zu befürchten... Gute Metaphern sind oft der Schlüssel zu einem guten Konzeptuellen Modell! schmiedecke 12 HCI 25

26 Darlegung eines Konzeptuellen Modells: Konzeptuelle Modelle 1. Konzepte: Liste der zentralen Begriffe und ihrer Bedeutung. (Objekte, Operationen, Regeln) 2. Beziehungen zwischen den Konzepten Spezialisierungen, Generalisierungen, Enthaltensein, Regeln und Einschränkungen, Relative Wichtigkeit. 3. Metaphern und Analogien: Welche Metaphern werden benutzt, um dem Benutzer das System verständlich zu machen? Abbildungen (math.): Wie hängen die Konzepte mit den Metaphern zusammen? schmiedecke 12 HCI 26

27 Beispiel: Web Browser Konzeptuelle Modelle 1. Konzepte: URLs, Webseiten, Links, History, Seite aufrufen Speichern von URLs, organisieren in Ordnern 2. Beziehungen zwischen den Konzepten URL ermöglicht Seitenaufruf Seite enthält Links Link verweist auf URL History enthält URL Ordner enthält Ordner und gespeicherte URLs Gut als eine Art Klassendiagramm darstellbar 3. Metaphern und Analogien: Hauptmetapher: Stöbern, Erforschen (Hinweisen folgen), Navigieren Analogie: Erkundungsreise, Schaufensterbummel, Lexikonsuche Weitere Metapher: Adresse, Ziel, Lesezeichen 4. Abbildungen Stöbern, erforschen, navigieren entsprechen Seitenaufrufen anhand von Links Erfassen hat Bezug zum Speichern von URLs als History oder Lesezeichen Adresse, Ziel - entsprechen URL / Link Lesezeichen entspricht gespeicherter und benannter URL schmiedecke 12 HCI 27

28 2.3.1 Konzeptuelle Modelle Konzeptuelles Modell als Arbeitsgrundlage Das konzeptuelle Modell bildet die Grundlage des Interaktionsentwurfs bildet die Grundlage für das Benutzerverständnis bildet den Kommunikationskontext für Fehlermeldungen und Hilfetexte Ein gutes konzeptuelles Modell hat wenige und benutzernahe Konzepte und Metaphern klare Beziehungen zwischen den Konzepten mit möglichst wenigen Ausnahmen ist erweiterbar in der voraussichtlichen Entwicklungsrichtung Q Die Qualität des konzeptuellen Modells ist entscheidend für die Gebrauchstauglichkeit der Benutzerschnittstelle! schmiedecke 12 HCI 28

29 Gut kommunizierenden UIs UI Kriterien der HCI-Forschungsgruppe der IBM (1992) für UIs, die das Verständnis des Users, also die Bildung des mentalen Modells, unterstützen Einfachheit Vertrautheit - ähnlich anderen Anwendungen Verfügbarkeit - der Infos durch Recognition Flexibilität - so wenig Vorschriften wie möglich Feedback Sicherheit - vor Folgen von Fehlern: Undo Affordanz

30 Das waren die Mentalen Modelle......weiter geht es mit Handlungsmodellen und wie man Benutzer durchschauen lernt. schmiedecke 12 HCI 30