Persönliche Budgets im Rahmen des Projekts BUDI - Hintergrund, Möglichkeiten, Probleme -
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- Reinhardt Sauer
- vor 8 Jahren
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1 Persönliche Budgets im Rahmen des Projekts BUDI - Hintergrund, Möglichkeiten, Probleme - Hintergrund Ein Persönliches Budget ist eine Form der Finanzierung von behinderungsbezogenen Hilfen, die in ihrer jetzigen Form 2004 im SGB IX ( 17) verankert wurde. Diese ähnelt Instrumenten, die in anderen europäischen Staaten bereits etabliert sind. 1 - Über ein Persönliches Budget zu verfügen bedeutet, behinderungsbezogene Leistungen, auf die man nach dem Sozialgesetz einen Anspruch hat, als Geldbetrag zu erhalten und geeignete Leistungserbringer selbst zu bezahlen. Dies bezieht sich nicht nur, aber auch auf Assistenzleistungen. Der Umfang eines Budgets soll sich an einem festgestellten Hilfebedarf orientieren, allerdings sind Stundensätze, Vergütungen usw. lokal sehr unterschiedlich. Als Teil des jeweiligen sozialrechtlichen Bewilligungsbescheids werden in einer sogenannten Zielvereinbarung Höhe, Nutzungsbedingungen sowie Kündigungs- und Kontrollmodalitäten des Budgets festgelegt. Laut Koalitionsvertrag der CDU-SPD-Regierung hat die Umsetzung der Einführung des Persönlichen Budgets einen zentralen Stellenwert 2 in der laufenden Legislaturperiode. Im Namen der (ehemaligen) Bundesregierung äußerte Rainer Wilmerstadt (2003) die Hoffnung, einem Kostenanstieg in der Eingliederungshilfe könne effizient entgegen gewirkt werden, wenn es gelinge, den Ausbau stationärer Strukturen signifikant zu beeinflussen und längerfristig stationäre Strukturen abzubauen. 3 Neben Mittelkürzung geht es Leonhard Hajen zufolge um die Einführung sog. Neuer Steuerungsmechanismen in die Verwaltung. 4 Zu deren Instrumenten zählen Zielvereinbarungen und Globalbudgets, über deren Einsatz die Nutzenden selbst entscheiden können und müssen. Damit kann nicht nur Verwaltungsarbeit an die Leistungsbeziehenden delegiert, sondern potenziell auch deren Handlungsweise in Richtung sparsamem bzw. restriktivem Ressourceneinsatz beeinflusst werden. Behindertenverbände und Selbsthilfeorganisationen versprechen sich von der Einführung und Anwendung Persönlicher Budgets größere 1 S. Schmidt, Nina (2005): Das Persönliche Budget. Mehr Selbstbestimmung und Teilhabe für Menschen mit einer Behinderung oder eine neue Form der Einsparpolitik? Oldenburg 2 S Wilmerstadt, Rainer (2003): Das Persönliche Budget für Menschen mit Behinderung aus Sicht der Bundesregierung. 4 Hajen, Leonhard (2001): Persönliche Budgets in der Behindertenpolitik.
2 Selbstbestimmungsmöglichkeiten für die Budgetberechtigten, in dem diese mit der Geldleistung zwischen den Kostenträger (z.b. das Sozialamt) und den Leistungserbringer treten. In Städten und Regionen, in denen einerseits Modellprojekte zum Persönlichen Budget durchgeführt wurden, andererseits starke Selbsthilfeorganisationen vertreten sind, konnten mit diesem neuen sozialpolitischen Instrument gute Erfahrungen gemacht werden. Im Leistungsbereich Hilfe zur Pflege ist hier zum einen der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zu nennen, im Bereich Arbeitsförderung und Teilhabe am Arbeitsleben Rheinland-Pfalz und die Hansestadt Hamburg. Insgesamt sieht jedoch die bundesweite Zwischenbilanz eher ernüchternd aus. Gudrun Wansing, befasst mit der offiziellen wissenschaftlichen Begleitforschung, berichtete auf der Veranstaltung zur Budgettour der Bundesbehindertenbeauftragten am in Berlin, dass es bundesweit lediglich 22 Budgets gibt, an denen die Agentur für Arbeit beteiligt ist; die Mehrzahl wurde in Hamburg bewilligt, nur eines ist trägerübergreifend. Die durchschnittliche Umfang aller Budgets beträgt lediglich 925, der Median 5 liegt bei Frau Meergarten, Vertreterin der Regionaldirektion Berlin- Brandenburg der Agentur für Arbeit, erklärte auf der selben Veranstaltung, in Brandenburg gebe es lediglich ein Persönliches Budget für Arbeit. Eine Handlungsempfehlung der Bundesagentur zugunsten Persönlicher Budgets ist durch die Behörde selbst bisher offenbar kaum umgesetzt worden. 7 Persönliche Budgets im Rahmen von BUDI Im Rahmen des EQUAL-Projekts Budgetberatung und individuelle Berufswegeplanung (BUDI) an der Regine-Hildebrandt-Schule (RHS) wurde die Beantragung von drei Persönliche Budgets vorbereitet bzw. begleitet. Zwei Klienten waren Schulabgänger der RHS, ein Klient wurde uns durch unser Partnerprojekt Intransal vermittelt; dieser hatte nach einem Unfall sein Studium abbrechen müssen und strebte nun eine Teilqualifizierung als 5 Median (oder Zentralwert) bezeichnet eine Grenze zwischen zwei Hälften. In der Statistik halbiert der Median eine Stichprobe. 6 Gudrun Wansing (2007): Selbstbestimmt Leben: Persönliches Budget Erfahrungen und Bewertungen (unveröffentlichtes Folienmanuskript). Siehe auch Bericht der Bundesregierung über die Ausführung der Leistungen des Persönlichen Budgets nach 17 SGB IX ( ) Berufsberatung/Dokument/HEGA AI-Reha-Persoenliches-Budget.html
3 Alternative zum Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) an. Das erste Budget wurde von einem muskelkranken jungen Mann nachgefragt, der die RHS mit dem Abitur abgeschlossen hatte und nun ein Studium aufnehmen wollte. Das Budget sollte Studienassistenz, Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe für einen Bedarf für 24 Stunden am Tag umfassen. Der Bedarf wurde mit Hilfe eines detaillierten Pflegeprotokolls erfasst. Um Informationen über die lokale Bewilligungspraxis und das Finanzvolumen einer vergleichbaren Sachleistung zu erhalten sowie die spätere Begleitung des Budgets zu gewährleisten, wurde unter anderem Kontakt mit einem Zentrum für Selbstbestimmtes Leben (ZSL) am künftigen Studienort des Bewerbers aufgenommen. Da die Stadt nicht Teil eines Modellprojekts war, lagen bezüglich Persönlicher Budgets bei der örtlichen Sozialverwaltung keinerlei Erfahrungen vor. Kurzfristig entschied sich der Klient, in einer anderen Stadt zu studieren, wo er als Bewohner eines Studierendenwohnheims die notwendigen Leistungen ohne Persönliches Budget erhalten kann. Es ist zu vermuten, dass der Klient damit auch den Schwierigkeiten, die mit dem Budget i.d.r. verbunden sind, vermeiden wollte. Eine spätere telefonische Nachfrage ergab, dass der Klient mit seiner jetzigen Lebens- und Assistenzsituation zufrieden ist. Auch die zweite Klientin ist Abiturientin der RHS und Studienanfängerin. Sie hat ebenfalls einen täglichen Hilfebedarf von 24 Stunden, der auch von den Behörden anerkannt wurde. Allerdings liegt die bewilligte Geldleistung viel zu niedrig, um den Bedarf durch legale und zuverlässige Arbeitsverhältnisse abzudecken. Der kommunale Sozialhilfeträger legte der Klientin den Einzug in ein Behindertenwohnheim bzw. ein Fernstudium nahe. Die junge Frau hat gegen den Bescheid Rechtsmittel eingelegt. Das Verfahren dauert noch an. Zu ihrer Unterstützung konnte vor Ort eine erfahrene behinderte Arbeitgeberin gewonnen werden. Unsere Projektmitarbeiterin, die das Antragsverfahren mit initiiert, ist ebenfalls involviert. Das dritte Budget betrifft die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme der Berufsbildung nach 103 SGB III und ist das einzige seiner Art in Brandenburg. Modell dafür stand ein ähnliches Budget aus Sachsen. Der junge Mann mit Lernschwierigkeiten, dem ein Budget von knapp 1000 monatlich bewilligt wurde, arbeitet in einem Autohaus als Lagerhelfer. Die Module der entsprechenden Teilqualifikationen nach einem Vorbild aus Baden-Württemberg wurde auf unser Anraten hin durch die IHK Brandenburg
4 zertifiziert. Ein Jobcoaching, das wir empfahlen, wurde durch die Mutter des jungen Mannes nicht beantragt, weil der Betrieb sich dazu ablehnend geäußert hatte. Die Mutter teilte uns mit, dass das Budget dennoch bewilligt wurde, der Umfang entspricht dem Kostensatz der örtlichen Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM). Ungefähr die Hälfte des Betrags geht an den Ausbildungsbetrieb, die andere Hälfte an den gemeinnützigen Bildungsträger, der die theoretische Ausbildung übernimmt. Leider riss der Kontakt zu den Klienten nach der Budgetbewilligung weitgehend ab. Unser Vorschlag, eine Erhöhung des Budgets um eine Ausbildungsbeihilfe nach 104 SGB III zu beantragen, wurde unseres Wissens nicht umgesetzt. Ein Telefonat mit dem Bildungsträger ergab, das Jobcoaching nun doch als notwendig angesehen wird. Hindernisse bei der Einführung Persönlicher Budgets Nach unseren Erfahrungen gibt es eine Reihe von möglichst zu beseitigenden Problemen, die die Umsetzung Persönlicher Budgets bisher behindern. 1. Trotz der günstigen Handlungsempfehlungen informieren Mitarbeiter der Arbeitsagenturen ihre Klienten nicht über die Möglichkeiten eines Budgets und ermutigen sie nicht zu einer Beantragung. 2. Die psychologischen und medizinischen Tests der Arbeitsagentur werden unter unfairen Bedingungen, nämlich ohne Assistenz und Jobcoaching absolviert. Sie begründen eine Überweisung an ein Berufsbildungswerk oder eine WfbM. Die Kriterien für gleichwertige Alternativangebote sind unklar. 3. Im Land Brandenburg fehlen Bildungseinrichtungen, die insbesondere für Körper- und Mehrfachbehinderte eine Alternative zu Berufsbildungswerken (BBW) und WfbM bieten. Daher ist für die Klienten nicht einsichtig, welchen Vorteil sie durch ein Budget haben sollen. 4. Jobcoaching ist eine Kann-Leistung für Lernbehinderte, die auf Grundlage der Schwerbehindertenausgleichsabgabe finanziert wird. Arbeitsassistenz nach SGB IX wird den Empfehlungen der Integrationsämter zufolge i.d.r. nur Körperbehinderten bewilligt, obwohl dies im Gesetz nicht so vorgesehen ist. 8 Jobcoaching bzw. Arbeitsassistenz ist aber bei den meisten Fällen, in denen ein Budget für Arbeit sinnvoll wäre, notwendig. 8
5 5. Es fehlt eine Finanzierung von Budgetunterstützung sowie von unabhängiger und langfristiger Beratung durch das SGB. Beratung und Unterstützung aber sind insbesondere in der Anfangsphase der Budgets unabdingbar. 6. Problematisch ist die Festlegung im 17 SGB IX die Budgethöhe dürfe die Kosten aller bisher individuell festgestellten [ ] Leistungen nicht überschreiten. Die Sätze ambulanter oder stationärer Institutionen beruhen i.d.r. auf Mischkalkulationen. Angenommen, der monatliche Satz einer Institution sei Person 1 benötigt als Sachleistung real 800, Person 2 aber Wenn ein Budget 1000 nicht überschreiten darf, ist Person 2 hier klar benachteiligt. 7. Es besteht kaum Kostentransparenz, d.h. es ist kaum zu erfahren, was Plätze in Wohnheimen, BBWs und WfbMs tatsächlich in vollem Umfang kosten. Dies zu wissen ist jedoch notwendig, wenn man zur Berechnung von Budgets realistische Vergleichsgrößen heranziehen will. 8. Die Absolventinnen und Absolventen alternativer Bildungsmaßnahmen bzw. Beziehenden von Budgets sind gegenüber den WfbM-Mitgliedern benachteiligt, weil sie nicht in gleicher Weise Mittel für Beiträge zur Sozial- und Rentenversicherung erhalten. 9. Problematisch ist schließlich auch die Sparmentalität einzelner Kostenträger. So hat z.b. ein Sozialamt versucht, zur Abdeckung einer Schulassistenz an der RHS einen Ein-Euro-Jobber heranzuziehen. Im Ergebnis war die Assistenz unzuverlässig und unprofessionell, und die Person musste durch eine bezahlte Kraft ersetzt werden. Um die genannten Probleme zu überwinden und die Selbstbestimmungspotenziale Persönlicher Budgets zu entfalten, muss es aus unserer Sicht Initiativen von oben (entsprechende Gesetzgebung, Ausführungsbestimmungen und Verwaltungsvorschriften) und von unten (Beratung und Lobbying durch Selbsthilfeorganisationen sowie Behinderten- und Sozialverbände) geben. Ab dem ist das Persönliche Budget eine reguläre Leistung. Dann gibt es für solche Initiativen reichlich Gelegenheit und Bedarf. Die Zeit drängt. Michael Zander, (Mitarbeiter des Projekts BUDI - Budget-Empowerment und ITP in Birkenwerder, Land Brandenburg)
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