Trojanisches Pferd Versorgungsstärkungsgesetz
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- Detlef Hofer
- vor 8 Jahren
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1 Pressekonferenz am 4. März 2015 Trojanisches Pferd Versorgungsstärkungsgesetz Statement von Dr. Andreas Gassen Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Es gilt das gesprochene Wort.)
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3 Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen heute nicht über die Griechen reden. Irgendwie aber doch. Denn das sogenannte Versorgungsstärkungsgesetz (VSG) ist aus unserer Sicht ein trojanisches Pferd. Herr Minister Gröhe verkauft es als eine Art Geschenk, welches die Versorgung der Patienten noch besser machen soll, wie er nicht müde wird zu betonen. Tatsächlich birgt dieses Geschenk aus unserer Sicht aber die Gefahr, die jetzigen Strukturen der ambulanten wohnortnahen Versorgung in Deutschland zu schädigen, wenn nicht gar zu zerstören. Dies können und wollen wir als Vertreter der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten, also derjenigen, die das Rückgrat dieser Versorgung bilden, nicht einfach geschehen lassen. Deshalb fällt uns die Rolle der Kassandra zu, die in der griechischen Mythologie die Trojaner warnte, dass das Geschenk der Griechen Unheil bringen werde was dann ja auch geschah. Wir nutzen dafür auch unsere Kampagne Wir arbeiten für Ihr Leben gern, die bereits seit April 2013 läuft. Diese Kampagne sollte ursprünglich nicht im engeren Sinn politisch sein. Sie sollte den Beruf des niedergelassenen Arztes bzw. Psychotherapeuten darstellen und dabei die Aspekte betonen, die die Menschen an ihrem Arzt oder Psychotherapeuten besonders schätzen. Das Problem ist, dass das Engagement für die Patienten, welches in der Kampagne zum Ausdruck kommt, durch das Gesetzesvorhaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) leider nicht gestärkt, sondern viel eher untergraben wird. Deshalb sehen wir uns gezwungen, öffentlich auf die drohenden Folgen aufmerksam zu machen. Dazu nutzen wir die laufende Kampagne. Es wurde kein zusätzliches Geld, etwa für die Anzeigen oder Plakate, aufgewendet alles geschieht im Rahmen der ohnehin für fünf Jahre geplanten Kampagne vorgesehenen Mittel. Dass wir die Kampagne politisch stärker zuspitzen, hat die Vertreterversammlung der KBV im Dezember 2014 beschlossen. Damals lag gerade der Referentenentwurf für das VSG vor. Und schon dieser gab viel Anlass zur Kritik. Leider hat sich das mit dem jetzt vorliegenden Regierungsentwurf kaum geändert. Zwar haben die Länder eine Reihe von Änderungen angemahnt, die aus unserer Sicht in die richtige Rich- 3
4 tung gingen. Aber die Bundesregierung hat fast alle diese Vorschläge abgeschmettert und erklärt, das Gesetz sei nicht auf die Zustimmung des Bundesrates angewiesen. Was ist nun unser Problem mit dem VSG? Es sind nicht alleine die vielzitierten Terminservicestellen oder die drohenden Praxisschließungen in angeblich überversorgten Gebieten. Es ist der allgemeine Duktus dieses Gesetzes, der da lautet: Wozu brauchen wir noch die Praxis um die Ecke, wenn wir die Patienten genauso gut in zentral organisierten Versorgungseinheiten wie Krankenhäusern oder MVZ behandeln können? Wozu brauchen wir noch eine Praxis auf dem Land, wenn die Patienten ins Kreiskrankenhaus fahren können? Wozu bedarf es noch freiberuflicher Ärzte in eigener Praxis, wenn auch angestellte Ärzte die Patienten versorgen können? Herr Minister Gröhe begründet dies gerne damit, dass die jungen Ärzte in Zukunft ohnehin viel lieber angestellt arbeiten wollen. Insofern reagiere die Politik mit dem Gesetz doch nur auf deren Bedürfnisse. Hier verkennt die Politik aber Ursache und Wirkung! Es ist eben nicht so, dass alle jungen Ärzte nur noch angestellt arbeiten möchten und sich gar nicht mehr für eine eigene Praxis interessieren. Das wissen wir aus zahlreichen Rückmeldungen und Gesprächen. Fragen Sie junge Leute doch mal, warum sie Medizin studieren? Warum nehmen viele dafür sogar lange Wartezeiten auf einen Studienplatz in Kauf? Doch nicht, um hinterher in einer anonymen Gesundheitsfabrik Patienten abzuarbeiten wie der Fließbandarbeiter ein Werkstück. Genau das ist es doch, was so viele Nachwuchsmediziner am Krankenhaus stört und was sie für die Zukunft eben nicht möchten. Sie wollen nicht in hierarchischen Strukturen gefangen sein. Sie wollen eigene Therapieentscheidungen entwickeln und umsetzen. Sie wollen eine persönliche Beziehung zu ihren Patienten aufbauen, um sie damit letztendlich auch besser behandeln zu können. Dieser Wunsch hat sich in der Zeit, die ich überblicke, nie geändert. Deswegen verkörpert die Niederlassung, wo all das viel eher möglich ist, für viele Nachwuchsmediziner viel eher die Idealvorstellung vom 4
5 Arztberuf. Was sie davon abhält und verunsichert, sind die Rahmenbedingungen, in denen die Niedergelassenen sich zunehmend wiederfinden. Der Gesetzgeber mit seinen Plänen tut hier ein Übriges. Statt die Freiberuflichkeit zu stärken wie es ja der erklärte Wille im Koalitionsvertrag war sendet er die Botschaft an die Praxen: Ihr seid ersetzbar. Wenn sich dann junge Kollegen nicht mehr niederlassen, heißt es, das habe man ja gewusst. Wie gesagt: Hier verwechselt Politik Ursache und Wirkung! Statt eines Praxen-Verdrängungsprogramms bedarf es endlich konkreter Maßnahmen, um die ambulanten Strukturen zu stärken. Dazu gehören feste Preise für ärztliche Leistungen, eine bessere Berücksichtigung der sogenannten Zuwendungsmedizin also nicht technischer Anteile, Bürokratieabbau in den Praxen und weniger Einfluss der Krankenkassen auf Therapieentscheidungen. Unter dem Dach unserer Ärzte-Kampagne machen wir seit letztem Jahr auch eine Kampagne für Medizinstudenten, um sie für die Niederlassung zu begeistern. Wie sollen wir das glaubwürdig rüberbringen, wenn wir gleichzeitig dabei zusehen, wie die Niederlassung unsicher und die inhabergeführte Praxis von der Politik eher als Auslaufmodell betrachtet wird? Die inhabergeführten Einzel- und Gemeinschaftspraxen sind das Rückgrat der Gesundheitsversorgung unserer Patienten und die Ursache für die enorme Leistungsfähigkeit unseres Systems. Das VSG aber torpediert die Bemühungen der Ärzteschaft, dieses System zu erhalten und den fehlenden Nachwuchs für die Arbeit in der Praxis zu motivieren! Natürlich gibt es auch junge Ärzte, die ein Angestelltenverhältnis bevorzugen. Und auch für die muss man etwas tun. Aber es wäre falsch, davon auszugehen, dass das allein die Zukunft des Gesundheitswesens in Deutschland ist. Wenn das so sein sollte, dann kann sich Deutschland von der Versorgung, wie es sie heute kennt und schätzt, verabschieden! Und deshalb hält dieses Versorgungsstärkungsgesetz aus Sicht der Vertragsärzte und -psychotherapeuten leider nicht das, was es verspricht, sondern wird sich als trojanisches Pferd entpuppen. 5
6 Wir hoffen, dass es uns nicht so geht wie Kassandra, die mit ihren Vorhersagen zwar stets Recht hatte, aber nie gehört wurde. 6
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