Die grenzüberschreitende Verfolgung insolvenzspezifischer Ansprüche durch eine deutsche Insolvenzmasse in der Schweiz
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- Lieselotte Kraus
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1 Die grenzüberschreitende Verfolgung insolvenzspezifischer Ansprüche durch eine deutsche Insolvenzmasse in der Schweiz von Rechtsanwalt Dr. Thomas Krüger I. Ausgangslage Nach dem im Deutschen Insolvenzrecht geltenden Universalitätsprinzip unterfällt grundsätzlich nicht nur das Vermögen eines Schuldners im Inland der Insolvenzmasse, sondern ebenso sein gesamtes Auslandsvermögen. Auch das Zwangsvollstreckungsund Konkursrecht der Schweiz, geregelt im Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG), enthält Ansätze des Universalitätsprinzips, wie sich aus Art. 197 Abs. 1 SchKG ergibt. Diese Vorschrift ordnet an, dass sämtliches pfändbare Vermögen des Konkursschuldners gleichviel wo es sich befindet, eine einzige Masse bildet und das auch die im Ausland liegenden Vermögensstücke in das inländische Inventar aufzunehmen sind, und zwar ohne Rücksicht auf die Möglichkeit ihrer tatsächlichen Einbeziehung in die Masse. Ebenso wie im deutschen Insolvenzrecht, in dem Art. 102 Abs. 3 EGInsO die Durchführung eines Sekundärinsolvenzverfahrens nur über das im Inland belegene Vermögen eines ausländischen Insolvenzschuldners vorbehält, gilt jedoch auch im schweizerischen Konkursrecht das Universalitätsprinzip nicht uneingeschränkt. So eröffnet die Vorschrift der Art. 271 Ziff. 4, 52 SchKG auch im Falle eines im Ausland wohnhaften Schuldners mit Vermögen in der Schweiz die Arrestierung und Konkursbetreibung am Ort des belegenen Vermögens. Unabhängig von der Frage, ob ein deutscher Titel im Ausland durchgesetzt werden kann oder nicht, ist der deutsche Insolvenzverwalter entsprechend seiner Verpflichtung zu einer bestmöglichen Masseverwertung daher gehalten, Anstrengungen zu unternehmen, auch das Auslandsvermögen des Schuldners zur Masse zu ziehen. Neben beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie Immaterialgüterrechten gehören auch Forderungen, hierunter auch insolvenzspezifische Ansprüche, zur Insolvenzmasse. Namentlich unterfallen der Insolvenzmasse auch solche Ansprüche, die sich aus der unzulässigen Rückgewähr eigenkapitalersetzender Leistungen oder der verspäteten Insolvenzantragstellung durch das Organ einer juristischen Person ergeben.
2 - 2 - Der deutsche Insolvenzverwalter ist demgemäß befugt und aufgrund der Verwaltungsund Verwertungsverpflichtung, die sich für ihn aus 159 InsO ergibt, auch verpflichtet, unter anderem diese insolvenzspezifischen Forderungen geltend zu machen und zwar entsprechend dem Universalitätsprinzip ungeachtet dessen, wo sich der fragliche Vermögensgegenstand oder der Anspruchsgegner befinden. Will eine deutsche Insolvenzmasse Ansprüche verfolgen, die sich gegen einen Anspruchsgegner mit Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz richten, so ist zunächst die Frage nach denjenigen Kollisionsnormen gestellt, die den haftungsrechtlichen Zugriff einer deutschen Insolvenzverwaltung auf in der Schweiz befindliches Vermögen oder dort wohnhafte Schuldner des Gemeinschuldners regeln. III. Multilaterale und bilaterale Abkommen Für die Beantwortung dieser Frage sind im europäischen Raum mehrere multilaterale Abkommen von Interesse, die sich entweder mit der gerichtlichen Zuständigkeit und der Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen oder aber explizit mit dem grenzüberschreitenden Insolvenzrecht befassen. Es sind dies das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ), das Lugano-Übereinkommen (LugÜbk) sowie das Istanbul- Übereinkommen und schließlich die Europäische Verordnung über Insolvenzverfahren (EuInsVO). Neben diesen multilateralen Abkommen im europäischen Raum finden sich im schweizerisch-deutschen Verhältnis in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschiedene staatsvertragliche Regelungen zum Zweck der Wirkungserstreckung von Inlandskonkursen auf das Gebiet der anderen Vertragspartei. Hierbei handelt es sich um den Vertrag zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft mit Ausnahme des Kantons Schwyz und dem Großherzogtum Baden vom 07./ , die Übereinkunft zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft mit Ausnahme der Kantone Schwyz und Neunburg und der Krone Württemberg betreffend die Konkursverhältnisse und gleiche Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom / , die Übereinkunft zwischen einigen schweizerischen Kantonen mit Ausnahme der Kantone Schwyz und Appenzell-Innerrhoden und dem Königreich
3 - 3 - Bayern über gleichmäßige Behandlung der gegenseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom / und die Übereinkunft zwischen den schweizerischen Kantonen einerseits und dem Königreich Sachsen andererseits über gleichmäßige Behandlung der gegenseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen von Zu nennen sind weiter der Vertrag zwischen dem Fürstentum von Hohenzollern-Hechingen und dem Kanton Zürich über gegenseitige Rechte bei Konkursfällen von 1816, der Konkursrechtsvertrag zwischen dem Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen und dem Kanton St. Gallen von 1819 sowie schließlich die Verständigung zwischen der Hansestadt Hamburg und dem Kanton St. Gallen über gegenseitige Verzichtsleistungen auf Arrestlegung in Konkursfällen. Trotz dieser scheinbaren Fülle möglicher Kollisionsnormen eröffnet keines der bilateralen oder multilateralen Abkommen eine direkte Zugriffsmöglichkeit des deutschen Insolvenzverwalters auf in der Schweiz belegenes Vermögen. Die multilateralen Abkommen EuGVÜ und LugÜbk nämlich sind auf Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren sowie die in unmittelbarem Zusammenhang mit solchen Verfahren stehenden Streitigkeiten nicht anwendbar. Das Istanbul-Übereinkommen sowie die EuInsVO, die beide entsprechende Regelungen bereit hielten, sind nicht in geltendes Recht erwachsen oder gelten nicht für die Schweiz. Von den auf dem Gebiet des Konkursrechts im 19. Jahrhundert geschlossenen bilateralen Staatsverträgen wurde der Vertrag mit Baden im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben und ist seit dem außer Kraft. Die Verträge mit den beiden Fürstentümern Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Siegmaringen sind durch den Verlust der Souveränität der beiden Fürstentümer untergegangen, als diese 1849 an Preußen gelangten. Der Vertrag zwischen dem Kanton St. Gallen und der Hansestadt Hamburg ist infolge der völligen Gebietsumgestaltung des Stadtstaates Hamburg im Jahr 1937 sowie der Ausdehnung des hanseatischen Rechts auf die neuen Gemeindeteile außer Kraft getreten. Auch von einer Fortwirkung des Vertrages mit dem früheren Königreich Sachsen wird allgemein nicht ausgegangen, wobei jener Vertrag heute ohnehin inhaltlich obsolet wäre, da er lediglich das zwischenzeitlich selbstverständliche Gebot der persönlichen und vermögensmäßigen Gleichbehandlung der beiderseitigen Staatsangehörigkeiten enthält. Auch die allgemein noch als fortgeltend angesehen Verträge der Eidgenossenschaft mit der Krone Württemberg und dem Königreich Bayern hindern die Durchführung eines eigenen Konkursverfahrens nach den Regelungen der Artikel 166 ff IPRG nicht.
4 - 4 - Das Deutsch-Schweizerische Abkommen vom schließlich ist ebenfalls auf Konkurssachen und Konkursstreitigkeiten nicht anwendbar. III. Die Regelungen des IPRG Nach alledem können sich diejenigen Kollisionsnormen, die die Befugnisse einer ausländischen Konkursmasse in der Schweiz regeln, lediglich noch aus den schweizerischen Vorschriften bezüglich des internationalen Privatrechts selbst ergeben. Das schweizerische Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom (IPRG) enthält für die Schweiz eine systematische und in sich geschlossene Ordnung der direkten und indirekten Zuständigkeiten für den Bereich des internationalen Privatrechts. Der Hauptschwerpunkt der Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit befindet sich in den einzelnen Sachkapiteln des IPRG. Dort werden für die einzelnen Klagebedürfnisse des Personen-, Ehe- und Kindesrechts, des Erb-, Sachen- und Schuldrechts gezielt Regeln über die internationale Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte und Behörden vorgesehen. Die Regelungen des IPRG zum Konkursrecht im 11. Kapitel mit den Artikel 166 bis 175 IPRG beruhen im wesentlichen auf den Prinzipien der Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets, der Realisierung der in der Schweiz gelegenen Vermögensgegenstände und deren Auslieferung an die ausländische Konkursverwaltung. Die Auslieferung der Vermögensgegenstände unterliegt jedoch gewissen Einschränkungen. Einerseits muss zunächst die Befriedigung der pfandgesicherten und bestimmter privilegierter Gläubigergruppen sichergestellt sein, zum anderen muss gewährleistet sein, dass der im Ausland erstellte Verteilungsplan den schweizerischen Vorstellungen der Gläubigerbehandlung im Konkurs nicht gänzlich zuwider läuft. Das Gesetz hält am Prinzip der Territorialität des Konkurses fest, das jedoch in wichtigen Punkten eine Auflockerung erfährt. Die Durchführung des Konkurses und die Abwicklung des Liquidationsverfahrens vollziehen sich grundsätzlich nach schweizerischem Recht, doch werden mit der Anerkennung des ausländischen Konkurseröffnungsbeschlusses die Voraussetzungen für eine zwischenstaatliche Kooperation geschaffen.
5 - 5 - Die zentrale Vorschrift des 11. Kapitels des IPRG ist Artikel 166 Abs. 1 IPRG, wonach ein ausländisches Konkursdekret in der Schweiz unter ähnlichen Voraussetzungen anerkannt und für vollstreckbar erklärt wird wie ein ausländisches Urteil. Die Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets ebnet sodann nach Artikel 170 Abs. 1 IPRG den Weg zur Eröffnung des IPRG-Konkursverfahrens mit der Folge, dass für die in der Schweiz gelegenen Vermögenswerte des Schuldners die konkursrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts eingreifen. Vom IPRG-Konkurs in der Schweiz sollen alle dort liegenden oder dort greifbaren Vermögenswerte des Hauptschuldners erfasst und zur Masse dieses Verfahrens gezogen werden, wie sich aus Artikel 170 Abs. 1 IPRG ergibt. Demgemäß werden die Vermögenswerte des Schuldners mit der Eröffnung des IPRG-Konkurses vom Konkursbeschlag erfasst, Artikel 197 SchKG, und zu Gunsten der in Artikel 208 ff SchKG erwähnten Gläubiger einem Verfahren nach Artikel 221 ff SchKG unterworfen. Für dieses Verfahren gelten die Bestimmungen des SchKG, soweit sich nicht aus den Artikeln 170 bis 173 IPRG anderes ergibt. Artikel 170 IPRG sieht drei solche Abweichungen vor. Sie betreffen erstens das vom IPRG-Konkurs erfasste Vermögen. Es geht nach Artikel 170 Abs. 1 IPRG nur um das in der Schweiz gelegene Vermögen, nicht aber auch - wie im Konkursverfahren nach dem SchKG vorgesehen - um jenes im Ausland. Zweitens geht es um den Fristenlauf für die Berechnung der unter Artikel 170 Abs. 2 IPRG erwähnten Fristen. Hierfür gilt als Ausgangsdatum die Eröffnung des schweizerischen IPRG-Konkurses, nicht bereits die Eröffnung des ausländischen Hauptkonkurses. Drittens geht es um die Leitung des Konkursverfahrens nach Artikel 170 Abs. 3, die immer dem Konkursamt übertragen ist. IV. Regelungen des IPRG für insolvenzspezifische Leistungsklagen Das IPRG enthält in seinen Vorschriften der 166 ff mit Ausnahme der Regelung für Insolvenzanfechtungen keine ausdrückliche Regelungen für sonstige insolvenzspezifische Leistungsklagen einer ausländischen Konkursmasse. Mittelbar enthält lediglich die Vorschrift des Artikel 170 IPRG insoweit eine Aussage zu den Befugnissen einer ausländischen Konkursmasse, als sie bestimmt, dass die Anerkennung des ausländi-
6 - 6 - schen Konkursdekrets nach Artikel 166 IPRG für das in der Schweiz gelegene Vermögen des Schuldners die konkursrechtlichen Folgen des Schweizer Rechts nach sich zieht. Demgemäß geht grundsätzlich mit der Eröffnung des IPRG-Verfahrens nach den insoweit geltenden Regelungen des SchKG die Verfügungsbefugnis über das gesamte in der Schweiz befindliche Vermögen des Schuldners auf den schweizerischen Konkursverwalter über. Fraglich ist also, ob einer ausländischen Konkursmasse unter Geltung der IPRG- Vorschriften eine eigene Aktivlegitimation zur Verfolgung von insolvenzspezifischen Leistungsansprüchen in der Schweiz zuzuerkennen ist. Die kantonalen Obergerichte in der Schweiz sowie das Bundesgericht in Bern haben sich wiederholt mit der Frage zu befassen gehabt, ob und ggf., unter welchen Voraussetzungen einer ausländischen Insolvenzmasse gestattet sein soll, insolvenzspezifische Leistungsansprüche in der Schweiz unmittelbar zu verfolgen. Während zunächst sowohl in der Rechtsprechung der kantonalen Obergerichte als auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtes einer ausländischen Konkursmasse durchaus eigenes Tätigwerden auf eidgenössischem Gebiet und auch die Aktivlegitimation zur Klageerhebung in der Schweiz zugebilligt worden waren, hat diese Rechtsprechung unter Geltung des IPRG mit der Entscheidung des Bundesgerichts vom (BGE 129 III, Seite 683 ff.) eine Wende erfahren. Danach sei die ausländische Konkursmasse nunmehr lediglich zum Antrag auf Anerkennung des ausländischen Konkurssekretes und Anordnung sichernder Maßnahmen sowie unter den Voraussetzungen des Art. 171 IPRG und der dortigen Rangfolge zur Erhebung der Anfechtungsklage nach Artikel 285 ff SchKG aktiv legitimiert. Die Rechtslehre ist dieser geänderten bundesgerichtlichen Auffassung mit Ausnahme einzelner differenzierterer Lösungsansätze in der Literatur mehrheitlich gefolgt. Ein vermittelndes Model von HANISCH, das je nach Einzelfall entweder dem Universalitätsprinzip folgend nur ein Hauptverfahren mit punktuellen Befugnissen der ausländischen Konkursmasse oder aber, dann dem Territorialitätsprinzip folgend, im Falle komplexerer Konkursmassen, mehrere Haupt- und Sekundärkonkursverfahren ermöglicht hätte, hat keinen Niederschlag im Rechtstatsächlichen gefunden.
7 - 7 - Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der IPRG-Gesetzgeber mit der Schaffung des 11. Kapitels des IPRG nicht von dem Grundsatz der passiven Territorialität abrücken wollte. Auch weiterhin sollen damit die Auswirkungen eines ausländischen Konkurses auf das Territorium der Schweiz der Kontrolle des nationalen schweizerischen Rechts unterliegen. Demgemäß sehen die Vorschriften der Artikel 166 ff IRPG im Wege des Rechtshilfeverfahrens die Durchführung eines eigenen und auf das Vermögen des Schuldners in der Schweiz beschränkte Konkursverfahrens vor. Erst ein Überschuss aus jenem IRPG-Verfahren wird dann an die ausländische Hauptmasse herausgegeben, wenn zuvor die dinglich gesicherten sowie die nach dem SchKG privilegierten Gläubiger vollständig befriedigt sind. Als privilegierte Gläubiger kommen lediglich solche mit Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz in Betracht. Der IPRG-Konkurs ist damit nicht primär am Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung ausgerichtet, sondern als Rechtshilfeverfahren zu Gunsten einer ausländischen Hauptmasse unter vorrangiger Wahrung eigener innerstaatlicher Interessen ausgestaltet. Als Rechtshilfeverfahren verstanden, ist das IPRG-Verfahren der Artikel 166 ff IPRG wie jedes Rechtshilfeverfahren nach dem Recht des ersuchten Staates durchzuführen. Vom ausländischen Recht des Hauptkonkurses geht einzig der Anstoß zur Durchführung des Verfahrens aus, und zwar in dem Sinne, dass die Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets für die Schweiz einen eigenen Rechtsgrund zur Eröffnung des IPRG- Verfahrens liefert. V. Aktivlegitimation einer ausländischen Insolvenzmasse Ungeachtet der dogmatischen Einordnung der Vorschriften der Artikel 166 ff IPRG als internationales Rechtshilfeverfahren zu Gunsten einer ausländischen Konkursmasse mit vereinzelten Elementen der unmittelbaren Wirkungserstreckung lässt sich die Zuerkennung der Aktivlegitimation für eine deutschen Insolvenzmasse zur Rechtsverfolgung insolvenzspezifischer Ansprüche in der Schweiz im Rahmen eines Erkenntnisverfahrens in das bestehende Normengefüge des IRPG und insbesondere auch in die Vorschriften des 11. Kapitels einfügen. Ausgangspunkt hierfür ist der Umstand, dass Erkenntnisverfahren und Gesamtvollstreckungsverfahren grundsätzlich unterschiedliche Zielrichtungen verfolgen. Während letzteres Verfahren auf die Verwertung von allenfalls noch in ihrem Wert ungewisser
8 - 8 - Vermögensgegenstände ausgerichtet ist, bildet den Gegenstand des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens zunächst die bloße Fragestellung, ob bestimmte (vermögenswerte) Ansprüche gegenüber Dritten überhaupt bestehen. Die unterschiedliche Zielrichtung des Verwalterhandelns, hier die Verwertung bereits feststehender Vermögensgegenstände zu Gunsten der Hauptmasse im Wege der Zwangsvollstreckung, dort die gerichtliche Überprüfung im Erkenntnisverfahren, ob vermögenswerte Ansprüche überhaupt zu Gunsten der deutschen Insolvenzmasse reklamiert werden können, bedingen auch eine unterschiedliche Inanspruchnahme der staatlichen Organe in der Schweiz. Im ersteren Fall bedient sich die deutsche Insolvenzmasse zur Realisierung von in der Schweiz gelegenem Vermögen des Schuldners hoheitlichen Zwangs im Belegenheitsstaat des Vermögens. Im zweiten Fall beansprucht sie Justizgewährung und unterwirft sich damit der Jurisdiktion des Staates, in dem der Anspruchsgegner seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Es ist zwischenzeitlich anerkannt, dass die Durchführung eines Erkenntnisverfahrens selbst durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und damit einhergehend durch das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung nicht gehindert wird, solange die Insolvenzmasse hierdurch nicht geschmälert wird. Seine Begründung findet diese Justizgewährung ungeachtet eines laufenden Insolvenzverfahrens darin, dass dem Gläubiger selbst im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahren das Rechtschutzbedürfnis zugebilligt wird, eine gerichtliche Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen des von ihm geltend gemachten Anspruchs gegen den Schuldner herbeizuführen. Auch im schweizerischen Recht wird angenommen, dass kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Konkursverfahren als Verfahren der Gesamtvollstreckung und dem Erkenntnisverfahren besteht. So war im Gesetzgebungsverfahren zum IPRG bezüglich der Anrechenbarkeit einer im Ausland erhaltenen Konkursdividende auf den vom Gläubiger daneben im IPRG-Verfahren zu beanspruchenden Verteilungserlös umstritten, ob eine solche Anrechnung auch bei vorangegangenen Zahlungen aus einem ordentlichen Klageverfahren zu erfolgen habe. Begründet wurde die ablehnende Auffassung damit, dass zwischen Konkurs- und Erkenntnisverfahren kein ausreichender Zusammenhang bestünde. Der Anspruch auf Justizgewährung in einem ordentlichen Klageverfahren muss jedoch erst recht dann bestehen, wenn ein Gesamtvollstreckungsverfahren noch gar nicht in Gang gesetzt worden ist.
9 - 9 - Aus dem funktionalen Unterschied zwischen Zwangsvollstreckung einerseits und dem vorgelagerten Erkenntnisverfahren andererseits, welches erst auf die Schaffung der Voraussetzungen für eine spätere Zwangsvollstreckung abzielt, folgt weiterhin, dass es für die bloße Justizgewährung des Anerkennungsverfahrens nach Artikel 166 ff IRPG und der durch dieses Verfahren ausgelösten konkurstypischen Folgen (noch) nicht bedarf. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr die Zubilligung der Aktivlegitimation für den deutschen Insolvenzverwalter, damit er vor schweizerischen Gerichten seine Ansprüche verfolgen kann, also formell auftreten kann. Hierfür ist lediglich ihre Parteifähigkeit im Rahmen von Artikel 29 Abs. 3 IPRG inzidenter anzuerkennen. Der Sinn von Artikel 29 Abs. 3 IPRG liegt für das internationale Konkursrecht gerade darin, eine ausländische Konkurseröffnung auch vorfrageweise anzuerkennen und damit die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die ausländische Konkursmasse befugt ist, im Rahmen der ihr nach dem ausländischen Recht zukommenden Prozessstandschaft auch vor schweizerischen Gerichten und in schweizerischen Verfahren auftreten zu können (Volken, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, Artikel 171 Rz. 35). Die vorfrageweise Anerkennung folgt auch aus dem Grundsatz, wonach derjenige, der ein schutzwürdiges Interesse hat, im Rahmen eines Zivilverfahrens die Beachtlichkeit eines ausländischen Konkursdekret vorfrageweise geltend machen kann, wie sich aus Artikel 167 Abs. 2 i. V. m. Artikel 29 Abs. 3 IPRG sowie den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen zur Beurteilung von Vorfragen ergibt (vgl. Schaffhauser Obergericht, ABSH 2001, S. 811). Schließlich hindert auch die in Artikel 167 IPRG vorgesehene Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets in einem förmlichen Verfahren die vorfrageweise Anerkennung gemäß Artikel 29 Abs. 3 IPRG in einem anderen Verfahren nicht (Kantonsgericht Wallis, Entscheid vom , ZWR 1999, S. 314; so auch Volken in: Zürcher Kommentar zum IPRG, Artikel 166 Rz. 41; W. Habscheid, KTS 1989, S. 253 ff, S. 259; Hanisch, KTS 1979, S. 233 ff, S. 241). Die vorfrageweise Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets im Rahmen eines Erkenntnisverfahrens vor einem schweizerischen Gericht steht auch nicht im Widerspruch zu dem in den Artikeln 166 ff IRPG erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers. Die Regelungen des 11. Kapitels IPRG verfolgen nach den Motiven des Gesetzgebers sowie nach der dogmatischen Verankerung der Vorschriften eine Auflockerung des passiven Territorialitätsprinzips, ohne dieses jedoch aufzugeben. Die
10 Auswirkungen eines ausländischen Konkurses auf das Territorium der Schweiz sollen auch unter Geltung des IPRG der Kontrolle des nationalen schweizerischen Rechtes unterliegen. Diese Zielsetzung wird jedoch durch die Einleitung eines Erkenntnisverfahrens durch einen ausländischen Konkursverwalter nicht berührt, da sich dieser wie jeder andere Rechtssuchende schweizerischer Jurisdiktion unterwirft und nicht hoheitlich tätig wird. Die Auswirkungen des ausländischen Konkursverfahrens erschöpfen sich im Stadium des Erkenntnisverfahrens in der Ankernennung seiner Parteistellung. Nach dem Willen des IPRG-Gesetzgebers sollen lediglich die konkurstypischen Folgen eines ausländischen Konkursverfahrens den Regelungen der Artikel 166 ff IPRG unterstellt werden. Sie gelten hingegen nicht, solange der ausländische Konkursverwalter wie jeder andere Private vor schweizerischen Gerichten auftritt. Soweit hier allein seine Parteistellung fraglich ist, ist eine vorfrageweise Anerkennung im Sinne der Artikel 25 ff IPRG ausreichend. Diese Rechtsauffassung steht auch in Einklang mit der nach Inkrafttreten des IPRG ergangenen Rechtsprechung sowohl der Kantonsgerichte als auch des schweizerischen Bundesgerichts. So hat das Tribunal kantonal Vaudois in seiner Entscheidung vom (JdT 2000 II, S. 125 ff) festgestellt, dass auch unter Geltung des IPRG eine ausländische Konkursmasse auf schweizerischen Territorium insofern tätig werden darf, als sie nicht hoheitlich handelt und insbesondere keine Zwangsmaßnahme einsetzt. Auch das Bundesgericht hat in einer Entscheidung vom (BGE 111 III, S. 38 ff.) bestätigt, dass sich die Anerkennung des Wirkungsstatutes einer ausländischen Konkursverwaltung auf Handlungen beschränkt, die diese wie eine Privatperson vornehmen könne. Lediglich die Befugnis einer Amtsperson wurden dort dem ausländischen Konkursverwalter abgesprochen. Mit der Erhebung einer Klage im Erkenntnisverfahren und der Unterwerfung unter die Jurisdiktion schweizerischer Gerichte nimmt ein ausländischer Konkursverwalter jedoch keine weitergehenden Rechte für sich in Anspruch als jeder andere Private, der seine Ansprüche vor schweizerischen Gerichten einzuklagen versucht. Die Auswirkungen des ausländischen Konkurses erschöpfen sich insoweit in der Parteistellung des klagenden Konkursverwalters, für die jedoch eine vorfrageweise Anerkennung im Sinne des Artikel 29 IRPG ausreichend ist.
11 Auch die Entscheidung des Bundesgerichts vom (BGE 129 III, Seite 683 ff.) steht dem nicht entgegen. Dort ging es um die Anerkennung und Vollstreckung eines bereits im Ausland ergangenen Entscheids über eine Anfechtungsklage, die nach schweizerischem Rechtsverständnis eine betreibungsrechtliche Streitigkeit vollstreckungsrechtlicher Natur ist (vgl. Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz, S. 145, sowie Walther, Paulianische Anfechtungsansprüche im internationalen Verhältnis - ausgewählte Probleme, S. 79 ff, S. 90). Für Anfechtungsansprüche als betreibungsrechtliche Ansprüche vollstreckungsrechtlicher Natur finden die Vorschriften der Artikel 25 ff IPRG im Unterscheid zu sonstigen insolvenzspezifischen Ansprüchen keine Anwendung. VI. Schlussfolgerungen Eine ausländische hier deutsche - Konkursmasse, die nach dem Recht des Eröffnungsstaates aktiv und passiv prozessgefugt ist, kann bezüglich insolvenzspezifischer Ansprüche wie eine ordentliche Prozesspartei in der Schweiz Rechtsbegehren stellen und als Partei in einem Erkenntnisverfahren auftreten, ohne dass es zuvor der Eröffnung eines eigenen IPRG-Konkurses bedarf (a.a.: Wütherich, Jusletter , S. 3, und Martini, DZWIR 2007, S. 230). Eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung des deutschen Insolvenzverwalters zur Prozessführung durch den Schuldner ist nicht erforderlich (a.a.: Theus Simoni, Englische, walisische und französische Konkursverwalter in der Schweiz, S. 343). Erforderlich ist lediglich die vorfrageweise Anerkennung des deutschen Insolvenzeröffnungsbeschlusses nach den Vorschriften der Artikel 25 ff IPRG. Dies gilt hingegen nicht für insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen und zwar unabhängig davon, wo sich der fragliche Vermögensgegenstand ohne die anfechtbare Handlung befände, da insoweit die Vorschrift des Artikels 171 IPRG eine ausdrücklich anderslautende Regelung vorsieht (a.a.: Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz, S. 147, und wohl auch Volken, Zürcher Kommentar zum IPRG, Artikel 166 Rz. 66, die beide - mit unterschiedlicher Begründung eine isolierte Anfechtungsklage lediglich nach einer vorfrageweisen Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets zulassen wollen; im Ergebnis auch Gillieron, Les dispositions de la nouvelle loi fédérale de droit international privé, S. 264).
12 Im Falle eines Obsiegens des deutschen Insolvenzverwalters in dem von ihm angestrengten Erkenntnisverfahren gilt sodann: Leistet der Anspruchsgegner auf ein obsiegendes Urteil hin an den deutschen Insolvenzverwalter, so hat es damit sein Bewenden. Etwaigen Gläubigern des ausländischen Schuldners in der Schweiz wird hierdurch nichts entzogen, da ihnen ein Zugriff im Wege der Einzelvollstreckung auf den insolvenzspezifischen Anspruch als Haftungssubstrat ohnehin nicht offen gestanden hätte. Den schweizerischen Gläubigern steht aber in diesem Fall die Teilnahme am deutschen Insolvenzverfahren frei. Sind die schweizerischen Gläubiger stattdessen an einem eigenen Konkursverfahren in der Schweiz interessiert, in dessen Rahmen der insolvenzspezifische Anspruch dann nicht durch die deutsche Insolvenzverwaltung, sondern durch die schweizerische Konkursverwaltung zugunsten der dortigen Masse realisiert werden kann, so steht ihnen die Einleitung eines schweizerischen Konkursverfahrens nach den Vorschriften des SchKG offen. Ist nach der Durchführung des Erkenntnisverfahrens hingegen eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Anspruchsgegners erforderlich, etwa weil dieser trotz des rechtskräftigen Titels nicht leistet, ist die Anerkennung des deutschen Insolvenzeröffnungsbeschlusses nach Artikel 166 IPRG herbeizuführen und ein IPRG-Konkurs zu eröffnen. Zum einen folgt dies daraus, dass der schweizerische Gesetzgeber die Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einer ausländischen Konkursmasse in Vermögenswerte in der Schweiz den Regelungen der Artikel 166 ff IPRG unterstellt hat, weshalb das Anerkennungsverfahren nach Artikel 166 IPRG mit den sich daraus ergebenden konkurstypischen Folgen einzuleiten ist. Zum anderen stünde ein etwaiger Vollstreckungserlös der schweizerischen IPRG-Masse zu, da jedenfalls im Moment der Vollstreckung der ursprünglich dem Hauptverfahren in Deutschland zustehende Anspruch untergeht und an seine Stelle der Vollstreckungserlös träte. Dieser liegt jedoch bei einer in der Schweiz erfolgenden Vollstreckung dort und fällt daher in die Masse eines schweizerischen IPRG-Konkurses. Im Ergebnis all dessen kann ein deutscher Insolvenzverwalter, der nach dem Recht des Eröffnungsstaates aktiv und passiv prozessgefugt ist, bezüglich insolvenzspezifischer Ansprüche wie eine ordentliche Prozesspartei in der Schweiz Rechtsbegehren stellen und als Partei in einem Erkenntnisverfahren auftreten, ohne dass es zuvor der
13 Eröffnung eines IPRG-Konkurses bedarf. Hierdurch kann er zumindest bezüglich der in der Schweiz belegenen insolvenzspezifischen Ansprüche seiner Verpflichtung als Insolvenzverwalter, nach dem für ihn geltenden Universalitätsprinzip auch das Auslandsvermögen des Schuldners zur Masse zu ziehen, genügen. Einer Mitwirkung des Schuldners bedarf es nicht. Erforderlich ist lediglich die vorfrageweise Anerkennung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses nach den Vorschriften der Artikel 25 ff IPRG.
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