Bozen Stadtgeschichte und Wirtschaft

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1 Bozen Stadtgeschichte und Wirtschaft Autor: Oliver Schmidt Stadtgeschichte Bozens Die ersten Siedlungsstellen und Wallburgen stammen aus der mittleren Steinzeit ( v. Chr.). Etwa 15 v. Chr. baute Drusus, Sohn des Kaisers Augustus, auf seinem Germanienfeldzug eine Brücke im heutigen Stadtgebiet Bozens über den Eisack, die Pons Drusi. Von dort aus errichteten die Römer Straßen über den Reschenpass und den Brennerpass. Im Jahr 680 n. Chr. wird Bozen erstmals in einer langobardischen Schrift als Catellum Bauzanum erwähnt. Noch im selben Jahrhundert verstärkte sich der Einfluss der Bajuwaren und die Langobarden verloren ihre Macht in diesem Gebiet. Aufgrund des sumpfigen Untergrundes und der politischen Lage zu jener Zeit wurde die Siedlung aus dem Tal auf die Anhöhen verlegt. Das Kloster Innichen wurde 769 durch eine urkundliche Verfügung des bayerischen Herzogs Tassilo III. gegründet. Aus dieser Zeit stammt auch die Vigiliuskirche am Virgl, die heute zu den ältesten Kirchen im Bozener Raum gehört. Ab 875 gehörte Bozen zur Grafschaft Norital, die später durch die Errichtung der Reichsfürstentümer Brixen und Trient getrennt wurde. Fortan gehörte Bozen zum Bistum Trient und wurde wegen seiner Lage und den guten wirtschaftlichen Bedingungen von Trienter Bischöfen zu einem Handelsplatz ausgebaut. In der Folge wurde die Siedlung wieder in das Tal, an die Brücke über den Eisack, verlegt. Diese Siedlung wurde von Beginn an (1050 n. Chr.) zentral geplant und bewusst in einem städtischen Charakter angelegt. Ein weiterer Siedlungskern entstand im 12. Jahrhundert, nachdem der Bischof von Trient bei der Siedlung an der Eisackbrücke den Kornplatz und die heutige Laubengasse errichten ließ. Im 13. Jahrhundert entstanden weitere Marktplätze, die die Stellung Bozens als Handelsplatz weiter stärkten. Der Genesiusmarkt wurde 1202 erstmals erwähnt und ist nur ein Beispiel für die Bedeutung Bozens als Handelspunkt für norditalienische und süddeutsche Kaufleute in jener Zeit wurde Bozen das Stadtrecht verliehen, wodurch in der Folge eine Befestigung der Stadt stattfand. Im Jahr 1347 belagerte der Luxemburger König Karl das Schloss Tirol, in dem zu dieser Zeit Margarethe von Tirol herrschte. Während dieser Belagerung, die nicht lange andauerte, wurde Bozen zum Teil zerstört. Ein 1314 angelegter Weg durch die Eisackschlucht wurde 1480 verbreitert und verbesserte die Bedingungen Bozens für den Fernhandel. Die Stadt lag an der Weggabelung zwischen Brennerpass und Reschenpass. Im Jahr 1462 gestand der damalige Bischof von Trient dem Erzherzog von Österreich die Stadt Bozen offiziell zu. Bereits schon einhundert Jahre früher hatten die Österreicher die Herrschaftsrechte über Bozen an sich genommen. Im 16. Jahrhundert erfuhr Bozen durch die Verlegung des Sitzes des Landeshauptmanns an der Etsch eine nun erhöhte politische Bedeutung. Die Erzherzogin Claudia de Medici gründete 1635 das Merkantilmagistrat Bozen, ein eigenständiges Handelsgericht, das zum Schutze der Händler geschaffen wurde. Während des Italienfeldzugs Napoleons (1796/97) eroberten die Franzosen

2 Mailand und drängten die Österreicher aus ihrer Vormachtstellung im südlichen Alpenraum heraus unterwarf der italienische König Eugène de Beauharnais, Adoptivsohn Napoleons, die Tiroler und annektierte Bozen zu Italien. Drei Jahre später marschierten österreichische Truppen in die Stadt ein und eroberten Bozen zurück. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gehörte Bozen, wie ganz Südtirol, zu Österreich-Ungarn. Nach der Niederlage Österreich-Ungarns annektierte Italien Südtirol und es begann mit der Machteroberung Benito Mussolinis 1922 die sogenannte Italienisierung Südtirols. Die deutschen Einwohner Bozens waren gezwungen zwischen Auswanderung nach Deutschland bzw. Österreich oder Assimilation zu wählen. In der Folge wanderten viele deutsche Bewohner aus und die Zuwanderung von italienischen Bürgern wurde gefördert. Dies erreichte man, indem Industrien in und Infrastrukturen Bozen angesiedelt und ausgebaut wurden. Insgesamt wanderten etwa Italiener bis 1939 nach Südtirol und folglich war der Großteil der Einwohner Bozens mehrheitlich italienischer Abstammung. Ein weiteres Merkmal der Italienisierung ist das 1928 errichte Siegesdenkmal in Form eines Triumphbogens. Im Zweiten Weltkrieg befand sich in Bozen sogenanntes KZ Durchgangslager, das Ausgangspunkt von Deportationszügen war. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlangte Südtirol 1972 vollständig den Status einer autonomen Provinz, dessen Hauptstadt seit 1948 Bozen ist. Zusätzlich wurde 1964 der Bischofssitz der Diözese Bozen-Brixen von Brixen nach Bozen verlegt wird Bozen die Alpenstadt des Jahres sein, ein Titel, der das besondere Engagement einer Stadt bei der Umsetzung der Alpenkonvention auszeichnet. Sehenswürdigkeiten in Bozen und ihre Geschichte Kirchen Die ältesten Fundamente der Dompfarrkirche Mariä Himmelfahrt stammen aus dem 5. Jahrhundert. Die erste bekannte Kirche im romanischen Baustil wurde 1180 geweiht. Der 62 m hohe Turm wurde zwischen 1501 und 1519 im gotischen Stil errichtet. Ab 1345 wurde aufgrund mehrerer Brände im 13. Jahrhundert eine gotische Hallenkirche gebaut, allerdings wurde der romanische Stil der Lombarden mit berücksichtigt. In der Folgezeit entstanden zahlreiche Fresken und 1514 erhielt die Kirche eine prächtige Sandsteinkanzel. Etwa 200 Jahre später wurde der Hochaltar mit Marmorsäulen und überlebensgroßen Heiligenfiguren gebaut. Im Zweiten Weltkrieg kam es infolge alliierter Bombenangriffe zur Teilzerstörung der Kirche, wobei viele Fresken, Fenster und das Altarbild verloren gingen. Nachdem der Bischofssitz 1964 von Brixen nach Bozen verlegt wurde, musste der Altarraum vergrößert werden, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. In den Altar wurde 1992 eine Reliquie des Heiligen Vigilius von Trient eingelassen. Abbildung 1: Dompfarrkirche Mariä Himmelfahrt (

3 Die Dominikanerkirche, deren dazugehöriges Kloster 1272 von Regensburg aus gegründet wurde, gehört ebenfalls zu den einstmals mit reichen Fresken verzierten Kirchen in Bozen. Die Freskomalereien entstanden im 14. und 15. Jahrhundert und zieren heute noch den Kreuzgang des Klosters und die Johanneskapelle. Die Dominikanerkirche selber erlitt 1944 schwere Bombenschäden, wodurch heute nur noch Teile der Fresken erhalten sind wurde das Kloster jedoch auf Geheiß des deutschen Kaisers Joseph II. geschlossen. Heutzutage findet das ehemalige Kloster Verwendung für die italienische Seelsorge und beherbergt ein Musikkonservatorium gründeten die Franziskaner bei ihrem Durchzug nach Norden ein Kloster in Bozen. Eine urkundliche Erwähnung des Franziskanerklosters findet 1237 statt. Im Jahr 1291 brannte das ursprüngliche Kloster aus und wurde bis 1322 wieder aufgebaut. Die Franziskanerkirche erhielt 1348 ihre Weihe. Etwa 1350 kann als Entstehungsjahr des Kreuzgang-Gevierts genannt werden, das in der Mitte einen Garten umschließt. Der Kreuzgang ist mit zahlreichen Fresken verziert, die im 14. und 15. Jahrhundert entstanden sind. Ein 1500 errichteter Flügelaltar befindet sich im Langhaus des Klosters. Seit 1780 führen die Franziskaner ein Gymnasium in Bozen, das ursprünglich von der Kaiserin Maria Theresia gegründet wurde. Auch die Franziskanerkirche blieb im Zweiten Weltkrieg nicht unverschont und musste nach dem Krieg wieder aufgebaut werden. Abbildung 2: Kreuzgang des Franziskanerklosters mit Fresken Plätze Der Waltherplatz hat seinen Namen von dem Minnesänger Walther von der Vogelweide, dessen Denkmal in der Mitte des Platzes steht. Die Statue wurde 1889 von Heinrich Natter angefertigt und befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Dom. Der Obstplatz entstand bereits 1277, da zu dieser Zeit Graf Meinhard II. die Mauern und Tore niederreißen ließ und die Gräben aufgeschüttet wurden. So entwickelte sich der Obstplatz zum Mittelpunkt des Handels im gräflich-tirolerischen Teil Bozens. Eine ähnliche Funktion erfüllte der Kornplatz im bischöflichen Teil der Stadt. Seit 1578 befand sich auf dem Obstplatz ein Pranger, der nach der Errichtung des Naturbrunnens 1777 entfernt wurde. Der Siegesplatz mit dem Siegesdenkmal gehört zu den letzten sichtbaren Überresten des Faschismus in Bozen. Der 19 Meter hohe Triumphbogen entstand auf Mussolinis persönliche Initiative und wurde 1928 eingeweiht. Die Widmung (den Märtyrern des Ersten Weltkrieges ) und die Inschrift Hier an den Grenzen des Vaterlandes hisse die Fahnen. Von hier bildeten wir die

4 Übrigen durch Sprache, Gesetze und Künste. werden auch heute noch von den deutschen Einwohnern Bozens als Provokation empfunden. Nach einem Referendum wurde der Platz, der zwischenzeitlich Friedensplatz hieß, wieder in Siegesplatz umbenannt, da die (mehrheitlich italienischsprachige) Bevölkerung den neuen Namen ablehnte. Abbildung 3: Siegesdenkmal auf dem Siegesplatz ( Gebäude und Straßen Die Bozener Laubengasse gilt als mittelalterliche Keimzelle Bozens und durchschneidet heute die Altstadt in west-östlicher Richtung. Die im 12. Jahrhundert von den Trienter Bischöfen erbauten Lauben waren ein kontrollierter Handelsplatz. Der Aufbau der Lauben ist überwiegend gleich. Die Laubengänge, in denen der Handel stattfand, und die Gewölbe, die als Lager dienten, befinden sich im Erdgeschoss. Darüber sind die Wohnungen der Händler gewesen, die heute teilweise noch als Wohnfläche genutzt werden. Die Keller der Häuser, die teilweise drei bis vier Etagen unter die Erde reichen, sind doppelwandig ausgebaut. In den dazwischen liegenden Hohlräumen konnte Frischluft zirkulieren, wodurch Schimmel und Feuchte in den Kellern vermieden wurde. Bei Sanierungsarbeiten der Straße wurden jedoch einige Lüftungsschlitze dieser Hohlräume betoniert, was zu Schimmelbildung in den Kellern führte. Der Merkantilpalast befindet sich zwischen der Silbergasse und der parallel dazu verlaufenden Laubengasse. Nach der Gründung des Merkantilmagistrats 1635 durch die Erzherzogin Claudia de Medici wurde das barocke Gebäude erst zwischen 1705 und 1716 erbaut. Als 1851 das Merkantilmagistrat aufgelöst wurde, war das Gebäude bis 1979 Sitz der Bozener Handelskammer. Mittlerweile befindet sich in dem Merkantilpalast das Merkantilmuseum mit zahlreichen Dokumenten und Einrichtungen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Unweit der Altstadt liegt das Schloss Maretsch, dessen ältester Turm aus dem Jahr 1194 stammt. Im 13. und 14. Jahrhundert wurden die Ringmauer mit einem Wehrgang und Schwalbenschwanzzinnen errichtet. Um 1560 fand ein Ausbau der Burg zum Schloss im Stil der Renaissance statt. Aus dieser Zeit stammen die vier Rundtürme aber auch Fresken im Inneren der Anlage. Heutzutage kann das Schloss für Tagungen oder Ausstellungen gemietet werden. Abbildung 4: Schloss Maretsch (

5 Wirtschaft Bozens Im Jahr 2001 existierten zirka Arbeitsplätze in über Arbeitsstätten. In der Gemeinde Bozen existieren Produktionsstätten aus allen drei Sektoren. Der Anteil der selbst bewirtschafteten Nebenerwerbsbetriebe, bezogen auf die Gesamtanzahl der selbst bewirtschafteten Betriebe, beträgt 35,8%. Es existieren also deutlich mehr Haupterwerbsbetriebe, was auf eine stärkere Produktion für den Handel schließen lässt. Eine deutlich größere Rolle spielt allerdings der sekundäre und tertiäre Sektor. Die Firmendichte beträgt 115,9 Firmen pro 1000 Einwohner, wobei die Neueintragungsquote bei 8,3% liegt. Die Bautätigkeit von Wohngebäuden und Nicht- Wohngebäuden liegt bei knapp 10 m³ pro Einwohner. Etwa dreiviertel der Neubauten sind Nicht- Wohngebäude, wodurch der Schwerpunkt der Bauindustrie verdeutlicht wird. Im tertiären Sektor spielen in Bozen der Handel und der Tourismus eine weitere entscheidende Rolle. In der Wintersaison (November bis April) liegt die Übernachtungsquote, bezogen auf die Gesamtanzahl der touristischen Übernachtungen, bei 43,5%. Hieraus ist ersichtlich, dass Bozen stärker auf den Sommertourismus als auf den Wintertourismus ausgelegt ist. Insgesamt ergibt sich eine Übernachtungsintensität von 5,5 Übernachtungen pro Einwohner in gastgewerblichen und nichtgastgewerblichen Betrieben. Die Versorgungsdichte, bezogen auf die ansässige Bevölkerung, wird mit 15,5 Einzelhandelsverkaufspunkten pro 1000 Einwohner angegeben. Diese Daten wurden zwischen 2001 und 2005 von der Handelskammer Bozen erhoben. Bedeutende Unternehmen in Bozen Der LKW-Hersteller Iveco hat ein Werk in Bozen, in dem bereits seit vielen Jahrzehnten Nutzfahrzeuge hergestellt werden. Ebenfalls in Bozen angesiedelt ist die 1888 gegründete Firma Leitner Technologies, die Seilförderanlagen, Pistenfahrzeuge, urbane Transportsysteme und Windkraftanlagen produziert. Die Firma Mila erzeugt Michprodukte aller Art und ist damit ein wichtiger Abnehmer für die Südtiroler Milchbauern. Sie entstand 1998 durch den Zusammenschluss mehrerer Molkereien und stellt am Standort Bozen Joghurt- und Milchprodukte her. Der Outdoor- und Alpinsportartikel-Hersteller Salewa, der ursprünglich in München gegründet wurde, ist heute in Bozen ansässig. Daneben seien die Hauptsitze von der Südtiroler Sparkasse, der Südtiroler Volksbank und der Landesbank Raiffeisen erwähnt. Ebenfalls haben viele Tageszeitungen ( Alto Adige, Dolomiten, Neue Südtiroler Zeitung ) und Rundfunkanstalten ( RAI Sender Bozen, RAS, ein Büro des ORF, Radio NBC, Südtirol 1 ) ihren Sitz in der Landeshauptstadt Südtirols. Quellen und Literatur KUNTZKE, R.: Südtirol : Köln : DuMont, NAHM, P.: Südtirol, Dolomiten : Ostfildern-Kemnat bei Stuttgart : Baedeker, 1995 WIDMANN, A.: Südtirol München : ADAC-Verlag,

6 Abbildung 5: Innenstadtplan von Bozen (