Was tun, wenn ein Schüler eine Essstörung hat?
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- Marie Lenz
- vor 8 Jahren
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Transkript
1 Essstörungen ein Thema, das viele Jugendliche betrifft, direkt oder indirekt. Das Verhältnis zum eigenen Körper wird problematisch. Nichts scheint in der Pubertät wichtiger zu sein als Schönheit und nichts scheint man schneller zu vergessen, als wie relativ Schönheit ist. Umso wichtiger ist es, Prävention zu leisten, aufzuzeigen, was zu Essstörungen führen kann, und Wege aus der Krankheit heraus zu verdeutlichen. Mit dem K.L.A.R.-Roman Ich habe echt keinen Hunger und den dazugehörigen Arbeitsmaterialien kann dieser Komplex im Unterricht thematisiert werden. Prävention ist aber nur das Eine was können Sie tun, wenn Sie befürchten, dass in Ihrer Klasse ein Schüler* tatsächlich unter einer Essstörung leidet? Überlegen Sie sich dann sehr genau, ob Sie den K.L.A.R.-Roman einsetzen wollen. Die Gefahr ist gegeben, dass der Schüler sich sehr stark mit der Romanfigur identifiziert bzw. sogar von Mitschülern mit der Romanfigur in Verbindung gebracht wird. Dadurch würde der Druck auf die betroffene Person sehr groß und ihre Krankheit gegebenenfalls noch verstärkt. Wenn Sie den Roman gerne einsetzen wollen, aber einen Verdacht hegen, sollten Sie vorher unbedingt mit dem Schüler sprechen und ihn auf keinen Fall mit der Behandlung des Themas im Unterricht überrumpeln. Bitte beachten Sie in diesem Fall die folgenden Tipps und Hinweise. * Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir in diesem Buch durchgehend die männliche Form verwendet. Natürlich sind damit auch immer Frauen und Mädchen gemeint, also Lehrerinnen, Schülerinnen etc. Von Essstörungen sind im Übrigen mehr Jungen betroffen, als man denkt. Die häufigsten Essstörungen Im Folgenden werden die häufigsten Essstörungen kurz skizziert. Wenn Sie das Gefühl haben, dass einer Ihrer Schüler betroffen ist, und Sie ein Gespräch mit ihm suchen möchten, sollten Sie sich zuvor sehr genau über Krankheitsbild und Ursachen sowie Therapieformen informieren. Magersucht: Betroffene leiden unter Untergewicht, nehmen sich jedoch als zu fett wahr Selbstwertgefühl resultiert meist aus der Macht, das eigene Gewicht kontrollieren zu können Anzeichen: v.a. selbst herbeigeführte Gewichtsabnahme Bulimie: Betroffene haben Heißhungerattacken und verlieren währenddessen die Kontrolle über sich. Sie wollen ihr Gewicht z.b. durch Brechen, Hungern, Diäten, übermäßigen Sport oder Missbrauch von Abführmitteln u.ä. kontrollieren Gewicht kann normal sein, ebenso kann der Betroffene Über- oder Untergewicht haben Binge Eating : beim so genannten Binge Eating haben Betroffene ebenfalls Heißhungerattacken, kontrollieren ihr Gewicht jedoch nicht durch oben genannte Maßnahmen; die Behandlungskonzepte entsprechen im Großen und Ganzen denen der Bulimie
2 Wie verhalte ich mich? Folgende Punkte könnten auf eine Essstörung hinweisen: 1. extremes Unter- oder Übergewicht 2. Gewichtsschwankungen 3. Nahrungsverweigerung/übermäßige Nahrungsaufnahme 4. körperliche Begleiterscheinungen (z.b. Kreislaufprobleme) 5. psychische Begleiterscheinungen (z.b. Stimmungsveränderungen) 6. soziale Begleiterscheinungen 7. Veränderung der Schulleistung Diese Kriterien beziehen sich allein auf Erfahrungen; eine Norm von Punkten zum Erkennen von essgestörtem Verhalten gibt es leider nicht. Haben Sie das Gefühl, einer Ihrer Schüler könnte betroffen sein? Natürlich wollen Sie nicht wegschauen aber sicherlich gibt es eine Hemmschwelle, die Person direkt anzusprechen. Hilfe und wertvolle Tipps bietet in diesem Fall das von dem Jugend- und Kinderpsychiater Jan Nedoschill gegründete Forum des Vereins Hungrig-online e.v., aus dem auch die folgenden Inhalte größtenteils stammen. Hier finden Sie auch weiterführende Informationen über die möglichen Gründe von Essstörungen. Am Ende dieses PDFs finden Sie übrigens die wichtigen Informationen noch mal auf einen Blick. Versuchen Sie, folgende Tipps zu berücksichtigen: Bieten Sie Hilfe und Gespräche an, drängen Sie sich aber nicht auf. Die meisten Betrof fenen finden es gut, wenn ihnen Hilfe angeboten wird. Sie sollten sie aber nicht damit bedrängen und in die Enge treiben. Das Gesprächsangebot kann dann angenommen werden, wenn sich der Schüler dazu bereit fühlt. Essstörungen sind kein bloßer Schlankheitswahn. Die Schüler müssen sich in ihrer Problematik ernst genommen und verstanden fühlen, um sich anderen Personen zu öffnen. Eine gewisse Sympathie zwischen Lehrer und Schüler ist Voraussetzung. Es sollte eine positive Lehrer-Schüler-Beziehung vorliegen, um eine Essstörung anzusprechen. Bei einem problematischen Lehrer-Schüler- Verhältnis sollten Sie es eventuell vorziehen, Kollegen mit einer besseren Beziehung zum Schüler das Ansprechen der Problematik zu überlassen. Betroffene sind meist auch dankbar über Verweise auf Hilfsangebote und Adressen von verschiedenen Anlaufstellen. Versuchen Sie, Folgendes zu vermeiden: Um zu vermeiden, dass der Betroffene sich überrumpelt und bloßgestellt fühlt, sollten Sie den Schüler niemals vor der ganzen Klasse oder in Anwesenheit anderer Schüler oder Lehrpersonen ansprechen. Vermeiden Sie auch solche Ansprachen: XY, kommst du bitte nach der Stunde zu mir. Ich würde mich gern mal mit dir unterhalten. Nehmen Sie ihn bei Gelegenheit zur Seite wenn Sie nicht mit der Tür ins Haus fallen wollen, können Sie ihn beispielsweise bei einer Sache um Hilfe bitten und so eine Situation herbeiführen, in der Sie mit dem Schüler alleine sind.
3 Vermeiden Sie Kommentare über das Gewicht der betreffenden Person, z.b. auch kein Du bist so schrecklich dünn geworden. Vermeiden Sie direkte Fragen, wie z.b. Hast du eine Essstörung?, oder Bist du magersüchtig?. Wählen Sie allgemeinere Fragen, die Schüler nicht in die Enge treiben: Ich habe das Gefühl, dass es dir in letzter Zeit nicht so gut geht. Ist bei dir alles in Ordnung? Du weißt, dass du jederzeit mit mir sprechen kannst, oder? Du machst in letzter Zeit einen bedrückten/ nachdenklichen Eindruck. Gibt es vielleicht etwas, worüber du sprechen möchtest? Fragen Sie keine Freunde und Mitschüler des Schülers aus, sondern sprechen Sie die betroffene Person selbst an. Wenn sie das Gespräch dauerhaft meidet, es jedoch offensichtlich ist, dass sie Hilfe braucht, können Sie Ihr Anliegen in einem sensibel formulierten Brief vortragen. Sie können im Brief beispielsweise die oben aufgeführten allgemeineren/unverfänglicheren Formulierungen verwenden: Geben Sie auch hier dem Schüler die Möglichkeit zur Kommunikation, die Möglichkeit, sich an Sie zu wenden, ohne ihn in die Enge zu treiben. Wenn Sie sich relativ sicher sind, was die Krankheit des Schülers betrifft, nennen Sie auch Anlaufstellen, an die er sich wenden kann. Machen Sie deutlich, dass Sie sich über eine Rückmeldung freuen würden, aber erzeugen Sie auch hier keinen Druck. Geben Sie dem Schüler ebenfalls die Möglichkeit, in einem persönlichen Brief zu antworten. Manchen fällt das sehr viel leichter. Auch Erwachsene, die allzu allwissend wirken, schrecken Schüler ab. Gehen Sie auf die betreffende Person ein, aber setzen Sie nicht voraus, schon alles über deren Krankheit zu wissen. Die Ankündigung von Elternkontakt kann in dieser Anfangssituation häufig als negativ aufgefasst werden. Vermeiden Sie dies also so weit wie möglich. Wenn Sie sicher sind, dass der Schüler Hilfe braucht, und es nicht länger vermeiden können, setzen Sie ihn auf jeden Fall vorher in Kenntnis. Geben Sie ihm die Gelegenheit, zuvor selber mit den Eltern zu sprechen. Suchen Sie die Eltern dann auf jeden Fall persönlich auf oder bitten Sie sie zu einem Gespräch in die Schule. Vermeiden Sie ein Telefongespräch oder einen Brief. Der persönliche Kontakt wird die Situation/die Auseinandersetzung mit dem Thema sicherlich für alle einfacher machen. Quelle: view/84/56/ Auf findet sich auch eine für Lehrer sehr interessante und hilfreiche Umfrage, in der Betroffene selbst äußern, wie Lehrer sich in keinem Fall verhalten dürfen und welche Reaktion und Hilfe sie sich wünschen würden. Die Ergebnisse finden Sie unter: Forum Archive Archive öffentlich Archive 2005 Vermischtes 1/2005 Bitte um Mithilfe
4 Und dann? Ihr Schüler ist bereit, sich Ihnen anzuvertrauen? Oder ist sogar von sich aus auf Sie zugekommen? Das ist ein großer Vertrauensbeweis. Hören Sie dem Schüler zu, nehmen Sie sich Zeit. Helfen Sie ihm, so weit Sie es können; suchen Sie gemeinsam nach Lösungen. Aber machen Sie keinen Hehl daraus, dass Sie kein Therapeut sind. Ihr Schüler wird auch nicht erwarten, einen solchen in Ihnen zu finden. Die Frage ist nun: Wohin kann Ihr Schüler sich mit seinen Problemen wenden? Da gibt es vielfältige Möglichkeiten: an einen Therapeuten an einen Arzt an eine Beratungsstelle (Adressen finden Sie zum Beispiel hier: oder hier: modules.php?name=downloads an ein Sorgentelefon, z.b. das Kinderund Jugendtelefon (0800/ ) oder den Kinder- und Jugendnotdienst (0800/ ) an eine Selbsthilfegruppe viele Internetseiten weisen den Jugendlichen Möglichkeiten aus der Krise auf, z.b. und Auf den zuletzt genannten Seiten finden Sie als Lehrer ebenfalls Hilfe, wenn Sie nicht wissen, wie Sie mit dem Schüler/der Situation umgehen sollen: uebersicht blogsection/11/56/
5 Auf einen Blick Was tun, wenn ich den Verdacht habe, dass ein Schüler in einer Klasse Magersucht hat? Bitte klären Sie für sich im Vorfeld: Welche Anzeichen für eine Essstörung gibt es/ist der Verdacht wirklich begründet? Welches Verhältnis haben Sie zum Schüler/Gibt es einen Kollegen, der dem Schüler näher steht und die Kommunikation evt. übernehmen sollte? Informieren Sie sich über die Krankheit und mögliche Ursachen sowie Anlaufstellen in Ihrer Umgebung. Suchen Sie das Gespräch: Sprechen Sie den Schüler nicht vor der Klasse an. Halten Sie ihm die Option offen, Ihnen einen Brief zu schreiben, wenn er nicht direkt antworten möchte. Sprechen Sie den Schüler nicht so direkt auf sein Problem an wählen Sie allgemeinere Formulierungen. Weisen Sie dem Schüler Anlaufstellen auf, an die er sich wenden kann. Wenn der Schüler das Gespräch nicht sucht: Schreiben Sie einen Brief. Überlegen Sie noch einmal, ob ein Kollege vielleicht erfolgreicher sein könnte. Aber setzen Sie den Schüler nicht unter Druck; vermeiden Sie auch den Eindruck, dass Sie die Problematik im Kollegium besprochen haben. Und dann? Zeigen Sie sich weiterhin interessiert am Schicksal des Schülers. Bleiben Sie mit ihm in persönlichem Kontakt. Geben Sie ihm weiterhin das Gefühl, dass er Ihnen am Herzen liegt. Verfolgen Sie, welche Hilfsangebote er in Anspruch nimmt. Wenn Sie die Eltern einschalten müssen, teilen Sie dem Schüler dies zuvor mit. Geben Sie ihm die Chance, ein erstes Gespräch selber zu führen. Tipps zum Weiterlesen: Dagmar Pauli, Hans-Christoph Steinhausen, Klaus Gehrmann: Ratgeber Magersucht: Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher. Göttingen, ISBN Esther Biedert: Essstörungen. Stuttgart ISBN (zeigt Krankheitsbilder und Therapiemöglichkeiten auf) Marya Hornbacher: Alice im Hungerland. Leben mit Bulimie und Magersucht. Berlin, ISBN (Biografie einer Betroffenen) Peggy Claude-Pierre: Der Weg zurück ins Leben. Magersucht und Bulimie verstehen und heilen. Frankfurt, ISBN (Erfahrungen einer Psychologin, deren Töchter erkrankten) Weitere Literaturtipps finden Sie auf den Internetseiten sowie
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