8 Mythen & Fakten (Frauen-Notruf Hannover) Seite 1 von 6 8 Mythen & Fakten Die meisten Menschen haben recht konkrete Vorstellungen über sexuelle Gewalt darüber, wie es dazu kommt, wer die Opfer und wer die Täter sind. Sehr viele dieser Vorstellungen sind jedoch falsch, und das hat Folgen. Im folgenden sind einige weitverbreitete Ansichten über sexuelle Gewalt aufgelistet. Mythos 1: Sexuelle Übergriffe auf Frauen und Kinder sind doch selten. FAKT: Jede vierte Frau wird als Erwachsene Opfer einer vollendeten Vergewaltigung, und wenigstens jedes dritte Mädchen und jeder zehnte Junge werden sexuell missbraucht. Das ist alles andere als selten. Sexualisierte Gewalt ist alltäglich. Mythos 2: Sexuelle Übergriffe passieren fast immer überfallartig, und zwar draußen in dunklen und einsamen Gegenden. Fakt: Vergewaltigungen und sexueller Missbrauch an Kindern werden in der Regel von den Tätern im voraus genau geplant. Die Übergriffe finden meistens an Orten und in Situationen statt, wo Frauen und Kinder sich sicher fühlen, beispielsweise in der Schule, am Arbeitsplatz, in der eigenen Wohnung und im eigenen Bett. Dies steht in enger Verbindung mit
8 Mythen & Fakten (Frauen-Notruf Hannover) Seite 2 von 6 Mythos 3: Die Täter sind meistens Fremde. FAKT: Sexualisierte Gewalt wird eher selten von Fremden verübt. Die Täter sind meistens Bekannte oder Verwandte des Opfers, sind Nachbarn, Arbeitskollegen, Lehrer, der Pastor. Oft ist es der Lebenspartner bzw. Ehemann. Untersuchungen haben ergeben, dass das Ausmaß der Gewalt in der Familie größer ist als in jedem anderen gesellschaftlichen Bereich. Gerade also im sozialen Nahbereich, in der Familie erfahren Frauen und Mädchen Gewalt und Erniedrigung. Durch die Privatheit dieser Sphäre wird diese Gewalt verheimlicht, verschleiert, Frauen und Kinder entbehren hier jedweden Schutzes. Durch die emotionale Überfrachtung der Privatsphäre und ihre Abschottung dient die Familie/die Beziehung Männern oft als Ventil für in beruflichen und gesellschaftlichen Bereichen angestaute Aggressionen und Frustrationen. Gewalt gegen Frauen zeigt sich hier als extreme Form der gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnisse, des Objektcharakters der Frau. Der Gesetzgeber hat jetzt endlich dieser Tatsache Rechnung getragen und schließlich auch Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt, was schon immer eine Forderung der Notrufprojekte und Frauenbewegung war.
8 Mythen & Fakten (Frauen-Notruf Hannover) Seite 3 von 6 Mythos 4: Die Täter kommen meist aus der Unterschicht, und oft sind sie Ausländer. FAKT: Sexualisierte Gewalt wird von Männern jeder sozialen Schicht und Nationalität verübt. Professoren und Ärzte sind darunter ebenso zu finden wie Bauarbeiter oder Arbeitslose. Ein Täter wird jedoch eher angezeigt und verurteilt, wenn er aus einer gesellschaftlich nicht so hoch angesehenen Gruppe stammt. Mythos 5: Männer, die Frauen vergewaltigen oder Kinder missbrauchen, sind entweder krank oder verrückt. FAKT: Die Täter unterscheiden sich in der Regel nicht von den sogenannten normalen Männern. Darauf verweist allein schon die Feststellung, dass etwa jeder fünfte Mann ein Täter ist. Die Täter sind - bis auf wenige Ausnahmen - weder krank noch psychopathisch. Sie scheinen sich allerdings von Nicht-Tätern darin zu unterschieden, dass sie an den in unserer Gesellschaft herrschenden frauenfeindlichen Werten und Einstellungen besonders stark festhalten, d.h. an dem für unsere Kultur charakteristischen Männlichkeitsidealen orientiert sind.
8 Mythen & Fakten (Frauen-Notruf Hannover) Seite 4 von 6 Mythos 5: [weiter] Zu diesem Mythos gehört auch die Ansicht, sexualisierte Gewalt als ein rein sexuelles Problem zu verstehen. Täterund Opferbefragungen zeigen jedoch, dass sexualisierte Gewalt weniger als gewalttätige Sexualität denn als sexualisierte Gewalttätigkeit begriffen werden muss. Hinter dieser Ansicht, Vergewaltigung und Missbrauch als alleinig sexuelles Problem zu sehen, steht die Auffassung, der Mann habe einen wesentlich stärken Sexualtrieb, der sich entladen muss ( Dampfkesseltheorie ) oder der Täter sei in irgendeiner Weise psychisch oder sozial auffällig das bedeutet kein normaler Mann. Von diesen Tätern kann man sich und kann sich die Gesellschaft dann leicht distanzieren. Als Lösungen des Problems bieten sich entsprechend individuelle Strategien an, beispielsweise die Täter wegzuschließen oder zu therapieren. Es bleibt bei diesen, ohne Frage notwendigen, individuellen Lösungen. Über einschneidende gesellschaftliche Maßnahmen zur Verhinderung sexualisierter Gewalt wird dann aber nicht weiter nachgedacht.
8 Mythen & Fakten (Frauen-Notruf Hannover) Seite 5 von 6 Mythos 6: Sexualisierte Gewalt trifft vor allem Frauen, die jung sind, gut aussehen und sich aufreizend kleiden und verhalten. Einer anständigen Frau passiert so etwas nicht. FAKT: Mädchen und Frauen jeden Alters sind von sexualisierter Gewalt betroffen, ein Baby ebenso wie eine alte Frau. Es macht auch keinen Unterschied, wie schön oder hässlich sie ist. Es ist nicht die sexuelle Attraktivität oder das aufreizende Verhalten des Opfers, was zur Tat führt, sondern der Wille und die Absicht des Täters. Auch damit wird sexualisierte Gewalt wieder individualisiert, der Frau wird wieder Schuld zugeschrieben, sie braucht sich ja nur anders zu verhalten. Mythos 7: Wenn Frauen oder Kinder einen Mann beschuldigen, dass er sich sexuell an ihnen vergriffen habe, so ist das oft eine Lüge. Sie wollen sie für andere Dinge an ihm rächen. FAKT: Bei sexualisierter Gewalt sind Falschanschuldigungen extrem selten. Es passiert eher das Gegenteil, nämlich dass Opfer eine wahre Anschuldigung zurückziehen, weil sie von der Umwelt massiv unter Druck gesetzt oder beschimpft werden. Meistens allerdings schweigen die Opfer: sie schämen sich, haben Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird.
8 Mythen & Fakten (Frauen-Notruf Hannover) Seite 6 von 6 Mythos 8: Sie hat es ja selbst gewollt - schließlich hat sie sich ja nicht gewehrt. FAKT: Fast alle Opfer sexualisierter Gewalttaten setzen sich in irgendeiner Weise gegen den Täter zur Wehr. Sie sagen Nein (was oft als Ja interpretiert wird), versuchen, sich ihm zu entziehen oder kämpfen mit ihn. Der Täter aber setzt sich mit Macht über ihren Willen hinweg. Erschwerend ist, dass Mädchen und Frauen in unserer Gesellschaft kaum lernen, sich Männern gegenüber zu behaupten, aggressiv zu sein und zu kämpfen. Ihnen wird geraten, sich nicht zu wehren, wenn sie angegriffen werden. Daher haben viele Angst zu kämpfen und wissen auch nicht, wie. Zudem können Schockerleben und Todesängste Widerstand praktisch unmöglich machen. Aus fehlender Gegenwehr kann deshalb nicht geschlossen werden, dass ein Mädchen oder eine Frau es gewollt hat. Diese Mythen, Klischeevorstellung, Vorurteile verleugnen und bagatellisieren sexualisierte Gewalt. Sie entlasten den Täter von seiner Verantwortung und schreiben den Opfern die Schuld zu. Wir helfen den Opfern! Rufen Sie uns an Frauen-Notruf Hannover 0511 / 332 112