Alles was Recht ist Juristische Stolperstricke beim Umgang mit Langzeiterkrankten im Betrieblichen Eingliederungsmanagement
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- Hans Geisler
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1 Alles was Recht ist Juristische Stolperstricke beim Umgang mit Langzeiterkrankten im Betrieblichen Eingliederungsmanagement Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Jörn Hülsemann Anwaltshaus seit 1895, Hameln
2 Unsere gemeinsamen Themen Die Erkrankung von Arbeitnehmern Formen der Erkrankung von Arbeitnehmern Folgen für den Leistungsaustausch der Parteien Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) Rechtsgrundlage des BEM Wie das BEM umsetzen? Fehlendes BEM und krankheitsbedingte Kündigung Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Warum Arbeitgeber hier sorgfältig sein müssen
3 Formen von Erkrankungen der AN Es sind zu unterscheiden Langzeiterkrankungen (lang andauernde Erkrankungen), häufige Kurzerkrankungen und krankheitsbedingte (dauernde) Leistungsminderungen Bei häufigen Kurzerkrankungen lassen Arbeitgeber Arbeitnehmer gerne durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen untersuchen. Krankheitsbedingte Leistungsminderungen führen manchmal zu einer low performance. Zu prüfen ist dann, ob diese ungewollt oder gewollt (bewusstes Zurückhalten der Arbeitsleistung) sind.
4 Auswirkungen im Austauschverhältnis Langfristig erkrankte Arbeitnehmer erhalten vom Arbeitgeber nach sechs Wochen keine Leistungen nach dem EFZG mehr. Danach können Arbeitnehmer Krankengeld von der Krankenkasse beanspruchen. Es beträgt 70 % des bisherigen Bruttoentgelts (max. 90 % des Nettoentgelts) und wird für bis zu 78 Wochen gezahlt. Tarifverträge können eine Aufstockung des Krankengeldes vorsehen, z.b. in Form eines Krankengeldzuschusses.
5 Kündigung wegen Erkrankung? Es ist anerkannt, dass eine Erkrankung einen Kündigungsgrund darstellen kann. Es handelt sich dabei um einen Unterfall der personenbedingten Kündigung. Der Arbeitnehmer kann die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht (mehr) erbringen. Durch die Kündigung soll die Äquivalenzstörung behoben werden, wobei dem Arbeitnehmer gerade kein Vorwurf gemacht wird. Es bedarf daher auch keiner Abmahnung.
6 Kündigung wegen Krankheit! (1) Nochmals: die krankheitsbedingte Kündigung ist als personenbedingte Kündigung ohne Vorwurf an den AN, es geht um Risikoverteilungen. Das Grundschema für krankheitsbedingte Kündigungen ist immer gleich. Es bedarf einer negativen gesundheitlichen Prognose, einer erheblicher Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und einer umfassenden Interessenabwägung.
7 Kündigung wegen Krankheit! (2) Bei der Prognose muss der Arbeitgeber darlegen, warum er auch künftig mit Fehlzeiten rechnet. Der Arbeitnehmer kann diese Vermutung widerlegen. Dann muss der Arbeitgeber den vollen Beweis führen, was in der Regel nur durch ein arbeitsmedizinisches Gutachten möglich ist. Bei der Prognose wird auch die vom Arbeitgeber zu erstellende Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen sein.
8 Kündigung wegen Krankheit! (3) Die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen sind z.b. die Entgeltfortzahlungskosten oder Kosten von Arbeitsersatz (Subunternehmer, Leiharbeitnehmer). An diesem Prüfungspunkt scheiterten in der Vergangenheit viele Kündigungen. Die neue Rechtsprechung des EuGH und des ihm folgenden BAG zum Erhalt der Urlaubs(abgeltungs)- ansprüche hat es erleichtert, diesen Prüfungspunkt zu bejahen. Ob dies der EuGH gewollt hat, weiß man nicht...
9 Kündigung wegen Krankheit! (4) Bei der Interessenabwägung sind als weitere Argumente mit anzuführen: soziale Gesichtspunkte, (Mit-)Verursachungsanteile, die Betriebsgröße und die finanzielle Situation des Arbeitgebers. Bei einem Betriebsunfall oder einer Berufskrankheit z.b. ist es für den Arbeitgeber erheblich schwieriger, eine Kündigung zu rechtfertigen. Ein weiteres Argument ist, ob ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement durchgeführt wurde.
10 Rechtsgrundlage für das BEM Seit dem gilt 84 II SGB IX. Danach hat der Arbeitgeber die rechtliche Verpflichtung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM). Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeit, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden wird und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Durchführung des BEM ist dabei unabhängig von der Betriebsgröße und der Beschäftigtenzahl.
11 Wie das BEM umsetzen? (1) Ziel des BEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist und ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden. Das Gesetz verlangt dabei eine bestimmte Aufgabenund Rollenverteilung. Es ist der Arbeitgeber, der das BEM zu organisieren hat. Er hat dabei einen großen Spielraum, wie er das BEM bei sich umsetzt.
12 Wie das BEM umsetzen? (2) Das BEM darf nur mit Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers durchgeführt werden. Zum Mindeststandard gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den gesetzlichen Zielen des BEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Das Erfordernis eines BEM besteht für alle Arbeitnehmer, nicht nur für behinderte Menschen. Das BEM ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann durchzuführen, wenn keine betriebliche Interessenvertretung i.s.v. 93 SGB IX gebildet ist.
13 Wie das BEM umsetzen? (3) Bausteine eines BEM können/müssen daher sein: Beeinträchtigungsanalysen leidensgerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes Perspektivgespräch mit Einsatzwünschen medizinische Untersuchungen durch den Betriebsarzt Schulungen ( Richtig heben und tragen ) Bei der Einführung und Durchführung des BEM ist zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat zu beteiligen ist. Er hat Mitbestimmungsrechte und kann den Abschluss einer Dienstvereinbarung oder einer Integrationsvereinbarung fordern.
14 Der BR und das BEM Ob der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Einleitung des BEM nachkommt, hat der Betriebsrat zu überwachen. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist nicht von der Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer abhängig. Der Betriebsrat kann die Angabe sämtlicher Arbeitnehmer verlangen, die für die Durchführung eines BEM in Betracht kommen. Der Arbeitgeber darf deren namentliche Benennung nicht vom Einverständnis der Arbeitnehmer abhängig machen.
15 Das BAG und das BEM (1) Bedeutung erhält die Durchführung eines BEM bei der Interessenabwägung im Rahmen einer krankheitsbedingten Kündigung. Der Arbeitgeber hat schließlich darzulegen und zu beweisen, dass er eine andere Einsatzmöglichkeit für den Arbeitnehmer nicht hat. Wie will er dies tun, wenn er kein BEM durchführt? Aber: die Durchführung des BEM ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung.
16 Das BAG und das BEM (2) Das BEM selbst ist kein milderes Mittel. Mit seiner Hilfe können aber mildere Mittel als die Kündigung, z.b. eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz, erkannt und entwickelt werden. Führt der Arbeitgeber kein BEM durch, darf er sich dadurch keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen.
17 Das BAG und das BEM (3) Er kann sich dann nicht darauf beschränken vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz ausscheiden. Erst dann ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt.
18 Klarstellungen BEM ist kein Krankenrückkehrgespräch. BEM ersetzt keine Überlastungsanzeige. BEM ersetzt kein Personalgespräch. BEM ist keine Wiedereingliederung nach SGB V. BEM ist nicht nur für Behinderte. BEM bereitet nicht (immer) die Kündigung vor. BEM geschieht nicht aus Mitleid. BEM ist eine gesetzliche Verpflichtung!
19 Arbeitshilfen
20 Bedeutung für den Arbeitgeber Mit der tatsächlichen Umsetzung zeigt der Arbeitgeber auf, dass er sich rechtstreu verhält. Er macht dem Betriebsrat klar, dass er seine Arbeitnehmer nicht nur als Humankapital sieht. Der einzelne Arbeitnehmer wird als Mensch wahrgenommen, seine Bedürfnisse werden erfragt. Meint der Arbeitgeber dies ernst, wird menschliche Arbeit im Betrieb zu mehr als einem Produktionsfaktor. Der Arbeitgeber zeigt Verantwortung.
21 ...Verantwortung Adieu, sagte der Fuchs. Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar, wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken. [ ] Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen, sagte der Fuchs. Aber du darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.
22 Diplom-Verwaltungswirt (FH) Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Jörn Hülsemann Anwaltshaus seit 1895 Ostertorwall Hameln Telefon: (05151) Telefax: (05151) jh@anwaltshaus-1895.de
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