Der problematische Fertigkuchen

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1 AG Wettbewerbsund Immaterialgüterrecht Jonathan Bauerschmidt, Julia Kilian Der problematische Fertigkuchen Die F-AG hatte sich entschlossen, ihr erfolgreichstes Produkt, eine Milchcreme- Schnitte, umfassend zu schützen. Deswegen beantragte sie eine dreidimensionale, farbige Marke für Dauer- und Feinbackwaren, nämlich Fertigkuchen einzutragen. Dabei legte F dar, dass über 70% der Verbraucher in Deutschland ihre Milchschnitte kennen. Das DPMA entsprach dem Antrag der F. Die Marke wurde eingetragen. Die zwei Konstanzer Studenten K1 und K2, die ihre Zwischenprüfung bereits abgelegt haben, wollen richtig gutes Geld machen. Beide kennen sich sehr gut in der Gastronomie aus und gründen im Stadtzentrum eine kleine Feinschmecker-Bäckerei. Auch sie wollen eine Milchcreme-Schnitte machen, die der Milchschnitte der F ähnlich ist, aber deutlich besser schmeckt. Als sie einigen Bekannten von ihrem Plan erzählen, bekommen sie zu hören, dass die Sache juristisch gefährlich sein könnte. F habe schließlich ihre Milchschnitte schützen lassen. K1 und K2 finden das nicht in Ordnung. Es solle ja jedem unbenommen bleiben, einen viereckigen Kuchen zu verkaufen. Jede Milchschnitte müsse mehr oder weniger gleich aussehen wie das Produkt der F. F dürfe eine weit verbreitete Form nicht einfach klauen. Deswegen überlegen sie, ob sie gegen die Eintragung der Marke vorgehen können. Frage: Können K1 und K2 erreichen, dass die Marke der F gelöscht wird? Leseempfehlung: BGH, GRUR 2008, 510 Milchschnitte EuGH, GRUR-Int 2008, 43 Henkel./. HBMA EuG, GRUR-Int 2008, 47 Georg Neumann./. HBMA EuG, GRUR-Int 2008, 52 Bang & Olufsen./. HBMA Zur Eintragungsfähigkeit von Werbeslogans siehe EuGH, GRUR Int 2010, 225 Vorsprung durch Technik

2 Lösungsskizze I. Löschungsklage vor ordentlichen Gerichten, 55 MarkenG? 1. Löschungsgründe: a) 49 MarkenG Verfall b) 51 MarkenG Bestehen älterer Rechte 2. Ergebnis: Keine Löschungsgründe nach 49, 51 MarkenG ersichtlich. II. Löschungsverfahren vor dem DPMA, 54 MarkenG? 1. Voraussetzung des 50 MarkenG: Vorliegen eines absoluten Schutzhindernisses. Wurde die Marke entgegen 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen? 2. Welche absoluten Schutzhindernisse kommen hier in Betracht? a) Markenfähigkeit: aa) Zeichen im Rechtssinne: Markenform, 3 I MarkenG? Kategorie-Formel des EuGH: Es gibt keine Kategorie von Zeichen außerhalb der MRL, die nicht markenfähig sein können. (Grundsatz der Selbständigkeit des Zeichens 1 : Das Zeichen darf nicht mit dem Produkt, das es kennzeichnet, identisch sein [gedanklich abstrahierbar von der Ware oder Dienstleistung]. Das als Marke schutzfähige Zeichen muss frei gewählt werden, funktional unabhängig und damit selbständig sein. Dies ist bei Formzeichen fraglich, aber noch anzunehmen. Das Kriterium steht unter dem Vorbehalt einer Übernahme durch den EuGH.) Auch dreidimensionale Formen sind markenfähig. bb) Abstrakte Unterscheidungseignung, 3 I MarkenG? Die Eignung eines Zeichens, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden, ist abstrakt zu beurteilen, d.h. unabhängig von der beantragten Warengruppe oder der Person des Anmelders 2. Die Unterscheidungsfunktion ist wesentliches Kriterium eines jeden Kennzeichens. 1 Dieser Grundsatz wird z.b. konkretisiert in 3 Abs. 2 MarkenG. 2 Vgl. hierzu z.b. BGH, GRUR 2001, 240 Swiss Army.

3 Der Milchschnittenform kommt die abstrakte Eignung zur Identifizierung von Produkten zu. 3 cc) Schranken des 3 II MarkenG bei 3D-Marke? Es soll nicht möglich sein, dass ein Marktteilnehmer entgegen dem öffentlichen Interesse Gattungsgrundformen, technische Lösungen oder Eigenschaften der Ware monopolisieren kann. 3 II Nr. 1 4 : Das Zeichen ist durch die Art der Ware bedingt. Es lässt sich keine Grundform für Cremeschnitten festlegen. Kuchen werden in einer Vielzahl von Formen gebacken. 3 II Nr. 2: Das Zeichen besteht aus einer Form, die technisch bedingt ist (nicht nur auf technische Geräte beschränkt). Es ist nicht technisch notwendig, einen Fertigkuchen rechteckig zu gestalten und dreilagig aufzubauen. 3 II Nr. 3: Die Form verleiht der Ware den wesentlichen Wert. Das Kriterium ist restriktiv anzuwenden. BGH: Nur, wenn der Verkehr allein in dem ästhetischen Gehalt der Form den wesentlichen Wert der Ware sieht und deshalb von vornherein ausgeschlossen ist, dass der Form neben ihrer ästhetischen Wirkung zumindest auch die Funktion eines Herkunftshinweises zukommen kann. Die Form der Milchschnitte verleiht ihr nicht ihren wesentlichen Wert. dd) Graphische Darstellbarkeit, 8 I MarkenG Zu bejahen, wenn sich die Marke mit graphischen Symbolen umschreiben lässt. Wichtig: Entgegen der systematischen Einordnung ist die graphische Darstellbarkeit Voraussetzung für die Markenfähigkeit und nicht nur Eintragungsvoraussetzung (Arg. Art. 2 Markenrechtsrichtlinie; str., dies ist für die Benutzungsmarke von Bedeutung; Die Unmöglichkeit, das 3 Im Hinblick auf den sehr weiten Prüfungsmaßstab wird die Unterscheidungseignung stets gegeben sein, vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, 3 Rn. 9. Als Beispiele nennt Fezer, Markenrecht, 4. Auflage 2009, 3 Rn. 371Wörter wie TV, Euro, Internet etc. und nicht gestaltete Satzzeichen, wie Punkt und Komma oder einer geraden Linie. 4 Hier gibt es eine weitgehende Überschneidung mit 3 Abs. 1, vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, 3 Rn. 47.

4 Zeichen graphisch darzustellen, kann nicht durch den Erwerb von Verkehrsdurchsetzung überwunden werden). Kriterien (EuGH): Das Zeichen muss insbesondere mit Hilfe von Figuren, Linien oder Schriftzeichen darstellbar sein. Die Darstellung muss klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv sein. Man kann die Milchschnitte von allen möglichen Seiten abbilden, 8 I MarkenG ist erfüllt. 9 MarkenVO sieht dafür das Einreichen von zweidimensionalen graphischen Wiedergaben ausdrücklich vor. Problematische Fallgruppen: - Hörzeichen 5 ; Anmeldevoraussetzung in 11 MarkenVO - abstrakte Farbzeichen, Farbkombinationszeichen - Geruchszeichen 6 - Geschmackszeichen - haptische Zeichen b) Eintragungsfähigkeit: aa) Markenfähigkeit (+), s.o. bb) Konkrete Unterscheidungskraft, 8 II Nr. 1 MarkenG? Ist das Zeichen für die Produkte unterscheidungskräftig, für die es angemeldet wurde? Ist ein viereckiger Kuchen für die Warenart Fertigkuchen unterscheidungskräftig? Kriterien (EuGH/EuG): Es ist auf die angemeldeten Produkte (Fertigkuchen) und auf die maßgeblichen Verkehrskreise (durchschnittlichen Verbraucher) abzustellen. Eine geringe Unterscheidungskraft ist ausreichend. Gilt etwas anderes bei 3D-Marken? Grundsätzlich nicht, aber: Warenformmarken werden anders wahrgenommen als Wort- und Bildmarken. Die Verbraucher schließen aus der Form nicht unbedingt auf die Herkunft der Ware. 5 Vgl. EuGH, GRUR 2004, 54 Shield Mark. 6 Vgl. EuGH, GRUR 2003, 145 Sieckmann: Angabe der chemische Formel nicht ausreichend.

5 Folge: Eine Warenformmarke muss erheblich von der Branchenüblichkeit abweichen. Die viereckige Form ist wohl branchenüblich, daher 8 II Nr. 1 MarkenG (-) cc) Verkehrsdurchsetzung nach 8 III MarkenG? Verkehrsdurchsetzung ist grundsätzlich gegeben, wenn über 50% des betroffenen Verkehrskreises die Marke zu dem Unternehmen zuordnen kann. Wichtig: Durch Verkehrsdurchsetzung können nur die Eintragungshindernisse des 8 II Nr. 1-3 MarkenG überwunden werden. Für 3 II MarkenG ist dies nicht möglich (absolutes Freihaltebedürfnis). 70% der deutschen Verbraucher wissen, dass die Milchschnitte von F stammt. Die Marke hat sich also im Verkehr durchgesetzt. 3. Ergebnis: Es sind keine absoluten Eintragungshindernisse gegeben. Eine Löschung nach 54 MarkenG ist nicht möglich.