und wenn sie nicht wollen? organisatorische und pädagogische Herausforderung Hannover, 27. September 2017
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- Adrian Holzmann
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1 und wenn sie nicht wollen? Möglichkeiten der Beteiligung von gefährdeten Jugendlichen - organisatorische und pädagogische Herausforderung Workshop im Rahmen des Fachtags für Fachkräfte im Kinderschutz Hannover, 27. September 2017 Referentin: Britta Discher
2 Workshop Programm: Impuls Voraussetzung Gefährdungslagen: Definition - Erscheinungsbilder Scarlett Finja Mitgebrachte Fragestellungen Ihre Fragen Risikofaktoren im Hilfesystem Fachliche Anforderungen Gesellschaftlicher Schutzauftrag Verständnis der Gefährdungseinschätzung bei und mit Jugendlichen Erschwernisse Austausch: Neue, zusätzliche Fragen? Antworten?
3 Rechtlich: Schutzauftrag für Jugendliche Jugendhilfe hat einen begleitenden, helfenden und entwicklungsfördernden (Schutz-) Auftrag ( 1 und 8a SGB VIII) Pädagogisch: Die allgemeine und breite Unterstützung Heranwachsender zur Bewältigung ihrer Entwicklungsaufgaben senkt das Risiko von Bewältigungsproblemen (Hurrelmann) In krisenhaften Lebenssituationen brauchen Jugendliche Unterstützung, Begleitung, manchmal besonderen Schutz und/ oder Obhut, damit sie ihre Entwicklungsaufgaben bewältigen können. Stimmen Sie dieser These zu?
4 Gefährdungen im Jugendalter können grob in zwei Kategorien unterschieden werden (Susanna Lillig, Wege zur Beurteilung von Gefährdungen im Jugendalter - Eine Arbeitshilfe, DJI 2012) Klassische Gefährdungslagen Gefährdungslagen durch Transaktion Jugendliche erleben eine direkte Schädigung durch das Tun oder Unterlassen von Sorgeberechtigten: Vernachlässigung Misshandlung Sexueller Missbrauch Jugendliche entwickeln aus unterschiedlichen Gründen ausgeprägte Probleme im Verhalten bzw. Erleben, die so schwerwiegend sind, dass sie dringend einer Reaktion durch die Sorgeberechtigten bedürfen. Gefährdung entsteht hier nicht direkt aus elterlichem Tun oder Unterlassen, sondern ergibt sich aus dem Zusammenspiel (der Transaktion) von Problemdynamik bei der/dem Jugendlichen und der unzureichenden Reaktion der Sorgeverantwortlichen.
5 Gefährdungslagen durch Transaktion, z.b. Schulverweigerung - Selbstverletzung- - Depressionen, andere psychische Erkrankungen, - ADHS Essstörungen Drogenmissbrauch - Sexualisiertes und/ oder gewalttätiges Verhalten, autistische Spektrumstörung, kriminelles und/oder radikales Verhalten Was tun? biopsychosozial betrachten im Kontext der Lebenssituation verstehen interdisziplinär bearbeiten
6 Scarlett, heute 16 Jahre 4 Jahre alt: Alkoholprobleme der Mutter werden im Kindergarten dokumentiert 6 Jahre, Schuleingangsuntersuchung stellt Entwicklungsverzögerung fest 7 Jahre: Gespräche in der Schule wegen Verdacht auf Vernachlässigung 8 Jahre: Schwester verlässt im Alter von 16 Jahren die Familie Trebegängerin 11 Jahre: Klassenkonferenz, S. hat Mitschüler bestohlen 12 Jahre: erste Alkohol und Drogenerfahrungen, polizeiliche Ermittlungen 13 Jahre: intime Fotos per WhatsApp Schlägerei in der Schule mit anderen Mädchen - Schulkonferenz Immer wieder häusliche Gewalt und Demütigungen in der Familie Schutz durch Nachbarschaft und Freundinnen - Scarlett konfabuliert seit der Grundschulzeit 16 Jahre: S. verschwindet mit älterem Freund und zieht in eine Jungen WG sexuelle Übergriffe, sie wendet sich an das Jugendamt, ihr wird zunächst nicht geglaubt, sie soll wieder nach Hause gehen - mit Leumund kommt es zu Elterngesprächen Ergebnis: S. soll zu ihrem Vater ziehen, der seit ihrem dritten Lebensjahr als sozialer` Vater keine Rolle spielt Scarlett taucht unter, bricht die Schule ab
7 Finja, heute 18 Jahre 4 Jahre alt Trennung der Eltern, jahrelanger Sorgerechts,- und Umgangsstreit Grundschulzeit: zurückhaltendes unauffälliges Mädchen 13 Jahre: neuer Lebenspartner der Mutter zieht in die Familienwohnung Bruder steht wegen Verdacht auf ADHS im Mittelpunkt, Abschlussbericht nach Diagnostik im SPZ dokumentiert aber auch eine emotionale Belastung durch Konflikte in der Familie- Hilfe zur Erziehung wird angeregt drei Gespräche in der Erziehungsberatung 14 Jahre: Schule regt psychotherapeutische Unterstützung an - 8 Therapiesitzungen 16 Jahre: 3 Wochen Psychiatrie wegen Suizidversuch 17 Jahre: Stiefvater kündigt Rausschmiss bei Volljährigkeit an keine Unterstützung durch die Mutter Einen Monat vor dem 18 Geburtstag wendet sich Finja ans Jugendamt: Überlastung und Unzuständigkeit wird erklärt Finja findet Unterschlupf bei einer Freundin, arbeitet in einer Tankstelle, schmeißt die Schule
8 Schutzauftrag für Jugendliche fachliche Fragen Wer sieht, wer benennt, wer bestimmt, ob eine Gefährdung vorliegt? Wie wird eine Gefährdung eingeschätzt und welche Hilfen bieten wir an? In welcher Pflicht stehen die Eltern und/ oder die Jugendlichen bei der Abwendung der Gefährdung und wo beginnt die Verantwortung der Fachkräfte (in Bezug zu den Eltern? in Bezug zu dem Jugendlichen?) Wie erkennen wir Gefährdungen bei Kindern mit Behinderungen? Wie beteilige ich Jugendliche, die keine Stimme haben bei der Einschätzung? Wie können Hilfen installiert werden, wenn kein Problembewusstsein des Jugendlichen vorhanden ist (z.b. Radikalisierung -radikale Antworten auf komplizierte Fragen - Michel Kiefer Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück) Wie geht erfolgreiche Kontaktaufnahme, Kommunikation und Hilfegestaltung mit Jugendlichen? Wie umgehen mit Widerstand gegen Schutzmaßnahmen?
9 Schutzauftrag für Jugendliche und ihre Fragen?
10 Risikofaktoren im Hilfesystem Symptom-Orientierung bei unzureichender Diagnostik Professionelle Konkurrenzen / mangelnde Kooperation Ausgrenzungsmechanismen Fehlende Methodenkenntnisse (Gespräche, Reflexion, Dokumentation) Mangelnde Beteiligung/ Mitwirkung des betroffenen Jugendlichen Fokussierung auf den Schutz von Kindern Überlastung der begleitenden Systeme
11 Gesellschaftliche Schutzaufgaben : sorgfältige und frühzeitige soziale, (heil-) pädagogische und ggf. therapeutische Unterstützung Inklusive Sicht auf Bildungs-, Förder- und Hilfeprozesse systemübergreifende Kooperationen, verlässliche Zusammenarbeit gesellschaftliche Investition (Zeit und Kompetenzen) in den Aufbau und die Verlässlichkeit von belastbaren Arbeitsbündnissen mit gefährdeten Jugendlichen
12 Eine Gefährdungseinschätzung bei Jugendlichen muss folgende Parameter berücksichtigen: die Lebenslage und Lebensgeschichte des Jugendlichen im Kontext verstehen. Dazu gehören auch (misslungene) Erfahrungen mit Bildungs- und Hilfesystemen. eine Perspektive einnehmen, die das als "störend oder gestört" empfundene Verhalten der Jugendlichen als häufig unverzichtbare Überlebensstrategien begreift die Beteiligung des Jugendlichen in der Gefährdungseinschätzung aktiv ermöglichen die eigene Organisation reflektieren Dysfunktion erkennen Hilfe und Bildungsverlauf reflektieren
13 Erschwernisse
14 Partizipation unter erschwerten Bedingungen: vernachlässigte Kinder und Jugendliche PROF. DR. JÖRG M. FEGERT, Fachtag des DIfU in Berlin 2001 Will man Kinder (Jugendliche) beteiligen, muss man ihren Entwicklungsstand und ihre jeweilige Lebens- und Erfahrungssituation berücksichtigen. Die Schwächsten und Teilhabebedürftigsten brauchen die stärksten Unterstützungen zur Teilhabe. Entwicklungsverzögerte, deprivierte, psychisch beeinträchtigte Kinder (Jugendliche) sind häufig schutzlos den vehementesten Interessenkonflikten ausgesetzt und haben die geringsten Möglichkeiten, sich einzubringen. Autonomie und eigene Bedürfnisse sehen zu können, setzt bestimmte Entwicklungsschritte und Erfahrungen voraus, die man gemacht haben muss. Das bedeutet, für bestimmte beeinträchtigte Gruppen müssen wir andere Kommunikationssignale als bisher setzen und müssen uns auch auf deren Kommunikationsfertigkeiten einstellen.
15 Dankeschön für die Aufmerksamkeit Und jetzt sind Sie gefragt
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