26. DGVT Kongress März Dr. Hanna Christiansen & Prof. Dr. Bernd Röhrle
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- Simon Hermann
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1 Metaanalytische Ergebnisse zu Interventionen zur Verbesserung von Erziehungsfertigkeiten und Lebenskompetenzen für Familien mit psychisch kranken Eltern 26. DGVT Kongress März 2010 Dr. Hanna Christiansen & Prof. Dr. Bernd Röhrle
2 Warum sind Interventionen für Familien mit psychisch kranken Eltern wichtig? Prävalenz psychisch erkrankter Eltern liegt über verschiedene Studien hinweg zwischen 9 61 %. Legt man die Zahl der Familien und Raten psychisch Erkrankter zusammen, so kann von 3.8 Millionen betroffener Kinder und Jugendlicher ausgegangen werden. Nach metaanalytischen Ergebnissen entwickeln 61 % der Kinder von Eltern mit Depressionen selbst eine psychische Störung im Laufe ihres Lebens. In einzelnen Studien zeigte sich, dass das Risiko psychisch zu erkranken für diese Kinder im Vergleich zur Gesamtbevölkerung bis zu vierfach erhöht ist. Väterliche und mütterliche Erkrankungen erhöhen das Risiko einer Erkrankung für die Kinder unabhängig voneinander. Dies zeigt sich bereits im Kindes und Jugendalter: 48.3 % der Patienten in kinderund jugendpsychiatrischer Behandlung haben ein Elternteil mit einer schweren psychischen Störung. (Mattejat & Remschmidt, 2008 ; Lenz, 2007; Statistisches Bundesamt, 2006; Wittchen, 2000; Christiansen & Röhrle, in prep.)
3 Folgen der elterlichen psychischen Erkrankung auf die Kinder Vielzahl qualitativer und quantitativer Risiken: Desorientierung und Verwirrung Schuld und Schamgefühle Isolierung Betreuungsdefizite Parentifizierung Abwertungserlebnisse Loyalitätskonflikte erhöhte Säuglings und Kleinkindsterblichkeit Bindungsstörungen Entwicklungsverzögerungen und störungen internalisierende und externalisierende Störungen Entwicklung schwerer psychischer Störungen (Röhrle & Christiansen, 2009; Goodman & Tully, 2008; Nicholson et al., 2008; Fraser et al., 2006; Hall, 2004)
4 Die Folgen für die Kinder sind umso schwerwiegender: je stärker sie in die Symptomatik des kranken Elternteils einbezogen sind; je jünger sie sind, wenn die elterliche Erkrankung auftritt; wenn gravierende, ungelöste elterliche Konflikte bestehen; wenn die Familie isoliert ist; wenn Kinder parentifiziert werden; wenn die Erkrankung zum Auseinanderbrechen der Familie führt. (Kühnel & Bilke 2004; Lenz 2006; 2007; 2008; Connell & Goodman, 2002)
5 Schutz und Resilienzfaktoren kindzentrierte Faktoren robustes, aktives, kontaktfreudiges Temperament emotionale Einfühlungs und Ausdrucksfähigkeit gute soziale Problemlösefähigkeiten mindestens durchschnittliche Intelligenz Selbstvertrauen, positives Selbstwertgefühl hohe Selbstwirksamkeitserwartungen ausreichende alters und entwicklungsadäquate Aufklärung über die Erkrankung der Eltern elternzentrierte Faktoren stabile Bindung an mindestens eine primäre Bezugsperson angemessene Behandlung des erkrankten Elternteils angemessene Krankheitsbewältigung adäquater elterlicher Umgang mit der Erkrankung gute Paarbeziehung (Wiegand Grefe et al., 2009; Röhrle & Christiansen, 2009; Pretis & Dimova, 2008; Lenz, 2007; Gladstone et al., 2006)
6 Schutz und Resilienzfaktoren familienzentrierte Faktoren gute familiäre Krankheitsbewältigung gute familiäre Kommunikation Offenheit in der Familie im Umgang mit der Erkrankung emotional positives, zugewandtes, akzeptierendes und zugleich angemessen forderndes, kontrollierendes und stabiles Erziehungs und Familienklima Rituale soziale/strukturelle Faktoren keine prekären Lebensumstände und bedingungen stabiles soziales Netz/soziales Unterstützungssystem stabile Beziehungen außerhalb der Familie Schule, Arbeit Gemeindeaktivitäten, soziale Teilhabe (Wiegand Grefe et al., 2009; Röhrle & Christiansen, 2009; Pretis & Dimova, 2008; Lenz, 2007; Gladstone et al., 2006)
7 (Hosman et al., 2009)
8 Präventive Ansätze International wurde eine Vielzahl präventiver Interventionen für Familien mit psychisch kranken Eltern entwickelt. Formal lassen sich kind oder elternzentrierte sowie bifokal angelegte Programme unterscheiden. (Christiansen et al., 2010; Röhrle & Christiansen, 2009; Gladstone & Beardslee, 2009; Garber et al., 2009; Lenz, 2007; Fraser et al., 2006)
9 Präventive Ansätze Gemeinsame Komponenten dieser präventiven Maßnahmen sind: Screenings Risikoeinschätzung Versorgungssituation der Kinder Edukation Ursachen und Erscheinungsbilder der jeweiligen elterlichen Erkrankung Risiken der Kinder Hilfsmöglichkeiten zum Abbau von Hilflosigkeit
10 Präventive Ansätze Innerfamiliäre Entlastungen Stressbewältigung Stärkung der Erziehungskompetenzen Verbesserung des kommunikativen Milieus Familienhilfen Aufbau eines familienexternen Betreuungssystems (z. B. Patenschaften) schulische Unterstützungen Unterstützung beim Umgang mit Gefühlen Ausleben und Abbau von Ängsten und Schuldgefühlen Aufbau positiven Selbstwerterlebens (z. B. im Rahmen erlebnispädagogischer Maßnahmen)
11 Präventive Ansätze Intensivierung familienexterner Kontakte Aktivierung anderer Ressourcen Familiäre Dezentrierung und Förderung kindlicher Autonomie Therapie, Frühintervention und Rückfallprophylaxe der Eltern der Kinder oder der Familie
12 Präventive Ansätze Strukturelle Maßnahmen Stabilisierung der Situation (z.b. Aufnahme der Kinder in die Behandlungseinrichtungen, die von den Eltern genutzt werden) Qualifizierung behandelnder Teams im Umgang mit der familiären Problematik Vernetzung aller beteiligten Einrichtungen (auch Schulen) in schweren Fällen Entzug des Sorgerechts und damit einhergehende Hilfemaßnahmen
13 Evidenz Mehrzahl der Programme nicht evidenzbasiert, d.h. Interventions und Präventionsstrategien beruhen vielfach auf Erfahrungen im Kontext von Projektberichten, selten auf RCTs Systematische Übersicht zu evidenzbasierten Programmen ergibt: Mehrzahl der Studien aus den USA Keine deutschsprachigen Studien Heterogene Stichprobengrößen (n = 9 472) Heterogene Zielgruppen (Mütter Säuglinge, Familien, nur Kinder) Mehrzahl der Studien zu depressiv erkrankten Eltern Keine Explikation der theoretischen Grundlagen 1/3 der Studien qualitativ hochwertig
14 Metaanalytische Befunde Population Störung Intervention Parent* Impaired parent* Child of impaired parent* Maternal Paternal Parental Parents in Psychotherapy Parental illness Mental illness Mental disorder* Affective disorder* Depression Anxiety (all disorders according to DSM IV) Intervention Prevention Study/studies Sample Child intervention* Early intervention* Parent intervention* Parental intervention* Maternal intervention* Paternal intervention* Primary mental health Intervention*/Prevention* Family intervention* Therapy Health Promotion Social Work Case Management
15 Metaanalytische Befunde Datenbanken -ERIC -MEDLINE - PSYCHINFO - Cochrane - Web of Science
16 Metaanalyse (Modell zufälliger Effekte, sig. Heterogenität) Gesamteffekt (alle Studien & Messzeitpunkte): g =.459 Intervention vs. keine Intervention: g =.415 RCTs k Prä-Post k Prä-Follow-up 10 g = 0, g = 0, 37 Moderator Depression 7 g = 0, g = 0, 361 Substanzmissbrauch Manualisierung Qualität hoch Qualität mittel 4 g = 0, g = 0, g = 0, g = 1, 119
17 Metaanalyse (Modell zufälliger Effekte, sig. Heterogenität) Nicht-randomisierte Studien über alle Messzeitpunkte hinweg Moderator Studienqualität Manualisierung Störung k Hedges g Hoch 2 0, 331 Mittel 4 0, 782 Niedrig 2 0, 673 Ja 2 0, 869 Nein 2 0, 519 Unklar 4 0, 553 Depression 2 0, 519 nicht näher spezifiziert 3 0, 472 Substanzmissbrauch 2 0, 932 Insgesamt schwache Hinweise aufgrund der kleinen Studienzahlen!
18 Studien aus den USA, Australien, UK kulturelle Übertragbarkeit? Insgesamt nur wenige RCTs; Hohe kurzfristige Effekte, im Follow up langfristige Abnahme der Wirksamkeit, aber insgesamt für Präventionsstudien sehr zufriedenstellend! Effekte insgesamt heterogen keine sicheren Aussagen möglich! Moderatoranalysen reduzieren Heterogenität der Effekte aufgrund der kleinen Studienzahl nicht zuverlässig; Manualisierung dennoch positiv! Fazit Viele Komponenten wie z.b. Vernetzung in den analysierten Studien nicht angegeben/durchgeführt.
19 Fazit Prozessmerkmale (z.b. Motivation für Teilnahme), kontextuelle Merkmale (z.b. Lebenssituation, Therapeut Klient Beziehung etc.) miterfassen; Wer braucht wieviel und wie lange (Bedarf, Screening Risikound Schutzfaktoren)? Kaum theoriegeleitete Programme konzeptuelle Erweiterungen z.b. durch Emotionsregulation, Bindungstheorien notwendig! Qualitativ hochwertige, längsschnittliche und breit angelegte Studien bislang Schwerpunkt auf Suchterkrankungen und affektiven Erkrankungen. In BRD viele Bemühungen, aber bislang wenige Studien.
20 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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