Diskrete Wahrscheinlichkeitstheorie
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- Innozenz Maurer
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1 SS 2014 Diskrete Wahrscheinlichkeitstheorie Susanne Albers Fakultat fur Informatik TU Munchen Sommersemester 2014 DWT
2 Kapitel 0 Organisatorisches Vorlesungen: Mi 16:00{18:00 und Mi 18:00{19:00 (MI HS1) Pichtvorlesung Bachelor IN, Bioinformatik Modulnr.: IN0018 Ubung: Umfang: 2SWS Tutorubung: siehe Webseite zur Ubung 2SWS (freiwillige) Zentralubung: Do 14:00{15:00 (Physik HS1 Rudolf Mobauer ) Ubungsleitung: Dr. W. Meixner 3V+2T U+2Z U, 6 ECTS-Punkte Sprechstunde: nach Vereinbarung DWT 2/462
3 Ubungsleitung: Dr. Werner Meixner, MI Sprechstunde: Donnerstag, 12:00{12:30 nach Vereinbarung Sekretariat: Frau Lissner, MI DWT 3/462
4 Ubungsaufgaben: Klausur: Ausgabe jeweils am Montag auf der Webseite der Vorlesung, ab 14:00 Uhr Abgabe eine Woche spater, jeweils Mittwoch bis 10:00 Uhr, Briefkasten Westseite Untergeschoss FMI Magistrale Vorbereitung in der Tutorubung vorauss. 12 Ubungsblatter, das letzte am 07. Juli 2014, jedes 20 Punkte Bonusregelung: Werden mindestens 50% der insgesamt erreichbaren Ubungspunkte erzielt, so verbessert sich die Note einer bestandenen Klausur um 1/3 Notenstufe. Klausur am 29. Juli 2014, 11{13 Uhr Wiederholungsklausur am 01. Oktober 2014, 11:30{13:30 Uhr bei den Klausuren sind keine Hilfsmittel auer einem handbeschriebenen DIN-A4-Blatt zugelassen DWT 4/462
5 Vorkenntnisse: Einfuhrung in die Informatik I/II Diskrete Strukturen Weiterfuhrende Vorlesungen: Eziente Algorithmen und Datenstrukturen Randomisierte Algorithmen Online- und Approximationsalgorithmen Komplexitatstheorie... Webseite: DWT 5/462
6 1. Vorlesungsinhalt Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Wahrscheinlichkeitsraum, Ereignis, Zufallsvariable spezielle Verteilungen Ungleichungen von Markov und Chebyshev Kontinuierliche Wahrscheinlichkeitsraume Statistik Normalverteilung, Exponentialverteilung Zentraler Grenzwertsatz Schatzvariablen Kondenzintervalle Testen von Hypothesen Stochastische Prozesse Markovketten Warteschlangen DWT 1 Vorlesungsinhalt 6/462
7 2. Literatur T. Schickinger, A. Steger: Diskrete Strukturen - Band 2, Springer Verlag, 2001 M. Greiner, G. Tinhofer: Stochastik fur Informatiker, Carl Hanser Verlag, 1996 H. Gordon: Discrete Probability, Springer-Verlag, 1997 M. Mitzenmacher, E. Upfal: Probability and Computing: Randomized Algorithms and Probabilistic Analysis, Cambridge University Press, 2005 DWT 7/462
8 R. Motwani, P. Raghavan: Randomized Algorithms, Cambridge University Press, 1995 M. Hofri: Probabilistic Analysis of Algorithms, Springer Verlag, 1987 L. Fahrmeir, R. Kunstler, I. Pigeot, G. Tutz: Statistik - Der Weg zur Datenanalyse, Springer-Verlag, 1997 DWT 2 Literatur 8/462
9 3. Einleitung Was bedeutet Zufall? Unkenntnis uber den Ausgang eines durchgefuhrten Experiments Ein Experiment wird vielfach mit eventuell sich anderndem Ergebnis ausgefuhrt Ereignisse stehen in keinem kausalen Zusammenhang physikalischer Zufall (Rauschen, Kernzerfall) DWT 3 Einleitung 9/462
10 Zufall in der diskreten Informatik Die Eingabe fur einen bestimmten Algorithmus wird aus einer groen Menge moglicher Eingaben zufallig gewahlt: average case Kombination von Worst-Case- und Average-Case-Analyse, in der Eingaben gema einer Verteilung leicht pertubiert werden: smoothed analysis Der Algorithmus verwendet Zufallsbits, um mit groer Wahrscheinlichkeit gewisse Problemsituationen zu vermeiden: Randomisierung DWT 3 Einleitung 10/462
11 Kapitel I Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume 1. Grundlagen Denition 1 1 Ein diskreter Wahrscheinlichkeitsraum ist durch eine Ergebnismenge = f! 1 ;! 2 ; : : :g von Elementarereignissen gegeben. 2 Jedem Elementarereignis! i ist eine (Elementar-)Wahrscheinlichkeit Pr[! i ] zugeordnet, wobei wir fordern, dass 0 Pr[! i ] 1 und X!2 Pr[!] = 1: DWT 1 Grundlagen 11/462
12 3 Eine Menge E heit Ereignis. Die Wahrscheinlichkeit Pr[E] eines Ereignisses ist durch X Pr[E] := Pr[!] deniert.!2e DWT 1 Grundlagen 12/462
13 Beispiel 2 Zwei faire Wurfel (einer wei, einer schwarz) werden geworfen. Wir sind an der Gesamtzahl der angezeigten Augen interessiert: = f (1; 1); (1; 2); (1; 3); (1; 4); (1; 5); (1; 6); (2; 1); (2; 2); (2; 3); (2; 4); (2; 5); (2; 6); (3; 1); (3; 2); (3; 3); (3; 4); (3; 5); (3; 6); (4; 1); (4; 2); (4; 3); (4; 4); (4; 5); (4; 6); (5; 1); (5; 2); (5; 3); (5; 4); (5; 5); (5; 6); (6; 1); (6; 2); (6; 3); (6; 4); (6; 5); (6; 6) g DWT 1 Grundlagen 13/462
14 1 Die Wahrscheinlichkeit Pr((i; j)) eines jeden Elementarereignisses (i; j) ist Die Wahrscheinlichkeit Pr(E) des Ereignisses ist E = fdie Gesamtzahl der Augen ist 10g DWT 1 Grundlagen 14/462
15 Wir hatten aber auch sagen konnen: = f2; 3; 4; : : : ; 10; 11; 12g Die Wahrscheinlichkeiten der Elementarereignisse sind dann aber nicht mehr gleich. Es ist z.b. 1 Pr(2) = 1 36 ; 2 Pr(4) = 1 12 ; 3 Pr(7) = 1 6. DWT 1 Grundlagen 15/462
16 Beispiel 3 Eine faire Munze wird so lange geworfen, bis die gleiche Seite zweimal hintereinander fallt. Dann ist = fhh, tt, htt, thh, thtt, hthh, hthtt, ththh, : : :g Frage: Was sind die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Elementarereignisse? DWT 1 Grundlagen 16/462
17 E heit komplementares Ereignis zu E. Allgemein verwenden wir bei der Denition von Ereignissen alle bekannten Operatoren aus der Mengenlehre. Wenn also A und B Ereignisse sind, dann sind auch A [ B, A \ B, A n B etc. Ereignisse. Zwei Ereignisse A und B heien disjunkt oder auch unvereinbar, wenn A \ B = ; gilt. DWT 1 Grundlagen 17/462
18 Denition 4 relative Haugkeit von E := = absolute Haugkeit von E Anzahl aller Beobachtungen Anzahl Eintreten von E Anzahl aller Beobachtungen : DWT 1 Grundlagen 18/462
19 Denition 5 Ein Wahrscheinlichkeitsraum mit = f! 1 ; : : : ;! n g heit endlicher Wahrscheinlichkeitsraum. Bei unendlichen Wahrscheinlichkeitsraumen werden wir gewohnlich nur den Fall = N 0 betrachten. Dies stellt keine groe Einschrankung dar, da wir statt einer Ergebnismenge = f! 1 ;! 2 ; : : :g auch N 0 als Ergebnismenge verwenden konnen, indem wir! i mit i 1 identizieren. Wir sagen, dass durch die Angabe der Elementarwahrscheinlichkeiten ein Wahrscheinlichkeitsraum auf deniert ist. DWT 1 Grundlagen 19/462
20 Beispiel 6 Wir beobachten die an einer Strae in Bayern vorbeifahrenden Autos. Dabei gelte: 1 Es fahren doppelt so viele Autos von links nach rechts wie von rechts nach links. 2 Von zehn Autos haben zwei die Farbe hellelfenbein, die ubrigen eine andere Lackierung. Das Ereignis \Wir beobachten ein von links nach rechts fahrendes Auto" hat die Wahrscheinlichkeit 2 3. Das Ereignis \Das nachste Auto ist ein Taxi von rechts" passiert mit Wahrscheinlichkeit : DWT 1 Grundlagen 20/462
21 Beispiel 7 (Unendlicher Wahrscheinlichkeitsraum) Wir betrachten eine Munze, die mit Wahrscheinlichkeit p Kopf zeigt und mit Wahrscheinlichkeit q := 1 p Zahl. Wir fuhren Versuche aus, indem wir die Munze wiederholt solange werfen, bis Zahl fallt. Das Ergebnis eines solchen Versuchs ist die Anzahl der durchgefuhrten Munzwurfe. Damit ergibt sich hier als Ergebnismenge = N = f1; 2; 3; : : :g : DWT 1 Grundlagen 21/462
22 Beispiel 7 (Forts.) Sei, fur i 2 N,! i das Elementarereignis! i b= Die Munze wird i-mal geworfen : Dann gilt: und (wie es sein soll!) X!2 Pr[!] = 1X i=1 Pr[! i ] = p i 1 q ; p i 1 q = q 1X i=0 p i = q 1 p = 1 : DWT 1 Grundlagen 22/462
23 Lemma 8 Fur Ereignisse A; B; A 1 ; A 2 ; : : : gilt: 1 Pr[;] = 0, Pr[] = Pr[A] 1. 3 Pr[ A] = 1 Pr[A]. 4 Wenn A B, so folgt Pr[A] Pr[B]. DWT 1 Grundlagen 23/462
24 Lemma 8 (Forts.) 5 (Additionssatz) Wenn die Ereignisse A 1 ; : : : ; A n paarweise disjunkt sind (also wenn fur alle Paare i 6= j gilt, dass A i \ A j = ;), so folgt Pr " n[ i=1 A i # = nx i=1 Pr[A i ]: Fur disjunkte Ereignisse A, B erhalten wir insbesondere Pr[A [ B] = Pr[A] + Pr[B] : Fur eine unendliche Menge von disjunkten Ereignissen A 1 ; A 2 ; : : : gilt analog Pr " 1[ i=1 A i # = 1X i=1 Pr[A i ] : DWT 1 Grundlagen 24/462
25 Beweis: Die Aussagen folgen unmittelbar aus Denition 1, den Eigenschaften der Addition und der Denition der Summe. DWT 1 Grundlagen 25/462
26 Eigenschaft 5 in Lemma 8 gilt nur fur disjunkte Ereignisse. Fur den allgemeinen Fall erhalten wir folgenden Satz 9 (Siebformel, Prinzip der Inklusion/Exklusion) Fur Ereignisse A 1 ; : : : ; A n (n 2) gilt: " n[ # nx Pr A i = Pr[A i ] i=1 X i=1 1i 1 <i 2 n X + ( 1) l 1 1i 1 <:::<i l n + ( 1) n 1 Pr[A 1 \ : : : \ A n ] : Pr[A i1 \ A i2 ] + : : : Pr[A i1 \ : : : \ A il ] + : : : DWT 1 Grundlagen 26/462
27 Satz 9 (Forts.) Insbesondere gilt fur zwei Ereignisse A und B Pr[A [ B] = Pr[A] + Pr[B] Pr[A \ B] : Fur drei Ereignisse A 1, A 2 und A 3 erhalten wir Pr[A 1 [ A 2 [ A 3 ] = Pr[A 1 ] + Pr[A 2 ] + Pr[A 3 ] Pr[A 1 \ A 2 ] Pr[A 1 \ A 3 ] Pr[A 2 \ A 3 ] +Pr[A 1 \ A 2 \ A 3 ] : DWT 1 Grundlagen 27/462
28 Beweis: Wir betrachten zunachst den Fall n = 2. Dazu setzen wir C := A n B = A n (A \ B). Gema dieser Denition gilt, dass C und A \ B sowie C und B disjunkt sind. Deshalb konnen wir Eigenschaft 5 von Lemma 8 anwenden: Wegen A [ B = C [ B folgt daraus Pr[A] = Pr[C [ (A \ B)] = Pr[C] + Pr[A \ B] : Pr[A [ B] = Pr[C [ B] = Pr[C] + Pr[B] = Pr[A] Pr[A \ B] + Pr[B] und wir haben die Behauptung fur n = 2 gezeigt. DWT 1 Grundlagen 28/462
29 Beweis (Forts.): Der Fall n = 3: A 1 A 2 A 3 Ω Man beachte, dass durch die im Satz angegebene Summe jedes Flachenstuck insgesamt genau einmal gezahlt wird. DWT 1 Grundlagen 29/462
30 Beweis (Forts.): Der allgemeine Fall kann nun durch Induktion uber n gezeigt werden (was wir aber hier nicht ausfuhren!). Satz 9 ndet man manchmal auch unter der Bezeichung Satz von Poincare-Sylvester, nach dem Franzosen und dem Englander benannt. Jules Henri Poincare (1854{1912) James Joseph Sylvester (1814{1897) DWT 1 Grundlagen 30/462
31 Boolesche Ungleichung: Die folgende Abschatzung ist nach George Boole (1815{1864) benannt: Korollar 10 Fur Ereignisse A 1 ; : : : ; A n gilt Pr " n[ i=1 A i # nx i=1 Pr[A i ] : Analog gilt fur eine unendliche Folge von Ereignissen A 1 ; A 2 ; : : :, dass Pr " 1[ i=1 A i # 1X i=1 Pr[A i ] : DWT 1 Grundlagen 31/462
32 Beweis: Zunachst betrachten wir die linke Seite der Ungleichung fur den endlichen Fall und erhalten Fur die rechte Seite gilt Pr " n[ nx i=1 i=1 A i # = Pr[A i ] = X!2 S n i=1 A i Pr[!] : nx X i=1!2a i Pr[!] : Jedes Elementarereignis kommt links also genau einmal und rechts mindestens einmal vor. DWT 1 Grundlagen 32/462
33 1.1 Wahl der Wahrscheinlichkeiten Frage: Wie konnen Wahrscheinlichkeiten sinnvoll festgelegt werden? Prinzip von Laplace (Pierre Simon Laplace (1749{1827)): Wenn nichts dagegen spricht, gehen wir davon aus, dass alle Elementarereignisse gleich wahrscheinlich sind. Also: Pr[E] = jej jj DWT 1.1 Wahl der Wahrscheinlichkeiten 33/462
34 1.2 Historische Anfange der Wahrscheinlichkeitstheorie Die ersten Hinweise auf mathematische Untersuchungen zu Problemen der Wahrscheinlichkeitstheorie nden sich in einem Briefwechsel zwischen den franzosischen Mathematikern und Pierre Fermat (1601{1665) Blaise Pascal (1623{1662). Pascal beschaftigte sich neben der Mathematik auch mit Fragestellungen aus dem Bereich der Physik und auch aus der Informatik! Sein Vater hatte als Steuerinspektor in Rouen umfangreiche Rechnungen durchzufuhren und so wurde Pascal zum Bau einer mechanischen Rechenmaschine, der so genannten Pascaline, motiviert. DWT 1.2 Historische Anfange der Wahrscheinlichkeitstheorie 34/462
35 In dem Briefwechsel taucht bereits der Ansatz Pr[E] = jej=jj zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit von E auf. Auch den Begri des Erwartungswerts kann man dort schon nden. Weder Fermat noch Pascal publizierten ihre Uberlegungen zur Wahrscheinlichkeitstheorie. Der Niederlander Christiaan Huygens (1629{1695) entwickelte ebenfalls Methoden zum Arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten aus. Er publizierte im Jahre 1657 auch eine kleine Arbeit mit dem Titel " De ratiociniis in ludo aleae\ (Uber die Gesetzmaigkeiten beim Wurfelspiel). DWT 1.2 Historische Anfange der Wahrscheinlichkeitstheorie 35/462
36 2. Bedingte Wahrscheinlichkeiten Beispiel 11 A und B spielen Poker (52 Karten, 5 Karten pro Spieler, keine getauschten Karten). A halt vier Asse und eine Herz Zwei in der Hand. B kann dieses Blatt nur uberbieten, wenn er einen Straight Flush (funf Karten einer Farbe in aufsteigender Reihenfolge hat. Die Wahrscheinlichkeit fur das Ereignis F := " B hat einen Straight Flush\ betragt Pr[F ] = jf j jj = = = 2;02:: 10 5 : DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 36/462
37 Beispiel 11 (Forts.) A hat die Karten allerdings gezinkt und wei, dass B nur Kreuz in der Hand halt. Bezeichne nun 0 den Wahrscheinlichkeitsraum aller Moglichkeiten fur B und F 0 das Ereignis, dass B einen Straight Flush der Farbe Kreuz hat: Pr[F 0 ] = jf 0 j j 0 j = 8 = ;01!! DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 37/462
38 Fur Pr[AjB] erforderliche Eigenschaften: 1 Pr[BjB] = 1; 2 Pr[Aj] = Pr[A]; 3 fur festes B ist Pr[AjB] proportional zu Pr[A \ B]. Denition 12 A und B seien Ereignisse mit Pr[B] > 0. Die bedingte Wahrscheinlichkeit Pr[AjB] von A gegeben B ist deniert als Pr[AjB] := Pr[A \ B] Pr[B] : DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 38/462
39 Die bedingten Wahrscheinlichkeiten Pr[ jb] bilden fur ein beliebiges Ereignis B mit Pr[B] > 0 einen neuen Wahrscheinlichkeitsraum uber. Es ist leicht nachzurechnen, dass dadurch die Denition eines diskreten Wahrscheinlichkeitsraums erfullt ist: X!2 Pr[!jB] = X!2 X Pr[! \ B] Pr[!] = Pr[B] Pr[B] = Pr[B] Pr[B] = 1:!2B Damit gelten alle Rechenregeln fur Wahrscheinlichkeiten auch fur bedingte Wahrscheinlichkeiten. Beispielsweise: Pr[;jB] = 0 sowie Pr[ AjB] = 1 Pr[AjB] : DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 39/462
40 Beispiel 13 (Reskalierung bei bedingten Wahrscheinlichkeiten) Betrachte folgenden gezinkten Wurfel: 0,7 0,6 ÈÖ Ü 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0, DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 40/462
41 Beispiel 13 (Forts.) Wir betrachten nun den durch B := f3; 4; 5g gegebenen bedingten Wahrscheinlichkeitsraum: 0,7 0,6 ÈÖ Ü 0,7 0,6 ÈÖ Ü 0,5 0,5 0,4 0,4 0,3 0,3 0,2 0,2 0,1 0,1 0, , DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 41/462
42 Was genau war die Bedingung? Beispiel 14 (Zweikinderproblem) Wir nehmen an, dass bei der Geburt eines Kindes beide Geschlechter gleich wahrscheinlich sind. Wir wissen, dass eine bestimmte Familie zwei Kinder hat und eines davon ein Madchen ist. Wie gro ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide Kinder der Familie Madchen sind? Naturlich 1 2. Wirklich? DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 42/462
43 Beispiel 14 (Forts.) Eigentlich gilt: und := fmm; mj; jm; jjg M := fmm; mj; jmg : Wir bedingen auf M, und damit gilt fur A := fmmg: Pr[AjM] = Pr[A \ M] Pr[M] = 1=4 3=4 = 1 3 : DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 43/462
44 Beispiel 15 (Ziegenproblem) Sie nehmen an einer Spielshow im Fernsehen teil, bei der Sie eine von drei verschlossenen Turen auswahlen sollen. Hinter einer Tur wartet der Preis, ein Auto, hinter den beiden anderen stehen Ziegen. Sie zeigen auf eine Tur, sagen wir Nummer eins. Sie bleibt vorerst geschlossen. Der Moderator wei, hinter welcher Tur sich das Auto bendet; mit den Worten \Ich gebe Ihnen mal einen kleinen Hinweis" onet er eine andere Tur, zum Beispiel Nummer drei, und eine Ziege schaut heraus und meckert. Er fragt: \Bleiben Sie bei Nummer eins, oder wahlen sie Nummer zwei? " Frage: Welche Strategie ist gunstiger: S1 Der Spieler bleibt immer bei seiner ursprunglichen Wahl. S2 Der Spieler wechselt stets die ausgewahlte Tur. DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 44/462
45 Beispiel (Forts.) Wir betrachten hier eine Diskussion des Ziegenproblems mit Hilfe von bedingten Wahrscheinlichkeiten. Wir betrachten bei jeder Variante den Fall, dass der Spieler a) die \richtige", b) eine falsche Tur gewahlt hat. Ersteres geschieht mit Wahrscheinlichkeit 1 3, Letzteres mit Wahrscheinlichkeit 2 3. Mit der vom Moderator gegebenen Information ergeben sich fur die beiden Strategien die folgenden Gewinnwahrscheinlichkeiten: S1 S2 a)?? b)?? DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 45/462
46 Haug verwendet man die Denition der bedingten Wahrscheinlichkeit in der Form Damit: Pr[A \ B] = Pr[BjA] Pr[A] = Pr[AjB] Pr[B] : (1) Satz 16 (Multiplikationssatz) Seien die Ereignisse A 1 ; : : : ; A n gegeben. Falls Pr[A 1 \ : : : \ A n ] > 0 ist, gilt Pr[A 1 \ : : : \ A n ] = Pr[A 1 ] Pr[A 2 ja 1 ] Pr[A 3 ja 1 \ A 2 ] : : : : : : Pr[A n ja 1 \ : : : \ A n 1 ] : DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 46/462
47 Beweis: Zunachst halten wir fest, dass alle bedingten Wahrscheinlichkeiten wohldeniert sind, da Pr[A 1 ] Pr[A 1 \ A 2 ] : : : Pr[A 1 \ : : : \ A n ] > 0. Die rechte Seite der Aussage im Satz konnen wir umschreiben zu Pr[A 1 ] 1 Pr[A 1 \ A 2 ] Pr[A 1 ] Pr[A 1 \ A 2 \ A 3 ] Pr[A 1 \ A 2 ] : : : Oensichtlich kurzen sich alle Terme bis auf Pr[A 1 \ : : : \ A n ]. Pr[A 1 \ : : : \ A n ] Pr[A 1 \ : : : \ A n 1 ] : DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 47/462
48 Beispiel 17 (Geburtstagsproblem) Wie gro ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einer m-kopgen Gruppe zwei Personen am selben Tag Geburtstag haben? Umformulierung: Man werfe m Balle zufallig und gleich wahrscheinlich in n Korbe. Wie gro ist die Wahrscheinlichkeit, dass nach dem Experiment jeder Ball allein in seinem Korb liegt? Fur das Geburtstagsproblem: n = 365 DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 48/462
49 Oensichtlich muss m n sein, damit uberhaupt jeder Ball allein in einem Korb liegen kann. Wir nehmen an, dass die Balle nacheinander geworfen werden. A i bezeichne das Ereignis " Ball i landet in einem noch leeren Korb\. Das gesuchte Ereignis " Alle Balle liegen allein in einem Korb\ bezeichnen wir mit A. Nach Satz 16 konnen wir Pr[A] berechnen durch Pr[A] = Pr [\ m i=1a i ] = Pr[A 1 ] Pr[A 2 ja 1 ] : : : Pr[A m j \ m 1 i=1 A i]: Unter der Bedingung, dass die ersten j 1 Balle jeweils in einem leeren Korb gelandet sind, bedeutet A j, dass der j-te Ball in eine der n (j 1) leeren Korbe fallen muss, die aus Symmetriegrunden jeweils mit derselben Wahrscheinlichkeit gewahlt werden. DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 49/462
50 Daraus folgt Pr[A j j \ j 1 A n (j 1) i=1 i] = = 1 n j=1 j 1 n : Mit der Abschatzung 1 x e x und wegen Pr[A 1 ] = 1 erhalten wir my j 1 Pr[A] = 1 n my j=2 e (j 1)=n = e (1=n) P m 1 j=1 j = e m(m 1)=(2n) =: f(m) : DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 50/462
51 1,0 ѵ 0,8 0,6 0,4 0,2 0, Verlauf von f(m) fur n = 365 DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 51/462
52 Ausgehend von der Darstellung der bedingten Wahrscheinlichkeit in Gleichung 1 zeigen wir: Satz 18 (Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit) Die Ereignisse A 1 ; : : : ; A n seien paarweise disjunkt und es gelte B A 1 [ : : : [ A n. Dann folgt Pr[B] = nx i=1 Pr[BjA i ] Pr[A i ] : Analog gilt fur paarweise disjunkte Ereignisse A 1 ; A 2 ; : : : mit B S 1 i=1 A i, dass Pr[B] = 1X i=1 Pr[BjA i ] Pr[A i ] : DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 52/462
53 Beweis: Wir zeigen zunachst den endlichen Fall. Wir halten fest, dass B = (B \ A 1 ) [ : : : [ (B \ A n ) : Da fur beliebige i; j mit i 6= j gilt, dass A i \ A j = ;, sind auch die Ereignisse B \ A i und B \ A j disjunkt. Wegen (1) folgt Pr[B \ A i ] = Pr[BjA i ] Pr[A i ] (auch fur den Fall, dass Pr[A i ] = 0!). Wir wenden nun den Additionssatz (Lemma 8, Teil 5) an Pr[B] = Pr[B \ A 1 ] + : : : + Pr[B \ A n ] = Pr[BjA 1 ] Pr[A 1 ] + : : : + Pr[BjA n ] Pr[A n ] und haben damit die Behauptung gezeigt. Da der Additionssatz auch fur unendlich viele Ereignisse A 1 ; A 2 ; : : : gilt, kann dieser Beweis direkt auf den unendlichen Fall ubertragen werden. DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 53/462
54 Mit Hilfe von Satz 18 erhalten wir leicht einen weiteren nutzlichen Satz: Satz 19 (Satz von Bayes) Die Ereignisse A 1 ; : : : ; A n seien paarweise disjunkt, mit Pr[A j ] > 0 fur alle j. Ferner sei B A 1 [ : : : [ A n ein Ereignis mit Pr[B] > 0. Dann gilt fur ein beliebiges i = 1; : : : ; n Pr[A i jb] = Pr[A i \ B] Pr[B] = Pr[BjA i ] Pr[A i ] P n j=1 Pr[BjA j] Pr[A j ] : Analog gilt fur paarweise disjunkte Ereignisse A 1 ; A 2 ; : : : mit B S 1 i=1 A i, dass Pr[A i jb] = Pr[A i \ B] Pr[B] = Pr[BjA i ] Pr[A i ] P 1 j=1 Pr[BjA j] Pr[A j ] : DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 54/462
55 Mit dem Satz von Bayes dreht man gewissermaen die Reihenfolge der Bedingung um. Gegeben die Wahrscheinlichkeit von B unter den Bedingungen A i (sowie die Wahrscheinlichkeiten der A i selbst), berechnet man die Wahrscheinlichkeit von A i bedingt auf das Ereignis B. Thomas Bayes (1702{1761) war ein bekannter Theologe und Mitglied der Royal Society. Als sein bedeutendstes Werk gilt sein Beitrag zur Wahrscheinlichkeitstheorie Essay Towards Solving a Problem in the Doctrine of Chances\. Diese Arbeit wurde " erst 1763 publiziert. DWT 2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 55/462
56 3. Unabhangigkeit Bei einer bedingten Wahrscheinlichkeit Pr[AjB] kann der Fall auftreten, dass die Bedingung auf B, also das Vorwissen, dass B eintritt, keinen Einuss auf die Wahrscheinlichkeit hat, mit der wir das Eintreten von A erwarten. Es gilt also Pr[AjB] = Pr[A], und wir nennen dann die Ereignisse A und B unabhangig. DWT 3 Unabhangigkeit 56/462
57 Beispiel 20 (Zweimaliges Wurfeln) := f(i; j) j 1 i; j 6g : Alle Elementarereignisse erhalten nach dem Prinzip von Laplace die Wahrscheinlichkeit Wir denieren die Ereignisse A := Augenzahl im ersten Wurf ist gerade; B := Augenzahl im zweiten Wurf ist gerade; C := Summe der Augenzahlen beider Wurfe betragt 7: Es gilt Pr[A] = Pr[B] = 1 2 und Pr[C] = 1. Wie gro ist Pr[BjA]? 6 DWT 3 Unabhangigkeit 57/462
58 Beispiel 20 (Forts.) Nach unserer Intuition beeinusst der Ausgang des ersten Wurfs den zweiten Wurf nicht. Daher gewinnen wir durch das Eintreten von A keine Information in Bezug auf das Ereignis B hinzu: Daraus folgt B \ A = f(2; 2); (2; 4); (2; 6); (4; 2); (4; 4); (4; 6); (6; 2); (6; 4); (6; 6)g: Pr[B \ A] Pr[BjA] = = Pr[A] = 1 2 = Pr[B] : Das Eintreen des Ereignisses B hat mit dem Ereignis A " nichts zu tun\. DWT 3 Unabhangigkeit 58/462
59 Denition 21 Die Ereignisse A und B heien unabhangig, wenn gilt Pr[A \ B] = Pr[A] Pr[B] : Falls Pr[B] 6= 0, so konnen wir diese Denition zu Pr[A] = Pr[A \ B] Pr[B] = Pr[AjB] umschreiben. DWT 3 Unabhangigkeit 59/462
60 Beispiel 20 (Zweimaliges Wurfeln, Forts.) Zur Erinnerung: A := Augenzahl im ersten Wurf ist gerade; B := Augenzahl im zweiten Wurf ist gerade; C := Summe der Augenzahlen beider Wurfe betragt 7: Bei den Ereignissen A und B ist die Unabhangigkeit klar, da oensichtlich kein kausaler Zusammenhang zwischen den Ereignissen besteht. Wie steht es mit A und C? und damit A \ C = f(2; 5); (4; 3); (6; 1)g Pr[A \ C] = 3 36 = = Pr[A] Pr[C] bzw. Pr[CjA] = Pr[C] : DWT 3 Unabhangigkeit 60/462
61 Beispiel 20 (Forts.) Also sind auch A und C (und analog B und C) unabhangig. Bemerkung: Im Beispiel ist A \ C 6= ;. Es gilt sogar allgemein fur zwei unabhangige Ereignisse A und B mit Pr[A]; Pr[B] > 0, dass sie gar nicht disjunkt sein konnen, da ansonsten 0 = Pr[;] = Pr[A \ B] 6= Pr[A] Pr[B] : DWT 3 Unabhangigkeit 61/462
62 Beispiel 20 (Zweimaliges Wurfeln (Forts.)) Zur Erinnerung: A := Augenzahl im ersten Wurf ist gerade; B := Augenzahl im zweiten Wurf ist gerade; C := Summe der Augenzahlen beider Wurfe betragt 7: Wir betrachten das Ereignis A \ B \ C. Wenn A \ B eintritt, so sind beide gewurfelten Augenzahlen gerade und somit ergibt auch die Summe davon eine gerade Zahl. Daraus folgt Pr[A \ B \ C] = 0 bzw. Pr[CjA \ B] = 0 6= Pr[C]. Das Ereignis A \ B liefert uns also Information uber das Ereignis C. DWT 3 Unabhangigkeit 62/462
63 Denition 22 Die paarweise verschiedenen Ereignisse A 1 ; : : : ; A n heien unabhangig, wenn fur alle Teilmengen I = fi 1 ; : : : ; i k g f1; : : : ; ng mit i 1 < i 2 < : : : < i k gilt, dass Pr[A i1 \ : : : \ A ik ] = Pr[A i1 ] : : : Pr[A ik ]: (2) Eine unendliche Familie von paarweise verschiedenen Ereignissen A i mit i 2 N heit unabhangig, wenn (2) fur jede endliche Teilmenge I N erfullt ist. DWT 3 Unabhangigkeit 63/462
64 Lemma 23 Die (paarweise verschiedenen) Ereignisse A 1 ; : : : ; A n sind genau dann unabhangig, wenn fur alle (s 1 ; : : : ; s n ) 2 f0; 1g n gilt, dass wobei A 0 i = A i und A 1 i = A i. Pr[A s 1 1 \ : : : \ Asn n ] = Pr[As 1 1 ] : : : Pr[Asn n ]; (3) DWT 3 Unabhangigkeit 64/462
65 Beweis: Zunachst zeigen wir, dass aus (2) die Bedingung (3) folgt. Wir beweisen dies durch Induktion uber die Anzahl der Nullen in s 1 ; : : : ; s n. Wenn s 1 = : : : = s n = 1 gilt, so ist nichts zu zeigen. Andernfalls gelte ohne Einschrankung s 1 = 0. Aus dem Additionssatz folgt dann Pr[ A 1 \ A s 2 2 \ : : : \ Asn n ] = Pr[As 2 2 \ : : : \ Asn n ] Pr[A 1 \ A s 2 2 \ : : : \ Asn n ]: Darauf konnen wir die Induktionsannahme anwenden und erhalten Pr[ A 1 \ A s 2 2 \ : : : \ Asn n ] = Pr[A s 2 2 ] : : : Pr[Asn n ] Pr[A 1] Pr[A s 2 2 ] : : : Pr[Asn n ] = (1 Pr[A 1 ]) Pr[A s 2 2 ] : : : Pr[Asn n ]; woraus die Behauptung wegen 1 Pr[A 1 ] = Pr[ A 1 ] folgt. DWT 3 Unabhangigkeit 65/462
66 Beweis (Forts.): Fur die Gegenrichtung zeigen wir nur, dass aus (3) Pr[A 1 \ A 2 ] = Pr[A 1 ] Pr[A 2 ] folgt. Es gilt wegen des Satzes von der totalen Wahrscheinlichkeit, dass Pr[A 1 \ A 2 ] = = und es folgt die Behauptung. X X s 3 ;:::;s n2f0;1g s 3 ;:::;s n2f0;1g = Pr[A 1 ] Pr[A 2 ] = Pr[A 1 ] Pr[A 2 ]; Pr[A 1 \ A 2 \ A s 3 3 \ : : : \ Asn n ] Pr[A 1 ] Pr[A 2 ] Pr[A s 3 3 ] : : : Pr[Asn n ] X s 3 =0;1 Pr[A s 3 3 ] : : : X s n=0;1 Pr[A sn n ] DWT 3 Unabhangigkeit 66/462
67 Aus der Darstellung in Lemma 23 folgt die wichtige Beobachtung, dass fur zwei unabhangige Ereignisse A und B auch die Ereignisse A und B (und analog auch A und B bzw. A und B) unabhangig sind! Ebenso folgt: DWT 3 Unabhangigkeit 67/462
68 Lemma 24 Seien A, B und C unabhangige Ereignisse. Dann sind auch A \ B und C bzw. A [ B und C unabhangig. Beweis: Die Unabhangigkeit von A \ B und C folgt unmittelbar aus Denition 22. Aus Pr[(A [ B) \ C] = Pr[(A \ C) [ (B \ C)] = Pr[A \ C] + Pr[B \ C] Pr[A \ B \ C] = Pr[C] (Pr[A] + Pr[B] Pr[A \ B]) = Pr[A [ B] Pr[C] folgt die Unabhangigkeit von A [ B und C. DWT 3 Unabhangigkeit 68/462
69 4. Zufallsvariablen 4.1 Grundlagen Anstatt der Ereignisse selbst sind wir oft an " Auswirkungen\ oder " Merkmalen\ der (Elementar)Ereignisse interessiert. Denition 25 Sei ein Wahrscheinlichkeitsraum auf der Ergebnismenge gegeben. Eine Abbildung X :! R heit (numerische) Zufallsvariable. Eine Zufallsvariable X uber einer endlichen oder abzahlbar unendlichen Ergebnismenge heit diskret. DWT 4.1 Grundlagen 69/462
70 Bei diskreten Zufallsvariablen ist der Wertebereich W X := X() = fx 2 R; 9! 2 mit X(!) = xg ebenfalls wieder endlich (bzw. abzahlbar unendlich). DWT 4.1 Grundlagen 70/462
71 Beispiel 26 Wir werfen eine ideale Munze drei Mal. Als Ergebnismenge erhalten wir := fh; T g 3. Die Zufallsvariable Y bezeichne die Gesamtanzahl der Wurfe mit Ergebnis " Head\. Beispielsweise gilt also Y (HT H) = 2 und Y (HHH) = 3. Y hat den Wertebereich W Y = f0; 1; 2; 3g. DWT 4.1 Grundlagen 71/462
72 Fur W X = fx 1 ; : : : ; x n g bzw. W X = fx 1 ; x 2 ; : : :g betrachten wir (fur ein beliebiges 1 i n bzw. x i 2 N) das Ereignis A i := f! 2 ; X(!) = x i g = X 1 (x i ): Bemerkung: Anstelle von Pr[X 1 (x i )] verwendet man haug auch die Schreibweise Pr[ " X = x i \]. Analog setzt man Pr[ " X x i \] = X Oft lasst man auch die Anfuhrungszeichen weg. x2w X : xx i Pr[ " X = x\] = Pr[f! 2 ; X(!) x i g] : DWT 4.1 Grundlagen 72/462
73 Denition 27 Die Funktion f X : R 3 x 7! Pr[X = x] 2 [0; 1] (4) nennt man (diskrete) Dichte(funktion) der Zufallsvariablen X. Die Funktion F X : R 3 x 7! Pr[X x] = X x 0 2W X : x 0 x heit Verteilung(sfunktion) der Zufallsvariablen X. Pr[X = x 0 ] 2 [0; 1] (5) DWT 4.1 Grundlagen 73/462
74 Beispiel 28 Fur die Zufallsvariable Y erhalten wir Pr[Y = 0] = Pr[T T T ] = 1 8 ; Pr[Y = 1] = Pr[HT T ] + Pr[T HT ] + Pr[T T H] = 3 8 ; Pr[Y = 2] = Pr[HHT ] + Pr[HT H] + Pr[T HH] = 3 8 ; Pr[Y = 3] = Pr[HHH] = 1 8 : DWT 4.1 Grundlagen 74/462
75 1,0 1,0 0,8 0,8 0,6 0,6 0,4 0,4 0,2 0,2 0, , Dichte und Verteilung von Y Bemerkung: Man kann statt auch den zugrunde liegenden Wahrscheinlichkeitsraum uber W X betrachten. DWT 4.1 Grundlagen 75/462
76 4.2 Erwartungswert und Varianz Denition 29 Zu einer Zufallsvariablen X denieren wir den Erwartungswert E[X] durch E[X] := X x2w X x Pr[X = x] = sofern P x2w X jxj Pr[X = x] konvergiert. X x2w X x f X (x) ; Beispiel 30 E[Y ] = 3X i=0 i Pr[Y = i] = 1 Pr[Y = 1] + 2 Pr[Y = 2] + 3 Pr[Y = 3] = = 3 2 : DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 76/462
77 Beispiel 31 Eine Munze wird so lange geworfen, bis sie zum ersten Mal Head\ zeigt. Sei k die " Anzahl der durchgefuhrten Wurfe. Wenn k ungerade ist, zahlt der Spieler an die Bank k Euro. Andernfalls (k gerade) zahlt die Bank k Euro an den Spieler. ( k falls k ungerade; G := k falls k gerade: Wie schon gesehen, gilt dann Pr[ " Anzahl Wurfe = k\] = (1=2) k : Damit erhalten wir E[G] = 1X k=1 k ( 1) k 1 1 k : 2 DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 77/462
78 Da 1X k=1 k j( 1) k 1 1 kj 2 1X k=1 k 1 k ; 2 existiert der Erwartungswert E[G]. Es gilt " 1X 2j E[G] = (2j 1) 2j 2 2 j=1 1X 2j 1 1 = [(2j 1) j] 2 j=1 X = 1 1 j ) = 4 j=1(j j # = 2 9 : DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 78/462
79 Wird jedoch, um das Risiko zu steigern, der zu zahlende Betrag von k Euro jeweils auf 2 k Euro erhoht, also ( G 0 2 k falls k ungerade; := 2 k falls k gerade ; dann existiert E[G 0 ] nicht, da E[G 0 ] = = 1X 1X k=1 k=1 k ( 1) k 1 2 k 1 2 ( 1) k 1 = : : : : DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 79/462
80 Berechnung des Erwartungswerts: X X E[X] = x Pr[X = x] = x f X (x) x2w x2w X X X = x Pr[!] x2w X = X!2!2:X(!)=x X(!) Pr[!] : Bei unendlichen Wahrscheinlichkeitsraumen P ist dabei analog zur Denition des Erwartungswerts erforderlich, dass!2 jx(!)j Pr[!] konvergiert (absolute Konvergenz). DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 80/462
81 Satz 32 (Monotonie des Erwartungswerts) Seien X und Y Zufallsvariablen uber dem Wahrscheinlichkeitsraum mit X(!) Y (!) fur alle! 2. Dann gilt E[X] E[Y ]. Beweis: E[X] = X!2 X(!) Pr[!] X!2 Y (!) Pr[!] = E[Y ] : DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 81/462
82 Aus Satz 32 folgt insbesondere, dass a E[X] b gilt, wenn fur die Zufallsvariable X die Eigenschaft a X(!) b fur alle! 2 erfullt ist. DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 82/462
83 4.2.1 Rechenregeln fur den Erwartungswert Oft betrachtet man eine Zufallsvariable X nicht direkt, sondern wendet noch eine Funktion darauf an: Y := f(x) = f X ; wobei f : D! R eine beliebige Funktion sei mit W X D R. Beobachtung: f(x) ist wieder eine Zufallsvariable. DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 83/462
84 Aus folgt Pr[Y = y] = Pr[f! j f(x(!)) = yg] = E[f(X)] = E[Y ] = X X X y2w Y y Pr[Y = y] X x : f(x)=y X Pr[X = x] = y Pr[X = x] = f(x) Pr[X = x] y2w Y x : f(x)=y x2w X X = f(x(!)) Pr[!] :!2 DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 84/462
85 Satz 33 (Linearitat des Erwartungswerts, einfache Version) Fur eine beliebige Zufallsvariable X und a; b 2 R gilt E[a X + b] = a E[X] + b : Beweis: E[a X + b] = = a X X x2w X (a x + b) Pr[X = x] X x Pr[X = x] + b Pr[X = x] x2w X x2w X = a E[X] + b : DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 85/462
86 Satz 34 Sei X eine Zufallsvariable mit W X N 0. Dann gilt E[X] = 1X i=1 Pr[X i] : Beweis: E[X] = = 1X i=0 1X i Pr[X = i] = 1X Pr[X = i] = 1X ix i=0 j=1 1X j=1 i=j j=1 Pr[X = i] Pr[X j] : DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 86/462
87 Denition 35 Sei X eine Zufallsvariable und A ein Ereignis mit Pr[A] > 0. Die bedingte Zufallsvariable XjA besitzt die Dichte f XjA (x) := Pr[X = x j A] = Pr[ X = x\ \ A] " : Pr[A] Die Denition von f XjA ist zulassig, da X X Pr[ " X = x\ \ A] f XjA (x) = Pr[A] x2w X x2w X = Pr[A] Pr[A] = 1 : Der Erwartungswert E[XjA] der Zufallsvariablen XjA berechnet sich entsprechend: E[XjA] = X x2w X x f XjA (x) : DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 87/462
88 Satz 36 Sei X eine Zufallsvariable. Fur paarweise disjunkte Ereignisse A 1 ; : : : ; A n mit A 1 [ : : : [A n = und Pr[A 1 ]; : : : ; Pr[A n ] > 0 gilt E[X] = nx i=1 E[XjA i ] Pr[A i ] : Fur paarweise disjunkte Ereignisse A 1 ; A 2 ; : : : mit S 1 i=1 A k = und Pr[A 1 ], Pr[A 2 ]; : : : > 0 gilt analog E[X] = 1X i=1 E[XjA i ] Pr[A i ]; sofern die Erwartungswerte auf der rechten Seite alle existieren und die Summe P 1 i=1 je[xja i]j Pr[A i ] konvergiert. DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 88/462
89 Beweis: X X E[X] = x Pr[X = x] = x Pr[X = xja i ] Pr[A i ] x2w X x2w X i=1 nx X nx = Pr[A i ] x Pr[X = xja i ] = Pr[A i ] E[XjA i ]: i=1 x2w X i=1 Der Beweis fur den unendlichen Fall verlauft analog. nx DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 89/462
90 Beispiel 37 Wir werfen eine Munze so lange, bis zum ersten Mal " Kopf\ erscheint. Dies geschehe in jedem Wurf unabhangig mit Wahrscheinlichkeit p. Wir denieren dazu die Zufallsvariable X := " Anzahl der Wurfe\. Wir haben bereits gesehen, dass Pr[X = k] = p(1 p) k 1 und damit E[X] = 1X k=1 k p(1 p) k 1 = p 1 (1 (1 p)) 2 = 1 p : DWT 90/462
91 Beispiel 37 Andere Berechnungsmethode: (gestutzt auf Satz 36) Deniere das Ereignis K 1 := " Im ersten Wurf fallt Kopf\ : Oensichtlich gilt E[XjK 1 ] = 1. Nehmen wir nun an, dass im ersten Wurf nicht " Kopf\ gefallen ist. Wir starten das Experiment neu. DWT 90/462
92 Beispiel 37 Sei X 0 die Anzahl der Wurfe bis zum ersten Auftreten von " Kopf\ im neu gestarteten Experiment. Wegen der Gleichheit der Experimente gilt E[X 0 ] = E[X]. Damit schlieen wir E[Xj K 1 ] = 1 + E[X 0 ] = 1 + E[X] und erhalten mit Satz 36: E[X] = E[XjK 1 ] Pr[K 1 ] + E[Xj K 1 ] Pr[ K 1 ] = 1 p + (1 + E[X]) (1 p) : Daraus ergibt sich wiederum E[X] = 1=p. DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 90/462
93 4.2.2 Varianz Wir betrachten die beiden folgenden Zufallsexperimente: 1 Wir wurfeln (mit einem fairen Wurfel), bei gerader Augenzahl erhalten wir 1 Euro, bei ungerader Augenzahl mussen wir 1 Euro bezahlen. 2 Wir wurfeln (mit einem fairen Wurfel), bei 6 Augen erhalten wir 5 Euro, ansonsten mussen wir 1 Euro bezahlen. Beobachtung: In beiden Fallen ist der erwartete Gewinn = 0. Dennoch sind die " Schwankungen\ im ersten Fall geringer als im zweiten. DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 91/462
94 Eine nahe liegende Losung ware, E[jX j] zu berechnen, wobei = E[X] sei. Dies scheitert jedoch meist an der " unhandlichen\ Betragsfunktion. Aus diesem Grund betrachtet man stattdessen E[(X ) 2 ], also die quadratische Abweichung vom Erwartungswert. Denition 38 Fur eine Zufallsvariable X mit = E[X] denieren wir die Varianz Var[X] durch Var[X] := E[(X ) 2 ] = X x2w X (x ) 2 Pr[X = x] : Die Groe := p Var[X] heit Standardabweichung von X. DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 92/462
95 Satz 39 Fur eine beliebige Zufallsvariable X gilt Var[X] = E[X 2 ] E[X] 2 : Beweis: Sei := E[X]. Nach Denition gilt Var[X] = E[(X ) 2 ] = E[X 2 2 X + 2 ] X = (x 2 2 x + 2 ) Pr[X = x] x2w X X = x 2 Pr[X = x] 2 x Pr[X = x] + x2w X x2w X = E[X 2 ] 2 E[X] + 2 = E[X 2 ] E[X] 2 : X x2w X 2 Pr[X = x] DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 93/462
96 Beispiel 40 1 Wir wurfeln (mit einem fairen Wurfel), bei gerader Augenzahl erhalten wir 1 Euro, bei ungerader Augenzahl mussen wir 1 Euro bezahlen. Es ist = 0 und Var[X] = ( 1)2 = 1 : 2 Wir wurfeln (mit einem fairen Wurfel), bei 6 Augen erhalten wir 5 Euro, ansonsten mussen wir 1 Euro bezahlen. Es ist = 0 und Var[X] = ( 1)2 = 5 : DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 94/462
97 Satz 41 Fur eine beliebige Zufallsvariable X und a; b 2 R gilt Var[a X + b] = a 2 Var[X] : DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 95/462
98 Beweis: Aus der in Satz 33 gezeigten Linearitat des Erwartungswerts folgt E[Y + b] = E[Y ] + b. Zusammen mit der Denition der Varianz ergibt sich damit sofort Var[Y + b] = E[(Y + b E[Y + b]) 2 ] = E[(Y E[Y ]) 2 ] = Var[Y ] : Weiter folgt mit Satz 39: Var[a X] = E[(aX) 2 ] E[aX] 2 = a 2 E[X 2 ] (ae[x]) 2 = a 2 Var[X] ; und daraus zusammen die Behauptung. DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 96/462
99 Der Erwartungswert und die Varianz gehoren zu den so genannten Momenten einer Zufallsvariablen: Denition 42 Fur eine Zufallsvariable X nennen wir E[X k ] das k-te Moment und E[(X E[X]) k ] das k-te zentrale Moment. Der Erwartungswert ist also identisch zum ersten Moment, wahrend die Varianz dem zweiten zentralen Moment entspricht. DWT 4.2 Erwartungswert und Varianz 97/462
100 4.3 Mehrere Zufallsvariablen Beispiel 43 Aus einem Skatblatt mit 32 Karten ziehen wir zufallig eine Hand von zehn Karten sowie einen Skat von zwei Karten. Unter den Karten gibt es vier Buben. Die Zufallsvariable X zahlt die Anzahl der Buben in der Hand, wahrend Y die Anzahl der Buben im Skat angibt. Die Werte von X und Y hangen oensichtlich stark voneinander ab. Beispielsweise muss Y = 0 sein, wenn X = 4 gilt. Wie kann man mit mehreren Zufallsvariablen uber demselben Wahrscheinlichkeitsraum rechnen, auch wenn sie, wie im obigen Beispiel, sehr voneinander abhangig sind? Wir untersuchen Wahrscheinlichkeiten der Art Pr[X = x; Y = y] = Pr[f!; X(!) = x; Y (!) = yg] : DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 98/462
101 Beispiel 44 Wenn wir nur die Zufallsvariable X betrachten, so gilt fur 0 x 4 Pr[X = x] = 4 28 x 10 x Allgemein nennt man Zufallsvariablen mit der Dichte Pr[X = x] = b x : a r x a+b r hypergeometrisch verteilt. Durch diese Dichte wird ein Experiment modelliert, bei dem r Elemente ohne Zurucklegen aus einer Grundmenge der Machtigkeit a + b mit b besonders ausgezeichneten Elementen gezogen werden. DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 99/462
102 Beispiel 44 (Forts.) Die Zufallsvariable Y ist fur sich gesehen ebenfalls hypergeometrisch verteilt mit b = 4, a = 28 und r = 2. Fur X und Y zusammen gilt jedoch z.b. Pr[X = 4; Y = 1] = 0; und allgemein Pr[X = x; Y = y] = x 28 (10 x) x 10 x y 2 y : Bemerkung: Die Schreibweise Pr[X = x; Y = y] stellt eine Abkurzung von Pr[ " X = x ^ Y = y\] dar. Ein anderes Beispiel ist Pr[X x; Y y 1 ; p Y = y 2 ] : DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 100/462
103 Die Funktion f X;Y (x; y) := Pr[X = x; Y = y] heit gemeinsame Dichte der Zufallsvariablen X und Y. Aus der gemeinsamen Dichte f X;Y kann man ableiten f X (x) = X y2w Y f X;Y (x; y) bzw. f Y (y) = Die Funktionen f X und f Y nennt man Randdichten. X x2w X f X;Y (x; y) : DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 101/462
104 Die Ereignisse Y = y\ bilden eine Partitionierung des Wahrscheinlichkeitsraumes, und " es gilt daher X Pr[X = x] = Pr[X = x; Y = y] = f X (x) : y2w Y Die Dichten der einzelnen Zufallsvariablen entsprechen also genau den Randdichten. Fur zwei Zufallsvariablen deniert man die gemeinsame Verteilung F X;Y (x; y) = Pr[X x; Y y] = Pr[f!; X(!) x; Y (!) yg] = X X x 0 x y 0 y f X;Y (x 0 ; y 0 ) : DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 102/462
105 Die Randverteilung ergibt sich gema F X (x) = sowie F Y (y) = X x 0 x X y 0 y f X (x 0 ) = f Y (y 0 ) = X X x 0 x X X y 0 y y2w Y f X;Y (x 0 ; y) x2w X f X;Y (x; y 0 ) : DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 103/462
106 4.3.1 Unabhangigkeit von Zufallsvariablen Denition 45 Die Zufallsvariablen X 1 ; : : : ; X n heien unabhangig, wenn fur alle (x 1 ; : : : ; x n ) 2 W X1 : : : W Xn gilt Pr[X 1 = x 1 ; : : : ; X n = x n ] = Pr[X 1 = x 1 ] : : : Pr[X n = x n ] : Alternativ: f X1 ;:::;X n (x 1 ; : : : ; x n ) = f X1 (x 1 ) : : : f Xn (x n ) : Bei unabhangigen Zufallsvariablen ist also die gemeinsame Dichte gleich dem Produkt der Randdichten. Ebenso gilt F X1 ;:::;X n (x 1 ; : : : ; x n ) = F X1 (x 1 ) : : : F Xn (x n ) : DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 104/462
107 Satz 46 Seien X 1 ; : : : ; X n unabhangige Zufallsvariablen und S 1 ; : : : ; S n beliebige Mengen mit S i W Xi. Dann sind die Ereignisse " X 1 2 S 1 \,..., " X n 2 S n \ unabhangig. Beweis: Pr[X 1 2 S 1 ; : : : ; X n 2 S n ] = X x 1 2S 1 : : : Unabh. = = X X X x 1 2S 1 : : : x n2s n Pr[X 1 = x 1 ; : : : ; X n = x n ] X 1 x n2s n Pr[X 1 = x 1 ] : : : Pr[X n = x n ] Pr[X 1 = x 1 ] A : : : x 1 2S 1 = Pr[X 1 2 S 1 ] : : : Pr[X n 2 S n ] : X x n2s n Pr[X n = x n ]! DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 105/462
108 Satz 47 Seien f 1 ; : : : ; f n reellwertige Funktionen (f i : R! R fur i = 1; : : : ; n). Wenn die Zufallsvariablen X 1 ; : : : ; X n unabhangig sind, dann gilt dies auch fur f 1 (X 1 ); : : : ; f n (X n ). Beweis: Sei z i 2 W fi (X i ) fur i = 1; : : : ; n und S i = fx; f i (x) = z i g. Pr[f 1 (X 1 ) = z 1 ; : : : ; f n (X n ) = z n ] = Pr[X 1 2 S 1 ; : : : ; X n 2 S n ] Unabh. = Pr[X 1 2 S 1 ] : : : Pr[X n 2 S n ] = Pr[f 1 (X 1 ) = z 1 ] : : : Pr[f n (X n ) = z n ] : DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 106/462
109 4.3.2 Zusammengesetzte Zufallsvariablen Beispiel 48 Ein Wurfel werde zweimal geworfen. X bzw. Y bezeichne die Augenzahl im ersten bzw. zweiten Wurf. Sei Z := X + Y die Summe der gewurfelten Augenzahlen. Fur Z gilt z.b.: Pr[Z = 1] = Pr[;] = 0, Pr[Z = 4] = Pr[f(1; 3); (2; 2); (3; 1)g] = DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 107/462
110 Fur die Verteilung der Summe zweier unabhangiger Zufallsvariablen gilt der folgende Satz: Satz 49 Fur zwei unabhangige Zufallsvariablen X und Y sei Z := X + Y. Es gilt f Z (z) = X x2w X f X (x) f Y (z x) : DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 108/462
111 Beweis: Mit Hilfe des Satzes von der totalen Wahrscheinlichkeit folgt, dass f Z (z) = Pr[Z = z] = = = X X X x2w X Pr[X + Y = z j X = x] Pr[X = x] x2w X Pr[Y = z x] Pr[X = x] x2w X f X (x) f Y (z x) : Den Ausdruck P x2w X f X (x) f Y (z x) aus Satz 49 nennt man in Analogie zu den entsprechenden Begrien bei Potenzreihen auch Faltung oder Konvolution der Dichten f X und f Y. DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 109/462
112 Beispiel (Forts.) Berechne die Dichte von Z = X + Y : Pr[Z = z] = = X x2w X Pr[X = x] Pr[Y = z x] 6X x=1 1 Pr[Y = z x] = 6 minf6;z 1g X x=maxf1;z 6g 1 36 : Fur 2 z 7 erhalten wir Und fur 7 < z 12: Pr[Z = z] = Xz 1 i= = z 1 36 : Pr[Z = z] = 13 z 36 : DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 110/462
113 4.3.3 Momente zusammengesetzter Zufallsvariablen Satz 50 (Linearitat des Erwartungswerts) Fur Zufallsvariablen X 1 ; : : : ; X n und X := a 1 X a n X n mit a 1 ; : : : ; a n 2 R gilt E[X] = a 1 E[X 1 ] + + a n E[X n ] : Beweis: E[X] = X!2 = a 1 (a 1 X 1 (!) + : : : + a n X n (!)) Pr[!] X! X 1 (!) Pr[!] + + a n X!2!2 = a 1 E[X 1 ] + : : : + a n E[X n ] : X n (!) Pr[!]! DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 111/462
114 Beispiel 51 n betrunkene Seeleute torkeln nach dem Landgang in ihre Kojen. Sie haben vollig die Orientierung verloren, weshalb wir annehmen, dass jede Zuordnung der Seeleute zu den n Betten gleich wahrscheinlich ist (genau ein Seemann pro Bett). Wie viele Seeleute liegen im Mittel im richtigen Bett? Die Anzahl der Seeleute im richtigen Bett zahlen wir mit der Zufallsvariablen X, die als Summe der Zufallsvariablen X 1 ; : : : ; X n dargestellt wird, wobei ( 1 falls Seemann i in seinem Bett liegt, X i := 0 sonst. Oenbar gilt X := X X n. DWT 112/462
115 Beispiel 51 Fur die Variablen X i erhalten wir Pr[X i = 1] = 1 n, da jedes Bett von Seemann i mit gleicher Wahrscheinlichkeit aufgesucht wird. Daraus folgt und somit E[X i ] = 0 Pr[X i = 0] + 1 Pr[X i = 1] = 1 n ; E[X] = nx i=1 E[X i ] = nx i=1 1 n = 1 : Im Mittel hat also nur ein Seemann sein eigenes Bett aufgesucht. DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 112/462
116 Satz 52 (Multiplikativitat des Erwartungswerts) Fur unabhangige Zufallsvariablen X 1 ; : : : ; X n gilt E[X 1 X n ] = E[X 1 ] E[X n ] : Beweis: Wir beweisen den Fall n = 2. Der allgemeine Fall ist analog. E[X Y ] = X X xy Pr[X = x; Y = y] x2w X y2w Y Unabh: = = X X X xy Pr[X = x] Pr[Y = y] x2w X y2w Y x2w X x Pr[X = x] = E[X] E[Y ] : X y2w Y y Pr[Y = y] DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 113/462
117 Dass fur die Gultigkeit von Satz 52 die Unabhangigkeit der Zufallsvariablen wirklich notwendig ist, sieht man beispielsweise am Fall Y = X fur eine Zufallsvariable mit einer von Null verschiedenen Varianz. Dann gilt E[X Y ] = E[X 2 ] 6= (E[X]) 2 = E[X] E[Y ] : DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 114/462
118 Denition 53 Zu einem Ereignis A heit die Zufallsvariable ( 1 falls A eintritt; I A := 0 sonst Indikatorvariable des Ereignisses A. Beobachtung: Fur die Indikatorvariable I A gilt nach Denition Ebenso gilt E[I A ] = 1 Pr[A] + 0 Pr[ A] = Pr[A] : E[I A1 : : : I An ] = Pr[A 1 \ : : : \ A n ]; da das Produkt von Indikatorvariablen genau dann gleich 1 ist, wenn alle entsprechenden Ereignisse eintreten. DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 115/462
119 Beispiel (Forts.) Wir betrachten wieder das Beispiel der total betrunkenen Matrosen. Sei A i das Ereignis, dass der i-te Seemann im richtigen Bett liegt. Mit der Notation der Indikatorvariablen sei X i = I Ai. Dann gilt fur beliebige i; j 2 f1; : : : ; ng, i 6= j: E[X i X j ] = E[I Ai I Aj ] = Pr[A i \ A j ] = 1 n(n 1) ; sowie E[X 2 i ] = 02 Pr[ A i ] Pr[A i ] = Pr[A i ] = 1=n: DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 116/462
120 Beispiel (Forts.) Daraus folgt wegen der Linearitat des Erwartungswerts fur X = X X n : E[X 2 ] = E 2 X 4 n i=1 X 2 i + Fur die Varianz erhalten wir somit den Wert 3 nx X X i X j 5 i=1 j6=i = n 1 n + n(n 1) 1 n(n 1) = 2 : Var[X] = E[X 2 ] E[X] 2 = 2 1 = 1: DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 117/462
121 Einfacher Beweis fur Satz 9 mit Hilfe von Indikatorvariablen: Zur Erinnerung: Satz 9 (Siebformel, Prinzip der Inklusion/Exklusion) Fur Ereignisse A 1 ; : : : ; A n (n 2) gilt: Pr " n[ i=1 A i # = nx Pr[A i ] X i=1 1i 1 <i 2 n X + ( 1) l 1 1i 1 <:::<i l n + ( 1) n 1 Pr[A 1 \ : : : \ A n ] : Pr[A i1 \ A i2 ] + : : : Pr[A i1 \ : : : \ A il ] + : : : DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 118/462
122 Beweis: Zur Erinnerung: Zu Ereignissen A 1 ; : : : ; A n wollen wir die Wahrscheinlichkeit Pr[B] des Ereignisses B := A 1 [ : : : [ A n ermitteln. Wir betrachten die Indikatorvariablen I i := I Ai der Ereignisse A 1 ; : : : ; A n und die Indikatorvariable Q IB des Ereignisses B. n Das Produkt i=1 (1 I i) ist genau dann Q gleich 1, wenn I 1 = : : : = I n = 0, d.h. wenn B nicht eintritt. Somit gilt IB = n i=1 (1 I i) und wir erhalten: also I B = 1 X 1in I i + X 1i 1 <i 2 n I i1 I i2 + : : : + ( 1) n I 1 : : : I n ; I B = 1 I B = X 1in I i X 1i 1 <i 2 n I i1 I i2 + : : : + ( 1) n 1 I 1 : : : I n : DWT 119/462
123 Beweis: Wegen der Eigenschaften von Indikatorvariablen gilt Pr[B] = 1 Pr[ B] = 1 E[I B ]: Mit Hilfe von Satz 50 " verteilen\ wir den Erwartungswert auf die einzelnen Produkte von Indikatorvariablen. Wenn wir nun E[I i ] durch Pr[A i ] und allgemein E[I i1 : : : I ik ] durch Pr[A i1 \ : : : \ A ik ] ersetzen, haben wir Satz 9 (dieses Mal vollstandig) bewiesen. DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 119/462
124 Satz 54 Fur unabhangige Zufallsvariablen X 1 ; : : : ; X n und X := X 1 + : : : + X n gilt Var[X] = Var[X 1 ] + : : : + Var[X n ] : Beweis: Wir betrachten nur den Fall n = 2 mit den Zufallsvariablen X und Y. E[(X + Y ) 2 ] = E[X 2 + 2XY + Y 2 ] = E[X 2 ] + 2E[X]E[Y ] + E[Y 2 ] E[X + Y ] 2 = (E[X] + E[Y ]) 2 = E[X] 2 + 2E[X]E[Y ] + E[Y ] 2 Wir ziehen die zweite Gleichung von der ersten ab und erhalten E[(X + Y ) 2 ] E[X + Y ] 2 = E[X 2 ] E[X] 2 + E[Y 2 ] E[Y ] 2 : Mit Hilfe von Satz 39 folgt die Behauptung. DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 120/462
125 Fur abhangige Zufallsvariablen X 1 ; : : : ; X n gilt Satz 54 im Allgemeinen nicht. Als Beispiel funktioniert wiederum der Fall X = Y : Var[X + Y ] = 0 6= 2 Var[X] = Var[X] + Var[Y ] : DWT 4.3 Mehrere Zufallsvariablen 121/462
126 5. Wichtige diskrete Verteilungen Wir diskutieren nun einige wichtige diskrete Verteilungen. Bei diesen Verteilungen handelt es sich um Funktionen, die von gewissen Parametern abhangen. Eigentlich betrachten wir also immer eine ganze Familie von ahnlichen Verteilungen. DWT 5.0 Mehrere Zufallsvariablen 122/462
127 5.1 Bernoulli-Verteilung Eine Zufallsvariable X mit W X = f0; 1g und der Dichte ( p fur x = 1; f X (x) = 1 p fur x = 0: heit Bernoulli-verteilt. Den Parameter p nennen wir Erfolgswahrscheinlichkeit. Eine solche Verteilung erhalt man z.b. bei einer einzelnen Indikatorvariablen. Es gilt mit q := 1 p E[X] = p und Var[X] = pq; wegen E[X 2 ] = p und Var[X] = E[X 2 ] E[X] 2 = p p 2. DWT 5.1 Bernoulli-Verteilung 123/462
128 Der Name der Bernoulli-Verteilung geht zuruck auf den Schweizer Mathematiker Jakob Bernoulli (1654{1705). Wie viele andere Mathematiker seiner Zeit hatte auch Bernoulli nach dem Wunsch seines Vaters ursprunglich Theologe werden sollen. Sein Werk ars conjectandi stellt eine der ersten Arbeiten dar, die sich mit dem Teil der Mathematik beschaftigen, den wir heute als Wahrscheinlichkeitstheorie bezeichnen. DWT 5.1 Bernoulli-Verteilung 124/462
129 5.2 Binomialverteilung Eine Bernoulli-verteilte Zufallsvariable entspricht der Verteilung einer Indikatorvariablen. Haug betrachtet man jedoch Summen von Indikatorvariablen. Denition 55 Sei X := X 1 + : : : + X n als Summe von n unabhangigen, Bernoulli-verteilten Zufallsvariablen mit gleicher Erfolgswahrscheinlichkeit p deniert. Dann heit X binomialverteilt mit den Parametern n und p. In Zeichen schreiben wir X Bin(n; p) : DWT 5.2 Binomialverteilung 125/462
130 Es gilt W X = f0; : : : ; ng. Die Binomialverteilung besitzt die Dichte n f X (x) := b(x; n; p) = p x q n x x mit q := 1 p. Da die Binomialverteilung eine sehr wichtige Rolle spielt, fuhren wir fur die Dichtefunktion die Abkurzung b(x; n; p) ein. Mit den Satzen uber Erwartungswert und Varianz von Summen unabhangiger Zufallsvariablen erhalten wir sofort E[X] = np und Var[X] = npq : DWT 5.2 Binomialverteilung 126/462
131 0,4 Ü ½¼ ¼ ½µ 0,4 Ü ½¼ ¼ µ 0,3 0,3 0,2 0,2 0,1 0,1 0, , ,4 Ü ½¼ ¼ µ 0,4 Ü ½¼ ¼ µ 0,3 0,3 0,2 0,2 0,1 0,1 0, , Dichte der Binomialverteilung DWT 5.2 Binomialverteilung 127/462
132 Satz 56 Wenn X Bin(n x ; p) und Y Bin(n y ; p) unabhangig sind, dann gilt fur Z := X + Y, dass Z Bin(n x + n y ; p). Beweis: Die Aussage folgt sofort, wenn man gema der Denition der Binomialverteilung X und Y als Summen von Indikatorvariablen darstellt. Z ist dann oensichtlich wieder eine Summe von unabhangigen Indikatorvariablen. DWT 5.2 Binomialverteilung 128/462
133 5.3 Geometrische Verteilung Man betrachte ein Experiment, das so lange wiederholt wird, bis Erfolg eintritt. Gelingt ein einzelner Versuch mit Wahrscheinlichkeit p, so ist die Anzahl der Versuche bis zum Erfolg geometrisch verteilt. Denition 57 Eine geometrisch verteilte Zufallsvariable X mit Parameter (Erfolgswahrscheinlichkeit) p 2 [0; 1] und q := 1 p hat die Dichte f X (i) = pq i 1 fur i 2 N : Fur Erwartungswert und Varianz geometrisch verteilter Zufallsvariablen gilt E[X] = 1 p und Var[X] = q p 2 : DWT 5.3 Geometrische Verteilung 129/462
Satz 16 (Multiplikationssatz)
Haug verwendet man die Denition der bedingten Wahrscheinlichkeit in der Form Damit: Pr[A \ B] = Pr[BjA] Pr[A] = Pr[AjB] Pr[B] : (1) Satz 16 (Multiplikationssatz) Seien die Ereignisse A 1 ; : : : ; A n
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Beweis: Wir betrachten zunächst den Fall n = 2. Dazu setzen wir C := A \ B = A \ (A B). Gemäß dieser Definition gilt, dass C und A B sowie C und B disjunkt sind. Deshalb können wir Eigenschaft 5 von Lemma
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