Von der heutigen und der kommenden Altersarmut
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- Fanny Becker
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1 Prof. Dr. Stefan Sell Hochschule Koblenz Von der heutigen und der kommenden Altersarmut Vortrag auf der Auftaktveranstaltung zur Kampagne gegen Armut im Alter in Hessen (Bündnis Soziale Gerechtigkeit in Hessen) 17. Oktober 2018 Frankfurt am Main Frankfurt am Main
2 Heute veröffentlicht Frankfurt am Main
3 Wie definiert man eigentlich Altersarmut? Definition 1 von Altersarmut: Die politisch normative Setzung eines Betrages, der zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums eines Haushalts nötig ist. Dies ist der Satz der Sozialhilfe bzw. der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Definition 2 von Altersarmut: Die Ableitung einer Einkommenshöhe als Armutsgrenze aus den Daten der Einkommensverteilung è relative Einkommensarmut è diese Schwelle bzw. Grenze wird üblicherweise bei 60 Prozent des Medianeinkommens der Bevölkerung festgesetzt. Der Median in einer Einkommensverteilung ist derjenige Wert, der genau in der Mitte liegt. 50 Prozent der Haushalte haben ein Einkommen über, 50 Prozent eines unterhalb des Medians. Frankfurt am Main
4 Wie viele sind es in der Grundsicherung für Ältere? Durchschnittlicher Bedarf in der Grundsicherung: 800 Euro pro Monat, auf die dann eigenes Einkommen und Vermögen angerechnet werden. Aber: Studien zeigen eine Nichtinanspruchnahmequote von Leistungen in Höhe von etwa 40 Prozent: Zwei von fünf Berechtigten nehmen ihre Ansprüche gar nicht wahr. Frankfurt am Main
5 Risikofaktoren für den Grundsicherungsbezug im Alter Erwerbsbiografie Familienbiografie Sieben alterssicherungsrelevante Risikodimensionen Gesundheitsbiografie Bildungsbiografie Vorsorgebiografie Migrationsbiografie sonstige biografische Risikoelemente Frankfurt am Main
6 Wer sind die zentralen Gruppen gegenwärtig im Grundsicherungsbezug? Familienorientierte Frauen Zugewanderte Personen Arbeitsmigranten ( Gastarbeiter der 1. Generation) (Spät)Aussiedler Fünf zentrale Risikogruppen für den gegenwärtigen Grundsicherungsbezug im Alter Ehemalige Selbständige jüdische Kontingentflüchtlinge Komplex Diskontinuierliche Umbruchsgeprägte Ostdeutsche Frankfurt am Main
7 Und die relative Einkommensarmut? Armutsgefährdungsquote in Deutschland 2005 bis 2017 Bei der Gruppe der Rentner lag die 14,7 14,0 14,3 14,4 14,6 14,5 15,0 15,0 15,5 15,4 15,7 15,7 15,8 Quote 2016 bereits mit 16% über dem Durchschnitt noch vor einigen Jahren war das Armutsrisiko der Älteren deutlich unterdurchschnittlich Die Armutsgefährdungsschwelle lag im vergangenen Jahr für den "einfachsten" Fall einer alleinstehenden Person, also einem Einpersonenhaushalt, bei 999 Euro pro Monat Frankfurt am Main
8 Und Hessen? Armutsgefährdungsquoten* in Hessen und in Deutschland ,5 16,5 16,9 15,9 15,9 15,9 15,3 14,7 14,5 14,0 14,9 15,0 14,3 14,4 14,8 14,6 14,6 14,5 15,1 15,0 15,0 15,5 15,4 15,7 15,7 15, Hessen Deutschland *) gemessen am Landes-Median; 2017 lag die Armutsgefährdungsschwelle für einen Einpersonenhaushalt in Hessen bei Euro pro Monat. Frankfurt am Main
9 Ältere Menschen unterhalb der Armutsschwelle Zahl der 65 Jahre und älteren Menschen unterhalb der Armutsgefährdungschwelle 2005 bis Quelle der Daten: Amtliche Sozialberichterstattung der Statischen Ämter; eigene Berechnungen mit den Bevölkerungsdaten des Statistischen Bundesamtes Aktuelle Sozialpolitik Frankfurt am Main
10 Die Armutsdynamik bei den Älteren ist schon jetzt deutlich stärker Frankfurt am Main
11 Die Rentenformel erklärt so einiges Frankfurt am Main
12 3,7 Millionen Vollzeitbeschäftigte verdienen weniger als Euro brutto Frankfurt am Main
13 Wie sieht es aus, wenn Sie zum gesetzlichen Mindestlohn arbeiten? Wenn jemand derzeit zum gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,84 Euro pro Stunde in Vollzeit, also 40 Stunden pro Woche, arbeitet, dann bekommt er ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von Euro. Bezogen auf das Durchschnittsengelt in der Rentenversicherung in Höhe von derzeit Euro wären das 49,5%, folglich würde für ein ganzes Jahr Arbeit nach diesen Konditionen nicht 1 Entgeltpunkt (EP) in der Formel stehen, sondern lediglich 0,495 EP. Unser Mindestlöhner müsste also rechnerisch 90 Jahre zu diesen Bedingungen arbeiten, um auf die für den "Eckrentner" ausgewiesene Monatsrente kommen zu können. Würde jemand rechnerisch zu den heutigen Bedingungen mit Mindestlohn 45 Jahre arbeiten, dann käme er oder sie auf eine Brutto-Monatsrente von 691 Euro und würde damit unter der Schwelle der Grundsicherung im Alter liegen. Frankfurt am Main
14 Alternativen? Was könnte man denn im bestehenden System machen (wenn man wollte)? Rente nach Mindesteinkommen. Dabei werden unterdurchschnittliche versicherungspflichtige Einkommen im Nachhinein, also nach Vollendung der Erwerbsbiografie, mit dem Faktor 1,5 (d. h. um die Hälfte) auf maximal 75 Prozent der Durchschnittsentgelts hoch gewertet. Beispiel Mindestlöhner 0,5 EP auf 0,75 EP hochgewertet Das bedeutet: Statt wie bisher 691 Euro immerhin Euro als Monatsrente Diese Rente gab es schon mal bis 1993! Frankfurt am Main
15 Wozu das führt? Der Anspruch auf Hartz IV für Ältere frisst sich nach oben Frankfurt am Main
16 Was jetzt passiert, davor wurde seit vielen Jahren gewarnt»wenn für einen Großteil der Versicherten selbst nach langer Versicherungsdauer der durch Beiträge erworbene Rentenanspruch in der GRV kaum spürbar die Armutsgrenze übersteigt oder gar darunter bleibt, dann verliert eine durch Beiträge zu finanzierende Rentenversicherung ihre politische Legitimation und Akzeptanz in der Bevölkerung, da ja die Grundsicherung ohne jede Vorleistung bezogen werden kann. Erfolgt ein Umsteuern in der deutschen Alterssicherung jedoch nicht, so tritt ein schleichender, aber nicht offen erklärter Übergang zu einem staatlichen Alterssicherungssystem ein, bei dem es nicht mehr um eine Verstetigung der Konsum- und Einkommensentwicklung im Lebensablauf (Einkommensersatz) geht, sondern tendenziell um Armutsvermeidung im Alter. Dies würde aber nur für langjährig Versicherte unter bestimmten Bedingungen tatsächlich erreicht. Für alle anderen wird dann unzureichendes Alterseinkommen nach Bedürftigkeitskriterien aufstockt. Das wäre etwa das, was den Beginn der staatlichen Alterssicherung in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts charakterisierte mit einer GRV für viele als Zuschuss zum Lebensunterhalt.«(Winfried Schmähl 2012: 312) Frankfurt am Main
17 In ihrer Studie Pensions at a Glance 2017 weist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) darauf hin, dass Deutschland in Sachen Mindestrente eine Ausnahme ist. In den meisten Mitgliedsländern gibt es diese Variante, um Geringverdiener im Alter nicht auf Sozialhilfeniveau absinken zu lassen. In Deutschland droht ihnen dagegen Armut im Alter. Ein Arbeitnehmer, der ein Leben lang weniger verdient hat als der deutsche Durchschnitt, erhält, wenn er heute in Rente geht, im Schnitt nur 55 Prozent seines Lohns als Rente. Das ist wenig: Der Durchschnitt in den OECD-Mitgliedsstaaten liegt bei 73 Prozent. Besonders Frauen trifft es hart: Sie haben im Schnitt nur 46 Prozent der Rente zur Verfügung, die ein Durchschnittsmann in Deutschland erhält. Die OECD führt das darauf zurück, dass die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern in der Bundesrepublik vergleichsweise hoch sind und ein großer Anteil der Frauen in Teilzeit arbeitet. Aus diesen Gründen erwarten die Experten in diesem Bereich auch keine Besserung.«Frankfurt am Main
18 Zahlreiche Informationen zur Sozialpolitik finden Sie in meinem Blog Aktuelle Sozialpolitik Alle Beiträge von mir zum Thema Altersarmut können Sie sich mit diesem Link anzeigen lassen: Frankfurt am Main
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