Psychische Erkrankungen im Jugendalter
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- Emma Hoch
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1 Psychische Erkrankungen im Jugendalter Eine Einführung 1 Psychische Störungen Charakteristika und Klassifikationssysteme Erhebliche krankheitswertige Abweichungen im Erleben oder/und Verhalten Zeigen sich auf Ebenen Denken, Fühlen, Handeln Typische Eigenschaften von psychischen Störungen sind, dass sie sehr eingeschränkt willentlich zu steuern sind sie länger dauern sie Leiden verursachen sie das Leben beeinträchtigen ( Familie, Schule, Ausbildung) Medizinische Klassifikationssysteme: ICD-10: WHO DSM-IV: APA 2 1
2 Seelische Gesundheit bei Jugendlichen 15-20% der Jugendlichen leiden unter klinisch relevanten psychiatrischen Problemen ~10% der Jugendlichen werden wegen psychischer Störungen behandelt Der Anteil an psychiatrisch erkrankten Jugendlichen nimmt zu Selbsttötung ist die zweithäufigste Todesursache in Europa (Jacobson et al 2002; Resch, 2008) 3 Entstehungsbedingungen seelischer Störungen Multifaktorielle Genese Genetische Belastung Biologische Faktoren Soziale Bedingungen Individuelle Vulnerabilität (Verletzlichkeit) 4 2
3 5 Klassifikation nach ICD 10 F00-F09 Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen (Demenzen, Delir, organische Psychosen) F10-F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (Alkohol, Drogen) F20-F29 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen (Wirklichkeitswahrnehmung deutlich verändert) F30-F39 Affektive Störungen (Depression, Manie, bipolare Störungen) F40-F48 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen (Phobien, Angststörungen, Zwangserkrankungen, Belastungs- und Anpassungsstörungen, Reaktionen auf belastende Ereignisse) 6 3
4 F50-F59 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren (Ess-Störungen, nichtorganische Schlafstörungen, sexuelle Funktionsstörungen) F60-F69 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (emotional-instabile PS., Pathologisches Glücksspiel, Störungen der Geschlechtsidentität) F70-F79 Intelligenzminderung F80-F89 Entwicklungsstörungen (Sprach-, Lern-, Artikulationsstörungen, Autismus; früher Beginn, gesamte Entwicklung beeinträchtigt) F90-F98 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (Hyperkinetische Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, Bindungsstörungen, Tic-Störungen) F99 Nicht näher bezeichnete psychische Störungen 7 Risikofaktoren für die Entwicklung psychischer Störungen körperlich genetische Veranlagung, Gehirnschäden, Geburtskomplikationen, ernsthafte und häufige Erkrankungen in der Kindheit,... familiär psychische Störung, Suchterkrankung, schwere körperliche Erkrankung eines Elternteils, pathologische Bindungsmuster, autoritäres Erziehungsverhalten, disharmonisches Familienleben,... lebensgeschichtlich Stressbelastung der Mutter während der Schwangerschaft, Missbrauchserfahrungen, häufiger Wechsel der Bezugspersonen in den ersten beiden Lebensjahren, Verlust einer wichtigen Bezugsperson,... sozial beengte Wohnverhältnisse, beschränkte finanzielle Mittel, Aufwachsen bei Pflegeeltern, Mangel an kultureller Identität, alleinerziehender Elternteil, häufig wechselnde frühe Beziehungen,... Persönlichkeitsfaktoren geringes Selbstwertgefühl, geringe Frustrationstoleranz, wenig soziale Kompetenzen,
5 Anteil bestimmter Diagnosen an den Fallzahlen in den kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen der Krankenhäuser in Baden-Württemberg 2006 Verhaltens- und emotionale Störungen (u.a. Störungen des Sozialverhaltens, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen (u.a. Phobien, andere Angststörungen, Zwangsstörungen, körperliche Beschwerden ohne Ursache inorganischer Erkrankung) Affektive Störungen (u.a. Depression) Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (u.a. Essstörungen, nicht organische Schlafstörungen) Schizophrenie, schizoide und wahnhafte Störungen Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Entwicklungsstörungen Störungen durch Drogen Störungen durch Alkohol Klassifikation nach ICD, Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 9 Häufigkeiten bestimmter Störungen Angst ADHS Depression Essstörungen Zwang Tic Psychosen 10 5
6 Hyperkinetische Störungen ICD-10 F90 11 Definition Hyperkinetisches Syndrom Aufmerksamkeits-Defizit- Syndrom Aufmerksamkeits-Defizit- Hyperaktivitäts-Syndrom Schwerwiegende Beeinträchtigung der Daueraufmerksamkeit Ausgeprägte psychomotorische Hyperaktivität Impulsives Verhalten, anhaltend, nicht nur auf bestimmte Situationen oder kurze Zeiträume beschränkt Symptomatik muss über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten vorliegen und ist nicht durch autistische oder affektive Störungen begründet. 12 6
7 Beginn meist in den ersten fünf Lebensjahren Jungen : Mädchen 3-5 : 1 Mangel an Ausdauer bei Beschäftigungen, die kognitiven Einsatz verlangen Tendenz, von einer Tätigkeit zur anderen zu wechseln desorganisierte, mangelhaft regulierte, überschießende Aktivität unachtsam, neigen zu Unfällen Im Kontakt zu Erwachsenen distanzlos Kognitive Beeinträchtigungen, spezifische Verzögerungen der motorischen und sprachlichen Entwicklung überproportional oft Sekundär kann dissoziales Verhalten und niedriges Selbstwertgefühl vorkommen Komorbiditäten: Angst, affektive Störungen, störendes Verhalten 13 Verbindung mit anderen Störungsmustern Bei 2/3 der Kinder mit hyperkinetischer Störung ist diese mit einer anderen psychischen Störung verbunden z.b. umschriebenen Entwicklungsstörungen Störungen des Sozialverhaltens 14 7
8 Aufmerksamkeitsstörung Impulsivität Hyperaktivität Teilleistungsschwächen neuromotorische Störungen neurophysiologische Abweichungen 15 Diagnostik Genaue Analyse des Verhaltens der sozialen Situation der aktuellen schulischen Anforderungen und Belastungen Alltagsorganisation der Familie Selbstorganisation der Bezugsperson 16 8
9 Therapie Bei Schulkindern Selbstinstruktionstraining Verhaltenstherapie Entspannungsverfahren Medikation mit zentralstimulierenden Medikamenten wie Methylphenidat (Ritalin ) 17 Qu.: Vortrag von Dr. Michael Kölch, Psychische Erkrankungen im Jugendalter, Symposium Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischen Störungen im Schulalltag, Ulm
10 Störungen des Sozialverhaltens ICD-10 F91 19 Dissoziales, agressives, aufsässiges Verhalten Übersteigt die altersentsprechenden sozialen Erwartungen Dauer sechs Monate oder länger 20 10
11 Exemplarische Verhaltensweisen Gebrauch von gefährlichen Waffen Andere Menschen fesseln, mit Messer oder Feuer verletzen Absichtliche Zerstörung des Eigentums anderer Absichtliches Feuerlegen Räuberische Erpressung, vorsätzliche Gewaltausübung Zwingen anderer Menschen zu sexuellen Aktivitäten Einbruch in Häuser, Autos, Geschäfte Häufiges Streiten mit erwachsenen Bezugspersonen Verweigerungshaltung, Hinwegsetzen über Regeln Häufiges Schuleschwänzen vor dem 13. Lebensjahr Häufiges Tyrannisieren anderer (Zufügen von Schmerzen, andauernde Einschüchterung) Verhalten kann schon vor dem 10. Lebensjahr auftreten 21 F91.0 auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens (auf Mitglieder der Familie bezogen) F91.1 Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen (zu anderen Kinder / Gleichaltrigen) F91.2 Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungen (allgemein gut in der Altersgruppe eingebunden) F91.3 Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten (meist bei jüngeren Kindern) 22 11
12 Depressives Erleben Symptomatik verschieden vom Erwachsenenalter Im Pubertäts- und Jugendalter Vermindertes Selbstvertrauen Apathie, Angst, Konzentrationsmangel Leistungsstörungen Zirkadiane Schwankungen des Befindens Psychosomatische Störungen Gereizt, lustlos, soziale Isolation etc. 23 Resilienzfaktoren psychische Störungen körperlich widerstandsfähige Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, hohe Intelligenz,... familiär Anerkennung und Wertschätzung durch die Eltern, überschaubare und konsistente Regeln, adäquates Eingehen auf die Bedürfnisse des Kindes, Ermutigung zur Selbständigkeit,... sozial stabile kulturelle und ethnische Einbettung, dauerhafte Bezugsperson, die an das Kind glaubt, fester Freundeskreis, förderliche Schulumwelt und Bildungsmöglichkeiten, soziale Einbindung,... Persönlichkeitsfaktoren hohes Selbstwertgefühl, selbstsicher, soziale Kompetenz, gute Kommunikationsfähigkeit, sicheres Bindungsverhalten, effiziente Problembewältigungsstrategien, Eigenständigkeit und Eigenaktivität,
13 ??? 25 Literatur Baierl, Martin: Herausforderung Alltag, Praxishandbuch für die pädagogische Arbeit mit psychisch gestörten Jugendlichen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen Brunner, Romuald PD Dr. med.: Vortrag: Psychische Erkrankungen im Jugendalter, Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, 2009 Kölch, Michael Dr.: Vortrag: Psychische Erkrankungen im Jugendalter, Symposium Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischen Störungen im Schulalltag, Ulm Machleidt, W. (Hrsg.): Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. 7. aktualis. Aufl., Stuttgart
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