Arten- und naturschutzfachliche Bewertungskriterien für Potenzialflächen Wind (Ampelbeurteilung)
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- Hannah Hofmeister
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1 Umwelt- und Planungsamt Landrat-Schultz-Str. 1, Tecklenburg Ihre Ansprechpartnerin: Hildegard Röckener Zimmer: Telefon: 05482/70-0 Durchwahl: 05482/ Telefax: 05482/ Internet: Mein Zeichen: 67. Datum: Arten- und naturschutzfachliche Bewertungskriterien für Potenzialflächen Wind (Ampelbeurteilung) 1. Einleitung Mit der Zielsetzung Steinfurt - Energieautark 2050 wurde im Jahr 2011 für nahezu alle Städte und Gemeinden im Auftrag des Kreises Steinfurt eine Potenzialanalyse zur Ermittlung von für die Windkraftnutzung besonders geeigneten Flächen durchgeführt (ENVECO GmbH 2011). Diese Potenzialflächen wurden daraufhin von der Unteren Landschaftsbehörde in Zusammenarbeit mit der Biologischen Station, Kreis Steinfurt, e.v., einer naturschutzfachlichen und artenschutzrechtlichen Vorprüfung unterzogen ( Windatlas : Hinweise aus natur- und artenschutzfachlicher Sicht zur Darstellung von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen in den Flächennutzungsplänen der Städte und Gemeinden im Kreis Steinfurt, April 2012). Die im Folgenden aufgelisteten Kriterien sind ein Auszug aus dem Windatlas. 2. Rechtliche Grundlagen a. Artenschutzrecht, Verbote nach 44 Abs. 1 BNatSchG Nr. 1: Es ist verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Nr. 2: Es ist verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Seite 1
2 Nr. 3: Es ist verboten, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten wild lebender Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Nr. 4: Es ist verboten, wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören. Für Windkraftanlagen sind insbesondere die Verbote 44 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BNatSchG relevant sowie die Befreiungsmöglichkeit nach 44 Abs. 5 BNatSchG und die Ausnahme nach 45 Abs. 7 BNatSchG. zu Nr. 1 Tötungsverbot : Das Tötungsverbot gilt für das Individuum. Hier ist insbesondere ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko zu beurteilen, das über das artspezifische allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. 1 Im Kreis Steinfurt sind Greifvögel (wie Rotmilan, Baumfalke, Weihen, Wespenbussard), der Uhu sowie Fledermausarten (wie Großer und Kleiner Abendsegler, Rauhautfledermaus, Zwergfledermaus, Breitflügelfledermaus) betroffen. Ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko ist bei Horsten/Nestern in geringem Abstand zur Windenergieanlage (WEA) sowie bei Barrierewirkung für An- und Abflug und somit Verriegelung von Wiesenvogelschwerpunktgebieten und bei traditionellen Flugwegen anzunehmen. Eine Vermeidung des Tötungsrisikos kann ggfls. erreicht werden über die Wahl eines weniger risikoreichen Standortes oder über Abschaltzeiten zu Zug-, Balzzeiten oder/und bei bestimmten Windgeschwindigkeiten, in denen ein vermehrtes Vorkommen von Fledermäusen und Vögeln erwartet wird. zu Nr. 2 Störungsverbot Das Störungsverbot ist erst erheblich, wenn sich der Erhaltungszustand der lokalen Population verschlechtert. Geräuschimmissionen und die Beleuchtung der WEA können zu relevanten Störungen bei störungsempfindlichen Arten führen. zu Nr. 3 Verlust der Fortpflanzungs- und Ruhestätten : Von Windkraftanlagen können Fortpflanzungs- und Ruhestätten betroffen sein. Sie werden zum Teil direkt überbaut oder bestimmte Arten meiden dauerhaft den räumlichen Bereich von Windkraftanlagen. Die Flächen weisen somit nicht mehr die Funktion als Fortpflanzungs- und Ruhestätten auf. Damit ist der Verbotstatbestand Nr. 3 erfüllt. Betroffene Arten sind im Kreis Steinfurt vor allem Großer Brachvogel, Uferschnepfe, und Kiebitz. Eine Vermeidung des Verbotes ist über Standortalternativen oder vorgezogene 1 zu 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG a. F.: BVerwG, Urt. v A 14/07. Seite 2
3 Ausgleichsmaßnahmen im räumlichen Zusammenhang gemäß 44 Abs. 5 BNatSchG möglich. b. Artenschutzrecht, Befreiung nach 44 Abs. 5 BNatSchG 44 Abs. 5 BNatSchG sieht die Möglichkeit der Befreiung vor, sofern die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird. Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden. Diese Befreiungsvoraussetzung muss im Einzelfall bei der Fortschreibung des Flächennutzungsplanes nachgewiesen werden. c. Artenschutzrecht, Ausnahme nach 45 Abs. 7 BNatSchG Ausnahmen von den Verbotstatbeständen gemäß 45 Abs. 7 BNatSchG sind für die Errichtung von WEA kaum möglich, denn Ausnahmen können nur zugelassen werden, wenn folgende Ausnahmevoraussetzungen kumulativ vorliegen: Vorliegen zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art Fehlen einer zumutbaren Alternative der Erhaltungszustand der Populationen einer Art verschlechtert sich nicht, bei FFH- Anhang IV-Arten (hier Fledermäuse) muss er günstig sein und bleiben. d. Landschaftsschutz nach 26 Abs. 2 BNatSchG Nach 26 Abs. 2 BNatSchG sind in einem LSG alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen. Laut Windenergie-Erlass NRW (2011) gilt das regelmäßige Bauverbot in Landschaftsschutzgebieten grundsätzlich auch für Windenergieanlagen, es sei denn, es sind innerhalb von Flächen für die Windenergienutzung entsprechende Ausnahmetatbestände in die Landschaftsschutzverordnung aufgenommen bzw. im Landschaftsplan festgesetzt worden. Eine Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung oder die Errichtung von Einzelanlagen in Landschaftsschutzgebieten kommt insbesondere in Teilbereichen großräumiger Landschaftsschutzgebiete mit einer im Einzelfall weniger hochwertigen Funktion für den Naturschutz und die Landschaftspflege sowie die landschaftsorientierte Erholung in Betracht, soweit die Vereinbarkeit mit der Schutzfunktion des Landschaftsschutzgebietes insgesamt gegeben ist. Seite 3
4 3. Bewertungskriterien Maßgebend für die Kriterien sind die Verbotstatbestände nach 44 Abs. 1, die Befreiungsmöglichkeit nach 44 Abs. 5 BNatSchG, die Ausnahme 45 Abs. 7 BNatSchG sowie die Rechtsprechung zu diesen Vorschriften und der Windenergie-Erlass NRW vom Der zuständigen Behörde obliegt eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative 2. Für die jeweilige Einstufung ist jeweils nur ein Kriterium erforderlich. Die Einstufungen sind folgendermaßen zu beurteilen: rot: gelb: grün: hohes Risiko, mittleres Risiko, geringes Risiko für die jeweilige Planung. 2 OVG Lüneburg, Urt. v ME 274/10. Seite 4
5 Tab. 1: Arten- und naturschutzfachliche Bewertungskriterien für Potenzialflächen Wind Kriterien Rot verfahrenskritische Vorkommen planungsrelevanter Arten / Kompensationsflächen für Fauna RA Schwerpunktbrutgebiet für streng geschützte windkraftsensitive Wiesenvögel (Uferschnepfe, Großer Brachvogel), die verdrängt werden ( 44 Abs. 1 und Nr. 3 BNatSchG) mit Pufferzonen von 500 m. 3,4,5,6 Aufgrund ihres lokalen und landesweiten ungünstigen/schlechten Erhaltungszustandes ist bereits jedes Einzelvorkommen relevant. RB Vorkommen von Horsten/Nestern von Greifvögeln wie Rotmilan, Baumfalke, Weihen, Wespenbussard und Uhu mit signifikant erhöhter Kollisionsgefahr im m Radius ( 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG). 4,5,6,7,7 RC Traditioneller Zug-, Flugkorridor und /oder Barrierewirkung für An- und Abflug VSG, NSG, Wiesenvogelschwerpunktgebiete ( 44 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG). 4,5,6,7,8 RD Wichtige Rastvogelgebiete für Limikolen (Ruhestätten / Schlafplätze) mit artspezifischer Pufferzone ( 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). 4,5,6,7 RE Schutzgebiete (FFH-Gebiete, Vogelschutzgebiete, Naturschutzgebiete) mit schutzziel- und artspezifisch erforderlichen Pufferzonen größer als 350 m 9 ( 44 Abs. 1 BNatSchG, 33 und 34 BNatSchG, FFH-Richtlinie und europäische Vogelschutzrichtlinie) 4,5,6,7,10 und gesetzlich geschützte Biotope gem. 30 BNatSchG und 62 LG NRW mit artspezifischer Pufferzone. RF Kompensationsflächen mit zielartspezifischer Pufferzone für Fauna ( 15 Abs. 4 BNatSchG). 11 Gelb Verdacht auf verfahrenskritische Vorkommen von planungsrelevanten Arten / Landschaftsschutz GA Landschaftsschutzgebiete ( 26 Abs. 2 BNatSchG, Windenergie-Erlass 2011). 12 GB Entstehung von Windkraftbändern über 3 km außerhalb Infrastrukturtrassen als Vermeidung bandartiger Strukturen gem. 24 ROG innerhalb der freien Landschaft. GC Nicht genau bekannte Lage von Flug- / Zugkorridoren ( 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) GD Unregelmäßiger oder nicht genau bekannter Brutplatz windkraftsensitiver Arten ( 44 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG) GE Rastvogelgebiet (Ruhestätten / Schlafplätze) geringeren Umfangs ( 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) Grün keine bekannten verfahrenskritischen Vorkommen planungsrelevanter Arten 3 Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg (2011): Beachtung naturschutzfachlicher Belange bei der Ausweisung von Windeignungsbereichen und bei der Genehmigung von Windenergieanlagen; 4 Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (2007): Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten 5 Niedersächsischer Landkreistag (2011): Naturschutz und Windenergie 6 Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig Holstein (2008): Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig Holstein 7 Für den Rotmilan gilt ein Tabubereich von m um die Brutstätte: OVG Weimar, Urt. v KO 372/06. 8 OVG Koblenz, Urt. v A 11312/04.OVG -; OVG Münster, Urt. v A 4062/04 -; OVG Lüneburg, Urt. v LB 3571/ m wurden bereits in der Flächenpotenzialanalayse von ENVECO GmbH berücksichtigt. 10 Potenzialflächen in der Nähe der europäischen Schutzgebiete (Natura 2000 Gebiete) sind auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen zu prüfen. 11 Gemäß 15 Abs. 4 BNatSchG sind Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten und rechtlich zu sichern. 12 Gemäß 26 Abs. 2 BNatSchG sind in einem LSG alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen. Seite 5
6 Zu den Grün gekennzeichneten Flächen (keine bekannten verfahrenskritischen Vorkommen planungsrelevanter Arten) sind bei der ULB und Biologischen Station Daten zu verfahrenskritischen Vorkommen planungsrelevanter Arten nicht bekannt. Dies bedeutet aber nicht, dass auf weitere notwendige Untersuchungen im Rahmen der Fortschreibung des Flächennutzungsplanes im Hinblick auf die Darstellung von Konzentrationszonen für WEA verzichtet werden kann. Die naturschutzfachliche und artenschutzrechtliche Beurteilung der Flächen wurden auf der Basis der bei der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Steinfurt und der Biologischen Station Kreis Steinfurt e.v. vorhandenen Daten ermittelt und in Karten zusammengestellt. Dazu wurden die avifaunistischen Daten der letzten 5 Jahre der Biologischen Station, die Angaben im Fundortkataster LINFOS des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) und die Angaben/Daten der Unteren Landschaftsbehörde (ULB) ausgewertet. Detaillierte Daten zu allen durch Windkraft gefährdeten Vogelarten sowie zu windkraftsensitiven Fledermausarten liegen nicht vor. Diese müssen im Rahmen der Flächennutzungsplanung neu erhoben werden. im Auftrag Hildegard Röckener Kreis Steinfurt Umwelt- und Planungsamt Telefon: 05482/ hildegard.roeckener@kreis-steinfurt.de Seite 6
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