Themenübersicht. Willkommen zum Lehrerabend des NIL Projekts
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- Henriette Beck
- vor 8 Jahren
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1 Neurowissenschaften ~ Instruktion ~ Lernen Willkommen zum Lehrerabend des NIL Projekts Domänenübergreifende und domänenspezifische Korrelate individueller Leistung im Fach Mathematik im Grundschulalter Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen: Dipl. Psych. Jacqueline Anders Dipl. Psych. Jenny Hüge Themenübersicht - Definition - Symptomatik - Welche Schwierigkeiten? Wie entstehen sie? - Übergreifende vs. spezifische Defizite - Diagnostik & Klassifikation - Prävalenz & Verlauf - NIL Initiative - Therapie - Mathetraining - Aufmerksamkeitstraining - Lese- und Rechtschreibtraining - Evaluation der Förderung - Weiterführende Informationen 2
2 Definition Rechenschwäche Diese Störung besteht in einer umschriebenen Beeinträchtigung von Rechenfähigkeiten, die vor allem die Beherrschung grundlegender Rechenoperationen, wie Addition, Subtraktion und Multiplikation betrifft. (ICD-10 nach Dilling & Freyberger, 2001, S.267) 3 Symptomatik Schwierigkeiten rechenschwacher Kinder: - Defizite im Transkodieren - Prinzip der Irrelevanz der Zählabfolge wird nicht erkannt - Rechnen im Zahlenraum bis 20 (und darüber) - Umständliche Rechenstrategien: zählendes Rechnen (mit/ohne Finger) - Zehnerüber- und unterschreitung - Defizite im numerischen Faktenwissen - Vergessen von Rechenprozeduren - Vergessen von Zwischenergebnissen Häufigkeit, Vielfältigkeit und Persistenz von Fehlern sind typisch nicht Fehler an sich! 4
3 Symptomatik Wann kann man eine Rechenschwäche erkennen? - Vorläuferfähigkeiten oft schon im Kindergarten auffällig - Diagnose oft erst am Ende der Grundschulzeit - Kinder können teilweise kompensieren - Je früher erkannt, desto bessere Chancen für eine Intervention - Hürden: - Erweiterung des Zahlenraums - Lösen von Rechenhilfen (Finger, Zählstrategien) Trotz erhöhter Anstrengung kommt es zu häufigen Misserfolgen Selbstzweifel Rechenverweigerung = TEUFELSKREIS 5 Übergreifende vs. spezifische Defizite Unspezifische Voraussetzungen Spezifische Voraussetzungen Zentrale Exekutive Mengenvorwissen Zahlenvorwissen Rechenleistung 6
4 Übergreifende vs. spezifische Defizite Übergreifende Defizite der allgemeinen kognitiven Verarbeitung Exekutive Funktionen - Planung und Überwachung kognitiver Funktionen - Lenkung und Fokussierung der Aufmerksamkeit - Drei zentrale Funktionen im Zusammenhang mit mathematischen Leistungen - Zentrale Exekutive: - Inhibition: Unterdrückung irrelevanter Informationen (z.b. bei Textaufgaben) - Shifting: Flexibler Wechsel zwischen Informationen und Strategien, entsprechend der Aufgabenanforderungen - Updating: kontinuierliches Aktivhalten relevanter Informationen (z.b. Aktualisieren und Anpassen von Informationen nach dem Lösen von Zwischenschritten) 7 Übergreifende vs. spezifische Defizite Spezifische Defizite: Bereich numerischer Kompetenzen - Frühe Defizite in den Zählfunktionen - Zählsequenz - Zählprinzipien - Einfache Addition und Subtraktion - Defizite beim Transkodieren - Zahlendreher - Zahlensemantik im dekadischen Stellenwertsystem - Defizite im numerischen Faktenwissen - Fehler beim zählenden Rechnen - Unreife Lösungsstrategien - Mangelndes Faktenwissen (einfache Addition) - Defizite in der kognitiven Repräsentation von Anzahlen - Zahlengrößenvergleich - Mengengrößenvergleich - Lokalisation auf dem Zahlenstrahl - Subitizing (Simultanerfassung kleiner Mengen) 8
5 Spezifische Defizite: Bereich numerischer Kompetenzen These des beeinträchtigten Zahlensinns : Von Geburt an ist die Repräsentation von Anzahlen beeinträchtigt und kann sich daher im Verlauf der Vorschulzeit nicht normal entwickeln. Die Probleme im Rechnen sind Folge dieser basalen Defizite. 9 Diagnostik & Klassifikation Diagnosekriterien nach ICD-10: - Entwicklungsbedingt - Kein Beschulungsdefizit - Kein allgemeines Intelligenzdefizit - Biologische Reifungsstörung des zentralen Nervensystems - Ausschluss einer Lese- Rechtschreibstörung als Ursache Diagnose einer kombinierten Störung des Lesens/Schreibens und Rechnens ist möglich! Testverfahren - Schulleistungstests - Welche Lernziele konnte das Kind erreichen und welche nicht? - Normierung an Schulstufe - Neuropsychologisch orientierte Verfahren - Nicht nur schulrelevante Rechenleistung - Auch Aspekte der Zahlenverarbeitung 10
6 Prävalenz & Verlauf - Betrifft 5-10% aller Schulkinder - Unterschiedliche Tests und Kriterien! - Begriffe Rechenstörung vs. Rechenschwäche! - Mädchen häufiger betroffen als Jungen - Störung ist stabil, wenn sie nicht behandelt wird - Noch gravierender bei zusätzlicher Lesestörung! - Kaum Längsschnittuntersuchungen! - Tritt häufig nicht isoliert, sondern gemeinsam auf mit: - Lesestörung - Aufmerksamkeitsdefiziten - Störung exekutiver Funktionen - Visuell-räumlichen Wahrnehmungsstörungen - Gedächtnisstörungen 11 NIL Initiative - Projektphasen Phase 1: März - Mai 09 SCREENING Phase 2: Mai 09 Januar 10 FEINDIAGNOSTIK Phase 3: ab März 10 FÖRDER-STUDIE Klassentestungen mit dem HRT 1-4 (1950 Kinder) Gruppen- und Einzeltestungen mit ausgewählten Schülern (683 Kinder) 2 ca. halbjährige Fördermaßnahmen (an den Schulen) EEG-Studie mit 3 Gruppen von Schülern (an der FU) 12
7 NIL Initiative - Projektphasen Phase 1 Screening Klassentestung mit knapp 2000 Kindern (März Mai 2009) Diagnostik mathematischer Basiskompetenzen im Grundschulalter mit dem Heidelberger Rechentest (HRT) - Weitgehend unabhängig von der Lehrplangestaltung - Untertests: Rechenoperationen - Addition - Subtraktion - Ergänzungsaufgaben - Größenvergleich Räumlich visuelle Funktionen - Würfel - Zählen geordneter Mengen 13 NIL Initiative - Projektphasen - Drei Gruppen: - Potentiell auffällig (untere 20%, 413 Kinder) - Kontrollkinder (mittlere 30%, 557 Kinder) - Hochbegabt (obere 4%, 94 Kinder) - Kinder aus Mischkategorien nicht weiter in der Studie Phase 2 Feindiagnostik - Teil 1 Gruppentestung (Juli November 09) - Kognitive Fähigkeiten (KFT 1-3) - Screening Leseleistung (SLS 1-4) - Rechtschreibleistung (SRT) - Teilgenommen haben alle drei Gruppen 14
8 NIL Initiative - Projektphasen Feindiagnostik Teil 2 Einzeluntersuchungen (Oktober 09 Januar 10) - Screening Aufmerksamkeit (CCTT) - Rechenschwächetest für auffällige Kinder (TEDI-MATH) rechenschwache Kinder in der Studie - Arbeitsgedächtnistest: zentrale Exekutive (WMTB-C) 15 NIL Initiative - Projektphasen Feindiagnostik Teil 2 TEDI - MATH - Erfassung numerisch rechnerischer Fähigkeiten vom Kindergarten bis zur dritten Klasse - Untertests: - Größenvergleich arabische Zahlen - Größenvergleich Zahlwörter - Dekadisches Positionssystem - Transkodieren Zahlen lesen/schreiben - Additive Zerlegung - Subtraktion, - Multiplikation - Textaufgaben - Kenntnisse arithmetischer Konzepte 16
9 NIL Initiative - Projektphasen - Ergebnisse der Phase 2: von 110 rechenschwachen Kindern - Hat die Hälfte Defizite in den exekutiven Funktionen - Hat ein Drittel einen unterdurchschnittlichen Lesequotienten im SLS - Haben zwei Drittel auffällige Leistungen im SRT FAZIT: Ein Großteil der rechenschwachen Kinder hat nicht nur ein Problem beim Rechnen! Phase 3 Förderung und Evaluation - Zweiteilige Förderphase mit Einteilung entsprechend der Begleitdefizite - Rein numerisch-rechnerisches Training (Handl & Kaufmann, 2003, 2009) - Numerisch-rechnerisches Training und zusätzliche Förderung zur zentralen Exekutiven (WCST) - Training der Lese- Rechtschreibfähigkeiten und numerisch- rechnerisches Training (GUCKO) - EEG-Untersuchungen: a) Vorher-Nachher-Vergleich b) Gruppenvergleich 17 NIL Initiative - Mathetraining Rechentraining nach Handl & Kaufmann (Handl 2009; Kaufmann et al., 2003) Grundüberlegungen: - Erfahren der Rechnungen anhand konkreten Materials - Förderung numerischer Basiskompetenzen - Rechenprobleme in Form von eigenen Geschichten erfahren - Diskussion der Plausibilität der Ergebnisse - Finden eigener Rechenwege - Finden alternativer Rechenwege - Automatisierung und Aufbau von Faktenwissen! Nicht nur auf Rechenoperationen fokussieren, sondern auch Defizite in der Zahlen- und Mengenverarbeitung berücksichtigen! Kombination: Aufbau konzeptuellen Wissens und darauf aufbauend Etablierung von arithmetischem Faktenwissen 18
10 NIL Initiative - Mathetraining Automatisierg. Symbolische Darstellung Bildliche Darstellung Konkrete Materialien 19 Therapie - Mathetraining 1. Mengenerfassung - Schnelles Erfassen - Verständnis für mehr/weniger - Zuordnungen Zahlen Mengen - Ordinalität von Mengen - Mengen-Memory 20
11 Therapie - Mathetraining 2. Zählen und Zählprinzipien - Zählwörter mit Mengen verknüpfen - Mengen mit Zahlen verknüpfen - Sicherheit in der Zählsequenz - Festigung der Zahlenraumvorstellung - Vorgänger/Nachfolger bestimmen - Zahlenraumerweiterung (Hunderterhaus) 21 Therapie - Mathetraining 3. Operationszeichen Einsicht in Mengenveränderungen entsprechend der Operationen: + und Menge wird größer - und : Menge wird kleiner 22
12 Therapie - Mathetraining 4. Partnerzahlen - Automatisierungstraining - Aufbau von Faktenwissen 23 Therapie - Mathetraining 5. Etablierung der Additionsfakten - Anknüpfen an Partnerzahlen - Aufgaben mit konkreten Mengen erarbeiten - Rechengeschichten - Verknüpfung von Mengen, Bildern, Symbolen - Zahlenzerlegung - Ergänzungsaufgaben - Automatisierungstraining mit Aufgabenkärtchen 24
13 Therapie - Mathetraining 6. Etablierung der Subtraktionsfakten - Umkehraufgaben zur Addition - Manipulation konkreter Mengen - Rechengeschichten - Zahlentreppe - Automatisierungstraining 25 Therapie - Mathetraining 7. Räumliche Orientierungsund Vorstellungsfähigkeit im dekadischen Positionssystem - Transkodieren - Umgang mit dem Stellenwertsystem - Veranschaulichung der dekadischen Struktur des Zahlenraums 26
14 Therapie - Mathetraining - Zählsequenzen - Zählen in Schritten und Bisektion - Festigung Zahlenstrahl - Zehnerüberschreitung 27 Therapie - Mathetraining 8. Multiplikation und 9. Division - konkrete Darstellung - Rechengeschichten - Multiplikation als wiederholte Addition - Automatisierungstraining - Konzept der Division 28
15 Therapie - Aufmerksamkeitstraining Aufmerksamkeitstraining mit der Wisconsin Card Sorting Task (WCST) - Ursprünglich eine Aufgabe, die die Flexibilität menschlichen Denkens erfasst: Fähigkeit zur Änderung kognitiver Strategien als Antwort auf sich verändernde Umweltbedingungen - Inhibierung nicht mehr relevanter Informationen - Aufgabe: Sortieren von Karten entsprechend Farbe, Form oder Anzahl - In regelmäßigen Abständen ändert sich die Kategorie, nach der sortiert werden soll 29 Therapie Lese- und Rechtschreibtraining Lese- Rechtschreibförderung: GUCKO Programm - Engl, V., Thaler, V., Heine, A. & Jacobs, A. (2009) - Rechtschreib- und Lesetraining. Computer Software. Online verfügbar unter: - Guckos Rechtschreibtraining - Lauttreues Training: Festigung der Laut-Buchstabe- Verbindungen - Orthographisches Training: Regelwissen - Guckos Lesetraining - Training der Lesegeschwindigkeit: Automatisierung von sublexikalen Einheiten (Konsonantencluster) 30
16 Weiterführende Informationen Weiterführende Informationen: - Ratgeber Rechenstörungen: Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher. Jacobs & Petermann (2007). Erschienen im Hogrefe Verlag. - Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.v.: Unsere Homepage: allgpsy/drittmittelprojekte/projekt_nil_3/index.html 31 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Wir beantworten gern Ihre Fragen! 32
17 Literaturverzeichnis Handl, P. (2009). Numerische Frühförderung. Der Einfluss numerischer und räumlicher Förderprogramme auf die Zahlbegriffsentwicklung von Kindern im Vorschulalter. Saarbrücken: VDM Verlag. Jacobs, C. & Petermann, F. (2007). Rechenstörungen. Göttingen: Hogrefe. Kaufmann, L., Handl, P. & Thöny, B. (2003). Evaluation of a Numeracy Intervention Program Focusing on Basic Numerical Knowledge and Conceptual Knowledge: A Pilot Study. Journal of Learning Disabilities, 6, Landerl, K. & Kaufmann, L. (2008). Dyskalkulie. München: Reinhardt. 33
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