ADHS und Verhaltensauffälligkeiten im Vorschulalter. ein systemischlösungsfokussierter
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- Rainer Fiedler
- vor 8 Jahren
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1 ADHS und Verhaltensauffälligkeiten im Vorschulalter ein systemischlösungsfokussierter Blick
2 Dr. Thomas Spribille FA für Kinder- und Jugendmedizin - Sozialpädiatrie - Familientherapie / systemische Beratung 2
3 Ich alles jetzt! 3
4 Ich alles jetzt! Normales Verhalten von Säuglingen (und Kleinkindern) Zu ihrer Überwindung bedarf es der Selbststeuerung und Selbstkontrolle 4
5 Entwicklung von Selbststeuerung und Selbstkontrolle Phase 1: Phase 2: Phase 3: Einsicht Internalisierung Entwicklung von Strategien Fähigkeit zum Belohnungsaufschub nach Claire Kopp 5
6 Bindungssystem - Explorationssystem Aktiviertes Bindungssystem = Unfähigkeit, Neues aufzunehmen 6
7 Bindungssystem - Explorationssystem Aktiviertes Bindungssystem = Unfähigkeit, Neues aufzunehmen 6a
8 Die Diagnose von ADHS im Kindergartenalter birgt immer die Gefahr einer Fehleinschätzung Maria Weiß, Ärzte Zeitung In dieser Altersgruppe sollte mit der Diagnose ADHS vorsichtig umgegangen werden LWL Klinik Marsberg Kinder- und Jugendpsychiatrie Homepage Auffällig hyperaktiven Kindern will man nicht vorschnell die Diagnose ADHS aufdrücken Prof. Marina Danckaerts, Preschool ADHS Treatment Study PATS, Berlin
9 Definition ADHS (ICD-10): Unaufmerksamkeit Hyperaktivität Impulsivität situationsübergreifend länger als sechs Monate dauernd vor dem 7. Lebensjahr beginnend 8
10 Ursachen und Einflüsse: Genetisch Prä- und perinatale Faktoren Umwelt (Schadstoffe, Nahrungsmittel) Gehirn (Struktur, Stoffwechsel) Erziehung (Psychosoziale Einflüsse) Äußere Einflüsse Entwicklung 9
11 Dilemma: geringe Aufmerksamkeitsspanne großer Bewegungsdrang und Impulsivität sind typisch für kleine Kinder 10
12 Differenzialdiagnosen: Hörprobleme Sehprobleme Entwicklungsverzögerung Hochbegabung Anfallsleiden Schilddrüsenerkrankungen Allergien, Neurodermitis Emotionalstörung (Interaktionsstörung) Umwelt usw. 11
13 Erkennen von ADHS : 5 Kriterien nach C. M. Hockel 1. Temperament und Sinne 2. Spielfähigkeit 3. Bester Freund / beste Freundin 4. Neugier / Zuversicht 5. Leidensdruck 12
14 Erkennen von ADHS : 1. Temperament und Sinne Fragen zur Vorgeschichte / Entwicklung Überprüfung von Sehen und Hören Ausschluss anderer Krankheiten Blick auf familiäres/soziales Umfeld 13
15 Erkennen von ADHS : 2. Spielfähigkeit Bewegung führt zum (sinnvollen) Spiel Bewegung fügt sich in Spiel ein Beurteilung durch erfahrene Erzieherin 14
16 Erkennen von ADHS : 3. Bester Freund / beste Freundin häufiger Wechsel normal überschießende Impulsivität als Ursache 15
17 Erkennen von ADHS : 4. Neugier und Zuversicht Explorationsverhalten: - Beharrlichkeit - emotionale Befindlichkeit 16
18 Erkennen von ADHS : 5. Leidensdruck Traurigkeit: keiner spielt mit mir Enttäuschung: mein Turm gelingt nicht so gut Betroffenheit: das wollte ich doch gar nicht 17
19 Der als ADHS bezeichnete Verhaltenskomplex ist eine bio-psycho-soziale Auffälligkeit in Interaktion mit sozialen Systemen, die Fähigkeiten der Selbststeuerung, der Geduld und der Ausdauer erwarten. 18
20 somit: ADHS ist nicht nur defizit-orientiert im Kopf des Kindes verankert, sondern kann als Versuch der Anpassung an die Anforderungen eines immer kleiner werdenden Spielraums gesehen werden. 19
21 Systemisches Modell von ADHS: ADHS als vernetztes Interaktionsphänomen Neurobiol. Abweichungen sozial erschwerende Bedingungen Selbstwertprobleme mangelnde Impulskontrolle, erschwerte Motivation Schwierigkeiten der Informationsverarbeitung Das Kind mit ADHS im System 20
22 Und wo bleibt das Positive? Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn Rasche Reaktionsfähigkeit Große Fantasie und Kreativität Risikofreude und Mut Ausgeprägte Hilfsbereitschaft Guter Orientierungssinn Vergessen der Zeit bei interessanten Beschäftigungen Freude an verbalen Diskussionen 21
23 Merke: Zu Ihnen kommt immer das ganze Kind, nicht nur sein anstrengendes Verhalten!! 22
24 Prävention Kindzentrierte Perspektive Alltagsnahe konkrete Hilfen Partnerschaftliche Kooperation Soziale Integration Autonomie und Eigensinn Empowerment Netzwerkarbeit Sozialraum-Angebote 23
25 Prävention Kindzentrierte Perspektive Alltagsnahe konkrete Hilfen Partnerschaftliche Kooperation Soziale Integration Autonomie und Eigensinn Empowerment Netzwerkarbeit Sozialraum-Angebote 24
26 Prävention primär sekundär tertiär Frühe Förderung führt zu deutlichen neuronalen Spuren (siehe M. Spitzer) und verbessert die Nutzung verschiedener Hirnteile, deren Funktion und deren Verbindungen 25
27 Prävention Schutzfaktoren Risikofaktoren pränatale Stressfreiheit pränatale Belastungen elterliche Wärme gestörtes Bindungsverhalten konsistente Erziehung negative familiäre Kommunikation Soziokult. Förderung Überladung mit Medien Ökonom. Sicherheit ökonomische Unsicherheit Sozialraum-Angebote wenig außerfamiliäre Beziehungen 26
28 Prävention Kindzentrierte Perspektive Alltagsnahe konkrete Hilfen Partnerschaftliche Kooperation Soziale Integration Autonomie und Eigensinn Empowerment Netzwerkarbeit Sozialraum-Angebote 27
29 Einnehmen einer kindzentrierten Perspektive Kind mit ADHS = Mensch mit eigener (eigensinniger) Lebensgeschichte. ADHS = Versuch der Anpassung an die zunehmenden Anforderungen eines immer kleiner werdenden Spielraums. Lösungsversuche der Umwelt können Problem verstärken (siehe Watzlawick: Was ist die Funktion des sogenannten Symptoms?) 28
30 Einnehmen einer kindzentrierten Perspektive Welchen (Krankheits-)Gewinn hat das Kind? ADHS als Ausrede, sich nicht anstrengen zu müssen / zu wollen 29
31 Prävention Kindzentrierte Perspektive Alltagsnahe konkrete Hilfen Partnerschaftliche Kooperation Soziale Integration Autonomie und Eigensinn Empowerment Netzwerkarbeit Sozialraum-Angebote 30
32 Alltagsnahe konkrete Hilfen Umfangreiche Tipps der Experten machen Eltern eher unsicher, gerade wenn sie nicht 100% zum Alltag passen, Besser: Versuch der Moderation der problemreichen Interaktion zwischen allen Betroffenen im ADHS-System 31
33 Prävention Kindzentrierte Perspektive Alltagsnahe konkrete Hilfen Partnerschaftliche Kooperation Soziale Integration Autonomie und Eigensinn Empowerment Netzwerkarbeit Sozialraum-Angebote 32
34 Partnerschaftliche Kooperation Kinder und Eltern = Experten für ihre Wirklichkeit, daher keine Expertentipps sinnvoll, sondern gemeinsames Aushandeln von Wegen und Zielen, d. h. auch: Übergabe von Verantwortung 33
35 Prävention Kindzentrierte Perspektive Alltagsnahe konkrete Hilfen Partnerschaftliche Kooperation Soziale Integration Autonomie und Eigensinn Empowerment Netzwerkarbeit Sozialraum-Angebote 34
36 Soziale Integration Risiko des Abgelehnt-Werdens in Gruppen sehr hoch - Unterstützung sozialer Eingliederung (Gruppe/Verein) - Erhöhung der Toleranz gegenüber einem Kind mit ADHS - Besondere Problematik beim Übergang von einem System in ein anderes 35
37 Soziale Integration Fragenkatalog: - Welche Ziele wurden verfolgt? - Welche Ziele konnten erreicht werden? - Welche Stärken sind vorhanden? - Was war unterstützend, was hinderlich? - Welche Ziele sind offen geblieben? - Welche Information/Unterstützung ist weiter erforderlich? 36
38 Prävention Kindzentrierte Perspektive Alltagsnahe konkrete Hilfen Partnerschaftliche Kooperation Soziale Integration Autonomie und Eigensinn Empowerment Netzwerkarbeit Sozialraum-Angebote 37
39 Autonomie und Eigensinn Systeme verarbeiten in einer selbstorganisierenden Art Impulse ihrer Umwelt mit dem Ziel der Erhaltung ihrer Identität Ein lebendes System (z. B. ein Kind) erzeugt, reguliert und erhält sich selbst Ein System ist von außen nicht direkt kontrollierbar und steuerbar 38
40 Autonomie und Eigensinn ADHS-typisches, scheinbar chaotisches Verhalten muss als sinnvolle Selbstorganisation und Selbstbestimmung verstanden werden (somit als ein möglicher Lösungsweg) Das Umfeld kann nur Anstöße für eine Entwicklung geben Autonomie steht mit Interventionen in Konflikt! 39
41 Autonomie und Eigensinn Biologische Variablen System Kind Gefühle konstruiert situatives Verhalten seine Realität Kognition soziale Variablen Kind reagiert mit seinen Verhaltensmöglichkeiten 40
42 Prävention Kindzentrierte Perspektive Alltagsnahe konkrete Hilfen Partnerschaftliche Kooperation Soziale Integration Autonomie und Eigensinn Empowerment Netzwerkarbeit Sozialraum-Angebote 41
43 Empowerment Befähigung Betroffener (Familien), durch strukturelle Unterstützung sich im sozialen Netzwerk selbst zu artikulieren und den Blick gezielt auf eigene Ressourcen und Potentiale zu richten (Widerstand gegen Ungerechtigkeit, Mitglied in einer Selbsthilfegruppen, Herstellen von Öffentlichkeit) 42
44 Prävention Kindzentrierte Perspektive Alltagsnahe konkrete Hilfen Partnerschaftliche Kooperation Soziale Integration Autonomie und Eigensinn Empowerment Netzwerkarbeit Sozialraum-Angebote 43
45 Netzwerkarbeit Einbeziehung von Familie, Freunden, sozialem Umfeld, lokalen und regionalen Strukturen und Angeboten = Wiederbelebung der Idee einer Stammesgemeinschaft Verhindert das Gefühl des Einzelkämpfertums = macht Mut! 44
46 Prävention Kindzentrierte Perspektive Alltagsnahe konkrete Hilfen Partnerschaftliche Kooperation Soziale Integration Autonomie und Eigensinn Empowerment Netzwerkarbeit Sozialraum-Angebote 45
47 Beachtung von sozialräumlichen Angebote Kinder brauchen ausreichend Spielräume ohne Kontrolle durch Erwachsene Trennung: Raum zum Toben Raum der Ruhe, des Rückzugs Begrenzung des Einflusses von Medien (Inhalt, Zeit) 46
48 Beachtung von sozialräumlichen Angeboten Begrenzung des Einflusses von Medien (Inhalt, Zeit) - Kein Fernsehen nebenher - TV nicht als Babysitter - Eingeschränkter TV- oder PC-Konsum - Nur ausgesuchte Sendungen / Spiele 47
49 - Förderung des Kindes zur Erlangung einer besseren Selbststeuerung - Unterstützung der Eltern - Einbeziehung der Lebensumwelt 48
50 Kindzentrierte Lernprogramme Förderung des Kindes zur Erlangung einer besseren Selbststeuerung - Verstärkerprogramme - Selbstinstruktionstraining - Selbstwertförderung (Eigenverstärkung) 49
51 Unterstützung der Eltern Elternberatung - Unterstützung - Information - Veränderung des Verhaltens - Klärung der Erziehungskompetenz (Umfeld) 50
52 Einbeziehung der Lebensumwelt - Gruppengröße - Gruppenzusammensetzung - Informationsaustausch - Schaffung von Raum 51
53 Verhaltensmanagement - kurze klare prägnante Ansagen, direkt, Blickkontakt - Fokus auf Lob und Bestärkung (Selbstwert) - Kurze Aktivitäten (Motivation) - Strukturierung von Aktivitäten - Strukturierung des Raumes - Viel Spielraum - Vermeidung von Gefahren - Liebevolle Konsequenz für bessere Selbstkontrolle 52
54 Quellen Brandau, H., Pretis, M., Kaschnitz, W.: ADHS bei Klein- und Vorschulkindern, Reinhardt, München, 2004 Hockel, C. M.: Erkennen von ADHS Fünf schlichte Kriterien, Workshop am Kohns, U.: Schreibaby, Quälgeist, Tollpatsch ADHS, Zugriff am Maturana, HR, Varela, FJ, Der Baum der Erkenntnis, Goldmann, München, 1990 Pretis, M.: Frühförderung planen, durchführen und evaluieren, Reinhardt, München 2001 Rinke, M.: Fanatiker des Augenblicks, in DIE ZEIT Nr. 29 vom
55 Pflegekinder und Schule Vielen Dank
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