Workshop: Begegnung dreier Welten
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- Swen Pohl
- vor 7 Jahren
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Transkript
1 Jugendamt Stuttgart Beratungszentrum Mitte Frau Maier Telefon: Gemeindepsychiatrisches Zentrum Sozialpsychiatrischer Dienst Stuttgart-Süd/Mitte/Nord Frau Pogadl-Bakan Telefon: Evang. Gesellschaft Hilfe zur Erziehung/Ambulante Hilfen Team Stuttgart-Mitte Frau Grabowska Telefon: Workshop: Begegnung dreier Welten - gemeinsamer Punkt aller drei beteiligter Dienste/Organisationen: Psychisch kranke Eltern, die Kinder haben und Bedarf für Hilfe zur Erziehung. GPZ und Evang. Gesellschaft/HzE setzen bei psychisch kranken Eltern bzw. bei Verdacht auf psychischer Erkrankung einen Erhebungsbogen ein. - Beispiel einer Familie (Familie M.) Daten der Familie sind verfremdet Kroatisch beide Eltern über 40 Jahre alt beide Eltern beziehen Erwerbsunfähigkeitsrente beide Elternteile sind psychisch krank, es gibt immer wieder stationäre Aufenthalte in der Psychiatrie die Mutter leidet an einer Borderlineerkrankung (Persönlichkeitsstörung) der Vater hat Schizophrenie und eine Suchterkrankung (Alkohol) die Eltern nehmen keine Termine bei einem niedergelassenen Psychiater wahr, sie bekommen ihre Medikamente über den Hausarzt verschrieben, die Medikamente werden nicht regelmäßig eingenommen beide Elternteile leben schon lange in Deutschland 4 Kinder Tochter 20 Jahre alt, in Ausbildung Sohn 13 Jahre alt, in der Realschule Tochter 9 Jahre alt, kurz vor dem Wechsel ins Gymnasium Sohn 7 Jahre alt, in der 1. Klasse und der Freund von allen Die Familie wirkt intakt, von außen wirkt die Familie nicht auffällig, alle Kinder gehen zur Schule und Ausbildung, es gibt keine Schulversäumnisse. Die Eltern sind sehr um ihre Kinder bemüht - Rollen der Kinder
2 - älteste Tochter: Mutterersatz, hohe Verantwortung, eigene Bedürfnisse werden nicht wahrgenommen und berücksichtigt, eigene Depressionen, Überverantwortung dient als Schutz, machtvolle Rolle und Stellung, damit auch keine Ablösung möglich, funktioniert gut bräuchte unbedingt Hilfe, kann nicht für sich sorgen, ist gefährdet, bräuchte eine eigene Hilfe, keine Bedrohung = darf ihre Rolle behalten - zweitgeborenes Kind - Sohn kann sich gut abgrenzen - drittgeborenes Kind übergewichtiges, gemütliches und langsames Mädchen (als Schutz) braucht viel Zeit, somatisiert, ständige Arztbesuche, über Krankheit erhält sie Aufmerksamkeit und Entlastung braucht eine andere Gruppe als ihre ältere Schwester, auf ihre Interessen bezogen - jüngste Kind/Junge rebelliert, sehr nach außen orientiert, viele Freunde, guter Schüler, charmant, drängt aus der Familie raus wird unterstützt, geht in Hort - 1. Kernaussage: elterliche Strategien zur Lebensbewältigung werden an die Kinder weitergegeben. Die Kinder sind misstrauisch im Kontakt, leben sehr zurückgezogen und isoliert, geben schnell auf. Es sind überverantwortliche Kinder, können schlecht abschalten und sich entspannen. - Wie wurde die Familie bekannt? Kontakt zum BZ wegen anderer Fragestellungen mehrere STOP-Meldungen (kurze Information über STOP-Verfahren) Kontakte zur Psychiatrie Was ist im Zusammenhang mit den STOP-Kontakten bei der Familie aufgefalle? Im Kontakt mit der Familie fällt auf, dass sie den Wunsch nach Kontakte äußern, aber gleichzeitig Angst davor haben, sie sind total isoliert, können aber wiederum nicht genug kriegen - 2. Wichtiges Ziel in der Arbeit mit psychisch kranken Eltern: Kontakt halten Für die Arbeit mit der Familie in der Hilfe zur Erziehung ist es wichtig, dass es gelingt, in der Familie drin zu bleiben Am Kontakt arbeiten, mit der Ambivalenz arbeiten: kontakthungrig sein, aber auch Angst davor haben. In der Ambivalenzphase kommen Terminvereinbarungen zustande, werden wieder abgesagt, es kommen aber auch Termine zustande. (Was war in der frühen Kindheit, Bindungsstörung, sehr hungrig nach Kontakten) Angst vor Schriftlichem (z.b. schriftliche Form des Kontraktgespräches) An dem Ansetzen, an dem Eltern Genuss haben, wie z. B. Tee trinken, sich Unterhalten, gemeinsames Spiel, gemeinsame Termine mit Vater und Sohn/Söhne und Mutter und Tochter/Töchter usw. Wenn Eltern im Kontakt entspannen können, ist irgendwann event. eine Öffnung Möglich Zitat ich bin krank, aber eine gute Mutter Bei psychisch kranken Eltern ist durch die chronische Erkrankung der Selbstwert sehr gering, deshalb Selbstwert steigern, an Ressourcen arbeiten Erst bei Vorhandensein von Selbstwert in der Beziehung zum Helfer, können Eltern zu ihrer Krankheit stehen. Davor sind sie geneigt, die Krankheit vor ihren Kindern zu
3 verschleiern, zu verstecken. Das Ziel ist, die Tabuisierung der Krankheit zu durchbrechen, die Eltern zu ermutigen, offen mit ihren Kindern über ihre Erkrankung zu sprechen. Information der Kinder über die psychische Erkrankung ihrer Eltern. Hierzu braucht man die Erlaubnis der Eltern. Die Eltern äußern immer, dass die Kinder nichts von der der Erkrankung wissen. Eltern versuchen, die Krankheit von den Kindern fernzuhalten, sie schämen sich, verbergen es. Die Kinder wissen nicht was mit den Eltern los ist, sie sind irritiert, verwirrt, der Dialog in der Familie ist gestört. Die erkrankten Eltern strengt die Situation an. Für jedes Kind in der Familie wird eine geeignete Art und Weise der Information gesucht Psychisch kranke Eltern im Kontakt in der Form einbeziehen, was sie gut können, z. B. kochen und backen. An Ressourcen ansetzen. Bei Elterngespräche ist es wichtig zu wissen, wie und was frage ich, wie z. B. wann wollen sie, dass ich komme Kommunikation mit der Familie Small-Talk-Ebene Sehr feinfühlig in der Wahrnehmung, man muss merken, wann man z. B. heikle Themen aufgreifen kann Zur gegebener Zeit Äußerungen aufgreifen Bsp.: Vater sagt ein Satz mit dem Inhalt: das Kaninchen muss sich keine Sorgen um Arbeit machen und wie es seine Familie ernährt. Damit gibt der Vater ein Signal mit ihm über seine Sorgen, seine Versagensängste, Existenzängste usw. zu sprechen Psychisch kranke Eltern haben oftmals erlebt, dass sie keine Kontrolle über Ihre Stimmungen haben. Sie haben den Wunsch, Kontrolle über ihr Leben zu bekommen. Sie fühlen sich oft hilflos. Deshalb ihnen das Gefühl geben, dass sie mitgestalten und mitbestimmen können, z. B. bei Terminvereinbarung. Trotzdem muss man wissen, dass sie nichts zusagen und versprechen können Die Arbeit am Kontakt ist der wesentliche Teil der Arbeit Muster: es werden Schritte vor und zurück gemacht, manchmal geht es für die Eltern zu schnell, dann machen sie wieder Schritte zurück, auf einmal sind sie dann doch so weit. Man muss sich bei der Arbeit mit psychisch kranken Eltern, beim Aufbau des Kontakts auf eine längere Zeit einstellen nicht auf schnelle Erfolge hoffen. - Am Anfang der Begegnung werden Helfer als Destabilisierung erlebt, Helfer verwirren, Neuorientierung wird notwendig. Nach einer Klinikentlassung haben Betroffene oft wieder ein Gleichgewicht erlangt. Gleichgewicht heißt in diesem Fall jedoch keine Kontakte nach außen. Wichtig ist, dass die Helfer gegenüber den Betroffenen ihre eigenen Rollen transparent machen. Die Helfer müssen auch klarmachen, welche Konsequenzen der Abbruch einer Hilfe wie z. B. HzE zur Folge haben kann. - Oftmals sind psychisch kranke Eltern sehr isoliert. Es fällt ihnen sehr schwer, die Bedürfnisse ihrer Kinder wahrzunehmen, angemessen darauf einzugehen und mit zunehmendem Alter und Entwicklung der Kinder sie loszulassen.
4 Die Ablösung der Kinder ist erschwert. Gesunde Kontakte sind absolut notwendig, es kann event. notwendig werden, die Kontakte zu den kranken Eltern zu reduzieren - HzE in einer Familie mit psychisch kranken Eltern mit was wird das Helfersystem konfrontiert? Grundsätzlich ist sehr viel Geduld und Zeit notwendig Wie kann man z.b. Menschen mit Borderline gewinnen: An den natürlichen Instinkt des Borderliners appellieren, das Beste für seine Kinder zu wollen. Man weise darauf hin, dass alle Eltern das Beste für ihre Kinder wollten und bestimmte Handlungsweisen gut für sie sind und andere potentiell schädlich. Man betone, dass Eltern zu sein der härteste Job ist, den es gibt, und dass alle Eltern dann und wann Hilfe brauchen. Hatte der Borderliner eine unglückliche Kindheit, so appeliere man an seinen Wunsch, seinen Kindern eine schöne Zeit zu ermöglichen, als er selbst erfahren hat. (Aus: Mason & Kreger, Schluss mit dem Eiertanz) Die Zielvereinbarung kann anders sein kleinschrittiger und banaler Ob eine schriftliche Hilfeplanung geht, wenn psychisch kranke Eltern sehr misstrauisch sind, muss ausprobiert werden Event. vorgegebene Strukturen auf Seiten des Jugendamtes und des Jugendhilfeträgers an die Bedarfe, an die Möglichkeiten der Familie anpassen - Überlegungen in der HzE bzgl. der Beispielsfamilie: Da beide Eltern psychisch krank sind, brauchen die Kinder unbedingt andere, gesunde Kontakte, zu anderen Personen und Institutionen. Die Familie ist auffällig unauffällig, nach außen funktioniert alles, es gibt keine Hinweise darauf, dass das Kindeswohl gefährdet ist. Trotzdem müssen Kinderschutzaspekte beachtet werden. Jedes einzelne Kind muss gestärkt werden, was braucht jedes Kind, was passt? Die älteste Tochter zeigt bereits Anzeichen einer psychischen Erkrankung, sie ist nicht belastbar, eine Anbindung an einen Psychiater ist bis jetzt noch nicht gelungen. Sie hat als Kind und Jugendliche an Hip-Hop-Kursen teilgenommen und selbst Kurse gegeben. Es gibt die Möglichkeit, dass sie bei der Evang. Gesellschaft bei einem Theaterprojekt als Tanzlehrerin mitarbeitet. Das zweitgeborene Kind, ein Junge wirkt bis jetzt unauffällig, er ist in seinem Freundeskreis gut integriert und im Fußballverein. Die Mutter wird z. B. gebremst, wenn sie ihn vom Verein abmelden will. Gebühren für den Verein werden bei Bedarf übernommen Das drittgeborene Kind, ein Mädchen braucht Unterstützung bei dem Thema Freundschaften. Sie macht bei der Gruppe Aufwind mit und darf ihre Freundin mitbringen. In der Gruppe Aufwind wird gespielt, gebastelt, gekocht usw. und bei Bedarf über die Krankheit der Eltern gesprochen. Es ist wichtig zu wissen, wie über die Erkrankung der Eltern gesprochen werden kann. Für das jüngste Kind, ein Junge ist es gut, wenn er nach der Schule in Schülerhort geht. Die Mutter möchte keinen Hortbesuch bzw. möchte immer, dass der Junge vorzeitig nach Hause kommt. Die Mutter braucht ihr jüngstes Kind, sie braucht ihn für sich. Der Junge wird unterstützt, in Schülerhort gehen zu können, da er unbedingt hinmöchte.
5 Was fällt in der Hilfe auf, was muss beachtet werden? Die Mutter lässt sich z. B. nicht in ihrer elterlichen Kompetenz beschränken. Kinder müssen wissen, was mit ihren Eltern los ist die Mutter ist z. B. nicht faul sondern krank Kinder brauchen Erklärungen. Die Wahrheit ist weniger schlimm als die Fantasien. Beispiel für eine Erklärung: Mami ist krank. Nicht krank in dem Sinne, dass ihr der Hals oder der Bauch wehtut, sondern dass man ganz traurig wird. Mami war auch schon im Krankenhaus, wo ein Doktor arbeitet, der sich mit solchen Krankheiten auskennt und Mami geholfen hat, sich zu erholen und nicht mehr so viel zu weinen oder so wütend zu werden. Mami wird nicht sauer oder weint, weil ihr etwas angestellt habt, Kinder, sondern weil sie krank ist. Denn Mami hat euch so lieb und ihr zwei macht sie so froh ihr seid der Hauptgrund, warum sie überhaupt lächeln oder lachen kann. (Aus: Mason & Kreger, Schluss mit dem Eiertanz) Ausblick, Fragestellung an die Gruppe: Was muss sich an unseren Strukturen ändern, damit wir die Kinder von psychisch kranken Eltern mehr im Blickfeld haben und sie verstärkt fördern? Diese Kinder haben eigene Bedürfnisse und müssen gestärkt werden. Es gelingt nur, wenn alle Beteiligten gemeinsam daran arbeiten. Welche offenen Fragen gibt es?
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