Vom Leiharbeiter zum freien Mitarbeiter? Werkverträge in der Diskussion. Wiesbaden, 30. Mai Dr. Christian Hohendanner
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1 Vom Leiharbeiter zum freien Mitarbeiter? Werkverträge in der Diskussion Wiesbaden, 30. Mai 2012 Dr. Christian Hohendanner Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Betriebe und Beschäftigung
2 Die Vielfalt der Beschäftigungsformen ist charakteristisch für das deutsche Beschäftigungssystem Simultane Existenz von (über-)regulierten, aus Arbeitgebersicht teureren Erwerbsformen und (unter-)regulierten, kostengünstigeren Erwerbsformen Betriebe werden auf kostengünstige Erwerbsformen ausweichen, solange der Gesetzgeber diese Möglichkeiten vorsieht und für sinnvoll erachtet (Flexibilitäts- und Brückenfunktion unterschiedlicher Erwerbsformen) Befristung Leiharbeit Minijob Praktika Werkvertrag 2
3 Was ist ein Werkvertrag? Grundlegendes Element einer ausdifferenzierten Wirtschaftsordnung Vertrag zur Herstellung eines Produktes, eines Werkes oder zur Erbringung einer Dienstleistung zwischen Werkunternehmer und Werkbesteller Werkunternehmer nicht integriert in Betriebsorganisation Haftung/Risiko/Gewährleistung liegen beim Werkunternehmer Vertragserfüllung erfolgt in eigener Verantwortung durch Werkunternehmer, kein arbeitsrechtliches Weisungsrecht Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung: v.a. arbeitsrechtliches Weisungsrecht konstitutiv für Arbeitnehmerüberlassung 3
4 Zwei Formen des Werkvertrags Quelle: Koch/Wohlhüter
5 Vorteile von Werkverträgen Betriebe müssen nur die tatsächlich erbrachten Leistungen bzw. Werke bezahlen, müssen sich nicht mit der Organisation und Erbringung der Leistung befassen. Transaktionskosten entfallen: z.b. Kontrolle/Sicherstellung der täglichen Arbeitsleistung, Einstellungs- und Entlassungskosten von Personal. Werden eingesetzt bei einmalig benötigten Werken, bei Produkten/Dienstleistungen, die mit eigenen Mitarbeitern nicht zu erbringen sind, weil Kapazitäten/Qualifikationen fehlen bei Unsicherheit, ob Leistung langfristig benötigt wird. Aktuelle Diskussion: Werkverträge als Instrument der Kostensenkung/Tarifflucht (aufgrund von Mindestlöhnen in der Zeitarbeit). 5
6 Empirische Analyse Wie hat sich die Anzahl der Personen und Betriebe mit Werkverträgen in den letzten Jahren entwickelt? Welche branchen- und größenspezifischen Unterschiede zeigen sich insbesondere im Vergleich zur Leiharbeit? Lassen sich Hinweise identifizieren auf eine innerbetriebliche Verdrängung von Leiharbeitern (und anderen Beschäftigungsformen) durch Werkverträge? 6
7 Datenbasis: Das IAB-Betriebspanel Jährliche Befragung von etwa Betrieben aller Branchen und Betriebsgrößenklassen Anzahl der freien Mitarbeiter mit Werk- oder Dienstverträgen wird seit 2002 durchgängig erfasst ABER: Keine Information über die Anzahl an Personen, die als Arbeitnehmer eines Werkvertragsunternehmens bei dem befragten Betrieb (dem Werkbesteller) tätig sind! Eingeschränkte Erfassung des Phänomens Werkvertrag 7
8 Anteil der Personen und Betriebe mit Werkverträgen zwischen 2002 und 2011 Quelle: IAB-Betriebspanel , hochgerechnete Werte 8
9 Anteile freier Mitarbeiter/Leiharbeiter an Gesamtbeschäftigung nach Betriebsgröße/Ost/West Quelle: IAB-Betriebspanel
10 Anteile freier Mitarbeiter/Leiharbeiter an Gesamtbeschäftigung nach Branchen Quelle: IAB-Betriebspanel
11 Beschäftigungsform* nach Branche zum Teilzeit Minijobs Befristungen Leiharbeit Werkverträge Praktika Gastgewerbe Sonstige Dienstleistungen Einzelhandel Organisationen ohne Erwerbscharakter Gesundheits und Sozialwesen Erziehung und Unterricht Wirtschaftliche, wissenschaftliche und freiberufliche Dienstleistungen Nahrungs und Genussmittelindustrie Land und Forstwirtschaft Öffentliche Verwaltung Information und Kommunikation Verkehr und Lagerei Finanz und Versicherungsdienstleistungen Großhandel, KFZ Handel und Reparatur Verbrauchsgüter Baugewerbe Investitions und Gebrauchsgüter Produktionsgüter Bergbau/Energie/Wasser/Abfall Insgesamt Quelle: IAB-Betriebspanel 2011, gerundete Werte (0: unter 0,5) *Beschäftigtenanteile bezogen auf die betriebliche Gesamtbeschäftigung 11
12 Multivariate Analyse Zu erklärende Variable: Anzahl der Werkverträge in einem Betrieb Beobachtungszeitraum: 2006 bis 2011 Simultane innerbetriebliche und zwischenbetriebliche Betrachtung (Hybrides Random-Effects Model) Innerbetriebliche Veränderung: Hat sich in den Betrieben, die ihre Anzahl an Leiharbeitern reduziert haben, die Anzahl an Werkverträgen erhöht? Zwischenbetrieblicher Vergleich: Setzen Betriebe mit einer hohen Anzahl an Leiharbeitern auch eine hohe Anzahl an Werkverträgen ein? Erklärende Variablen: svb, Leiharbeit, Minijobs, Befristungen, Tarifbindung, Betriebsrat, Branche, Durchschnittslohn im Betrieb, Geschäftsentwicklung, Umsatz, Ausgliederung von Betriebsteilen 12
13 Determinanten des Einsatzes freier Mitarbeiter Leiharbeit Zwischenbetrieblicher Vergleich 0.054*** Innerbetriebliche Veränderung Minijobs Zwischenbetrieblicher Vergleich 0.016*** Innerbetriebliche Veränderung Befristete Beschäftigung Zwischenbetrieblicher Vergleich 0.015*** Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Innerbetriebliche Veränderung Zwischenbetrieblicher Vergleich 0.027*** Innerbetriebliche Veränderung Betrieb hat Betriebsteile ausgegliedert Zwischenbetrieblicher Vergleich 0.268*** Innerbetriebliche Veränderung 0.048** Tarifbindung Zwischenbetrieblicher Vergleich *** Innerbetriebliche Veränderung im Vergleich zu * Anzahl der Beobachtungen Anzahl der Betriebe Quelle: IAB-Betriebspanel
14 Ergebnisse Zwischenbetrieblicher Vergleich: Betriebe mit einer höheren Anzahl an Leiharbeitern, Minijobbern und Befristungen setzen auch das Instrument der Werkverträge häufiger ein. Komplementäre Nutzung flexibler Beschäftigungsformen. Innerbetriebliche Betrachtung: Kein Zusammenhang zwischen einem Aufoder Abbau von Leiharbeit/ Minijobs/Befristungen und Werkverträgen. Keine Hinweise auf innerbetriebliche Ausweichreaktionen hin zu Werkverträgen. Betriebe, die ganze Betriebsteile ausgliedern, verzeichnen ein Wachstum bei freien Mitarbeitern. Vor allem nicht-tarifgebundene Betriebe setzen verstärkt auf freie Mitarbeiter. 14
15 Zusammenfassung und Fazit Anteil freier Mitarbeiter und Anteil der Betriebe mit Werkverträgen hat sich zwischen 2002 und 2006 nahezu verdoppelt, bleibt seitdem aber weitgehend stabil. Ähnliche Größenordnung wie die Leiharbeit: sollte nicht aus dem Blick arbeitsmarktpolitischer Analyse geraten. Multivariate Analysen liefern keine Hinweise auf Verdrängungsprozesse. ABER: Verdacht des Missbrauchs von Werkverträgen kann auf Basis dieser Zahlen weder ausgeräumt noch bestätigt werden, da die Vergabe von Tätigkeiten an Werkunternehmen im IAB-Betriebspanel nicht erfasst wird. Statistische Datenbasis als Grundlage für wissenschaftliche und politische Bewertungen nicht ausreichend. 15
16 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Dr. Christian Hohendanner Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Bereich: Betriebe und Beschäftigung Regensburger Str Nürnberg Tel: +49 (911) Fax: +49 (911)
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