6 Originärer Eigentumserwerb
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- Lieselotte Bayer
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1 6 Originärer Eigentumserwerb I. Allgemeines Bisher 929 ff. BGB = sog. abgeleiteter derivativer Erwerb an beweglichen Sachen mittels Rechtsgeschäfts (auf Grund dinglicher Einigung), dagegen jetzt originärer Erwerb kraft Gesetzes, also allein deshalb, weil dieses ihn anordnet, z.b.: beim Fund besitzloser beweglicher Sachen nach sechs Monaten, 973 Abs. 1 und Abs. 2 BGB beim Schatzfund (dann auch herrenlos) mit der Inbesitznahme, 984 BGB und bei der Aneignung herrenloser (aber nicht bloß besitzloser!) beweglicher Sachen nach 958 Abs. 1 BGB, wenn nie Eigentum daran bestand (Meteorit) oder nach Dereliktion (Eigentumsaufgabe) gemäß 959 BGB oder herrenloser wilder Tiere = die nach ihrer Art nach der menschlichen Herrschaft nicht unterliegen; Ausnahme aber wenn verboten, 958 Abs. 2 BGB (BJagdG) sowie herrenloser Bienenschwärme 961 ff. BGB beim Erwerb von Erzeugnissen einer Sache, 953/955 ff. BGB bei der Ersitzung von beweglichen Sachen nach 10 Jahren gutgläubigen Eigenbesitzes, 937 BGB und beim sog. Aufgebotsverfahren bei Grundstücken nach 30 Jahren gutgläubigen Eigenbesitzes, 927 BGB kraft gesetzlicher Erbfolge 1922 Abs. 1, 1924 ff. BGB (nicht aber bei sog. letztwilliger Verfügung durch Testament oder Erbvertrag, 2064 ff. BGB!) sowie in den Fällen der 946 ff. BGB, dazu jetzt: Alle Rechte bei: Dr. Gernot Wirth SachenR FSS 2021
2 II. Verbindung 1. Verbindung einer beweglichen Sache mit einem Grundstück 946 BGB 946 BGB: Verbindung mit einem Grundstück Wird eine bewegliche Sache mit einem Grundstück dergestalt verbunden, dass sie wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird, so erstreckt sich das Eigentum an dem Grundstück auf diese Sache. Die Verbindung einer beweglichen Sache mit einem Grundstück führt somit zum Alleineigentum des Grundeigentümers gemäß 946 BGB, denn Grundstück und Gebäude sowie die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen werden grundsätzlich nie getrennt (Gebäude sind vielmehr wesentliche Bestandteile des Grundstücks, 93/94 Abs. 2 und 1 BGB) 93 BGB: Wesentliche Bestandteile einer Sache Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. 94 BGB: Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks oder Gebäudes (1) 1 Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. 2 Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. (2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen. 95 BGB: Nur vorübergehender Zweck (1) 1 Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. 2 Das Gleiche gilt von einem Gebäude oder anderen Werk, das in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist. (2) Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt sind, gehören nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes. [ Ausnahmen davon gelten nur bei Sondereigentum an einer Wohnung verbunden mit dem Miteigentumsanteil insbesondere am Grundstück nach 1 WEG bei Bauwerken, die nach 12 ErbbauRG als wesentlicher Bestandteil mit dem Erbbaurecht veräußerlich und vererblich sind 2
3 und in den neuen Bundesländern ist Sondereigentum an Gebäuden auch losgelöst vom Grundstückseigentum möglich, Art des EG-BGB (dazu bereits oben 1 III. 2. der Gliederung). ] 2. Verbindung beweglicher Sachen 947 BGB 947 BGB: Verbindung mit beweglichen Sachen (1) Werden bewegliche Sachen miteinander dergestalt verbunden, dass sie wesentliche Bestandteile einer einheitlichen Sache werden, so werden die bisherigen Eigentümer Miteigentümer dieser Sache; die Anteile bestimmen sich nach dem Verhältnis des Wertes, den die Sachen zur Zeit der Verbindung haben. (2) Ist eine der Sachen als die Hauptsache anzusehen, so erwirbt ihr Eigentümer das Alleineigentum. Die Verbindung beweglicher Sachen führt also gemäß 947 Abs. 1 BGB zu Miteigentum ( 1008, 741 BGB) nach dem Verhältnis des bisherigen Wertes, wenn keine der Sachen als Hauptsache anzusehen ist oder zu Alleineigentum nach 947 Abs. 2 BGB, wenn eine Sache als Hauptsache anzusehen ist. 3
4 III. Vermischung/ Vermengung beweglicher Sachen 948 BGB 948 BGB: Vermischung (1) Werden bewegliche Sachen miteinander untrennbar vermischt oder vermengt, so finden die Vorschriften des 947 entsprechende Anwendung. (2) Der Untrennbarkeit steht es gleich, wenn die Trennung der vermischten oder vermengten Sachen mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sein würde. Bei untrennbarer Vermischung verlieren bewegliche Sachen ihre körperliche Abgrenzung (z.b. Flüssigkeiten), während sie diese bei untrennbarer Vermengung behalten, sie sich dann aber nicht mehr zuordnen lassen, (z.b. bei Geld oder Getreide/Obst etc.). Beispiel: Zahlung mit x-beliebigem 5, Schein. Wenn Geld dann in Kasse untrennbar vermengt (anders wenn dort nur ein 5, Schein drin oder bei einer 5, Münze!), kein Herausgabeanspruch aus dem Eigentum 985 f. BGB mehr, (a) sondern Miteigentum ( 948, 947 Abs. 1, 1008, 741 BGB) nach dem Verhältnis an der Gesamtmenge (b) oder Alleineigentum ( 948, 947 Abs. 2 BGB) des Eigentümers der Hauptmenge, wenn großer Mengenunterschied. 4
5 IV. Verarbeitung beweglicher Sachen 950 BGB 950 BGB: Verarbeitung (1) 1 Wer durch Verarbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache herstellt, erwirbt das Eigentum an der neuen Sache, sofern nicht der Wert der Verarbeitung oder der Umbildung erheblich geringer ist als der Wert des Stoffes. 2 Als Verarbeitung gilt auch das Schreiben, Zeichnen, Malen, Drucken, Gravieren oder eine ähnliche Bearbeitung der Oberfläche. (2) Mit dem Erwerb des Eigentums an der neuen Sache erlöschen die an dem Stoffe bestehenden Rechte. 950 Abs. 1 BGB löst den bei der Verarbeitung beweglicher Sachen auftretenden Interessenskonflikt zwischen dem Rohstoffeigentümer und dem Hersteller grundsätzlich durch den Erwerb des Alleineigentums zugunsten des Herstellers (und geht damit der Verbindung bzw. Vermischung/Vermengung beweglicher Sachen gemäß 947 und 948 BGB vor, nicht aber der Verbindung beweglicher Sachen mit einem Grundstück nach 946 BGB!). Voraussetzungen: (1) durch Verarbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe, des Unternehmers des Bestellers oder von Dritten (2) entsteht eine neue bewegliche Sache (3) und der Wert der Arbeit ist nicht erheblich geringer als der Wert des Stoffes/der Stoffe. (4) Dann erwirbt als Rechtsfolge der Hersteller das Eigentum an dieser neuen beweglichen Sache (und verliert damit der Rohstoffeigentümer sein Eigentum am Stoff/an den Stoffen). Hersteller im Sinne des Gesetzes ist stets der, dem der Erfolg zugute kommt, auch wenn die Herstellung als solche durch dessen Gehilfen vorgenommen wird, also beim (reinen) Werkvertrag der Besteller, 631 Abs. 1 Halbs. 1 und Abs. 2 BGB beim Werklieferungsvertrag jedoch der Unternehmer, der gemäß 651 S. 1 i.v.m. 433 Abs. 1 S. 1 BGB dem Besteller erst noch dass Eigentum verschaffen muss. 5
6 V. Schuldrechtliche Ausgleichsansprüche 951 BGB 951 BGB: Entschädigung für Rechtsverlust (1) 1 Wer infolge der Vorschriften der 946 bis 950 einen Rechtsverlust erleidet, kann von demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. 2 Die Wiederherstellung des früheren Zustands kann nicht verlangt werden. (2) 1 Die Vorschriften über die Verpflichtung zum Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen sowie die Vorschriften über den Ersatz von Verwendungen und über das Recht zur Wegnahme einer Einrichtung bleiben unberührt. 2 In den Fällen der 946, 947 ist die Wegnahme nach den für das Wegnahmerecht des Besitzers gegenüber dem Eigentümer geltenden Vorschriften auch dann zulässig, wenn die Verbindung nicht von dem Besitzer der Hauptsache bewirkt worden ist. Bei 951 Abs. 1 S. 1 BGB handelt es sich um eine sog. Rechtsgrundverweisung auf 812 Abs. 1 S. 1 BGB, d.h. (auch) alle Voraussetzungen dieser Norm, auf die verwiesen wird, müssen erfüllt sein, damit die Rechtsfolge in Kraft tritt. [ Im Unterschied dazu wird bei einer sog. Rechtsfolgenverweisung lediglich auf die Rechtsfolge(n) einer Norm verwiesen, d.h. die Voraussetzungen der Norm, auf die verwiesen wird, müssen nicht erfüllt sein, damit die Rechtsfolge(n) in Kraft tritt/treten. Ein Beispiel für eine solche bloße Rechtsfolgenverweisung ist etwa 516 Abs. 2 S. 3 BGB: Denn danach kann der Schenker im Falle der Ablehnung der Schenkung (also ohne weitere Voraussetzungen!) als Rechtsfolge die Herausgabe des Zugewendeten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen. ] Voraussetzungen der Rechtsgrundverweisung des 951 Abs. 1 S. 1 i.v.m. 812 Abs. 1 S. 1 BGB sind damit: (1) Ein Rechtsverlust nach 946 bis 950 BGB ist eingetreten, also durch Verbindung beweglicher Sachen mit einem Grundstück gemäß 946 BGB durch Verbindung beweglicher Sachen nach 947 BGB durch Vermischung/Vermengung beweglicher Sachen gemäß 948 BGB oder durch Verarbeitung beweglicher Sachen nach 950 BGB (2) und des weiteren die Voraussetzungen nach 812 Abs. 1 S. 1 BGB dadurch hat einer etwas erlangt durch Leistung eines anderen ( 812 Abs. 1 S Alt. BGB)/ bzw. in sonstiger Weise auf dessen Kosten ( 812 Abs. 1 S Alt. BGB) aber ohne rechtlichen Grund [ sowie auch keine Entreicherung nach 818 Abs. 3 BGB ]. (3) Dann kann als Rechtsfolge: nicht (mehr) Herausgabe des Erlangten verlangt werden, vgl. 951 Abs. 1 S. 2 BGB aber ein schuldrechtlicher Bereicherungsausgleich in Form einer Vergütung in Geld durch den Bereicherten. Beispiel: Baustofflieferant L liefert Baumaterial unter Eigentumsvorbehalt ( 433/449, 929 S. 1/158 Abs. 1 BGB) an Bauunternehmer U, der baut dieses ( 631, 946, 94 Abs. 2 und 1 BGB) bei Grundstückseigentümer E ein. 6
7 Dann Insolvenz des U, so dass L von E sein Baumaterial heraus oder zumindest eine Vergütung dafür verlangt. A. Anspruch des L gegen E auf Herausgabe des Baumaterials aus 985 f. BGB?, Vss.: I. L = Eigentümer? 1. früher ja 2. nicht verloren durch den Verkauf 433 Abs. 1 S. 1 BGB (Abstraktionsprinzip!) 3. und auch nicht durch die Lieferung/Übereignung unter Eigentumsvorbehalt (da zwar übergeben, aber dingliche Einigung bis zur vollständigen Bezahlung noch nicht wirksam, 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB) an U 4. aber durch Verbindung 946, 94 Abs. 2 und 1 BGB des U am Grundstück des E, II. so dass L gegen E auf Herausgabe aus 985 f. BGB ( ) B. Aber ggf. Anspruch des L gegen E auf eine Vergütung in Geld für den erlittenen Rechtsverlust gemäß 951 Abs. 1 S. 1, 812 Abs. 1 S. 1 BGB?, Vss.: I. Rechtsverlust des L durch den Einbau gemäß 946, 94 Abs. 2 und 1 BGB (s.o.) II. und 812 Abs. 1 S. 1 BGB 1. E hat etwas = Eigentum (und Besitz) an den eingebauten Baumaterialien 2. zwar a) nicht gemäß 812 Abs. 1 S Alt. BGB durch eine Leistung des L erlangt, denn der leistete das Baumaterial ja an U (und erst dieser dann an E, s.u.!) b) aber in sonstiger Weise auf Kosten des L, durch Einbau des U gemäß 946, 94 Abs. 2 und 1 BGB 3. sowie ohne Rechtsgrund gegenüber L, denn E hat keinen Vertrag mit L, der ihn dazu berechtigen würde II. an sich wäre also 812 Abs. 1 S Alt. BGB erfüllt und daher als Rechtsfolge gemäß 951 Abs. 1 S. 1 BGB eine Vergütung in Geld durch den Bereicherten E an L zu leisten, III. aber da im Dreieck 1. L leistete 433 BGB an U 2. und U leistete 631 BGB an E IV. gilt der sog. Vorrang der Leistungskondiktion, der zugleich die Kondiktion in sonstiger Weise ausschließt: 1. denn jeder soll sich (nur) über die kurzen Seiten des Dreiecks an seinen jeweiligen Vertragspartner halten (dürfen/müssen), a) E soll daher (gegenüber L!) nicht das Insolvenzrisiko des U tragen, b) denn L kann sich davor ja z.b. durch einen verlängerten Eigentumsvorbehalt (= Vorausabtretung des Werklohnanspruchs des U 185 Abs. 1, 398 BGB) schützen! 2. Ausnahmen, (und damit doch Direktkondiktion über die lange Seite des Dreiecks 812 Abs. 1 S Alt. BGB möglich!) gestattet die Rechtslehre nur: a) bei Bösgläubigkeit des Erwerbers E entsprechend der Wertung des 932 Abs. 2 BGB, b) bei dem L abhanden gekommenen Sachen entsprechend der Wertung des 935 Abs. 1 BGB, c) oder wenn unentgeltlicher Erwerb des E entsprechend der Wertung des 816 Abs. 1 S. 2 BGB. 7
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