Die Krise in der Eurozone ist noch immer nicht vorbei
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1 23. OKTOBER 2014 Die Krise in der Eurozone ist noch immer nicht vorbei Analyst: Moritz Kraemer Frankfurt +49 (69) Medienkontakt: Doris Keicher Frankfurt +49 (69) Inhaltsverzeichnis Der drohende Triple-Dip ist ein Weckruf Der Abschwung sieht anders aus, aber die Ursache ist gleich: Verschuldung von Staaten und Privathaushalten ist nach wie vor hoch Die niedrige Inflation verkompliziert die wirtschaftliche Erholung Die nächsten Schritte der Regierungen sind entscheidend
2 Standard & Poor s hat schon einmal einen Artikel mit der Überschrift Die Eurozone ist noch nicht vorbei veröffentlicht. Das war fast genau vor einem Jahr. Damals sahen wir es als Risiko an, dass die derzeit günstigen Marktbedingungen es den Regierungen erlauben könnten, in ihren fiskalischen Konsolidierungsanstrengungen und wachstumsfördernden Strukturreformen nachzulassen und sie damit weitere Fortschritte beim Schuldenabbau und beim Auftrieb des Wachstums gefährden könnten. Sollte sich dies bewahrheiten, könnte dies die Kreditwürdigkeit der Staaten weiter unter Druck bringen. Seither haben die Refinanzierungskonditionen weiter nachgegeben. Die jüngsten Entwicklungen scheinen unsere damalige Einschätzung zu bestätigen. Ratingmaßnahmen der letzten Wochen unterstreichen die Auffassung von Standard & Poor s, dass die Probleme in der Eurozone bislang keineswegs gelöst sind. So haben wir am 10. Oktober 2014 den Ratingausblick für das AA Langfristrating von Frankreich auf negativ gesetzt und das Langfristrating von Finnland von AAA auf AA+ gesenkt. Damit verfügen in der gesamten Eurozone nur noch zwei Staaten, nämlich Deutschland und Luxembourg, über das Höchstrating von AAA waren es noch sechs. Überblick Wir sind der Auffassung, dass die Eurozone in eine langwierige Phase gedämpften Wachstums eintritt, während der Schuldenabbau weiter voranschreitet und die Weltwirtschaft schwächer wird. Geldpolitische und fiskalische Maßnahmen allein können keine nachhaltige Verbesserung des Wirtschaftswachstums in der Eurozone erreichen. Die Geldpolitik kann die Ökonomien kurzfristig stabilisieren, sie kann längerfristig aber auch kontraproduktiv wirken, wenn sie zu politischer Selbstzufriedenheit führt. Rein zahlenmäßig sind unsere positiven und negativen Ratingausblicke für Staaten in der Eurozone derzeit fast gleichmäßig verteilt. Allerdings entfallen lediglich 3 Prozent des gesamten BIP in der Eurozone auf Staaten mit einem positiven Ratingausblick, während auf diejenigen mit einem negative Ausblick fast 40 Prozent des BIP kommen. Dies verdeutlicht, warum wir nach wie vor der Meinung sind, dass die Krise in der Eurozone noch immer nicht vorbei ist. Der drohende Triple-Dip ist ein Weckruf Unserer Auffassung nach hat die zögerliche Erholung in der Eurozone an Momentum verloren. Durch den Beruhigungseffekt von Unterstützungsmaßnahmen der EZB wie den Outright Monetary Transactions (OMT) konnte die akute Phase der Krise überwunden werden. Aber das Wachstum der Wirtschaft und Beschäftigung in der Eurozone war nicht stark genug, um das hohe Niveau der Verschuldung sowohl der Staaten als auch der privaten Haushalte zu verringern. Dies zeigt sich auch darin, dass sich unsere Staatenratings seit Januar 2012 kaum bewegt haben, während sie davor seit 2004 um durchschnittlich drei Stufen gesenkt worden waren. Derzeit befinden sich jedoch die Daten zu Wirtschaft, Beschäftigung und privater wie öffentlicher Verschuldung nach wie vor auf Niveaus, die auf eine hohe Anfälligkeit hindeuten. Standard & Poor's Ratings Services vertritt die Auffassung, dass die EZB mit Maßnahmen wie den OMTs unbeabsichtigt zu einer gewissen Selbstzufriedenheit mancher Staaten der Eurozone beigetragen haben könnte. Angesichts historisch niedriger Zinssätze haben manche Regierungen möglicherweise notwendige aber unpopuläre Strukturreformen verschoben, mit denen Wachstumspotential geschaffen werden sollte. Nach mehr als einem halben Jahrzehnt Krisenmanagement scheint eine gewisse Reformmüdigkeit eingesetzt zu haben. Auch 2
3 haben seit 2010 fast alle damaligen Regierungen und Koalitionen die nächsten Wahlen verloren. Dies könnte unserer Ansicht nach ebenfalls dazu beigetragen haben, dass Politiker weniger Anreize in einer Fortsetzung der strukturellen Reformen sehen. Der Abschwung sieht anders aus, aber die Ursache ist gleich: Verschuldung von Staaten und Privathaushalten ist nach wie vor hoch Neu im gegenwärtigen Abschwung ist, dass führende Wirtschaftsindikatoren auf eine abschwächende Wirtschaft in den Kernstaaten der Eurozone verweisen. Selbst Deutschland hat inzwischen seine Prognose deutlich reduziert und erwartet nun nurmehr ein Wachstum von knapp über einem Prozent für dieses und das kommende Jahr. Dabei genügt es nicht, nur die Staatsverschuldung als Hindernis für eine nachhaltigere Erholung zu sehen. Gleichermaßen wesentlich ist die private Verschuldung von Unternehmen und Haushalten. Wir hatten schon früher darauf verwiesen, dass abgesehen von Griechenland die Anfänge der Krise in der Eurozone nicht in einer öffentlichen Verschwendungssucht oder aufkeimenden Haushaltsdefiziten zu suchen sind. Die Wurzel des Übels war die exzessive letztendlich im Ausland finanzierte Verschuldung der Privatwirtschaft. Nach dem Zusammenbruch der Lehman Brothers und dem plötzlichen Versiegen des Kapitalflusses in die sogenannten Peripheriestaaten der Eurozone war die ständige Refinanzierung dieser Verbindlichkeiten zu bezahlbaren Konditionen in vielen Fällen nicht mehr möglich. Trotz einer gewissen Entspannung haben viele Staaten noch einen langen Weg vor sich. Nach unseren Berechnungen sind neun der 15 Staaten mit der höchsten Nettoauslandsverschuldung (ohne Berücksichtigung der Auslandsguthaben privater Nichtbanken) Mitglieder der Eurozone, darunter Frankreich, Italien und Spanien. Erst wenn die öffentliche und private Verschuldung wieder angemessene Niveaus erreicht haben, werden unserer Meinung nach die Sparquote nachgeben und Nachfrage und Wachstum zurückkehren. Bis dahin wird der Schuldenabbau das Wachstum hemmen und dies trotz äußerst niedriger Zinsniveaus und offizieller Bemühungen, die Kreditvergabe wiederzubeleben. Schuldenabbau hemmt die Inlandsnachfrage und damit das Wirtschaftswachstum, denn darin spiegelt sich ein Anstieg in der Sparquote, was wiederum weniger Konsum, geringere Investitionen, geringere Staatsausgaben und vielleicht höhere Steuern bedeutet. Viele dieser Konsequenzen aus dem Schuldenabbau sind in einer durch Bilanzreparatur hervorgerufene Nachfragerezession nicht zu vermeiden es sei denn, die Verbindlichkeiten werden umstrukturiert. Wenn nicht nur Regierungen, sondern auch viele Unternehmen und Privathaushalte ihre Verschuldung als unangenehm hoch empfinden, ist es unwahrscheinlich, dass sie weitere Kredite in Anspruch nehmen, egal wie niedrig die Zinsen auch sein mögen. Nach unserer Meinung macht die nachlassende Nachfrage nach Krediten die Wirksamkeit sowohl konventioneller als auch unkonventioneller geldpolitischer Maßnahmen teilweise zunichte. Die Chancen der EZB, die Nachfrage zu stimulieren, sind jetzt geringer als unter normalen Umständen, denn auch niedrige Zinssätze haben nur begrenzte Auswirkungen auf Kreditwachstum und damit die Nachfrage insgesamt. Die niedrige Inflation verkompliziert die wirtschaftliche Erholung Eine niedrige Inflation oder gar eine Deflation wie sie in Belgien, Griechenland, Spanien und Italien im September zu beobachten war, erschwert den Schuldenabbau und könnte sogar zu einer noch höheren Sparquote und in der Konsequenz zu sinkender Nachfrage und niedrigeren Investitionen führen. Das Beispiel Großbritannien zeigt, welchen Unterschied eine nur leicht höhere Inflation bewirken kann. Der kumulierte Inflationsunterschied zwischen Großbritannien und der Eurozone zwischen Ende 2008 und September 2014 beträgt etwa 7,4 Prozentpunkte. Aus unserer Sicht trug die höhere Inflation in Großbritannien zu einem rascheren 3
4 Schuldenabbau bei, während gleichzeitig die Inlandsnachfrage anzog. Unser Standpunkt ist ganz deutlich, dass eine expansive Geld- oder Fiskalpolitik kein nachhaltiges Wachstum generieren kann. Dies ist nur über eine höhere Beschäftigungsquote, Investitionen und eine höhere Produktivität möglich. Keine der dazu notwendigen Reformen sind Aufgabe der EZB oder der Europäischen Kommission, sondern fallen in die Verantwortung der nationalen Parlamente mit ihren Führungskräften, die sich für diese Aufgaben zuständig fühlen und sie angehen. Die nächsten Schritte der Regierungen sind entscheidend Die Krise in der Eurozone steht an einem Scheideweg. Wie die Regierungen auf die derzeitige Volatilität und den wirtschaftlichen Abschwung reagieren, wird für die künftige Ausrichtung der Eurozone entscheidend sein. Vielleicht setzt die EZB ihre expansive Politik fort, beispielsweise durch Quantitative Easing. Werden die Regierungen dadurch in ihren Reformbemühungen nachlassen, oder werden sie eine Reformagenda verfolgen, die die potentiellen Wachstumsraten ihrer jeweiligen Wirtschaft langfristig unterstützt? Die Richtung unserer Staatenratings wird genauso wie die wirtschaftlichen Aussichten in der Eurozone maßgeblich von den Reaktionen der Regierungen beeinflusst werden. Weitere Veröffentlichungen zum Thema The Eurozone Crisis Isn't Over Yet, 1. Oktober 2013 Economic Research: Under Threat Of A Triple Dip, The ECB Takes Action, 15. September 2014 The Long Haul: Eurozone Deleveraging Could Stunt Growth For Years, 10. Juni 2014 Gemäß der Standard & Poor s Richtlinien kann nur ein Ratingkomittee eine Kreditratingmaßnahme entscheiden (dazu zählen Ratingänderungen, Ratingbestätigungen, Ratings aus dem Markt nehmen, Ratingausblickänderungen, und CreditWatch Maßnahmen). Dieser Kommentar und dessen Thematik waren nicht Gegenstand eines Ratingkomittees und sollten daher nicht als Veränderung oder Bestätigung eines Kreditratings oder eines Ratingausblicks interpretiert werden. 4
5 No content (including ratings, credit-related analyses and data, valuations, model, software or other application or output therefrom) or any part thereof (Content) may be modified, reverse engineered, reproduced or distributed in any form by any means, or stored in a database or retrieval system, without the prior written permission of Standard & Poor s Financial Services LLC or its affiliates (collectively, S&P). The Content shall not be used for any unlawful or unauthorized purposes. S&P and any third-party providers, as well as their directors, officers, shareholders, employees or agents (collectively S&P Parties) do not guarantee the accuracy, completeness, timeliness or availability of the Content. S&P Parties are not responsible for any errors or omissions (negligent or otherwise), regardless of the cause, for the results obtained from the use of the Content, or for the security or maintenance of any data input by the user. The Content is provided on an as is basis. S&P PARTIES DISCLAIM ANY AND ALL EXPRESS OR IMPLIED WARRANTIES, INCLUDING, BUT NOT LIMITED TO, ANY WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR A PARTICULAR PURPOSE OR USE, FREEDOM FROM BUGS, SOFTWARE ERRORS OR DEFECTS, THAT THE CONTENT S FUNCTIONING WILL BE UNINTERRUPTED OR THAT THE CONTENT WILL OPERATE WITH ANY SOFTWARE OR HARDWARE CONFIGURATION. In no event shall S&P Parties be liable to any party for any direct, indirect, incidental, exemplary, compensatory, punitive, special or consequential damages, costs, expenses, legal fees, or losses (including, without limitation, lost income or lost profits and opportunity costs or losses caused by negligence) in connection with any use of the Content even if advised of the possibility of such damages. Credit-related and other analyses, including ratings, and statements in the Content are statements of opinion as of the date they are expressed and not statements of fact. S&P s opinions, analyses and rating acknowledgment decisions (described below) are not recommendations to purchase, hold, or sell any securities or to make any investment decisions, and do not address the suitability of any security. S&P assumes no obligation to update the Content following publication in any form or format. The Content should not be relied on and is not a substitute for the skill, judgment and experience of the user, its management, employees, advisors and/or clients when making investment and other business decisions. S&P does not act as a fiduciary or an investment advisor except where registered as such. While S&P has obtained information from sources it believes to be reliable, S&P does not perform an audit and undertakes no duty of due diligence or independent verification of any information it receives. To the extent that regulatory authorities allow a rating agency to acknowledge in one jurisdiction a rating issued in another jurisdiction for certain regulatory purposes, S&P reserves the right to assign, withdraw or suspend such acknowledgement at any time and in its sole discretion. S&P Parties disclaim any duty whatsoever arising out of the assignment, withdrawal or suspension of an acknowledgment as well as any liability for any damage alleged to have been suffered on account thereof. S&P keeps certain activities of its business units separate from each other in order to preserve the independence and objectivity of their respective activities. As a result, certain business units of S&P may have information that is not available to other S&P business units. S&P has established policies and procedures to maintain the confidentiality of certain non-public information received in connection with each analytical process. S&P may receive compensation for its ratings and certain analyses, normally from issuers or underwriters of securities or from obligors. S&P reserves the right to disseminate its opinions and analyses. S&P s public ratings and analyses are made available on its Web sites, (free of charge), and and (subscription), and may be distributed through other means, including via S&P publications and third-party redistributors. Additional information about our ratings fees is available at Copyright 2014 by Standard & Poor s Financial Services LLC. All rights reserved. STANDARD & POOR S, S&P and RATINGSDIRECT are registered trademarks of Standard & Poor s Financial Services LLC. 5
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