Der selbständige Gästeführer. Ein Vortrag von Irena Schauer Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht
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- Peter Melsbach
- vor 7 Jahren
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1 Der selbständige Gästeführer Ein Vortrag von
2 I. Überblick über die rechtlichen Grundlagen Der Beschäftigungsbegriff 2
3 Der Begriff der Beschäftigung ist einer der zentralen Grundbegriffe des Sozialversicherungsrechts. Beschäftigte sind in allen Zweigen der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften in den Versicherungszweigen versichert. 3
4 Die Beschäftigung muss immer im Einzelfall geprüft und festgestellt werden Die Beantwortung der Frage nach dem sozialversicherungsrechtlichen Status ist von großer Bedeutung. Generalisierend kann man sagen, dass der Arbeitnehmer i.a. in allen Bereichen des Sozialversicherungsrechts gesetzlich versichert ist, d.h. Leistungen beziehen kann und Beiträge entrichten muss, der selbstständig Tätige dagegen i.a. versicherungsfrei, d.h. beitragsfrei, ist, aber auch keine Leistungen erhalten kann. Dass das nicht in jedem Fall gilt, zeigt 2 SGB VI, wonach ein Kreis von selbstständig Tätigen aufgeführt wird, die rentenversicherungspflichtig sind, d.h. trotz ihrer Selbstständigkeit 18,9% (2013) an Beiträgen zu zahlen haben. 4
5 Gemäß 5Abs.1Nr.1SGBV, 24SGBIII, 1Satz1Nr.1SGBVI und 20 SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Eine Gesamtsozialversicherungspflicht und in der Folge dazu eine Beitragspflicht besteht nicht, wenn ein Beschäftigungsverhältnis nur geringfügig ist. Für den Bereich der Arbeitsförderung folgt dies aus 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III, für die gesetzliche Krankenversicherung aus 7 Abs. 1 SGB V, für die gesetzliche Rentenversicherung aus 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und für die gesetzliche Pflegeversicherung aus 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI. Im Falle einer Entgeltgeringfügigkeit werden allerdings in geringem Umfang Pauschalbeiträge erhoben (vgl. 249 b Satz 1 SGB V sowie 172 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Auch die Erhebung dieser Pauschalbeiträge setzt aber ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis voraus. 5
6 Das Problem: Der Begriff Beschäftigung ist ein sozialversicherungsrechtlicher Begriff. Der Begriff Arbeitnehmer ist ein arbeitsrechtlicher Begriff. In der Regel führt ein Arbeitsverhältnis zur sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung Der Begriff der Beschäftigung kann jedoch auch dann vorliegen, wenn kein privatrechtlich strukturiertes Arbeitsverhältnis vorliegt. 6
7 Wichtig! Die Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit wird ausschließlich nach 7 Abs. 1 SGB IV und der hierzu ergangenen Rechtsprechung vorgenommen. 7
8 HINWEIS Bei der steuerrechtlichen Beurteilung, ob Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorliegen, fällt eine Besonderheit auf. Das Sozialversicherungsrecht stellt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach 7 SGB IV anhand einer Vielzahl von Kriterien fest, ohne dass von vornherein, dass heißt unabhängig von der Gewichtung der Umstände des Einzelfalls ein Prüfungsschwerpunkt erkennbar wäre. Dagegen zeigen in der Praxis die Ergebnisse der Lohnsteuer Außenprüfung, dass der Frage nach der Tätigkeit für mehrere Auftraggeber zentrale Bedeutung bei der Feststellung der Selbständigkeit zukommt. 8
9 Schließlich subsumiert der BFH die Einzelmerkmale zur Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Betätigung unter die beiden Oberbegriffe der Unternehmerinitiative und des sog. Unternehmerrisikos (BFHE 236, 464 = SpuRt 2012, 167 = DStRE2012,659=NJW2012,2464Ls.). Wer geprägt vom Steuerrecht darauf seine Prüfung von Scheinselbstständigkeit im Sozialversicherungsrecht beschränkt, übersieht das Risiko einer davon abweichenden Beurteilung durch die Sozialgerichte. Diese sind an die finanzgerichtliche Beurteilung nicht gebunden (vgl. LSG Bayern, Beschluss v L 5 R 263/13 B ER). 9
10 Beispiel: Übungsleiterpauschale In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird nicht auf den zeitlichen Aufwand oder die Höhe der Vergütung abgestellt (insbesondere LSG Baden- Württemberg vom , Az.: L 4 KR 3883/06; LSG Rheinland-Pfalz vom , Az.: L 5 KR 77/00, LSG Rheinland-Pfalz vom , Az.: L 1 KR 31/04; LSG Nordrhein-Westfalen vom , Az.: L 11 (8) R 242/05). Diese zeitliche Komponente sei letztlich auf das Steuerrecht zurückzuführen, das im Gegensatz zum Sozialversicherungsrecht eine pauschale zeitliche Untergrenze vorgebe. Bei einer Übungsleitertätigkeit von bis zu sechs Stunden pro Woche nehme die Finanzverwaltung in der Regel eine nebenberufliche selbstständige Tätigkeit an. Dabei handele es sich jedoch ebenfalls nur um ein Merkmal, das zur Definition des Begriffs des Arbeitnehmers i. S. d. 1 LSTDV herangezogen werde, wobei auch hier im Rahmen einer Gesamtabwägung darauf abgestellt werde, welche Merkmale -für bzw. gegen eine Arbeitnehmereigenschaft -überwiegen würden. 10
11 7 I SGB IV 7 SGB IV (4. Buch Sozialgesetzbuch) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers... 11
12 Hier finden wir nur drei Indizien für eine abhängige Beschäftigung, nämlich das Bestehen einer nichtselbständigen Arbeit, eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. 12
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert istund dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein (dazu BSG, Urt. v , -B 12 KR 10/01 R -). 13
14 106 GewO Weisungsrecht des Arbeitgebers 1 Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. 2Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. 3Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
15 Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraftund die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet (vgl. BSG, Urt. v B 12 KR 25/10 R -). Das Unternehmerrisiko besteht in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen. 15
16 Das für eine selbstständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko ist nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen. Ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, wird das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung indessen nicht wesentlich bestimmen (BSG; Beschl. v ,-B12KR100/09B-). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG Urt. v B 12 KR 24/10R-). 16
17 Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. 17
18 Checkliste 18
19 1. Persönliche Abhängigkeit, die sich a) in der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers und/bzw. b) Eingliederung in den Betrieb zeigt, 2. Fehlende Befugnis des Betroffenen, seine Arbeitsleistung auf andere Personen zu delegieren, 3. Fehlende Beschäftigung weiterer Arbeitnehmer, 4. Bestehen einer Ausschließlichkeitsklausel (Bindung an nueinenauftraggeber/fehlende Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber tätig zu sein), 5. Fehlen eines Unternehmerrisikos, 6. Fehlen einer eigenen Betriebsstätte, 7. Weitreichende Kontroll- und Mitspracherechte des Auftraggebers a) bezüglich der Produktions- und Betriebsmittel b) bezüglich der Ablehnung von Aufträgen c) bezüglich der Preiskalkulation d) bezüglich der Werbemaßnahmen, Kundenakquisition, 8. Umfangreiche Berichtspflicht, 19
20 9. Fehlende eigene Betriebs-und Produktionsmittel bzw. Beschaffung der Betriebs-und Produktionsmittel vor allem mit Darlehen/Kapital des Auftraggebers, 10. Verbot, gegenüber Kunden mit eigenem Logo, im eigenen Namen, auf eigene Rechnung aufzutreten 11. Vorherige Ausübung der gleichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beim gleichen Arbeitgeber 12. Bezeichnung der Entlohnung als festes Gehalt anstelle einer Umsatzbeteiligung 13. Bestehen von tariflichen Urlaubs- und Lohnfortzahlungsansprüchen, 14. Existenz eines direkten Vorgesetzten, der den Arbeitsablauf regelt, 15. Jederzeitige Zugriffs-und Einwirkungsmöglichkeiten des Auftraggebers (zbdurch Betriebsfunk, Online-Dienste), 16. Fehlende Mitgliedschaft zu Organisationen (zb IHK, Handwerkskammer), 17. Bewertung der Einkünfte durch die Finanzverwaltung als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. 20
21 Beispiel Ein Museum stellt neben seinen festangestellten Museumsführern auch freiberufliche Museumsführer an. Dabei benutzt das Museum Werkverträge die folgenden Inhalt haben: 21
22 ... Das Museum veranstaltet ständig Ausstellungen zu bestimmten Themen und bietet Dritten ausstellungsbegleitende museumspädagogische Leistungen an. Zu den von... gegenüber Dritten erbrachten Leistungen gehören u. a. Führungen, Vorführungen, szenische Führungen, fremdsprachliche Führungen, Besucherbetreuung als Tutor, Betreuung eines Kindergeburtstages, Betreuung von Seniorengruppen und sonstige ausstellungsbegleitende museumspädagogische Leistungen. Zur Durchführung dieser Leistungen benötigt... -über ihre festangestellten Kräfte hinaus -ständig freie Mitarbeiter mit einschlägiger Ausbildung bzw. Berufserfahrung. Die Parteien vereinbaren daher nachfolgende Rahmenbedingungen für die Beauftragung von FM [freie Mitarbeiter] innerhalb solcher Ausstellungen bzw. Führungen, wobei es... überlassen ist, ob und in welchen Ausstellungen bzw. Führungen FM beauftragt wird. Im Gegenzug kann FM entscheiden, ob und inwieweit ein solcher Auftrag angenommen wird. 22
23 FM erhält für jeden Auftrag gesondert einen Leistungsschein, der den konkreten Leistungsinhalt, den zeitlichen Rahmen der Leistung und das konkrete Honorar regelt (zu Letzterem wird eine Leistungstabelle mit Honorarsätzen erstellt). Weiter heißt es unter 2.: FM kann das Angebot nach freiem Ermessen annehmen... Und unter 3.: Im Falle des Vertragsschlusses (Leistungsschein) ist FM grundsätzlich frei von Weisungen, jedoch an die von... im Leistungsschein angegebenen Inhalte und Termine gebunden. bei 7.: [...] Für den Fall, dass der jeweilige Leistungsempfänger (z. B. Schulklasse) sich verspätet, hat FM einen Zeitraum von einem Drittel der vereinbarten Leistung, mindestens aber 20 Minuten, zu warten und die Leistung - ab Eintreffen des Leistungsempfängers - entsprechend reduziert zu erbringen. Der Honoraranspruch... bleibt von dieser Reduzierung unberührt. Erscheint der Leistungsempfänger bis zur o.g. Wartefrist nicht und wird die vereinbarte Leistung auch nicht anderweitig in Anspruch genommen, hat FM das Ausbleiben an der Kasse und/oder dem museumspädagogischen Dienst mitzuteilen. FM kann dann seine Leistung abbrechen. Der Honoraranspruch FM bleibt in beiden Fällen unberührt. 23
Wirtschaftsstrafrecht
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