Scheinselbständigkeit aus steuer(straf)rechtlicher Sicht

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1 Scheinselbständigkeit aus steuer(straf)rechtlicher Sicht Rico Deutschendorf Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht Tätigkeit: selbständig oder unselbständig? nicht deckungsgleich mit Begriffen aus Arbeits- und Sozialrecht im ESt-, GewSt- und USt-Recht gleich zu beurteilen Selbständigkeit / Selbständiger Unternehmerrisiko: auf eigene Rechnung und Gefahr tätig (trägt Erfolgsrisiko der eigenen Betätigung) und Unternehmerinitiative (eigene Verantwortung)

2 Unselbständig / Unselbständiger wenn/soweit ArbN isd ESt-Rechts vgl 1 LStDV (Abgrenzung Arbeitnehmer - Arbeitgeber) maßgeblich: Gesamtbild der Verhältnisse Abwägung der für und gegen Selbständigkeit sprechenden Umstände für Unselbständigkeit = ArbN-Eigenschaft sprechen: Weisungsgebundenheit hinsichtl Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit ( Eingliederung ) feste Arbeitszeiten einfache Tätigkeit kein Kapitaleinsatz überwiegend feste, erfolgsunabhängige Bezüge, Fortzahlung bei Krankheit und Urlaub Schulden der (gesamten) Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolgs LSt-Abzug hat wesentliche Indizwirkung Statusfeststellung nach 7a SGB IV hat Indizwirkung, aber grds keine Bindungswirkung für Besteuerungsverfahren

3 für Selbständigkeit sprechen: Höhe der Einnahmen hängt weitgehend von der eigenen Aktivität ab über Zeit, Ort und Umfang der Tätigkeit kann im Wesentlichen selbst bestimmt werden geschuldete Tätigkeit darf delegiert werden, insb Beschäftigung eigener ArbN kein Anspruch auf bezahlten Urlaub oder Lohnfortzahlung bei Krankheit nicht entscheidend sind Bezeichnung (zb freier Mitarbeiter ) und Art der Tätigkeit B. Folgen bei der ESt/LSt beim Scheinselbständigen Umqualifizierung betrieblicher Einkünfte (insb 15, 18 EStG) in Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ( 19 EStG ggf LSt-Nachforderung durch FA (Nachforderungsbescheid oder Änderungsbescheid zum ursprünglichen ESt-Bescheid) ggf Steuerhinterziehung LSt ( 370 AO)

4 B. Folgen bei der ESt/LSt beim Auftraggeber haftet für nicht einbehaltene/abgeführte LSt ( 42d EStG) Haftungsbescheid Finanzamt an Scheinselbständige gezahlte Beträge = Nettolohn -> Hochrechnung auf Bruttolohn, daraus Berechnung LSt Steuerhinterziehung LSt ( 370 AO) durch nicht angemeldete LSt Steuern verkürzt C. Folgen bei der USt beim Scheinselbständigen verliert mangels Unternehmereigenschaft (rückwirkend) Vorsteuerabzug aus seinen Eingangsrechnungen Rückforderung Finanzamt zzgl Zinsen (6 % pro Jahr) Rechnungen an Auftraggeber mit offen ausgewiesener USt: Scheinselbständiger schuldet trotzdem USt aus diesen Rechnungen ( unberechtigter Steuerausweis, 14c Abs. 2 UStG) ggf. Korrektur/Berichtigung möglich

5 C. Folgen bei der USt beim Scheinselbständigen Steuerhinterziehung ( 370 AO) durch Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt C. Folgen bei der USt beim Auftraggeber durfte/darf keine Vorsteuer aus Rechnungen des Scheinselbständigen ziehen (vgl 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG) Rückforderung Finanzamt zzgl Zinsen (6 % pro Jahr) Steuerhinterziehung ( 370 AO) durch Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen des Scheinselbständigen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt

6 D. Folgen bei der GewSt Folgen beim Scheinselbständigen: GewSt-Belastung fällt weg wenn Gew-Ertrag über lag (vgl 11 Abs. 1 S. 3 GewStG) aber auch ESt-Ermäßigung ( 35 EStG) fällt weg (-) Folgen beim Auftraggeber (-) Literaturempfehlungen Kommentare Schmidt, EStG, 36. Aufl Rn. 11ff., 19 Rn. 4ff., 21ff. (zur Abgrenzung Selbständigkeit Unselbständigkeit/Arbeitnehmer) 42d (zur LSt-Haftung des Arbeitgebers) Bunjes, UStG, 15. Auflage Rn. 94ff. Aufsätze Obenhaus, Haftungs- und Strafbarkeitsrisiken durch Ignorieren möglicher Scheinselbständigkeit, Stbg 2012, 548 Real, Angst vor der Scheinselbständigkeit e Risiken, DStR 2016, 2406 Reiserer, Angst vor Scheinselbständigkeit eine permanente Bedrohung für die Bauindustrie, DStR 2016,