8.1 Grundbegriffe der Mengen-Topologie
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- Claudia Krause
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1 Die Menge der möglichen Handlungsalternativen eines Entscheidungsproblems wird Entscheidungsraum genannt. Die Entscheidungsräume vieler ökonomischer Entscheidungsprobleme sind Teilmengen des R n. In diesem Kapitel werden einige wichtige Eigenschaften solcher Teilmengen betrachtet, die für die Lösbarkeit und die Bestimmung von Lösungen von Entscheidungsproblemen von Bedeutung sind. 8.1 Grundbegriffe der Mengen-Topologie Die Mengen-Topologie ist eine sehr allgemeine mathematische Methode, Mengen mit einer Struktur auszustatten, die es ermöglicht Nähe und Abstand qualitativ zu charakterisieren. Der R n besitzt viele verschiedene topologische Strukturen, von denen wir hier nur eine, die Standardtopologie, benötigen. Diese wird durch die in Kapitel 5.5 eingeführte Euklidische Metrik aber auch durch andere Metriken wie die Manhatten-Metrik oder Maimum-Metrik induziert. Die Grundbegriffe der Mengen-Topologie sind offene und abgeschlossene Mengen. Umdie Standardtopologie des R n zu definieren, müssen offene und abgeschlossene Teilmengen beschrieben werden. Ein möglicher Weg dazu, den wir hier beschreiten wollen, geht über den Begriff der ε-umgebung. Falls nicht anders hervorgehoben, sei in diesem Kapitel stets n N die Dimension des R n. Definition 8.1 (Epsilon-Umgebung) Sei R n und ε>0. DieMenge B ε () ={ R n, <ε} heißt ε-kugel oder ε-umgebung (engl.: ε-ball, neighborhood) um. Die ε-umgebung um R n ist also die Menge aller Punkte, die zu einen strikt geringeren Abstand als ε bezüglich der Euklidischen Metrik haben. Sie ist also eine Kugel vom Radius ε um ohne deren noch zu definierenden Rand. Diesen definieren wir nun zusammen mit anderen topologischen Grundbegriffen. Definition 8.2 (Innerer Punkt, Randpunkt, Rand) Der Punkt M mit M R n heißt innerer Punkt (engl.: interior point) von M, wennε>0 eistiert, so daß B ε () M. 53
2 ε ε M M (a) (b) Abbildung 8.1: Ein innerer Punkt und ein Randpunkt Umgekehrt heißt der Punkt R n Randpunkt (engl.: boundar point) der Menge M R n,fallsfür alle ε>0 B ε () M und B ε () \ M. Die Menge aller Randpunkte heißt Rand und wird geschrieben als M. Ein Punkt ist also innerer Punkt einer Menge, wenn seine unmittelbare Nachbarschaft nur aus Punkten dieser Menge besteht (vgl. Abbildung 8.1 (a)). Dagegen ist ein Punkt Randpunkt einer Menge, wenn seine unmittelbare Nachbarschaft sowohl aus Punkten dieser Menge als auch deren Komplement besteht. Daraus folgt, daß ein Randpunkt einer Menge M nicht unbedingt zur Menge M gehören muß (vgl. Abbildung 8.1 (b)). Beispiel 8.1: (i) B 1 (3) = ( 5, ). (ii) Sei =0 R 2.DannistB 1 () ={ R < 1}. (iii) Der Punkt = 1 ist wegen B 2 1 () M innerer Punkt der Menge [0, 1). 4 Dagegen ist der Punkt = 1 Randpunkt von [0, 1), da für alle ε>0 einerseits ε M und andererseits + ε/ M ist. (iv) Der Rand der Einheitskugel K = {(, ) R } ist M = {(, ) R =1}. Die Menge der inneren Punkte von K ist die Menge M \ M = {(, ) R R < 1}. 54
3 Auf den Begriffen des inneren und des Randpunkts bauen die der offenen und der abgeschlossenen Menge auf. Offene und abgeschlossene Mengen im R n sind n-dimensionale Verallgemeinerungen von Vereinigungsmengen offener und abgeschlossener Intervalle in R. Definition 8.3 (Offene und abgeschlossene Menge) A R n heißt offen (engl.: open), wenn alle M innere Punkte von M sind. B R n heißt abgeschlossen (engl.: closed), wenn die Menge B ihren Rand B enthält, also B B. Die Menge M := M M heißt Abschluß von M. Entsprechend heißt die Menge Inneres von M. Ṁ := M \ M Der Abschluß einer Menge ist stets abgeschlossen und das Innere ist stets offen. Komplemente abgeschlossener Mengen, beliebige Vereinigungen und endliche Durchschnitte offener Mengen sind stets offen, während Komplemente abgeschlossener Mengen und beliebige Durchschnitte und endliche Vereinigungen abgeschlossener Mengen stets abgeschlossen sind. Falls die Menge A R n sowohl offen als auch abgeschlossen ist, nennt man sie abgeschloffen (engl.: clopen). In der Standardtopologie gilt dies nur für A = R n oder A =. EinSstemvon offenen und abgschlossenen Teilmengen, das diese Eigenschaften besitzt heißt topologischer Raum. Neben der Standardtopologie auf dem R n gibt es viele andere Topologien. 1 Da sich Ökonomen meistens nur für die Standardtopologie interessieren, verfolgen wir den sehr allgemeinen Begriff des topologischen Raumes hier nicht weiter. Beispiel 8.2: (i) Die Einheitskugel K = {(, ) R } ist abgeschlossen. (ii) Die Menge {(, ) R 2 + < 1} ist offen (wie sieht sie aus?) (iii) Die Menge [0, 1) ist weder offen noch abgeschlossen, da sie mit 0 einen ihrer Randpunkte, wegen 1 / [0, 1) aber nicht alle ihrer Randpunkte enthält. (iv) Die Menge [0, 1] 2 {(, ) R } ist weder offen noch abgeschlossen (warum?). Eine weitere wichtige Eigenschaft von Mengen ist die der Beschränkheit. 1 Seien zum Beispiel nur der ganze R n und abgeschloffen und alle anderen Teilmengen weder offen noch abgeschlossen. Man überzeuge sich davon, daß dann alle hier angeführten Eigenschaften erfüllt sind. Diese Topologie heißt auch gröbste Topologie des R n. Die sogenannte feinste Topologie definiert alle Mengen als offen und abgeschlossen und erfüllt ebenfalls alle Eigenschaften. 55
4 Definition 8.4 (Beschränkte Menge) Eine Menge M R n heißt beschränkt (engl.: bounded), wenn ein a R mit für alle M eistiert. a Eine Menge heißt also beschränkt, wenn sie in einer Kugel mit endlichem Radius enthalten ist. Daß in unserer Definition die Kugel eine Ursprungskugel, also eine Kugel um den Ursprung als Mittelpunkt, ist, spielt offenbar für die Definition keine Rolle (warum?). In der Tat könnte man die Beschränktheit auch mit einem Quader oder beliebigen anderen Formen definieren. Entscheidend für eine beschränkte Menge ist, daß sie in keiner Richtung unendlich groß ist. Beispiel 8.3: (i) Die Menge [0,a]mita 0istwegen = a für alle R beschränkt. (ii) Die Menge M = { R } ist nicht beschränkt, da für alle h 1 der Punkt (h, h, h) ElementvonM ist, der Abstand (h, h, h) = h 3 zwischen diesem Punkt und dem Ursprung allerdings mit steigendem h jede Schranke überschreitet. Mit Hilfe der in diesem Abschnitt vorgestellten Begriffe können nun abschließend kompakte Mengen eingeführt werden. Diese spielen in der Optimierungstheorie, dem wichtigsten mathematischen Handwerkzeug des Ökonomen eine zentrale Rolle, da Kompaktheit der Auswahlmenge zusammen mit der Stetigkeit der Zielfunktion die Eistenz einer Lösung eines Optimierungsproblems garantiert. Bezüglich Kompaktheit gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, daß Kompaktheit im Allgemeinen (in einem topologischen Raum) abstrakt und kompliziert zu definieren ist. Die gute Nachricht ist, daß wir uns vorläufig diese Mühe ersparen können, da im Spezialfall des R n, auf den wir uns hier konzentrieren, Kompaktheit sehr einfach ist. Definition 8.5 (Kompakte Menge) Eine Teilmenge des R n heißt genau dann kompakt (engl.: compact), wenn sie beschränkt und abgeschlossen ist. Beispiel 8.4: (i) Die Menge [0, 1] (2, 3) ist beschränkt, aber nicht abgeschlossen und daher nicht kompakt. (ii) Die Menge [0, ) 2 ist abgeschlossen, aber nicht beschränkt, also nicht kompakt. (iii) Die Menge ([0, 1] [2, 3]) [1, 5] ist beschränkt und abgeschlossen, also kompakt. 56
5 8.2 Konvee Mengen 8 Teilmengen des R n Eine weitere bedeutsame Eigenschaft von Teilmengen des R n im Zusammenhang mit wirtschaftswissenschaftlichen Fragestellungen ist die Konveität, da diese unter geeigneten Annahmen die Eindeutigkeit der Lösung eines Optimirungsproblems garantiert. Definition 8.6 (Konvee Menge) Die Menge M R n heißt konve (engl.: conve), wenn für alle, M und alle λ [0, 1] gilt λ +(1 λ) M. Die gerade Verbindungsstrecke zwischen zwei Punkten, M muß also stets ganz in M liegen, damit M eine konvee Menge ist (vgl. Abbildung 8.2 (a)). Falls diese Eigenschaft für gewisse Punkte, M nicht gilt, so ist M nicht konve (vgl. Abbildung 8.2 (b)). Obwohl die Konveität einer Funktion mit der Konveität einer Menge verbunden ist, gibt es den umgekehrten Begriff der Konkavität zwar fr Funktionen nicht im Zusammenhang mit Mengen. 2 Beispiel 8.5: (i) Die Menge [0, 1] ist konve, da für alle, [0, 1] und alle λ [0, 1] die Ungleichnungen λ+(1 λ) λ ma{, }+(1 λ)ma{, } =ma{, } 1 und λ +(1 λ) 0gelten. (ii) Die Menge M = { R 2 1 3} ist nicht konve, da beispielsweise die Konvekombination =(0, 0) / M trotz =(2, 0) M und =( 2, 0) M ist. Die Konveität einer Menge ergibt sich in den Wirtschaftswissenschaften oft ganz natürlich. Betrachtet man beispielsweise einen Haushalt, der sich mit seinem Budget entweder 20 Liter Bier oder 10 Liter Wein kaufen kann, so ist meistens sinnvoll anzunehmen, daß er mit seinen Mitteln auch 20λ Liter Bier und 10(1 λ) Liter Wein mit λ [0, 1] erwerben kann. Die Budgetmenge, also die Menge aller Güterbündel, die der Haushalt mit einem gegebenen Budget kaufen kann, ist unter dieser Annahme konve. Satz 8.1 Der Durchschnitt A B zweier konveer Mengen A und B ist konve. 2 Ein kleiner Vorgriff auf das folgende Kapitel mag dies illustrieren. Die untere Konturmenge einer Funktion f : R n R ist die Menge aller Punkte R n deren Funktionswert f() einen bestimmten Wert nicht überschreitet. Diese Menge ist stets konve für eine konvee Funktion. Zum Beispiel ist die Einheitskugel die untere Konturmenge zum Wert 1 für die konvee Funktion f( 1, 2 )= Die untere Konturmenge einer konkaven Funktion ist nicht konve, wird aber nicht konkav genannt. Das Komplement der Einheitskugel ist ein Beispiel für eine solche Menge. 57
6 (a) (b) Abbildung 8.2: Beispiele konveer und nicht-konveer Mengen Beweis. Seien, A B, also, A und, B. DaA konve ist, gilt λ +(1 λ) A für alle λ [0, 1]. Da auch B konve ist, gilt analog λ +(1 λ) B für alle λ [0, 1]. Folglich ist λ +(1 λ) A B für alle λ [0, 1]. 58
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