Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Und auch dieser Satz sollte in keiner Amtsstube an der Wand fehlen!
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- Maja Lange
- vor 7 Jahren
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1 Rede am zur Protestveranstaltung des OKV gegen die Verletzung der Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland Marion Drögsler, Vorsitzende des Arbeitslosenverbandes Deutschland Bundesverband Sehr geehrte Damen und Herren, der soeben dargebrachte Beitrag dieser allein erziehenden Mutter hat mich sehr bewegt, weil er leider in der Bundesrepublik Deutschland kein Einzelfall ist, aber und dies muss der Ehrlichkeit halber dazugesagt werden auch kein Regelfall. Ja verzögerte oder unterlassene Zahlungen durch das Amt - ohne Verschulden der Antragssteller und Antragsstellerinnen kommen nicht selten vor. Oftmals ist dann tatsächlich der Rechtsweg der immer zu lange dauert, selbst in Eilverfahren die einzige Chance für die Betroffenen zu ihrem Recht zu kommen. Hier in diesem Einzelfall ist aus meiner Sicht erst ein erster Teilerfolg erzielt wurden. Ganz konkret muss hier durch das Gericht, aber vielleicht auch ergänzend durch eine entsprechende Beratungsstelle und einen Rechtsanwalt die Sachlage und damit der Anspruch auf Arbeitslosengeld II vom Anfang der Leistungsbeziehung an, nachgeprüft werden und die zukünftigen Zahlungen reibungslos gestaltet werden. Diese und andere Einzelfälle, sowie meine eigenes Erleben als Betroffene, haben mich 1990 zum Arbeitslosenverband geführt und vor Jahren auf einer Konferenz der Gewerkschaft ver.di hier in Berlin auf die Idee gebracht, den Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, Satz 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. in allen Amtsstuben Deutschlands so sichtbar an die Wand zu bringen, dass alle ihn im Raum lesen können. Nachdem ich mich nun zur heutigen Konferenz auf meinen Beitrag vorbereitet habe, möchte ich meinen Vorschlag noch ergänzen, denn dieser Satz ist nur der erste Satz des Artikels 1, Satz 1 des Grundgesetzes. Weiter heißt es da zur Menschenwürde: Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Und auch dieser Satz sollte in keiner Amtsstube an der Wand fehlen! Beim Hören dieses Beitrages der jungen Mutter fielen mir weitere Verletzungen der Menschenrechte auf, auf die ich im Laufe meines Beitrages noch eingehen werde. Doch vorerst noch einmal zurück zum Artikel 1 des Grundgesetzes. Da gibt es auch einen Satz 2: Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Dies sollte die Bundesregierung sich noch mal langsam auf der Zunge zergehen lassen und dann damit auch im eigenen Land aber nicht nur da anzufangen. Was der jungen Mutter eindeutig fehlt und dies hatte sie ja auch selbst gesagt, ist eine existenzsichernde Arbeit, mit der sie das Leben ihres Kindes und ihr eigenes menschenwürdig gestalten könnte. 1
2 Beim Lesen des Grundgesetzes habe ich aber das Recht auf Arbeit vergeblich gesucht. Welche Bedeutung eine solche Arbeit für jeden Menschen hat, weiß ich aus eigenem Erleben, denn ich bin gegenwärtig bereits seit fast 4 Wochen wieder arbeitssuchend gemeldet, da meine jetzige Arbeit als Sozialarbeiterin zur Betreuung von Langzeitarbeitslosen über 25 Jahre bis zum befristet ist. Sollte ich danach arbeitslos werden, wäre ich zum 8. Mal arbeitslos. Bisher musste ich bereits seit 1990 über 4 Jahre ohne Arbeit leben. Auch ich musste bereits drei Monate in diesem Jahr ohne eigenes Einkommen über das JobCenter Lichtenberg mit eigener Finanzierung des Krankenkassenbeitrages verbringen wie die junge Mutter - und bin nur durch einen Zufall wieder in Arbeit gekommen.. Das Grundgesetz kommt - nach Artikel 1 im Artikel 2 folgerichtig auf den Satz 1: Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit gehört aber nicht nur das fehlende Recht auf Arbeit, sondern auch das Recht seinen Beruf, seinen Arbeitsplatz und seinen Ausbildungsplatz frei zu wählen (Artikel 12, Satz 1 des Grundgesetzes). In der Realität der Bundesrepublik erleben wir aber immer wieder, dass die Menschen nicht den Beruf, Arbeitsplatz oder Ausbildungsplatz selbst wählen können, weil sich das Amt das Recht herausnimmt, darüber zu entscheiden. Zum Beispiel, wenn sie die Finanzierung einer Fort- und Weiterbildung im erlernten Beruf, eine Umschulung in einen anderen Beruf verweigern oder der Jugendliche, aus welchem Grund auch immer, nicht den Ausbildungsplatz vom Amt bekommt, den er haben möchte und für den er auch die entsprechenden Leistungen mitbringt. Die freie Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes wird aber auch dadurch außer Kraft gesetzt, dass jeder Arbeitslose jede zumutbare Arbeit auch außerhalb seines eigenen Berufes annehmen muss oder - wenn keine nachweislichen gesundheitlichen oder anderen wichtigen Gründe bestehen sanktioniert wird. D. h. das Amt entzieht ihm finanzielle Mittel zum Lebensunterhalt. Einem Lebensunterhalt, der laut Bundesregierung das Existenzminimum darstellt. Eine Reduzierung des Selben durch Sanktionierung ist deshalb menschenverachtend und schafft von Amtswegen Armut und Hunger sowie bei einer Sanktionierung in die Kosten der Unterkunft, auch staatlich verordnete Obdachlosigkeit, wie sie bei der jungen Mutter nur durch Hilfe von Privatpersonen verhindert werden konnte. Diese Androhung von Sanktionen zwingt den Erwerbslosen jede Arbeit ohne frei Wahl anzunehmen. Nicht nur ich nenne das Zwangsarbeit. Was aber finden wir dazu im Grundgesetz Artikel 12 Satz (2) und (3): Satz 2: Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. 2
3 Was auch immer die Väter des Grundgesetzes darunter verstanden haben wollten im Satz (3) werden sie dann wieder klar verständlich: Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig. Der Zwang zur Arbeit besteht aber sowohl im SGB III für Arbeitslosengeld I Empfänger, wie auch im SGB II für Arbeitslosengeld II Empfänger. Und wer sich nicht zwingen lassen will, wird sanktioniert, indem ihm die sowieso schon zu knappen Mittel für den Lebensunterhalt nach Ermessen des Bearbeiters oder der Bearbeiterin teilweise oder ganz gestrichen werden. Welche Macht und welche Missbrauchsmöglichkeiten die Bearbeiterinnen und Bearbeiter haben, hat uns das Beispiel der jungen Mutter deutlich gezeigt! Aber damit nicht genug: Im Artikel 13 des Grundgesetzes heißt es im Satz 1: Die Wohnung ist unverletzlich. Und im Satz 2: Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden: Was aber ist Realität: Sobald ein Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt wird oder/und ein Antrag auf einmalige Leistungen (zum Kauf von fehlenden Möbeln oder Bekleidung) kann das JobCenter Hausbesuche unangekündigte durchführen und die ganze Wohnung durchsuchen, ob die beantragten Mittel auch tatsächlich benötigt werden. Da gibt es keine Gefahr im Verzug und da läuft der Hausbesuch auch nicht menschenwürdig ab. Wer nicht angetroffen wird, erhält einen schriftlichen Termin für den Hausbesuch und wenn er diesen verweigert Sanktionen! Darüber hinaus entscheidet das JobCenter auch, wer wann seine Wohnung verlassen muss und in eine weniger kostende, schlechter ausgestattete Wohnung ziehen muss, wenn dem Amt die Mietkosten zu hoch sind. Umschrieben wird dieser Zwangsumzug dann, mit der Aufforderung die Mietkosten zu senken. Und wer nicht mit dem Vermieter verhandeln kann, oder untervermieten oder durch eine Nebentätigkeit die zu hohen Kosten selbst bezahlen kann, muss umziehen oder wird sanktioniert. Dazukommt, dass arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren in der Wohnung der Eltern verbleiben müssen. Keine freie Entscheidung der Jugendlichen oder der Eltern. Auch hier erfolgen Sanktionierungen, die dann die ganze Familie treffen, wenn der Jugendliche ohne Erlaubnis auszieht. Und nun zurück zu unseren jungen Mutter und mir. Artikel 14 des Grundgesetzes sagt im Satz 1: Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet Wie kann das Eigentum von Beziehern von Arbeitslosengeld II gewährleistet werden, wenn in beiden Fällen verlangt wird, dass vorhandene Eigentum in Form von Spareinlagen, Lebensversicherungen oder anderen Altersvorsorgen teilweise aufgebraucht werden müssen, ehe das Amt Leistungen für den Lebensunterhalt und die Kosten der Unterkunft übernimmt? 3
4 Wie wird das Erbrecht gewährleistet, wenn jeder ererbte Cent auf die Leistungen des JobCenters angerechnet wird und monatelang keine Leistungen gezahlt werden, bis das Erbe aufgebraucht ist? Zusammengefasst muss festgestellt werden: In diesem Beitrag konnten nur ein Teil der Menschenrechtsverletzungen bei Erwerbslosen aufgezeigt werden. Der Gesetzgeber und damit die Bundesregierung sollten umgehend das SGB III und SGB II auf ihre Übereinstimmung mit dem Grundgesetz hin überprüfen und wesentliche Änderungen zum Schutz der Menschenrechte der Erwerbslosen in Deutschland einarbeiten. All das Gesagte ist nun wahrlich keine Erfolgsbilanz für die Bundesregierung. Ist der Arbeitslosenverband nur futterneidisch oder einfach nur undankbar. Kann der Verein sich nicht über die Erfolgsstory bei der Senkung der Arbeitslosenzahlen in Deutschland freuen und die Leistungen der Bundesregierung auf diesem Gebiet nicht anerkennen? Nein, kann er nicht. Denn die so genannte Senkung der Arbeitslosenzahlen ist nichts weiter als eine Schönrechnerei der Statistik und eine Vortäuschung von falschen Zahlen und Erfolgsbilanzen. In den letzten Tagen erreichte uns die freudige Botschaft, dass es in Deutschland im September 2011 nur noch eine Arbeitslosenquote von 6,6 % gibt: also Arbeitslose. Im August 2011 waren es noch Allerdings nur die offiziellen Arbeitslosen. Rechnet man die arbeitsuchend gemeldeten noch dazu, waren es im August 2011 (leider lagen mir bei Erstellung des Berichtes noch nicht die konkreteren Zahlen für September vor) dann schon Arbeitslose im weiteren Sinne. Kommt die Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit) dazu, sind wir schon bei Arbeitslosen. Wenn man sich die Statistik noch etwas genauer ansieht, kommt man zu einem überraschenden Ergebnis. Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Die tatsächlichen Zahlen sind ganz andere. Im August 2011 gab es Leistungsempfänger ALG I Leistungsempfänger ALG II Sozialgeld SGB XII Arbeitslose in aktiver Arbeitsmarktpolitik Gesamt In Berlin wurden im September 2011 offiziell Arbeitslose benannt und zählt man noch den gleichen Kriterien zusammen, kommt man auf
5 Aber das sind noch nicht alle. Dazugezählt werden müssten dazu liegen mir aber keine konkreten Zahlen vor noch die Mütter im Erziehungsjahr, die nicht in der Statistik enthalten sind und denen mal kurz das Erziehungsgeld von monatlich 300,00 gestrichen wurde. Bzw. auch die Menschen, die sich nach dem Erziehungsjahr um die Erziehung der Kinder weiter kümmern. Es fehlen alle in der Statistik, die ohne Arbeit sind, aber aus welchen Gründen auch immer sich nicht beim Amt gemeldet haben. Es fehlen weiter alle arbeitsunfähige Arbeitslosen. Es fehlen weiter alle Arbeitslosen, die eine Mehraufwandsentschädigung einen sogenannten 1,00 - Job freiwillig angenommen haben oder durch das Amt dazu gezwungen wurden. Es fehlen weiter alle Arbeitslosen, die sich durch einen privaten Arbeitsvermittler vermitteln lassen müssen. Deren sind viele. Und erfolgreich waren da wohl nur die wenigsten. Es fehlen alle, die zwischen 15 und 40 Stunden die Woche arbeiten gehen und aufstochende Leistungen des JobCenters erhalten. Es fehlen alle, die bereits gekündigt wurden und sich arbeitssuchend melden mussten und noch die letzten Tage arbeiten. Wenn ich diese Liste verbal zusammenrechne, kommt nur ein Ausspruch von Heinrich Heine in Frage: Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht. Ich kann die Augen nicht mehr schließen und meine heißen Tränen fließen. Vor uns allen stehen riesige Aufgaben, um die in Deutschland tagtäglich stattfindenden Menschenrechtsverletzungen aufzuzeigen und zu bekämpfen. Der Arbeitslosenverband Deutschland Bundesverband wird dabei immer an Ihrer Seite sein. Getreu seinem Motto:..weil wir gebraucht werden! Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 5
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