Delegation in der Hausarztpraxis
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- Maria Solberg
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1 Delegation in der Hausarztpraxis Workshop 9 Berliner Tag der Allgemeinmedizin 2015 Referentin: Rechtsanwältin Claudia Reich / Folie 1
2 Agenda 1. Status quo und Zukunft 2. Haftungsrechtliche Grundlagen 3. Vergütungsrechtliche Grundlagen 4. Delegationsmatrix 5. Arbeitsrechtliche Ausgestaltung 6. Arbeitsrechtliche Folgen 7. Absicherung über Haftpflichtversicherung / Folie 2
3 Status quo / Folie 3
4 Status quo / Folie 4
5 Zukunft / Folie 5
6 Zukunft / Folie 6
7 Grundlagen Status quo: Kein für alle Leistungsbereiche geltender gesetzlicher Katalog der Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine rechtmäßige Delegation Ansätze: Anlage 24 zum BMV-Ä Stellungnahme der BÄK und der KBV Persönliche Leistungserbringung Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen vom Punktuelle gesetzliche Vorgaben ( 48 AMG Verschreibungspflicht bei Arzneimitteln; 9 ESchG Arztvorbehalt) Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin Richterliche Rechtsfortbildung / Folie 7
8 Grundlagen Haftungsrechtliche Komponente 630a, 613 S. 1 BGB Berufsrechtliche/Vergütungsrechtliche Komponente 19 Abs. 1 MBO 32 Abs. 1 Ärzte-ZV 15 Abs. 1 BMV-Ä 17 Abs. 1 KHEntgG Facharztstandard Persönliche Leistungserbringung / Folie 8
9 Haftungsrechtliche Grundlagen Patient vertragliche und Arzt deliktische Haftung Innenverhältnis Delegation privilegierte Arbeitnehmerhaftung Außenverhältnis MFA / Folie 9
10 Haftung im Außenverhältnis Arzt Vertragliche Haftung gem. 630a, 280 ff. BGB, auch für Fehler der MFA gem. 278 BGB Deliktische Haftung für Organisationsverschulden gem. 823 BGB durch fehlerhafte Delegation Deliktische Haftung für Verrichtungsgehilfen gem. 831 BGB (mit Exkulpationsmöglichkeit gem. 831 Abs. 1 S. 2 BGB) MFA Keine vertragliche Haftung gem. 630a, 280 ff. BGB ( kein Vertragsverhältnis) Deliktische Haftung gem. 823 BGB sog. Übernahmeverschulden / Folie 10
11 Haftungsrechtliche Rechtsprechung Aufgabe der (haftungsrechtlichen) Rechtsprechung ist es, einen konkreten Konfliktfall aus dem Arzt-/Patienten- Verhältnis zu lösen, nicht etwa allgemeingültige Kriterien und Grundsätze zur Zuordnung der Leistungen im Gesundheitswesen oder zur Zulässigkeit einer Delegation ärztlicher Leistungen zu entwickeln. Bergmann, Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen auf/durch nichtärztliches Personal, MedR 2009, 1, / Folie 11
12 Haftungsrechtliche Rechtsprechung Dennoch hat das Richterrecht Konturen in das Haftungsrecht gebracht, aus denen sich Rückschlüsse bezüglich der Zulässigkeit der Delegation ergeben. Definition des Ärztlichen Kernbereichs Organisationsverschulden des Arztes Übernahmeverschulden der nichtärztlichen Assistenten Beweisrechtliche Fragen - Dokumentation der Delegation - Beweislastregel 630h Abs. 4 BGB / Folie 12
13 Facharztstandard Ausgangspunkt der Haftung ist das Unterschreiten des medizinischen Standards. Patientenorientierte Risikobegrenzung: Eine erwünschte Arbeitsteilung ist nur zulässig, wenn man die mit ihr verbundenen Risiken sicher begrenzen kann und die Übertragung der originär dem Arzt zugewiesenen Aufgabe den Anforderungen ordnungsgemäßer Berufsausübung und dem medizinischen Standard gem. 276 BGB genügt / Folie 13
14 Kernbereich ärztlicher Tätigkeit Bestimmte Leistungen (Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit), die unter Arztvorbehalt stehen, können nicht delegiert werden. Zum Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit zählen Leistungen, die der Arzt wegen ihrer: Schwierigkeit, Gefährlichkeit für den Patienten oder Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen unter Einsatz seiner spezifischen Fachkenntnis und Erfahrung höchstpersönlich erbringen muss. (Stellungnahme BÄK/KBV Persönliche Leistungserbringung vom ) / Folie 14
15 Kernbereich ärztlicher Tätigkeit Nicht Delegationsfähig sind insbesondere: Anamnese Indikationsstellung Aufklärung, 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB die Vorbereitung kann delegiert werden, muss im Nachgang jedoch vom Arzt überprüft bzw. ergänzt werden eine vollständige Delegation auf nichtärztliches Personal ist nicht möglich Diagnoseerstellung und Therapieempfehlung Invasive diagnostische Eingriffe wie eine Kontrastmittelinjektion Entscheidung über sämtliche therapeutische Maßnahmen Durchführung invasiver Therapien einschließlich der Kernleistungen operativer Eingriffe Durchführung von Anästhesien / Folie 15
16 Delegierbarer Bereich Delegationsfähig sind u.a.: Kapillare und venöse Blutabnahmen (LG Heidelberg, , 4 O 95/08, 4 O 95/08) Intravenöse Injektionen und Infusionen (OLG Dresden, , 4 U 1857/07) Subcutane und intramuskuläre Injektionen Versorgung unkomplizierter Wunden Durchführung technischer Untersuchungen durch qualifiziertes nichtärztliches Personal (z.b. 24 Abs. 2 RöV; 82 Abs. 2 StrlSchV; technische Durchführung von MRT-Untersuchungen) Labordiagnostik Einlage eines transurethralen Blasenkatheters Hausbesuche ( 87 Abs. 2b S. 5 SGB V) Durchführung standardisierter Testverfahren / Folie 16
17 Delegierbarer Bereich Welche Faktoren werden von der haftungsrechtlichen Rechtsprechung benannt: Ausbildungsstand der nichtärztlichen Assistenten Erfahrungsstand der nichtärztlichen Assistenten (Befähigungsnachweise) Überwachung der nichtärztlichen Assistenten (faktische Verfügbarkeit des Arztes und Anweisung, bei Auftritt von Komplikationen hinzugezogen zu werden) / Folie 17
18 Organisationsverschulden Es ist Aufgabe des Arztes, fachkundiges nichtärztliches Personal zu stellen, anzuleiten, zu überwachen und weiterzubilden. In jeder Behandlungsphase muss ein qualifizierter Arzt bereitstehen, um die notwendigen Anweisungen zu geben und zu überwachen. Der Arzt hat nachzuweisen, dass er seine Organisationspflichten mit der erforderlichen Sorgfalt erfüllt hat. Von einem objektiven Mangel wird auf ein pflichtwidriges Verhalten geschlossen / Folie 18
19 Übernahmeverschulden Direkte Haftung des nichtärztlichen Personals scheidet im Regelfall aus, wenn das nichtärztliche Personal: in einer Weisungskette eingebunden ist und sich im Rahmen dieser Hierarchie bewegt. Direkte Haftung kommt z.b. in Frage, wenn: das nichtärztliche Personal einer erteilten ärztlichen Anweisung grob fehlerhaft zuwider handelt, das nichtärztliche Personal die Fehlerhaftigkeit der ärztlichen Anweisung erkennt und pflichtwidrig eine gebotene Remonstration unterlässt oder das nichtärztliche Personal eine medizinische Aufgabe übertragen bekommt, mit deren Wahrnehmung es überfordert ist, weil diese medizinisches Fachwissen voraussetzt; Komplikationen auftreten und das nichtärztliche Personal seine Bemühungen fortsetzt statt den Arzt zu verständigen, soweit keine akute Gefährdung vorliegt / Folie 19
20 Beweisrechtliche Fragen Es besteht eine erhöhte Dokumentationspflicht bei Übertragung ärztlicher Aufgaben auf andere Berufsgruppen. Problem: Kausalitätsvermutung gem. 630h Abs. 4 BGB bei unzureichender Befähigung des Behandelnden. Folge: Der Arzt muss nachweisen, dass der Delegationsadressat trotz Mängeln in der Qualifikation zur Übernahme der Tätigkeit ausreichend befähigt war! / Folie 20
21 Vergütungsrechtliche Grundlagen Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung ( 15 BMV-Ä): Jeder an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt ist verpflichtet, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben. ( ) Persönliche Leistungen sind ferner Hilfeleistungen nichtärztlicher Mitarbeiter, die der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt anordnet und fachlich überwacht, wenn der nichtärztliche Mitarbeiter zur Erbringung der jeweiligen Hilfeleistung qualifiziert ist / Folie 21
22 Vergütungsrechtliche Grundlagen Ausgestaltung durch Anlage 24 BMV-Ä (siehe Auszug) / Folie 22
23 Folgen von Verstößen Vertragsarzt Keine Abrechenbarkeit, da die Vorgaben des EBM nicht erfüllt sind Verstoß gegen die vertragsärztliche Pflicht Disziplinar-verfahren Bei systematischem Verstoß gegen die Abrechnungsbestimmungen Strafbarkeit gem. 263 StGB Privatliquidation Gem. 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ kann der Arzt auch die Leistungen abrechnen, die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht werden. Nicht abrechenbar sind jedoch auch hier Leistungen, die originäre ärztliche Leistungen darstellen. Wahlleistungen Gem. 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG kann anstelle des liquidationsberechtigten Arztes nur sein ständiger ärztlicher Vertreter isd 4 Abs. 2 S. 3 GOÄ tätig werden / Folie 23
24 Delegationsmatrix Quelle: Wunderlich/Kobes/Teubner/Pihl: Delegation ärztlicher Leistungen im Krankenhaus: Entwicklung einer Delegationsmatrix, Ärzteblatt Sachsen 2/2014, S. 52 ff / Folie 24
25 Delegationsmatrix Außerhalb des Kernbereichs muss durch den Arzt entschieden werden, ob eine Delegation in der konkreten Situation stattfinden kann. Es gilt die Faustformel: Je niedriger die mögliche Gefährdung des Patienten durch die zu delegierende Aufgabe ist, desto eher ist eine Aufgabenübertragung möglich. Rechtsfolge bei Nichtbeachtung: Die Übertragung einer nicht delegierbaren Aufgabe an nichtärztliches Personal stellt einen Behandlungsfehler dar, für den der Arzt/Krankenhausträger und ggf. auch das nichtärztliche Personal aus Übernahmeverschulden haftet! / Folie 25
26 Delegationsmatrix Zudem besteht eine Abhängigkeit von der Qualifikation der nichtärztlichen Assistenten: Eine hohe (formale und materielle) Qualifikation des nichtärztlichen Assistenten bedingt in nicht unerheblichem Maße eine niedrige(re) Gefährdung des Patienten infolge der Delegation. Demgegenüber erhöht eine niedrigere Qualifikation des nichtärztlichen Assistenten die Gefährdung des Patienten aufgrund einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Behandlungsfehlern / Folie 26
27 Delegationsmatrix Der Sorgfaltsmaßstab des Arztes hängt ab von der Schwere des Eingriffs und dem Risiko für den Patienten. Es gilt der Grundsatz: Je näher eine Maßnahme dem Kernbereich der ärztlichen Leistung kommt, desto intensiver werden die Verpflichtungen des delegierenden Arztes zur Überwachung und Anleitung des Personals / Folie 27
28 Arbeitsrechtliche Ausgestaltung Auf der Grundlage des Direktionsrechts kann dem Arbeitnehmer die Erbringung von Tätigkeiten, die über sein Berufsbild hinausgehen (berufsfremde Tätigkeiten), vom Arbeitgeber nicht angewiesen werden. Keine Delegation ärztlicher Tätigkeiten per Dienstanweisung. Remonstrationspflicht ( Weigerungspflicht ) der MFA: eine MFA kann und muss die Übernahme einer berufsfremden (ärztichen) Tätigkeit ablehnen, wenn sie sich selbst nicht ausreichend befähigt sieht oder aufgrund ihrer individuellen Einschätzung eine deutlich höhere Gefährdung des Patienten infolge der ärztlichen Tätigkeitsübertragung zu erwarten ist / Folie 28
29 Arbeitsrechtliche Folgen Haftung der MFA gegenüber dem Arbeitgeber Vertraglich gem. 280 Abs. 1 S. 1 BGB ivm Arbeitsvertrag Haftung der Arbeitnehmer ggü. AG für schuldhafte Vertragspflichtverletzungen oder Verletzung der Rücksichtnahmepflicht isd 242 Abs. 2 BGB Beweislast: 619a BGB der Arbeitgeber hat das Verschulden des Arbeitnehmers zu beweisen Deliktisch gem. 823 ff. BGB / Folie 29
30 Privilegierte Arbeitnehmerhaftung Tätigkeit, die zu dem Schaden geführt hat, wurde durch den Betrieb veranlasst, d.h. ist dem AN von dem Betrieb oder zumindest für den Betrieb übertragen worden. Es genügt Tätigkeit im Interesse des Betriebs. Umfang der Haftungsbeschränkung richtet sich nach dem Grad des Verschuldens leichteste Fahrlässigkeit: keine Haftung des Arbeitnehmers leichte/mittlere Fahrlässigkeit: der Schaden wird zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt grobe Fahrlässigkeit: der Arbeitnehmer trägt idr den gesamten Schaden gröbste Fahrlässigkeit bzw. Vorsatz: der Arbeitnehmer trägt den gesamten Schaden / Folie 30
31 Absicherung über Haftpflichtversicherung Im Rahmen der Haftpflichtversicherungen von Krankenhausträgern/Ärzten ist grundsätzlich auch die persönliche Haftung des Assistenzpersonals abgesichert. Wird bei einer Inanspruchnahme des Krankenhausträgers/Arztes durch den Patienten der Schaden durch die Haftpflichtversicherung reguliert, hat der Arbeitgeber mangels Schadens keinen Regressanspruch mehr; dieser geht in Abweichung von 86 VVG auch nicht auf den Haftpflichtversicherer über. Es verbleibt im Wesentlichen nur bei vorsätzlicher Verursachung ein Regressanspruch beim Arbeitgeber / Folie 31
32 Absicherung über Haftpflichtversicherung Berufshaftpflichtversicherung Privilegierte Arbeitnehmerhaftung Regress gegenüber AN / Folie 32
33 Handlungsempfehlungen Rechtliche Grundlagen bieten Instrumente für die praktisch notwendige Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen ärztlichem und nichtärztlichem Personal Entwicklung eines Gesamtkonzepts zur Risikominimierung/Qualitätssicherung Bestimmung delegierbarer Leistungen Festlegung der Personen und Zuständigkeiten Klare und systematische Hinzuziehungsregeln Dokumentation Augenmerk auf qualifizierte Ausbildung der Assistenzkräfte (Argument: 630h Abs. 4 BGB) / Folie 33
34 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Kontakt und weitere Informationen unter: / Folie 34
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