Der junge Tumorpatient: psychoonkologische und soziale Probleme zwischen Alltag und Krankheitsbewältigung.
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- Sigrid Keller
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1 Der junge Tumorpatient: psychoonkologische und soziale Probleme zwischen Alltag und Krankheitsbewältigung
2 Definition Adolescents and young Adults (AYA) Die Altersdefinition ist nicht einheitlich untere Grenze werden Jahre, obere Altersgrenze Jahre Die Gruppe der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen ist sehr heterogen
3 Epidemiologie von malignen Erkrankungen zwischen 20 und 30 J. jährlich ca Neuerkrankungen 0,84% 60-70jährige: 37-fache bzw. 28-fache höher 80% Überlebenswahrscheinlichkeit > 30 LJ Frauen Männer: Hodentumoren (45%) Frauen: Melanom (23%), Brustkrebs (13%)
4 Epidemiologie von malignen Erkrankungen zwischen 20 und 30 J. Inzidenz von Zweitmalignomen: innerhalb von 10 Jahren nach ED ca. 10% Aktuell: Menschen, die im Alter Jahren erstmals an Krebs erkrankt waren Follow-up: Prävalenz Patienten AYA (Adolescents and Young Adults / bis 40): Betroffene
5 Anzahl der Neuerkrankungen in Abhängigkeit vom Alter (Schätzung GEKID, logarithm. Skala)
6 Häufige Neuerkrankungen 20-30jährige Männer 30-40jährige Männer 40-50jährige Männer 20-30jährige Frauen 30-40jährige Frauen 40-50jährige Frauen 45% Hoden 33 % Hoden 11% Lunge 23% Melanom 35% Brust 47% Brust 10% M. Hodgkin 11% Melanom 11% Kopf-Hals 13% Brust 13% Melanom 6% Melanom 9% Melanom 13% Darm 11% Darm 12% Schilddrüse 12% Gebärm.hals 6% Gebär.hals 6% ZNS 7% Schilddrüse 9% Hoden 10% M. Hodgkin 9% Schilddrüse 6% Darm 5% NHL 7% NHL 7% Melanom 9% Gebär.hals 4% Darm 5% Lunge
7 Besonderheiten der Behandlung von AYA Zuordnung erfolgt in die Pädiatrie oder in die Erwachsenen-Onkologie unsystematisch unt. Therapieprotokolle für maligne Erkrankungen in der Pädiatrie und in der internistischen Onkologie Bessere Therapieerfolge in der Pädiatrie?? In neueren Studien keinen prognostischen Unterschied zw. Pädiatrieund Erwachsenen-Studien
8 Besonderheiten der Behandlung von AYA AYA-Krebsproblematik ist vielschichtig Unterschiede in der Biologie der Krebserkrankung Pubertätsbedingte hormonelle Einflüsse auf Krankheitsgeschehen deren Effekte auf Pharmakokinetik und den Metabolismus von Krebsmedikamenten großes Spektrum an Tumorerkrankungen, kleinere Fallzahlen, dezentrale Betreuung durch Zuweisung an qualifizierten onk. Zentren, zwischen ambulant und stationär Keine relevanten Aussagen zur Qualität der Versorgung in den Zentren
9 Langzeitfolgen der Therapie und Zweiterkrankungen Zweitneoplasien: 2-3fach erhöhtes Risiko Weitere mögliche langfristige Spätfolgen: endokrine (z. B. Hypothyreose) kardiovaskuläre (z. B. Kardiomyopathie, koronare Herzkrankheit) pulmonale (z. B. Lungenfibrose) andere somatische Funktionen beeinträchtigen (durch medikamentöse Therapie, Bestrahlung, Ops) Erhebliche Morbidität Beeinträchtigung der LQ Beratung, Diagnostik und Therapie auf individueller Basis Fertilität
10 Fertilitätserhalt bei AYA 75% wünschen nach erfolgreicher Therapie ein Kind (Schover et al., 1999) Ovarialinsuffizienz abhängig vom Lebensalter, von zytotoxischen Substanzen, Radiatio im kleinen Becken Mehrere Möglichkeiten der Ovarprotektion Abhängig von onkologischen Therapie, Zeit bis 1. Chemozyklus, Risiko einer ovariellen Metastasierung, Partnerstatus, Lebensalter, Einwilligungsfähigkeit und Wunschvorstellungen, Kosten des Eingriffs
11 Fertilitätserhalt bei AYA Kryokonservierung von befruchteten oder unbefruchteten Eizellen Zeitbedarf 14 Tage 18-20% bzw. 4-5% Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft nach Implantation Transposition der Ovarien Bei Radiation des kleinen Beckens 2,5-5 Gy 60% Risiko eines Fertilitätsverlusts Laparoskopischer Eingriff Ovarien werden kraniolateral Richtung Zwerchfell verlagert Durchtrennung der Eileiter ist erforderlich: In-vitro-Fertilisation
12 Fertilitätserhalt bei AYA Kryokonservierung von Ovarialgewebe Zeitbedarf 2 Tage Laparoskopische Teilresektion des Ovarkortex eines Ovars, kryokonserviert, Retransplantation Noch kein Standard, Risiko für Rezidivtumore? Ovarprotektion mit GnRH-Analoga Zeitbedarf 7 Tage Gonadotropin-Releasing Hormone-Agonisten => Downregulation des GnRH-Rezeptors=> Hypogonadismus Wirksamkeit?
13 Hormonelle, physische, kognitive Veränderungen Medizinische Klinik und Poliklinik III Identitätsfindung Berufliche Orientierung Sensation seeking behavior Der junge Tumorpatient Partnerschaft / Sexualität Unabhängigkeit / Autonomie Peers Familienplanun g/-gründung Butow P Palmer S Pai A et al: Review of adherence-related issues in adolescents and young adults with cancer. JCO 28: , 2010
14 Psychosoziale Problematik keine oder kaum Schicksalsschläge oder Verluste erlebt und auch nicht darauf eingestellt eher auf der Gewinnerseite erst in späteren Jahren werden negative bzw. belastende Erfahrungen als unvermeidbar hingenommen I recently graduated from college... have a new job as a reporter and a stable girlfriend and now as a stumbling block to my bright future, I have been diagnosed with CANCER. Subbiah V (2010) Adolescent oncology: who care s - the new KID on the block. Support Care Cancer 18:
15 Psychosoziale Problematik Krebserkrankung viel stärker als Bruch im Lebensplan wahrgenommen Lernprozess durch allmählichen Wandel wird durch Krebs abrupt verändert Stoppt die unbewusste Illusion es werde immer so weiter gehen Der bisher als fast unendlich lang erscheinenden Zukunft mit ihren unzähligen verlockenden Möglichkeiten sind auf einmal enge Grenzen gesetzt, der Lebensplan zerplatzt und an die Stelle von Visionen treten Ängste auf.
16 Psychosoziale Problematik Gefundene oder erstrebenswert erachtete Lebensziele müssen wieder überdacht werden Notwendigkeit und Erfolgsaussichten vs. Erleben als aggressive Eingriffe in ihre Persönlichkeit Neue Fragen tauchen auf Verlustseite wird von nun an ungleich stärker gewichtet als die Gewinnerseite.
17 Psychosoziale Problematik Aufbruch und Aktivität vs. Verlust- und Einschränkungserfahrungen Unabhängigkeit, Selbstbestimmtheit, Anerkennung durch Gleichaltrige vs. Stagnation bzw. Rückschritt, Abhängigkeit, Fremdbestimmung Körperliche Unversehrtheit ist in diesen LJ die tragende und treibende Kraft Körperliche oder psychische Schwächen = Makel
18 Hormonelle, physische, kognitive Invasive Veränderungen Maßnahmen, Medikamente Sensation Kurzfristige vs. seeking Langfristige behavior Motivation (1 Jahr = lange Zeit) Medizinische Klinik und Poliklinik III Identitäts- Findung Körperbildveränderung Der junge Tumorpatient Berufliche Unterbrechung/ Orientierung Abbruch von Ausbildung und Beruf Partnerschaft/ Sexualität neue Fragen / evtl. Überforderung Unabhängigkeit / Autonomie Eingeschränkte Unabhängigkeit / Autonomie Peers Soziale Isolation Familienplanung/ -gründung Butow P Palmer S Pai A et al: Review of adherence-related issues in adolescents and young adults with cancer. JCO 28: , 2010
19 Therapieadhärenz besonderes Thema bei der Betreuung von AYA (Butow et al., 2010; Sawyer et al., 2007) Eine labile psychische Situation und belastende soziale Faktoren können die Therapieadhärenz beeinträchtigen und die Prognose verschlechtern (Butow et al., 2010) Hierzu gehört auch eine größere Risikobereitschaft mit verzögerter Reaktion auf kritische Nebenwirkungen und großzügiger Interpretation vorgegebener Therapieintervalle (Sawyer et al., 2007)
20 Therapieadhärenz hilfreich: klare Informationen Vermittlung von weiteren Informationsquellen Vermittlung von Kontakten zu Gleichbetroffenen ähnlichen Alters gleiche Sprachebene Shared Decision Making (partizipative Entscheidungsfindung) ab dem ersten Arzt-Patient-Kontakt Schaffen einer Vertrauensbasis klare Festlegung der Ansprechpartner aktive, verantwortliche Rolle des Patienten Förderung der altersadäquaten Entwicklung
21 Therapieadhärenz nicht hilfreich: überprotektives Verhalten überkontrollierendes Verhalten eine schematische Behandlung als Kinder oder unreife Erwachsene (Morgan et al., 2010)
22 Psychosoziale Belastung und Lebensalter Der Einfluss des Alters auf krankheitsbezogene Belastung ist unklar. Auf der einen Seite kann die allgemeine Gesamtbelastung durch die Erkrankung bei älteren Patienten zunehmen, auf der anderen Seite können jüngere Patienten mehr Anforderungen berichten. Arndt et al., 2004 fanden, dass jüngere Pat. größere psychosoziale Defizite aufwiesen, mehr unter bestimmten Symptomen litten und häufiger finanzielle Probleme berichteten. Arndt et al. (2004) Quality of Life in Patients With Colorectal Cancer 1 Year After Diagnosis Compared With the General Population: A Population-Based Study, JCO, 22:
23 Betreuungswunsch und Alter Frauen > Männer (1:4 Frauen und 1:10 Männern ) Junge Patienten > ältere Patienten (Merckaert et al., 2010) Kein Zusammenhang zwischen Belastung und Betreuungswunsch Bei Frauen ist Betreuungswunsch assoziiert mit: jüngerem Alter, Hormontherapie, support-seeking coping, Ausmaß der sexuellen Schwierigkeiten Bei Männern ist Betreuungswunsch assoziiert mit: Jüngerem Alter, Berufstätigkeit, support-seeking coping, Stärke der Schmerzen Merckaert et al. (2010), Cancer patients desire for psychological support: prevalence and implications for screening patients Psychological needs. Psycho-Oncology 19:
24 Überweisungsverhalten und Alter 1/3 der Patienten wurden zu PO überwiesen Von den 25% mit Depressionen, wurden weniger als 50% überwiesen Trotz ähnlicher Depressions- und Belastungswerte wurden 100% der jungen Pat. überwiesen, aber nur 22% der älteren Pat Unklar ob, mehr Hilfe bei Anpassungsprozessen bedürfen, jüngere Angebote stärker wahrnehmen, weniger stigmatisierend empfinden Ob jüngere als bedürftiger wahrgenommen werden, dass sie besser profitieren als ältere oder ob Bedarf bei älteren Pat. unterschätzt wird Ellis et al. (2009). Predictors fo Referral for Specialized Psychosocial Oncology Care in patients with metastic Cancer. The Contribution of Age, Distress, and Marital Status. JCO, 27 (5):
25 Verleugnung und Alter 6 von 8 Studien, die den Zusammenhang zwischen Alter und Verleugnung untersuchten fanden, dass jüngere Patienten weniger verleugnen als ältere Patient Jüngere Patienten reden offener über ihre Krebsdiagnose als ältere Patienten 2 Studien fanden keinen Unterschied zwischen jüngeren und älteren Patienten bezüglich Verleugnung. Jüngere Patienten zeigten mehr Vermeidungs-/Fluchtverhalten (behavioural escape) Cohorten-Effekt bzgl. Einstellung zu Psychos Lebensphase: Arbeit, Kinder, Beziehung Vos et al. (2007). Denial in cancer patients, an explorative review, Psycho-Oncology 16:
26 Hilfreich Nicht hilfreich Klare Informationen Gleiche Sprache Urteilsfreie Kommunikation Vertrauen Adäquate Umgebung So normal als möglich adäquate Entwicklung fördernd Paternalistisches Beziehungsmodell Überprotektives oder überkontrollierendes Verhalten Schematische Behandlung als Kind oder reifer Erwachsener Clinicians must aim to deliver the patient safely through their treatment, so that the patient continues his life having grown from his experience rather than feeling less of a person because of it Association for Children s Palliative Care. The Transition Care Pathway, 2007 Morgan S et al. (2010) Sex, drugs and rock n roll: Caring for adolescents and young adults with cancer. JCO 28: 32, p
27 Was ist ein AYA-Netzwerk? Erarbeitung spezieller Versorgungsangebote für junge Krebspatienten University of Pittsburgh Cancer Institute: Onkologie-Programm für AYA Zuordnung der jeweils optimalen Therapieschiene mit altersentsprechenden psychosozialen Unterstützung 2010 in Rostock: AYA-Arbeitsgruppe Pädiater, Gynäkologen, internistisch und hämatologisch ausgerichteten Onkologen, Psychologen Anbindung an Grundlagenforschung und klinischen Studien Projekte bzgl. Management von Nebenwirkungen, Rehabilitation, Umsetzung sozialtherapeutischer Konzepte, Erlebnis- und Eventtherapie.
28 Angebote für junge Tumorpatienten Vital Options: Support For Young Adults With Cancer wurde im Jahr 1983 in den USA ursprünglich als die erste Organisation für junge Erwachsene mit Krebs gegründet. Heute dient Vital Options nicht nur als Ressource für diese besondere Patientengruppe, sondern bietet, unabhängig vom Alter und der Art der Erkrankung, eine Vielzahl von Projekten im Bereich Krebskommunikation für Patienten/innen ebenso wie für ihre Familien, Freunde und im Gesundheitswesen Tätige. deutsche Internetseite von Vital Options International:
29 Angebote für junge Tumorpatienten Ulman Cancer Fund Young Adults with Cancer Der Auftrag des Ulman Cancer Fund Young Adults with Cancer besteht darin, kostenlose Unterstützungsprogramme sowie Aufklärung und Ressourcen für von Krebs betroffene junge Erwachsene, ihre Familien und Freunde zur Verfügung zu stellen und die Bewusstseinsbildung und Vorbeugung von Krebs zu fördern. Young Survival Coalition Als internationales Nonprofit-Netzwerk von Brustkrebsüberlebenden und Unterstützungsanbietern kümmert sich die Young Survival Coalition um die für junge, von Brustkrebs betroffene Frauen spezifischen Sorgen und Probleme. Durch Aktion, Fürsprache und Bewusstseinsförderung will die Young Survival Coalition Aufklärung in den Bereichen Medizin, Forschung, Brustkrebs und Gesetzgebung leisten und Vertreter aus diesen Bereichen davon überzeugen, dass es notwendig ist, Brustkrebs bei Frauen unter 40 aktiv anzusprechen. Zudem ist die Organisation eine Anlaufstelle für junge Frauen, die mit Brustkrebs leben. Netzwerk FertiPROTEKT (Fertilitätserhalt bei AYA)
30 Zusammenfassung I AYA Gruppe ist heterogen gemeinsame Merkmale sind die hohe Heilungschance, die Notwendigkeit zur Auseinandersetzung mit Krebs in einer altersbedingt komplexen, psychosozialen Situation Nebenwirkungen von Krebstherapien sind von großer Bedeutung, da Umgang mit Spätfolgen bzw. Langzeitnebenwirkungen durch längere Lebenserwartung Hohe Wahrscheinlichkeit von Zweitneoplasien
31 Zusammenfassung II Die Fragen und Probleme junger Menschen unterscheiden sich von denen älterer Patienten: Autonomie, Fragen der Selbst- und Fremdwahrnehmung, Fragen bzgl. Fruchtbarkeit und Fortpflanzung, Partnerschaft, Sexualität, Familienplanung Unterstützung durch Ihresgleichen ist oft unzureichend und führt zu einem Gefühl von Isolation und Entfremdung ( wird schon wieder, leben ihr Leben weiter) eruieren, wie das unterstützende Umfeld erlebt wird, ob hilfreich oder nicht, oder teils teils
32 Zusammenfassung III Betreuung anbieten unabhängig von Belastung Systemische Betreuung Klare Information, gleiche Sprache sprechen Paternalistisches Beziehungsmodell und überprotektives oder überkontrollierendes Verhalten eher vermeiden Autonomie fördern
33 To do Interdisziplinärer Ansatz fördern Bildung von regionalen AYA-Kompetenzteams Stärkere Anbindung an Grundlagenforschung und klinische Studien Projekte zu Langfristperspektive: Management von Nebenwirkungen, Rehabilitation
34 Literatur Journal of Clinical Oncology, 2010, 28 (32) Onkologie, 2011, 34 (suppl 5) Leitlinie AYA, Stand: Juni 2011
35 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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