Moscovici (1976 / 1979)
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- Eike Krause
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1 Moscovici (1976 / 1979) Annahmen der klassischen Einflussforschung 1. Sozialer Einfluss (SE) ist ungleich verteilt und wird unilateral ausgeübt 2. SE dient zur Aufrechterhaltung sozialer Kontrolle 3. Abhängigkeitsbeziehungen bestimmen Richtung und Ausmaß von SE 4. Streben nach Reduktion von Ungewissheit 5. Konsens als Folge einer "Norm der Objektivität" 6. Alle Formen von SE werden als Konformität konzipiert
2 Moscovici (1976 / 1979) Moscovicis Gegenposition 1. Jedes Gruppenmitglied ist potentiell Quelle und Empfänger von SE 2. Soziale Veränderung ist ebenso Ziel von SE wie soziale Kontrolle 3. SE als Erzeugung und Lösung vn Konflikten 4. Hauptfaktor des Erfolges von SE ist der Verhaltensstil 5. Objektivitäts-, Präferenz- und Originalitätsnormen 6. Modalitäten des SE: Konformität, Normalisierung, Innovation
3 Grundthese: Neues Forschungsprogramm Da Minderheiten wenig Macht besitzen und kaum normativen Druck ausüben können, müssen sie Konflikt auslösen und die Mitglieder der Mehrheit zur inhaltlichen Auseinandersetzung anregen. Entscheidende Variable: Verhaltensstil synchrone Konsistenz diachrone Konsistenz
4 Moscovici, Lage & Naffrechoux (1969): "Umkehrung" des Asch-Paradigmas Cover Story: Studie zur "Farbwahrnehmung"; Beurteilung der Farbe und Helligkeit von 36 Dias; alle Dias sind blau Jeweils 4 echte Vpn und 2 Vertraute des Vl (die Minderheit); Kontrollbedingung ohne Einfluss Minderheit bezeichnet die Farbe der Dias als "grün"; Variation im Verhaltensstil: konsistent: "Grün" bei allen 36 Dias (Exp. 1 und 2) inkonsistent: "Grün" bei 24 Dias, sonst "blau" (Exp. 3) 2 abhängige Variablen: öffentliche Urteile über die Farbe der Dias (Exp. 1 und 3) privater Test der Farbdiskrimination bei neuen Stimuli im Grenzbereich zwischen Grün und Blau (nur Exp. 2)
5 Ergebnisse von Moscovici, Lage & Naffrechoux (1969)? Direktes Urteil Konsistente Minderheit (Exp ) Inkonsistente Minderheit (Exp. 3) % Vpn mit mindestens 1 Grün -Antwort Mittlere Grün -Quote in % (nicht berichtet) 1.3 Kontrollbedingung Indirektes Urteil: Verschiebung der Diskriminationsschwelle zugunsten "grün" ist signifikant (Problem: nachträglicher Ausschluss von 3 Vpn, die gegenläufige Urteile abgeben) Tendenziell ist der indirekte Effekt größer in den Gruppen, die keinen direkten Einfluss zeigen
6 Folgestudien zum Verhaltensstil der Minderheit Nemeth et al. (1974): Gezieltere Variation der Konsistenz Kontrollbedingung ohne Minderheit Minderheit sagt immer "grün" Minderheit sagt nach Zufall zu 50% "grün" / zu 50% "grün-blau" Minderheit sagt konsistent zu den 50% helleren Dias "grün" / zu den 50% dunkleren "grün-blau" Ergebnis: Signifikanter Einfluss nur bei der letzten Gruppe (vgl. Kelleys Attributionskriterium der Distinktheit) Mugny (1982): Studie zur Einstellungsänderung nach Minderheitseinfluss: Flexibilität vs. Rigidität im Argumentationsstil Ergebnis: Bei gleich hoher Konsistenz und identischen Positionen sind gemäßigt formulierte Minderheitsbotschaften unmittelbar wirksamer als kompromisslos formulierte. Auf indirekten Maßen sind jedoch die rigiden Botschaften mindestens ebenso wirksam!
7 Moscovicis Konversionstheorie (1980) Grundannahme: Minderheiten und Mehrheiten erzeugen Konflikt auf verschiedenen Ebenen und lösen dadurch verschiedene Verarbeitungsprozesse aus. Einflussgruppe Art des Konflikts Prozess Ergebnis Urteilsebene Mehrheit sozial ("why do I not see or think like them?") sozialer Vergleich Anpassung ("compliance") öffentlich, direkt Minderheit inhaltlich ("how can they see what they see, think what they think?") Validierung Konversion ("conversion") privat, indirekt
8 Annahme analog zu Zweiprozesstheorien der Persuasion: Verarbeitung eher oberflächlich (bei Mehrheitseinfluss) oder eher aufwändig und detailliert (bei Minderheitseinfluss) Überprüfung erfordert Erfassung von Effekten auf verschiedenen Ebenen, z.b. öffentlich privat (vgl. Moscovici, Lage & Naffrechoux, 1969) direkt indirekt (z.b. Einstellung zum Zielthema "Schwule im Militärdienst" und ideologisch verwandtem Thema "Waffenkontrolle" bei Alvaro & Crano, 1997) sofort zeitversetzt in Anwesenheit in Abwesenheit der Einflussquelle verbales Urteil "Wahrnehmung" (?)
9 Experimente zum "Nachbildeffekt" (Moscovici & Personnaz, 1980) "Farbwahrnehmung" (wieder blaue Dias); Information, dass 82% (Mehrheit) oder 18% (Minderheit) die Dias als "grün" sähen; Vertraute des Vl antwortet konsistent "grün" Zwei abhängige Variablen: Urteil über die Farbe der Dias (direkt) Urteil über die Farbe des Nachbildes (indirekt) 4 Phasen: 1. Urteile (Dias und Nachbild) privat, vor Einfluss 2. Urteile (nur Dias) öffentlich, nach Einfluss durch die Vertraute 3. Urteile (Dias und Nachbild) privat, Vertraute anwesend 4. Urteile privat, Vp allein
10 Hypothese: Konversion zeigt sich in "veränderter Wahrnehmung", d.h. Minderheit hat stärkeren Einfluss als Mehrheit auf Nachbildurteile in den Phasen 3 und 4 Zur Methode: Nachbild von blau ist gelb-orange, Nachbild von grün ist rot-violett; Vpn beurteilen Nachbild auf einer Skala von 1 = gelb bis 9 = violett
11 Ergebnisse von Moscovici & Personnaz (1980) Quelle: Stroebe et al. (2002)
12 Interpretation und Kritik zu Moscovici & Personnaz (1980) Studie hat heftige Diskussionen ausgelöst und zu mehr Forschung über Ebenen des Einflusses angeregt Trotz hypothesenkonformer Ergebnisse und konzeptueller Replikationen durch Personnaz mehrere Probleme, u.a. Unterschiede in Phase 1 Randomisierungsproblem Alle unabhängigen Replikationsversuche durch andere Forschungsteams sind gescheitert (z.b. Doms & Van Avermaet, 1980; Martin, 1995, 1998; Martin & Hewstone, 2001) In Replikationen ist der Effekt z.t. auch bei Mehrheitseinfluss zu beobachten evtl. Folge von intensiverer Betrachtung der Dias (Martin, 1998)
13 Fazit Moscovicis Theorie selbst ein Beispiel für gelungene Innovation: Neuer Blickwinkel / neue Fragestellungen im Forschungsgebiet SE Eindeutige Belege, dass Minderheiten Einfluss auf Mitglieder der Mehrheit ausüben. Minderheitseeinfluss v.a. auf privater / indirekter Ebene Moscovicis Experimente (v.a. zum Nachbildeffekt) z.t. problematisch.
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