Skript zum 2. Leipziger Seminar vom 10. Februar 2007
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- Dominik Baumann
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1 Skript zum 2. Leipziger Seminar vom 10. Februar 2007 Zu den Aufgaben In Aufgabenserie 4 habt ihr die folgende Aufgabe gelöst: Aufgabe 1 (4.5.B-a) Zeige, dass es in einem gleichseitigen Dreieck einen Fermatpunkt gibt, also einen Punkt, für den die Summe der Abstände zu den Eckpunkten des Dreiecks minimal ist. Einen solchen Punkt gibt es sogar in jedem beliebigen Dreieck. Er heißt Fermatpunkt und ist immer eindeutig bestimmt. Mehr über diesen Punkt und einen allgemeinen Beweis mittels Bewegungsgeometrie könnt ihr in dem Skript vom Treff vom finden: lsgm.uni-leipzig.de/korrespondenzseminar/04-9-sem2.pdf Doch zurück zur Aufgabe: Wie habt ihr das gemacht? Wahrscheinlich habt ihr diesen Punkt sogar richtig angegeben, wie es auch die Musterlösung macht. Damit habt ihr also nicht nur gezeigt, dass dieser Punkt existiert, sondern sogar gesagt, wo er liegt. Eigentlich verlangt die Aufgabenstellung weniger nämlich nur die Existenz. Vielleicht habt ihr Euch ja gefragt, muss es so ein Minimum denn nicht immer geben? Ist es denn nicht ohnehin klar? Dazu wollen wir einmal ein paar Änderungen an der Aufgabe vornehmen. Wir fixieren immer noch ein Dreieck in der Ebene. Der Einfachheit halber nennen wir die Summe der Abstände eines Punktes zu den Ecken des Dreiecks seine Abstandssumme. Doch im Gegensatz zur ursprünglichen Aufgabe wollen wir nicht mehr alle Punkte der Ebene betrachten und schauen, ob es unter diesen einen gibt, dessen Abstandssumme minimal ist. Stattdessen wählen wir jeweils nur eine Teilmenge von Punkten in der Ebene aus. Dabei werden wir sehen, dass es manchmal einen solchen Punkt gibt, manchmal jedoch nicht. Eine endliche Teilmenge Beginnen wir mit einem einfachen Fall: Wir betrachten nur endlich viele Punkte der Ebene und fragen, ob es unter ihnen einen gibt, dessen Abstandssumme minimal ist. Die Antwort ist ja. Die Abstandssummen dieser endlich vielen Punkte können wir ordnen und es gibt darunter immer einen kleinsten Abstand. Vielleicht gibt es
2 mehrere Punkte, die alle diese kleinste Abstandssumme haben, aber es gibt immer mindestens einen. Allgemein können wir sagen: In jeder endlichen (nicht-leeren) Teilmenge der reellen Zahlen gibt es ein Minimum. Man findet es, indem man die Elemente aufsteigend der Größe nach ordnet. Das erste Element ist dann das kleinste. Eine unendliche Teilmenge mit Minimum Gehen wir einen Schritt weiter: Wir betrachten nun alle Punkte der Ebene, deren Abstandssumme zu den Ecken des Dreiecks eine natürliche Zahl ist. Das sind dieses Mal unendlich viele Punkte. Doch auch unter ihnen gibt es einen Punkt mit minimaler Abstandsumme. Warum? Zuerst schauen wir, ob es einen Punkt mit Abstandssumme eins gibt, wenn ja sind wir fertig. Dann ist das ein solcher gesuchter Punkt. Wenn nicht, machen wir mit zwei weiter. Danach mit drei usw. Diese Prozedur endet, da unsere Menge nicht leer ist. So finden wir auch in diesem Fall immer ein Minimum. Eine unendliche Teilmenge ohne Minimum Nehmen wir der Einfachheit halber noch zusätzlich an, dass zum Fermatpunkt unseres Dreiecks die Abstandssumme 1 gehört. Betrachten wir nun alle Punkte, deren Abstandssumme den Wert i für ein i N haben, dann gibt es unter diesen keinen Punkt mit minimaler Abstandssumme. Woran liegt das? Zuerst bemerken wir, dass unsere Annahme, dass 1 die Abstandssumme des Fermatpunktes ist, uns garantiert, dass wir jetzt keine leere Menge von Punkten betrachten. 1 Doch der Fermatpunkt gehört nicht zu unserer Menge. Weiterhin sind alle Abstandssummen größer als Eins. Wir sagen, dass Eins eine untere Schranke ist. Aber wir können beliebig nahe an Eins herankommen. D.h. es gibt keine größere Zahl als Eins, die auch eine untere Schranke für die Abstandssummen der Punkte in unserer Menge ist. Wir sagen: Eins ist die größte untere Schranke, das Infimum. Eins wäre also die Abstandssumme, die wir als Minimum erwarten würden. Sie ist es aber nicht, denn es gibt kein i N, so dass i = 1 ist. Zu unserer zuletzt gewählten Punktmenge gehört demnach kein Minimum, keine minimale Abstandssumme aber ein potentielles Minimum, das Infimum. Kehren wir noch einmal zu unserer zweiten Teilmenge zurück, in der die Abstandssummen natürliche Zahlen waren. Auch dort ist 1 eine untere Schranke allerdings 1 Eigentlich müssen wir hierfür noch zeigen, dass es für jeden Abstand i auch mindestens einen Punkt gibt, der diese Abstandssumme besitzt. Der Grund dafür liegt in einer Eigenschaft des Abstands, die man Stetigkeit nennt. Anschaulich bedeutet dies: Wenn man den Abstand zwischen zwei Punkten betrachtet und einen Punkt ein wenig verschiebt, ändert sich der Abstand auch nur ein wenig.
3 vielleicht nicht die größte. Damit es ein Minimum gibt, muss es immer eine untere Schranke geben. Gäbe es auch negative Abstände und wir hätten ein Minimum über alle ganzzahligen Abstände gesucht, hätten wir mehr Mühe gehabt überhaupt erst mal die Existenz einer unteren Schranke zu zeigen oder es hätte vielleicht gar keine gegeben. Wir haben also gesehen, dass es zumindest von der Menge, über die wir minimieren wollen, abhängig ist, ob ein Minimum (und genau so ein Maximum) existiert. Aufgabe 2 Bestimme für die folgenden Mengen das Infimum und das Minimum, sofern es existiert: {2, 1, 4, 3} alle positiven reellen Zahlen (0 ist keine positive Zahl) Z Spieltheorie Das letzte Mal hatten wir es mit Spielen zu tun, bei denen sich einer der Spieler eine Zugfolge überlegen konnte, mit der er sicher gewinnt. Es gibt aber auch Spiele oder Situationen, bei denen man keine Gewinnstrategie finden kann. Ein einfaches Spiel dieser Art ist Stein-Papier-Schere. Man kann mit jeder Wahl (also Stein, Papier oder Schere) gewinnen, aber es gibt auch immer eine Wahl, die noch besser als die eigene ist. Gegen Papier gewinnt Schere, gegen Schere gewinnt Stein und gegen Stein gewinnt wiederum Papier. Vielleicht habt ihr schon einmal versucht, jemanden bei diesem Spiel zu durchschauen. Dann könnte Euer Gedankengang so abgelaufen sein: Ich habe die letzten drei Male immer Schere gewählt, mein Gegner wird denken, ich wähle wieder Schere und daher Stein wählen. Wenn ich nun aber stattdessen diesmal Papier wähle, gewinne ich! Doch halt, wenn er sich das nun genauso überlegt, dann wird er sicher Schere wählen und ich könnte besser Stein wählen. Wenn er aber auch das ahnt, dann wird er Papier nehmen und dann wäre ja Schere... äh?! Am besten wählt man rein zufällig irgendetwas! Schauen wir uns aber noch ein anderes Beispiel an: Oberst Blotto und sein Gegner stehen am Vorabend einer Schlacht gegeneinander. Beide haben jeweils 100 Einheiten zur Verfügung, die sie auf 10 Territorien aufteilen müssen. Auf jedem Territorium findet ein Kampf statt und es gewinnt derjenige, der die meisten Einheiten auf
4 dem Kampfplatz stationiert hat. Haben dort beide gleich viele Einheiten stationiert, kommt es zum Unentschieden auf diesem Territorium. Die Schlacht hat schließlich derjenige gewonnen, der mehr von den 10 Kämpfen gewonnen hat. Oberst Blotto grübelt schon die ganze Nacht darüber, wie er seine Einheiten verteilen soll. Seine erste Idee war die Einheiten auf diese Art zu verteilen: (10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10) Wenn aber sein Gegner dies vorhersieht, könnte er seine Einheiten wie folgt verteilen und würde gewinnen: (11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 1) Da Oberst Blotto dies auch seinerseits ahnt, könnte er z.b. mit der Verteilung (18, 0, 18, 0, 18, 0, 18, 0, 18, 10) kontern. Aber auch dazu gibt es wieder eine stärkere Aufstellung und dies geht so lange weiter, bis man sich erfolgreich im Kreis gedreht hat. Was also tun? Soll Oberst einfach würfeln, damit der Gegner seine Taktik nicht vorausahnen kann? Andererseits weiß Blotto auch, dass es Aufstellungen von Truppen gibt, die nur unerfahrene Grünschnäbel (... die ihren Clausewitz 2 nicht gelesen haben! ) anordnen würden. So wird man mit der Aufstellung (25, 25, 25, 25, 0, 0, 0, 0, 0, 0) fast immer verlieren, obschon es auch weitaus schlechtere Aufstellungen gibt, mit denen man sogar niemals gewinnen kann. Aufgabe 3 Finde eine Verteilung der Truppen, für die jede Schlacht bestenfalls unentschieden ausgehen kann. Was Oberst Blotto aber auch weiß, ist, dass nichts wichtiger ist, als seine Aufstellung geheim zu halten. Bekäme sein Gegner durch einen Spion seine Aufmarschpläne in die Hände gespielt, wäre das die sichere Niederlage für Blotto. Aufgabe 4 Zeige, dass es für jede Aufstellung eine andere Aufstellung gibt, die stärker ist. Wir haben also zwei Dinge gesehen: Zum einen kann man nicht einfach die stärkste Aufstellung wählen genau wie bei Stein-Papier-Schere. Andererseits sind aber auch nicht alle Aufstellungen gleich stark und hier unterscheidet sich das Spiel von Stein-Papier-Schere. Wie soll man hier handeln? 2 Der Clausewitz steht hier für das einflussreiche Buch Vom Kriege, geschrieben von Carl von Clausewitz ( ), einem preußischen General und Militärstrategen
5 Gleichgewichte finden Wir wollen unsere Betrachtungen ein wenig verallgemeinern und solche Spiele betrachten, bei denen die einzelnen Spieler Punkte bekommen. In einer Spielsituation kann es durchaus vorkommen, dass beide Spiele Punkte bekommen, vielleicht einer mehr, der andere weniger, oder auch beide gleich viele. Wir notieren dies durch (m, n). Das soll bedeuten, dass der erste Spieler m Punkte, der zweite n Punkte erhält. In folgendem Spiel hat Spieler 1 die Wahl zwischen den beiden Strategien A und B (er wählt also zwischen den Zeilen), der zweite Spieler kann zwischen X und Y wählen (also zwischen den Spalten). Die Punkte die beide erhalten lassen sich aus der folgenden Tabelle ablesen: X Y A (10, 10) (15,5) B ( 5, 15) (12,12) Tabelle 1 Welche Strategie wird wohl Spieler 1 geschicktester Weise nehmen (d.h. wenn er möglichst viele Punkte möchte)? Wenn er Stratgie A wählt, erhält er abhängig davon was Spieler 2 wählt entweder 10 oder 15 Punkte. Strategie B führt zu 5 oder 12 Punkten. Wir sehen also folgendes: egal was Spieler 2 wählt, Spieler 1 erhält durch die Wahl von Strategie A immer mehr Punkte als durch die Wahl von Strategie B. Wir sagen auch, dass die Strategie A dominant ist. Der Vorteil einer solchen Strategie ist also noch einmal in aller Deutlichkeit: Spieler 1 braucht sich keine Gedanken zu machen, was Spieler 2 wählt. Die Wahl von Spieler 2 ist für die Wahl seiner Strategie sogar völlig irrelevant, denn Spieler 1 kann sich in keinem Fall verbessern, wenn er statt der Strategie A die Strategie B wählt. Die gleiche Überlegung kann nun auch Spieler 2 durchführen. Aufgrund der Symmetrie des Spiels ist für Spieler 2 die Strategie X am besten er erhält mehr Punkte als mit der Strategie Y. Überlegen also beide Spieler gut, wird Spieler 1 Strategie A wählen, Spieler 2 Strategie X. Dies sieht nicht besonders spektakulär aus, darauf hätte man auch ohne Tabellen kommen können. Aber schauen wir uns einmal ein etwas komplizierteres Spiel an:
6 X Y Z A (4,2) (1,1) (1,0) B (2,1) (1,3) (2,2) C (3,0) (5,2) (0,3) Tabelle 2 Wir sehen zunächst, dass keine Strategie die absolut beste ist. Abhängig davon, was Spieler 2 wählt, ist immer eine andere Strategie die beste Wahl. Spieler 1 könnte nun vielleicht wie folgt überlegen: Ich wähle C, denn das liefert mir bis zu 5 Punkte. Andererseits ist mein Gegner schlau, er wird voraussehen, dass ich C wähle und deswegen Z wählen um möglichst viele Punkte (nämlich 3) zu bekommen. Wenn er also Z wählt, dann ist ja schon klar, dass ich B wählen sollte. Nun könnte aber auszuschließen ist es nicht mein Gegner ebenfalls diese ganze Überlegung gemacht haben. Und daher könnte er zu dem Schluss gekommen sein, dass ich B wähle. Seine beste Antwort darauf wäre aber Y und jetzt habe ich ihn! Denn wenn er Y wählt, wähle ich C und bekomme 5 Punkte! Hm, Moment, aber ich wollte doch vorhin schon C wählen. Aber da mein Gegner dies ahnen könnte, wollte ich, äh...?! Wir geraten hier also ähnlich wie schon bei Stein-Papier-Schere in einen Zirkel. Also sollte Spieler 1 wieder einfach würfeln? Das könnte er natürlich tun, aber es geht besser! Es gibt hier zwar keine dominante Strategie wie in dem vorhergehenden Spiel, aber es gibt so etwas wie eine dominanten Strategie oder ein sogenanntes Nash-Gleichgewicht 3 (oder auch nur Gleichgewicht ): Ein Nash-Gleichgewicht stellt eine Wahl von Strategien dar (für jeden Spieler eine), so dass sich kein Spieler verbessern kann, indem er allein eine andere Strategie für sich wählt. Wir sagen auch, dass sich kein Spieler durch einseitiges Wechseln verbessern kann. Das ist nicht ganz einfach zu verstehen, deswegen schauen wir uns das Nash- Gleichgewicht in unserem Spiel genauer an. Es besteht aus den beiden Strategien A und X, wir sagen auch kurz, dass (A, X) ein Gleichgewicht ist. Warum ist das ein Gleichgewicht? Angenommen nun Spieler 2 hält an Strategie X fest. Wechselt nun Spieler 1 von Strategie A zu Strategie B oder C, so erhält er nur 2 bzw. 3 Punkte statt 4 Punkte, d.h. er kann sich nicht verbessern. Hält 3 nach John Forbes Nash Jr. (geboren 1928), US-amerikanischer Mathematiker
7 umgekehrt Spieler 1 an Strategie A fest, so kann sich Spieler 2 durch Wechseln zur Strategie Y oder Z ebenfalls nicht verbessern. Das besondere an einem Gleichgewicht ist, dass es bei der Analyse nicht in einen Zirkel führt. Spieler 1 könnte also wie folgt überlegen: Angenommen ich wähle A. Wenn das aber mein Gegner ahnt, wird er X wählen. Also sollte ich dann... Ach! Dann wähle ich trotzdem A. Genauso geht es auch Spieler 2: Angenommen ich wähle X. Wenn mein Gegner dies vorhersieht, wird er natürlich A wählen. Wenn er aber A wählt, dann ist es für mich ja besser... oh, doch nicht! Dann bleibe ich bei X. Aufgabe 5 Überzeuge dich davon, dass keine anderen Kombination von Strategien ein Nash-Gleichgewicht darstellt. Gib dazu für jede Kombination an, welcher der beiden Spieler durch einseitiges Wechseln seiner Strategie mehr Punkte machen kann. Aufgabe 6 Überzeuge dich, dass auch in Tabelle 1 die Kombination (A, X) das einzige Nash-Gleichgewicht ist. Ein Wort der Warnung: Ein Nash-Gleichgewicht muss nicht der beste Spielausgang sein. In Tabelle 1 z.b. führt die Wahl (B, Y ) für beide Spieler zu mehr Punkten als das Gleichgewicht (A, X). Ein Nash-Gleichgewicht ist lediglich stabil unter solchen Überlegungen wie oben, genau darin liegt seine Stärke. Wie findet man nun Nash-Gleichgewichte? Ein Algorithmus ist der folgende: Man bestimmt zunächst für jeden Spieler, welche Strategie die beste wäre, falls die Strategie des Gegners bekannt ist. Für Tabelle 2 sieht das so aus: Wählt Spieler 2 X Y Z so wählt Spieler 1 A C B Für Spieler 1 sind also folgende Kombinationen von Strategien wünschenswert: (A, X), (C, Y ) und (B, Z). Umgekehrt gilt aus der Sicht von Spieler 2: Wählt Spieler 1 A B C so wählt Spieler 2 X Y Z Für Spieler 2 sind also die Kombinationen: (A, X), (B, X) und (C, Z) wünschenswert. Nur die Kombination (A, X) taucht in der Liste beider Spieler auf und genau dies ist das Nash-Gleichgewicht. Aufgabe 7 Finde für folgendes Spiel das Nash-Gleichgewicht:
8 X Y Z A (6,6) (8,20) (0,8) B (10,0) (5,5) (2,8) C (8,0) (20,0) (4,4) Aufgabe 8 Stelle eine ähnliche Tabelle für Stein-Papier-Schere auf. Überzeuge dich davon, dass es kein Nash-Gleichgewicht gibt. Gemischte Strategien Wir wollen uns nun noch ein eher praxisnahes Spiel anschauen, das oft Kampf der Geschlechter genannt wird. Die Geschichte dazu ist folgende: Ein Mann und eine Frau haben sich für eine bestimmte Zeit verabredet, konnten sich aber nicht mehr einigen, wohin sie gehen wollen. Zur Auswahl stand ein bestimmtes Fußballspiel (das schlug der Mann vor) und eine bestimmte Oper (das schlug die Frau vor). Dummerweise haben die beiden vergessen sich zu einigen und können sich nun nicht mehr erreichen. Jeder muss für sich allein entscheiden, ob er zum Fußballspiel geht oder in die Oper. Dabei ist es für beide nicht so wichtig, wo sie sich nun treffen, sondern wichtiger ist, dass sie sich überhaupt treffen. Trotzdem würde der Mann die Frau lieber beim Fußballspiel treffen, die Frau den Mann lieber in der Oper. Am schlechtesten ist die Variante, wenn er in die Oper und sie zum Fußball geht. Wir können dies in einer Tabelle z.b. so darstellen: Frau geht in die Oper Frau geht zum Fußball Mann geht in die Oper (3, 5) (0, 0) Mann geht zum Fußball (1, 1) (5, 3) Wir prüfen schnell, dass sowohl der Spielausgang (3,5) als auch der Spielausgang (5,3) ein Nash-Gleichgewicht ist. Was tun wir hier? Genau wie bei Stein-Papier- Schere wählen wir Strategien zufällig. Eine solche Strategie, die daraus besteht, mal diese und mal jene Strategie zu wählen, heißt gemischte Strategie. Sie wird dadurch charakterisiert, mit welcher Wahrscheinlichkeit die einzelnen Strategien gewählt werden. Wie die Wahrscheinlichkeiten aber anzusetzen sind, müssen wir berechnen. Dazu wähle der Mann Oper mit der Wahrscheinlichkeit p und Fußball mit der Wahrscheinlichkeit 1 p. Entsprechende wähle die Frau Oper bzw. Fußball mit der Wahrscheinlichkeit q bzw. 1 q. Die (gemischte) Strategie des Mannes besteht
9 also aus einer Wahl von p [0, 1], die Strategie der Frau besteht aus der Wahl von q [0, 1]. Wir wollen die Punkte m berechnen, die der Mann für festes p und q im Durchschnitt bekommt. Z.B. bekommt er 3 Punkte mit der Wahrscheinlichkeit pq (beide gehen in die Oper), einen Punkt mit der Wahrscheinlichkeit (1-p)q (er geht zum Fußball, sie in die Oper), usw.: m = 3pq + 0p(1 q) + 1(1 p)q + 5(1 p)(1 q) = 3pq + q pq + 5 5p 5q + 5pq = (7q 5)p 4q + 5 Ebenso erhalten wir für die Punkte f der Frau: f = 5pq + 0p(1 q) + 1(1 p)q + 3(1 p)(1 q) = 5pq + q pq + 3 3p 3q + 3pq = (7p 2)q 3p + 3 Wir wählen nun p und q so, dass die Klammerausdrücke in den jeweils letzten Zeilen zu Null werden, d.h. p = 2 7, q = 5 7 Dies ist ein Nash-Gleichgewicht, aber warum? Nun, es gilt genau das gleiche wie vorher: Wählen beide diese Wahrscheinlichkeiten, so kann sich der Mann nicht verbessern, indem er einen anderen Wert für p wählt, denn mit q = 5/7 kommt p ja in der Formel zur Berechnung seiner Punkte gar nicht mehr vor! Dies gilt umgekehrt auch für die Frau: Wählt der Mann p = 2/7, kann sie sich durch keine andere Wahl von q verbessern, denn in der Formel zur Berechnung ihrer Punkte kommt ja diesmal q gar nicht mehr vor. Spielen beide dieses Spiel nun häufiger mit diesen Wahrscheinlichkeiten, so lässt sich auch ausrechnen, wie viele Punkte der Mann und die Frau im Schnitt bekommen. Dies tut man einfach, indem man die entsprechenden Werte für p und q die die Formel einsetzt, also: m = f = 15 2, 14 7 Da das Spiel symmetrisch aufgebaut ist, erhalten beide Spieler gleichviele Punkte im Nash-Gleichgewicht, aber es gibt auch Spiele, wo dies nicht so ist. Ein kleiner philosophischer Einschub: Dieses Beispiel hat natürlich nur sehr beschränkte praktische Anwendung. Normalerweise haben Menschen ja keine so klare Vorstellung davon, wie gern sie etwas tun. Warum z.b. bekommt der Mann einen Punkt, wenn er allein im Fußballstadium sitzt, und nicht etwa 2 oder π?
10 Aber selbst wenn beide Spieler ihre Präferenzen ganz genau mit Werten belegen könnten, so setzt die obige Analyse ja auch noch voraus, dass beide Spieler die Präferenzen und Punkteverteilungen des anderen Spielers kennen. Das ist eine sehr starke Forderung! Trotzdem gibt es praktische Anwendungen für die Spieltheorie. Zum einen könnten die Punkte bekannt sein, weil es einfach Geldbeträge sind, die man in einem Spiel gewinnen kann. Andererseits könnten die Punkte auch bestimmte statistisch erhobene Werte sein oder durch bestimmte Mechanismen (z.b. biologische) festgelegt sein. Was passiert eigentlich wenn man eine gemischte Strategie für das Spiel aus Tabelle 1 aufstellen möchte? Wir haben ja gesehen, dass es dort ein Nashgleichgewicht gibt. Es sollte daher nichts Neues herauskommen. Aufgabe 9 Berechne eine gemischte Strategie für das Spiel aus Tabelle 1 und überzeuge dich davon, dass die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten 0 oder 1 sind. Aufgabe 10 Berechne für folgendes Spiel eine gemischte Strategie. Wie viele Punkte erhält jeder Spieler im Nash-Gleichgewicht durchschnittlich? X Y A ( 2, 0) ( 0, 1) B ( 0, 9) ( 2, 0) Wir haben gesehen, dass in verschiedenen Spielen bestimmte Strategiekombinationen ein Nash-Gleichgewichte bilden (siehe z.b. Tabelle 1 und 2). Trotzdem gibt es Spiele, die kein solches Nash-Gleichgewicht haben (z.b. Stein-Papier-Schere), oder aber mehr als nur eins (z.b. Kampf der Geschlechter). Bei solchen Spielen sind wir zu gemischten Strategien übergegangen und haben Nash-Gleichgewichte von gemischten Strategien gefunden. Klappt das nun immer? Um diese Frage begründet zu beantworten, müsste man etwas tiefer in die Spieltheorie einsteigen. Man findet dann die Antwort meist ja. Zumindest für Spiele der Art, die sich wie hier durch eine einfache Tabelle darstellen lassen, gibt es immer ein Nash-Gleichgewicht, notfalls aus gemischten Strategien. Noch einmal zurück zu Blotto: Da es keine beste Truppenverteilung gibt, müsste man also auch hier eine gemischte Strategie suchen. Dabei wird man aber nicht alle Strategien mischen, sondern nur die, die gegen besonders viele andere Strategien gewinnen.
11 Allerdings ist aufgrund der Größe des Spiels kaum per Hand festzustellen, welche Stategien überhaupt die stärksten sind. Dafür würde man wohl eher Computer bemühen. Tatsächlich hat man dies sogar versucht. Auf der (englischsprachigen) Website pmt6jrp/personal/blotto.html wird von einem Wettbewerb berichtet, bei dem verschiedene Teilnehmer eine Strategie einschicken konnten. All diese Strategien haben dann gegeneinander gespielt. So lange aber nicht alle Strategien, die überhaupt möglich sind, gegeneinander spielen, kann auch so ein Versuch keine definitive Aussagen liefern. Kleine Varianten von Oberst Blotto, z.b. mit 6 Einheiten und 3 Territorien, lassen sich aber durchaus vollständig mit dem Computer analysieren. Vielleicht hast du schon Erfahrung im Programmieren und hast Lust, selbst ein entsprechendes Programm zu schreiben? Formulierungsecke Es existiert und für alle Formuliere die folgenden Sätze bzw. Satzanfänge so um, dass sie entweder mit Es existiert oder für alle beginnen: Beispiel: Die Elemente von M erfüllen... Für alle Elemente aus M gilt... Ein rechtwinkliges Dreieck erfüllt den Satz des Pythagoras. Einige natürliche Zahlen haben mehr als zwei Teiler. Jeder Winkel lässt sich mit Zirkel und Lineal in drei gleiche Teile teilen. Vergleiche die Bedeutungen der folgenden Sätze! Sind sie wahr oder falsch? Für alle natürlichen Zahlen n existiert eine reelle Zahl m mit n m = 1. Es existiert eine reelle Zahl m, so dass für alle natürlichen Zahlen n gilt: n m = 1. Erklärung Ein rechtwinkliges Dreieck erfüllt den Satz des Pythagoras. bedeutet dasselbe wie Für alle rechtwinkligen Dreiecke gilt der Satz des Pythagoras.. Solche Allaussagen verstecken sich oft hinter anderen Formulierungen. Dazu gehören u.a.: Jedes Element erfüllt..., Sei ein beliebiges Element gegeben. und Ist m M, so gilt.... So ist Jeder Winkel lässt sich mit Zirkel und Lineal in drei gleiche Teile teilen. gleichbedeutend mit Für alle Winkel gibt es eine Konstruktion mit Zirkel und Lineal, die diesen in drei gleich große Teile teilt..
12 Im Gegensatz dazu ist Es existiert bzw. Es gibt eine reine Existenzaussage. Der Satz Es existiert ein rechtwinkliges Dreieck, für welches der Satz des Pythagoras gilt. ist wahr, aber er verrät weniger als die obige Aussage. Diese sagt, dass der Pythagoras sogar für alle rechtwinkligen Dreiecke gilt. Man sagt dann auch, dass dieser Satz schwächer als die zugehörige Allaussage ist. Existenzaussagen treten auch in verschiedenen Formen auf: Für einige Elemente gilt oder Für ein geeignetes x gilt. So ist Einige natürliche Zahlen haben mehr als zwei Teiler. dasselbe wie Es gibt natürliche Zahlen mit mehr als zwei Teilern.. Der zweite Teil der Formulierungsecke beschäftigt sich mit der Verknüpfung beider Aussagetypen: Für alle... existiert und Es existiert ein..., so dass für alle. Für alle natürlichen Zahlen n existiert eine reelle Zahl m mit n m = 1. sagt, dass jede natürliche Zahl ein reelles Inverses besitzt. Wo ist der Unterschied zu Es existiert eine reelle Zahl m, so dass für alle natürlichen Zahlen n gilt: n m = 1.? Dieser Satz würde bedeuten, dass es eine reelle Zahl gibt, die das Inverse jeder beliebigen natürlichen Zahl ist. Das ist sicher eine falsche Aussage, eine solche Zahl gibt es nicht. Die erste Aussage ist hingegen wahr. Die Reihenfolge ist also wichtig! Bei Für alle (oder für jede) natürliche Zahl gibt es eine reelle Zahl... kann es für jede natürliche Zahl eine andere reelle Zahl geben. In der Aussage Es gibt eine reelle Zahl, so dass für alle natürlichen Zahlen... steht die eine reelle Zahl schon Anfang fest und muss den Test gegen alle natürlichen Zahlen alleine bestehen. Anworten auf alle Fragen und Lösungen zu den Aufgaben, die offen geblieben sind, könnt Ihr uns gern zuschicken. Am besten an oder per an Andreas Nareike Eilenburger Straße Delitzsch nadgr@gmx.de oder andreas.nareike@gmx.net Natürlich nehmen wir auch Eure Fragen, Ideen und Anregungen zu diesen oder anderen Themen gern entgegen. Nadine Große und Andreas Nareike
b liegt zwischen a und c.
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