Unterkriechen und Umgehen dreidimensionaler Schutzräume an Maschinen
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- Erica Schwarz
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1 Unterkriechen und Umgehen dreidimensionaler Schutzräume an Maschinen Passen die normativen Anforderungen auf moderne Schutzeinrichtungen wie Kamerasysteme? Michael Hauke, Birgit Naber, Michael Huelke, Thomas Bömer, Markus Koppenborg, Sankt Augustin Ausreichende Sicherheitsabstände schützen Bediener vor Gefährdungen an Maschinen. Ihre technische Umsetzung erfolgt z. B. durch berührungslos wirkende Schutzeinrichtungen (BWS), die je nach Technologie unterschiedlich geformte Schutzbereiche überwachen können. Die aktuellen normativen Vorschriften beziehen sich nur auf BWS mit ein- oder zweidimensionalem Schutzfeld (z. B. Lichtschranken, Laserscanner). Neuartige BWS, z. B. Kamerasysteme, zeichnen sich durch dreidimensionale Schutzräume aus, die flexibel an die Gefährdungsbereiche angepasst werden können. Wegen unvermeidbarer Messfehler ist aber ein Mindestabstand zu festen Begrenzungen wie Boden oder Wände einzuhalten. Ergibt sich hier eine Lücke, die ein unbemerktes Umgehen des Schutzraumes ermöglicht? Diese Fragestellung wurde mit 43 Schülerprobanden und einer höhenverstellbaren Messeinrichtung systematisch untersucht. Schutzräume in der normativen Maximalhöhe von 300 mm über dem Boden konnten von der Mehrheit der Probanden auch auf 2 m Länge unbemerkt unterkrochen werden. Ähnliche Ergebnisse zeigte das seitliche Umgehen entlang einer Wand. Dieser Beitrag soll die Diskussion der Ergebnisse hinsichtlich ihrer Relevanz für die betriebliche Praxis und norma tiver Klarstellungen anregen. Berührungslos wirkende Schutzeinrichtungen (BWS) werden ein - gesetzt, um Gefährdungsbereiche an Maschinen abzusichern (Bild 1). Die Norm DIN EN ISO [1] regelt die Anordnung von Schutzeinrichtungen Bild 1 Bodenfreiheit dreidimensionaler Schutzräume (H = maximale Bodenfreiheit, S = Sicherheitsabstand). und die erforderlichen Sicherheitsabstände S, ist aber bisher weitgehend auf BWS mit ein- oder zweidimensionalem Schutzfeld (Lichtschranke, Lichtgitter, Laserscanner usw.) ausgerichtet. Moderne, kamerabasierte BWS können auch dreidimensionale Schutzräume überwachen. Diese Schutzräume müssen für eine hinreichende Verfügbarkeit aber einen Mindestabstand zu festen Begrenzungen wie Boden, Wände oder Zäune einhalten: Unvermeidbare prinzipbedingte Messfehler würden sonst die Begrenzungen als Objekte im Schutzraum erscheinen lassen und zu Fehlauslösungen führen. Der Abstand H zwischen Schutzraumgrenze und fester Begrenzung muss aber so klein gewählt werden, dass kein Unterkriechen oder seitliches Umgehen des Schutzraums möglich ist. Sonst ist ein unerkanntes Umgehen des Schutzraums in Richtung auf die Gefahrstelle nicht auszuschließen. Weitere Normen [2; 3], die ähnliche Anforderungen für trennende Schutzeinrichtungen festlegen, sind in Bild 1 und Tabelle 1 aufgeführt. 38 Technische Sicherheit Bd. 4 (2014) Nr. 7/8 - Juli/August
2 Tabelle 1 Übersicht über aktuelle normative Anforderungen. Referenz Anwendung Anforderung DIN EN ISO 13855, Abschnitt a) [1] DIN EN ISO 13857, Tabelle 7, Anmerkung [2] DIN EN ISO 11161, Abschnitt [3] Lichtgitter, maximale Höhe H des niedrigsten Lichtstrahls über der Bezugsebene, z. B. dem Boden feststehende trennende Schutzeinrichtungen, Hindurchreichen durch schlitzförmige Öffnungen Integrierte Fertigungssysteme, Konstruktion von Schutzeinrichtungen H = 300 mm für industriellen Bereich (Personen ab 14 Jahren), H = 200 mm für öffentlichen Bereich (auch Kinder bis 14 Jahre) Schlitzförmige Öffnungen mit einer Breite größer 180 mm erlauben den Zugang des ganzen Körpers. Der Abstand zwischen trennenden Schutzeinrichtungen und Boden darf 200 mm nicht überschreiten. Höhe H in mm Länge = 0,2 m Länge = 2,0 m Messung Messung 3. Messung Messung 5. Messung Messung 7. Messung Messung Im Auftrag der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM), Prüf- und Zertifizierungsstelle Hebezeuge, Sicherheitskomponenten und Maschinen, untersuchte das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) folgende Fragestellungen: Kann der Abstand H zwischen Schutzraum und fester Begrenzung wie Boden, Wände oder Zäune für neuartige BWS mit dreidimensionalem Schutzfeld angehoben werden? Die Anhebung basiert auf der zu überprüfenden Annahme, dass das Unterkriechen eines ausgedehnten Schutzfeldes schwieriger als das Unterkriechen eines Lichtstrahls ist. Bild 2 Anordnung der Bahnen und Versuchsablauf. Tabelle 2 Versuchs - schema der Schutzfeldlängen und -höhen. Welche Bewegungsgeschwindigkeit (Kriech- oder Umgehungsgeschwindigkeit) muss dabei angenommen werden? Die Bewegungsgeschwindigkeit ist aus folgendem Grund relevant: Dem eigent - lichen Schutzraum, in dem Objekte mit ausreichender Detektionswahrscheinlichkeit erkannt werden, ist der sog. Toleranzbereich vorgelagert. Dort werden Objekte nur mit unzureichender Wahrscheinlichkeit erkannt. Die statistische Streuung der Sensordaten führt dazu, dass ein Objekt, das länger im Toleranzbereich verweilt, mit höherer Wahrscheinlichkeit erkannt werden kann. Für die statistische Betrachtung ist die anzunehmende Bewegungsgeschwindigkeit und daraus folgende Verweildauer im Toleranzbereich daher ein wichtiger Parameter. Unterkriechen Das Unterkriechen von Schutzräumen wurde in einer Voruntersuchung mit zehn Erwachsenen aus dem IFA und in einer anschließenden Hauptuntersuchung mit 43 Jugendlichen (zwei Schulklassen) im Alter von mindestens 14 Jahren (Worst Case nach DIN EN ISO 13855, Abschn. 1, Anm. 2) durchgeführt. Die Probanden stellten sich der Aufgabe, Schutzräume mit zwei unterschiedlichen Längen in fünf immer kleiner werdenden Höhen zu unterkriechen. Die Ausdehnung des zu unterkriechenden Schutzfeldes in der Bewegungsrichtung (im Folgenden Schutzraumlänge genannt) wurde in zwei Varianten gemessen: 0,2 m als minimale sinnvolle Schutzraumlänge: Aktuelle kamerabasierte 3D-BWS besitzen ein Detektionsvermögen von 200 mm, d. h. Objekte mit einer Ausdehnung von mindestens 200 mm werden sicher erkannt (Personenerkennung). 2,0 m als maximale Schutzraumlänge orientiert sich an der Körperlänge des Menschen: Bei noch größeren Längen wiederholt sich der Bewegungsablauf beim Unterkriechen, sodass keine grundsätzlich anderen Ergebnisse erwartet werden. Für die Hauptuntersuchung wurde das in Tabelle 2 dargestellte Schema mit acht Durchgängen bei steigendem Schwierigkeitsgrad ausgewählt. Ein möglicher Trainingseffekt wurde bewusst toleriert, da damit auch in der betrieblichen Praxis zu rechnen ist. Die Aufgabe, das Schutzfeld zu unterkriechen, sollte in erster Priorität ohne Schutzfeldverletzung und in zweiter Priorität mit möglichst hoher Kriechgeschwindigkeit durchgeführt werden. Technische Sicherheit Bd. 4 (2014) Nr. 7/8 - Juli/August 39
3 Maschinensicherheit Bild 3 Untersuchungsaufbau in der Gymnastikhalle einer Schule. Der Versuchsablauf ist in Bild 2 skizziert: Auf Bahn 1 ist die Startposition gezeigt, Bahn 2 zeigt den Zieleinlauf bei 0,2 m Schutzfeld, Bahn 3 bei 2,0 m Schutzfeld. Bild 3 zeigt den Untersuchungsaufbau bei der Hauptuntersuchung. Damit konnten drei parallele Bahnen mit separater optischer und akustischer Rückmeldung (Rundumleuchten und Summer) umgesetzt werden. Verschwand die Verletzung während der Messung, so erlosch auch die Signalisierung (automatischer Reset). Neben der Verkürzung der Messzeit ergab sich durch das gleichzeitige Kriechen eine Wettbewerbssituation, die die Probanden zusätzlich motivierte. Für die erforderliche Ebenenüberwachung wurde als Messeinrichtung ein Laserscanner (Sick AG Waldkirch, Typ LMS ) auf einem in der Höhe verfahrbaren Stativ ausgewählt (Bild 4). Der Messaufbau bot folgende Vorteile: automatische Flächenüberwachung mit einer Ebenentreue von ± 15 mm, Mitschreiben Bild 4 Höhenverstellbarer Laserscanner mit Screenshot der Auswertesoftware. der Schutzfeldverletzungen, Umschalten der Schutz- automatisches raumlänge, präzise Höhenverstellung über elektrisch verfahrbare Säulen. An einem separaten PC (in Bild 3 rechts) wurden die Zeitpunkte des gemeinsamen Starts und des individuellen Zieleinlaufs manuell protokolliert, um daraus die Kriechgeschwindigkeit zu ermitteln. Im Vergleich zu Industriefußböden an Maschinenarbeitsplätzen war das Kriechen auf dem Hallenboden in der Schule einfacher und angenehmer. Die hier ermittelten Ergebnisse stellen also eher eine Abschätzung zur sicheren Seite für reale Industrieumgebungen dar. Seitliches Umgehen In einem zweiten Schritt erfolgte mit den Probanden aus dem IFA eine Erweiterung auf das seitliche Umgehen zwischen Schutzraum und feststehenden vertikalen Begrenzungsebenen wie Wände und Schutzzäune. Das seitliche Umgehen wurde im IFA entlang einer senkrechten mit Holz verkleideten Wand durchgeführt (Bild 5). Entsprechend dem Abstand zwischen Schutzraum und Boden beim Unterkriechen ( Höhe ) wurde hier der Abstand zur Wand ( Breite ) mit gleichen Werten wie in Tabelle 2 gezeigt variiert. Dazu wurde der Laserscanner auf einer optischen Bank im rechten Winkel zur Wand montiert. Für die Messung der Umgehungsgeschwindigkeit starteten die Probanden stehend mit dem Rücken an der Wand gelehnt unmittelbar vor der Startlinie. Je nach Schutzfeldlänge endete die Messung nach Erreichen einer Zielmarke in 1,0 oder 2,5 m Abstand von der Startlinie (Start- und Ziellinien sind in Bild 5 blau markiert). Um mögliche Beeinflussung beim Unterkriechen und seitlichen Umgehen durch die Körperstatur und die Sportlichkeit zu kontrollieren, wurden die Körperhöhe mithilfe eines Anthropometers und der Taillenumfang mithilfe eines Messbands nach DIN [4] gemessen. Zusätzlich wurde ein Fragebogen zur Sportlichkeit mit Fragen zur Selbsteinschätzung von Freude am Sport, zur Sportlichkeit und zur Beweglichkeit, aber auch eine Abfrage aktiv praktizierter Sportarten nach Häufigkeit und Organisation ausgefüllt. Nähere Informationen zum Fragebogen und den jeweiligen Ergebnissen sind beim IFA verfügbar. Probandenkollektive Bild 5 Messaufbau beim seitlichen Umgehen und Screenshot der Auswertesoftware. 40 Die zehn IFA-Probanden, d. h. die Probanden der Voruntersuchung des Unterkriechens und des seitlichen Umgehens, waren männlich und im Durchschnitt 179 cm (Minimum: 170 cm, Maximum: 193 cm) groß. Die Größe der Probanden liegt nach DIN [5] über dem 50. Perzentil von 175 cm der Technische Sicherheit Bd. 4 (2014) Nr. 7/8 - Juli/August
4 Maschinensicherheit Bild 6 Körperhöhe und Taillenumfang der Probanden in der Hauptuntersuchung (Perzentile). Wohnbevölkerung Deutschlands. Das durchschnittliche Gewicht der Probanden betrug 77,7 kg (Minimum: 61 kg, Maximum: 86 kg), dies liegt nach DIN unter dem 50. Perzentil von 79 kg. An der Hauptuntersuchung nahmen 43 Probanden teil, davon 24 männlich, 19 weiblich, im Alter von 14 bis 17 Jahren ( 15,4 ± 0,7 Jahre) aus zwei unterschiedlichen 9. Klassen (NA= 24; NB =19) einer Schule, die sich in der Nähe des Instituts für Arbeitsschutz in Sankt Augustin befindet. Die individuellen Werte für die Körperhöhe und den Taillenumfang wurden mit Referenzwerten anthropometrischer Maßzahlen für Kinder und Jugendliche in Deutschland (KIGGS, 2013) [6] aus der jeweiligen Altersgruppierung verglichen. Die daraus entstandenen Verteilungen der Perzentilwerte werden in Bild 6 dargestellt und zeigen eine repräsentative Stichprobe, die verglichen mit der Grundgesamtheit (schwarze Linie) ein wenig zu klein ist (dunkelblaue Säulen) und einen leicht größeren Taillenumfang aufweist (hellblaue Säulen). Die Probanden aller Untersuchungen verhielten sich durchgängig sehr kooperativ und diszipliniert. Lediglich bei H = 250 und 200 mm brachten einige Probanden, die für sich keine Chance mehr sahen, diese niedrigen Höhen zu unterkriechen, den Durchgang möglichst schnell hinter sich. Die Teilnahme von zwei Parallelklassen führte zu einem Wettbewerbscharakter, der für zusätzliche Motivation bei den Probanden sorgte. wohl sporadische Reißer als auch ein deutlich zu beobachtender Trainingseffekt wirksam. In Bild 7 wird daher über die verschiedenen Untersuchungen für jeden Probanden individuell dargestellt, bis zu welcher Höhe ein unbemerktes Unterkriechen oder Umgehen des Schutzfeldes noch möglich war. Die Differenzierung nach der Schutzfeldlänge erfolgt dabei über die Einfärbung: Hellblau bedeutet, dass bei der entsprechenden Höhe nur die kleine Schutzfeldlänge gemeistert wurde, dunkelblau heißt, dass die große Schutzfeldlänge gemeistert wurde. Oberhalb von 350 mm traten in allen Untersuchungen fast keine Schutzfeldverletzungen auf. In der Voruntersuchung setzten Schutzfeldverletzungen erst bei einer Verringerung der Höhe auf 350 mm ein. Acht der zehn Probanden unterkrochen eine Höhe von 300 mm auf einer Länge von 0,2 m ohne Schutzfeldverletzungen, davon nur noch vier die gleiche Höhe auf 2 m Länge. Ein Proband von den vier schaffte auch 250 mm Höhe und 0,2 m Länge. In der Hauptuntersuchung zeigte sich deutlich, dass fast alle Probanden (41 von 43) in der Lage waren, H = 300 mm zu unterkriechen. Auch H = 250 mm stellte für die Mehrzahl (29 von 43) kein Hindernis dar. Erst die Absenkung auf H = 200 mm führte dazu, dass nur noch ein Proband beim Unterkriechen erfolgreich war. Dieser Proband zeichnete sich durch außergewöhnlich kleine Körpermaße aus. Die Ergebnisse beim seitlichen Umgehen ähneln dem Unterkriechen sehr stark. Eine Lücke von 300 mm wird von neun der zehn Probanden unbemerkt seitlich umgangen. 250 mm schaffen immerhin noch zwei Erwachsene, 200 mm schließlich keiner mehr. Zusätzlich zur deskriptiven Darstellung der Schutzfeldverletzungen wurden varianzanalytische Berechnungen durchgeführt, die in [7; 8] ausführlicher dargestellt sind. Dauer und Ort der Schutzfeldverletzungen In der Hauptuntersuchung und beim seitlichen Umgehen wurden die Schutzfeldverletzungen hinsichtlich ihrer Dauer genauer analysiert. Dabei zeigte sich, dass mit steigendem Schwierigkeits- Schutzfeldverletzungen Es kam öfter vor, dass ein Proband nach einem Durchgang mit Schutzfeldverletzung bei einem späteren, schwierigeren Durchgang (geringere Höhe oder größere Länge) keine Schutzfeldverletzung mehr hervorrief. Hierbei waren so- Bild 7 Kleinste individuell gemeisterte Höhe oder Breite. Technische Sicherheit Bd. 4 (2014) Nr. 7/8 - Juli/August 41
5 grad (geringerer Abstand, größere Schutzraumlänge) auch der Anteil längerer Schutzraumverletzungen anstieg. Bei H = 200 mm verletzten 42 der 43 Jugendlichen das Schutzfeld mindestens 2 s lang. Nur ein Proband blieb ganz ohne Schutzfeldverletzung. Die kovarianzanalytische Auswertung der Ergebnisse zeigte, dass die Dauer der Schutzfeldverletzung insbesondere durch die Schutzfeldhöhe, die Schutzfeldlänge und den Taillenumfang geprägt ist. Das bedeutet, dass die Probanden mit einem größeren Taillenumfang mit niedrigerer Schutzfeldhöhe und weiterer Schutzfeldlänge das Schutzfeld länger verletzt haben. Waren die Personen körperlich in der Lage unter dem Schutzfeld durchzupassen, spielte die Schutzfeldlänge eine untergeordnete Rolle. Die Positionsauswertung der Schutzfeldverletzungen zeigte eine Häufung direkt an der Startlinie, besonders bei den Höhen bzw. Breiten 250 und 200 mm. Hier waren die Probanden augenscheinlich allein aufgrund ihrer Körperdimensionen prinzipiell nicht in der Lage, die Höhe oder Breite unbemerkt zu umgehen. Es kam daher zu einer Dauerverletzung über die ganze Länge des Schutzfelds. Weitere Schutzfeldverletzungen in Kriechrichtung erscheinen eher gleichmäßig verteilt und zeigen keine Häufung bei längeren Kriechstrecken. Bewegungsgeschwindigkeit In der Voruntersuchung zeigte sich, dass die Kriechgeschwindigkeit mit sinkender Höhe des Schutzfeldes signifikant kleiner wird. Der Unterschied zwischen beiden Schutzfeldlängen ist nicht signifikant. Alle Kriechgeschwindigkeiten liegen zwischen etwa 0,1 und 0,4 m/s. Die Kriechgeschwindigkeit der Hauptuntersuchung wurde ebenfalls kovarianzanalytisch untersucht. Es zeigte sich u. a., dass Probanden bei höherer Schutzfeldhöhe signifikant schneller krochen und Probanden mit Freude am Sporttreiben dabei schneller sind. Lange Schutzräume werden bei niedrigeren Schutzraumhöhen langsamer unterkrochen wie bei mittlerer Schutzraumhöhe. Bild 8 zeigt die deskriptiven Ergebnisse für die Hauptuntersuchung zum Unterkriechen als Mittelwert (hellblaue Balken) mit Standardabweichung (Fehlerbalken). Ob in einem Durchgang das Schutzfeld verletzt wurde oder nicht, hatte nur einen sehr geringen Einfluss auf die Kriechgeschwindigkeit. Bild 8 Statistik der Kriech- und Umgehungsgeschwindigkeit v. Die Kriechgeschwindigkeiten liegen zwischen etwa 0,1 und 0,6 m/s. Im interessanten Bereich H mm lässt sich auf der Basis des Niveaus von Mittelwert plus Standardabweichung eine maximale Kriechgeschwindigkeit (Worst Case) von etwa 0,4 m/s abschätzen. Gegenüber der Voruntersuchung ist die hier beobachtete Kriechgeschwindigkeit etwa doppelt so groß. Dies könnte in dem unterschied lichen Probandenkollektiv (z. B. hinsichtlich Alter, Beweglichkeit) und in der unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit (Betonboden vs. Turnhallenboden) begründet liegen. Die Bewegungsgeschwindigkeit für das seitliche Umgehen des Schutzfelds wurde in gleicher Weise ermittelt und ist in Bild 8 mit dargestellt (dunkelblaue Balken). Die maximale Geschwindigkeit für das seitliche Umgehen lässt sich nach dem gleichen Prinzip auf etwa 0,6 m/s nach oben hin abschätzen. Somit kann von einer etwa 50 % höheren Bewegungsgeschwindigkeit als beim Unterkriechen ausgegangen werden. Zusammenfassung und Fazit Das vermessene Kollektiv der 43 Probanden in der Hauptuntersuchung ist hinsichtlich Körperhöhe und Taillenumfang repräsentativ. Vor- und Hauptuntersuchung zum Unterkriechen zeigen ähnliche Ergebnisse. Die Ergänzungsuntersuchung zum seitlichen Umgehen weist außer bei der Bewegungsgeschwindigkeit ebenfalls vergleichbare Resultate auf. Im Detail lassen sich die wichtigsten Untersuchungsergebnisse folgendermaßen zusammenfassen: Fast alle Probanden (41 von 43 bzw. 9 von 10) waren in der Lage, H = 300 mm zu unterkriechen oder seitlich zu umgehen. Auch H = 250 mm stellte für die Mehrzahl der jugendlichen Probanden (29 von 43) kein Hindernis dar. Von den zehn Erwachsenen meisterte nur einer diese Lücke. Erst die Absenkung auf H = 200 mm führt dazu, dass nur noch ein jugendlicher Proband beim Unterkriechen erfolgreich ist. Bei H mm kann aus der Hauptuntersuchung die Kriechgeschwindigkeit mit 0,4 m/s nach oben hin (zur sicheren Seite) abgeschätzt werden. Für das seitliche Umgehen ergeben sich 0,6 m/s. Eine Vergrößerung des momentan in DIN EN ISO genannten maximalen Abstands H zwischen Schutzraum und Begrenzungen wie Boden oder Wän - de erscheint daher nicht angemessen. Die Projektergebnisse wurden auch in einer DGUV-Information des Fachbereichs Holz und Metall [9] veröffentlicht. Dort wird weiterhin dargestellt, dass die Prinzipien zur Gestaltung von Schutzräumen und Bestimmung von Sicherheitsabständen in der aktuellen DIN EN ISO auch für dreidimensionale Schutzräume anwendbar sind. Es ist geplant, die Untersuchungsergebnisse in das zuständige Normengremium einzuspeisen. TS 387 Autoren Michael Hauke, Birgit Naber, Dr. Michael Huelke, Thomas Bömer, Markus Koppenborg, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Sankt Augustin. 42 Technische Sicherheit Bd. 4 (2014) Nr. 7/8 - Juli/August
6 Literaturverzeichnis [1] DIN EN ISO 13855: Sicherheit von Maschinen Anordnung von Schutzeinrichtungen im Hinblick auf Annäherungsgeschwindigkeiten von Körperteilen. Berlin: Beuth 2010 [2] DIN EN ISO 13857: Sicherheit von Maschinen Sicherheitsabstände gegen das Erreichen von Gefährdungsbereichen mit den oberen und unteren Gliedmaßen. Berlin: Beuth 2008 [3] DIN EN ISO 11161: Sicherheit von Maschinen Integrierte Fertigungssysteme Grundlegende Anforderungen. Berlin: Beuth 2010 [4] DIN : Ergonomie Körpermaße des Menschen Teil 1: Begriffe, Messverfahren. Berlin: Beuth [5] DIN : Ergonomie Körpermaße des Menschen Teil 2: Werte und DIN Berichtigung 1: Ergonomie Körpermaße des Menschen Teil 2: Werte. Berlin: Beuth 2005 bzw [6] Neuhauser, H.; Schienkiewitz, A.; Schaffrath Rosario, A.; Dortschy, R.; Kurth, B. M.: Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Referenzperzentile für anthropometrische Maßzahlen und Blutdruck aus der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS). 2. erw. Auflage. Berlin: Robert Koch-Institut DE/Content/Gesundheitsmonitoring/ Gesundheitsberichterstattung/ GBEDownloadsB/KiGGS_ Referenzperzentile. pdf [7] Naber, B.; Hauke, M.; Nickel, P.; Koppenborg, M.; Huelke, M.: Schutzeinrichtungen mit 3D-Schutzräumen an Maschinen: Überprüfung der Unterkriechbarkeit. 60. Kongress der GfA, S Dortmund: Gesellschaft für Arbeitswissenschaft m [8] Naber, B.; Hauke, M.; Nickel, P.; Koppenborg, M.; Huelke, M.: Unter - kriechen von 3D-Schutzräumen an Maschinen: Ist die Anhebung des Schutzraumabstands zum Boden möglich? Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit, S Kröning: Asanger [9] DGUV-Information des Fachbereichs Holz und Metall Nr D-Schutzraum: Anordnung der BWS. Mainz www. dguv.de/webcode/d131683
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