VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ
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- Hilke Kästner
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1 1 K 937/14.KO Veröffentlichungsfassung! VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES In dem Verwaltungsrechtsstreit *** w e g e n Baurechts hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2015, an der teilgenommen haben Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Meier Richter am Verwaltungsgericht Gietzen Richter Dr. Habermann ehrenamtlicher Richter Rentner Gerlach ehrenamtlicher Richter Elektroingenieur Hermann für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
2 - 2 - Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beigeladenen mit einer Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, sofern der Beigeladene nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand Die Klägerin wendet sich gegen einen dem Beigeladenen vom Beklagten erteilten positiven Bauvorbescheid. Der Beigeladene ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in der Gemarkung A***, Flur **, Flurstück Nr. ** (B*** **). Die südlich angrenzende Nachbarparzelle **/** (C*** **) steht im Eigentum der Klägerin und ist mit einem Mehrfamilienwohnhaus bebaut. Beide Grundstücke liegen im Stadtzentrum von A*** in einem unbeplanten Bereich. Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 stellte der Beigeladene eine Bauvoranfrage zur Umnutzung des Erdgeschosses des Wohnhauses in ein Gebetshaus mit jeweils einem Gebetsraum für Männer und für Frauen sowie Nebenräumen. Dort sollen die Vereinsaktivitäten stattfinden, wobei sich der Betrieb im Laufe der Woche nicht von dem anderer Gotteshäuser unterscheide. Da nach islamischem Brauch für das Gebet absolute Ruhe erforderlich sei, seien keine Lärmbelästigungen für die Nachbarn zu erwarten. Er bitte um Prüfung der beiden Einzelfragen, ob die Anzahl und Anordnung der geplanten Stellplätze zulässig sei und ob die eingereichte Planung planungsrechtlich zulässig sei. Unter dem 7. April 2014 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen im Einvernehmen mit der Stadt A*** einen Bauvorbescheid, in dem die Feststellung getroffen wurde, dass eine Nutzungsänderung der Wohnungen in ein Gebetshaus bauplanungsrechtlich nach 34 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) zulässig sei, wenn bei der Ausführung und dem Betrieb des Vorhabens dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme ausreichend Rechnung getragen werde. Die erforderlichen Kfz- Stellplätze seien bei der Bauantragstellung nachzuweisen. Es werde empfohlen, - 3 -
3 - 3 - bei der Anordnung der Kfz-Stellplätze einen ausreichenden Abstand zu benachbarter Wohnbebauung vorzusehen und ggfs. die Nutzungszeiten zu beschränken. Mit Schreiben vom 12. Mai 2013 (richtig: 2014) legte die Klägerin gegen den Bauvorbescheid Widerspruch ein und machte geltend, der Bauvorbescheid hätte in Bezug auf die Stellplätze nicht erteilt werden dürfen. Die Antragsunterlagen seien unvollständig und der Sachverhalt unzureichend aufgeklärt worden. Es hätte ein Lärmgutachten eingeholt werden müssen. Der Bauvorbescheid sei zu unbestimmt. Das Vorhaben füge sich nach der Art der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein, weil es dort keine weiteren Anlagen für kulturelle Zwecke gebe, und verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot, zumal mit einem starken Besucherverkehr nach 22 Uhr zu rechnen sei. Die Lösung der Fragen zum Rücksichtnahmegebot hätte nicht in das Baugenehmigungsverfahren verschoben werden dürfen. Da der Widerspruch in der Folgezeit nicht beschieden wurde, hat die Klägerin am 24. September 2014 Untätigkeitsklage erhoben. Sie nimmt Bezug auf ihr Widerspruchsvorbringen und trägt ergänzend vor, dass eine im September 2014 vom Beigeladenen auf seinem Grundstück veranstaltete zweitägige Kermes und die gegenwärtige Parksituation im rückwärtigen Bereich des Grundstücks des Beigeladenen belegten, dass die planungsrechtlich für zulässig erklärte Nutzung für Vereinsaktivitäten mit dem Rücksichtnahmegebot nicht vereinbar sei. Die Klägerin beantragt, den dem Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid des Beklagten vom 7. April 2014 aufzuheben. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung, die nähere Umgebung des Vorhabens entspreche einem Mischgebiet, in dem das geplante Gebetshaus als Anlage für kirchliche, kulturelle - 4 -
4 - 4 - und soziale Zwecke zulässig sei. Von der Nutzung sei auch die Ausrichtung eines multikulturellen Festes erfasst. Schließlich habe die Klägerin keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, inwiefern das geplante Gebetshaus es an der gebotenen Rücksichtnahme auf die unmittelbare Umgebung fehlen lasse. Der Beigeladene beantragt ebenfalls, die Klage abzuweisen. Er ist hat sich schriftsätzlich nicht geäußert, in der mündlichen Verhandlung aber den Ausführungen des Beklagten angeschlossen. Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie aus den vorgelegten Verwaltungs- und Widerspruchsakten und der Gerichtsakte 1 L 920/14.KO, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Entscheidungsgründe Die Untätigkeitsklage ist nach 75 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft und auch sonst zulässig; in der Sache hat die Klage aber keinen Erfolg. Der dem Beigeladenen erteilte Bauvorbescheid vom 7. April 2014 findet seine Rechtsgrundlage in 72 Landesbauordnung Rheinland Pfalz (LBauO) und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten ( 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) Nach 72 LBauO kann vor Einreichung eines Bauantrags zu einzelnen Fragen des Vorhabens ein Bauvorbescheid beantragt werden. Damit bestimmt der Antragsteller, was Gegenstand des Verfahrens und der dort vorzunehmenden Beurteilung sein soll. Diese Beschränkung des Prüfumfanges und damit auch des Regelungsgegenstandes des beantragten Bauvorbescheides folgt aus dem Zweck der Bauvoranfrage und begründet keine Bestimmtheitsbedenken (vgl. OVG Rh- Pf., B. v A 12359/99.OVG n. v.)
5 - 5 - Vorliegend kommt hinzu, dass der Beklagte die beiden vom Beigeladenen in seiner Bauvoranfrage vom 22. Januar 2014 gestellten Fragen, ob 1. die Anzahl und Anordnung der geplanten Stellplätze zulässig sei und 2. die eingereichte Planung planungsrechtlich zulässig sei, in seinem Bescheid vom 7. April 2014 nicht abschließend beantwortet hat. Der Regelungsinhalt des Bescheides beschränkt sich auf die Feststellung, dass die Nutzungsänderung von Wohnungen in ein Gebetshaus unter der Voraussetzung nach 34 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig ist, dass bei der Ausführung und dem Betrieb des Vorhabens dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme ausreichend Rechnung getragen wird. Damit hat der Beklagte nicht nur die Frage nach dem Stellplatznachweis dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten (so ausdrücklich die Nebenbestimmung 2 des Bauvorbescheides), sondern auch den Teilaspekt der Einhaltung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots aus dem Regelungsbereich ausgeklammert. Auch dies führt nicht zur Unbestimmtheit oder Rechtswidrigkeit des Bauvorbescheides gegenüber der Klägerin (vgl. OVG Rh-Pf., a.a.o.; OVG NRW, U. v A 1060/06, juris; VG Gelsenkirchen, U. v K 5535/09, juris; sowie grundlegend BVerwG, U. v , NVwZ 1987, 884) und begegnet auch im Übrigen unter Drittschutzaspekten keinen Bedenken, da es der Klägerin unbenommen bleibt, insoweit ihre Einwände gegen das Vorhaben des Beigeladenen im Baugenehmigungsverfahren geltend zu machen. Durch die Feststellung, die vom Beigeladenen beabsichtigte Nutzungsänderung von Wohnungen in ein Gebetshaus sei losgelöst von der Frage des Rücksichtnahmegebots nach 34 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig, kann die Klägerin nicht in eigenen Rechten verletzt werden. 34 Abs. 1 BauGB entfaltet nämlich nur über das Gebot der Rücksichtnahme nachbarschützende Wirkung (vgl. BVerwG, B. v , NJW 1981, 197; U. v , DÖV 1981, 672; B. v , NVwZ-RR 1997, 516 m. w. N.). Aber auch wenn man den Regelungsumfang des angefochtenen Bauvorbescheides weiter fasst und mit dem Beklagten eine positive Aussage zur Vereinbarkeit des Vorhabens des Beigeladenen mit dem Gebietscharakter der näheren Umge
6 - 6 - bung im Sinne des 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. 6 Baunutzungsverordnung (BauNVO) in den Bescheid hineinliest, kann die Klage keinen Erfolg haben. Insoweit kann dahinstehen, ob die Auffassung des Beklagten zutrifft, die Eigenart der näheren Umgebung des Gebetshauses entspreche einem Mischgebiet im Sinne des 6 BauNVO. Folgt man dem, ist das Gebetshaus als Anlage für kirchliche, kulturelle und soziale Zwecke nach 34 Abs. 2 BauGB, 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO uneingeschränkt zulässig und damit der Gebietserhaltungsanspruch (vgl. BVerwGE 94, 151) der Klägerin gewahrt. Stellt sich die nähere Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet oder Kerngebiet dar, gilt gem. 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO bzw. 7 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO nichts anderes. Das Vorliegen eines sonstigen Baugebiets im Sinne der Baunutzungsverordnung, insbesondere eines Reinen Wohngebietes ( 3 BauNVO) wird von den Beteiligten nicht behauptet und scheidet aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Luftaufnahme sowie der Beschreibung der vorhandenen Nutzungen im Schriftsatz der Klägerin vom 24. Februar 2015 (RE- WE-Markt, EVM, Einzelhandelsbetriebe sowie Schank- und Speisewirtschaften neben Wohnnutzungen) auch offenkundig aus. Erweist sich die Annahme der Klägerin als zutreffend, die nähere Umgebung des Vorhabens des Beigeladenen stelle sich als eine Gemengelage im Sinne des 34 Abs. 1 BauGB dar, ist von vornherein für einen Gebietserhaltungsanspruch der Klägerin kein Raum. Vielmehr gilt dann hinsichtlich der zulässigen Art der Nutzung wiederum 34 Abs. 1 BauGB mit der Folge, dass diese Vorschrift nur über das Rücksichtnahmegebot Nachbarschutz vermittelt. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang meint, das Gebetshaus füge sich nach der Art seiner Nutzung deshalb nicht in die vorhandene Gemengelage ein, weil ein vergleichbares Vorhaben dort noch nicht vorhandenen sei, übersieht sie, dass es für eine Verletzung in eigenen Rechten nicht ausreicht, dass ein Vorhaben sich nicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die Bebauung der Umgebung gebildet wird (vgl. BVerw- GE 55, 369). Hinzukommen muss objektivrechtlich, dass es im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen erzeugt, die potentiell ein Planungsbedürfnis nach sich ziehen, und subjektivrechtlich, dass es die gebotene Rücksichtnahme speziell auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Be
7 - 7 - bauung vermissen lässt (BVerwG, B. v , a. a. O.). Letztgenannter Gesichtspunkt wiederum ist aus dem Regelungsbereich des angefochtenen Bauvorbescheides ausgeklammert. Folglich kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits auch nicht auf den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag an. Das Gericht hat abschließend auch keine Zweifel, dass das Vorhaben des Beigeladenen in irgendeiner Weise so gestaltet werden kann, dass es mit den anzuwendenden baurechtlichen Vorschriften in Einklang steht, insbesondere dass im Baugenehmigungsverfahren Beeinträchtigungen für die Klägerin durch Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung ausgeschlossen werden können (vgl. hierzu nochmals BVerwG, U. v , a. a. O. sowie OVG Rh-Pf., a. a. O.). Die Kostenentscheidung folgt aus 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, die Klägerin auch mit den außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu belasten, da dieser einen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf 167 VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO)
8 - 8 - Rechtsmittelbelehrung Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen. Dabei müssen sie sich durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige nach Maßgabe des 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation vertreten lassen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, Koblenz, schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardpassage 1, Koblenz, schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen. Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten vom 9. Januar 2008 (GVBl. S. 33) in der jeweils geltenden Fassung zu übermitteln ist. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. gez. Meier gez. Gietzen gez. Dr. Habermann - 9 -
9 - 9 - Beschluss Der Wert des Streitgegenstandes wird auf festgesetzt ( 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz [GKG]). Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland- Pfalz zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 übersteigt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung zur Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, eingelegt wird. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, Koblenz, schriftlich, in elektronischer Form oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen. Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten vom 9. Januar 2008 (GVBl. S. 33) in der jeweils geltenden Fassung zu übermitteln ist. gez. Meier gez. Gietzen gez. Dr. Habermann
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