2 Behinderte Menschen 6/2014. Einstiegsbild

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2 Thema: Bindung und Vertrauen Henri Julius Bindung, Entwicklung und bindungsgeleitete Interventionen Sollen die unsicheren Bindungsmuster betroffener Kinder in der Schule nicht zementiert, sondern verändert werden, dann ist es wichtig, diesen Kindern in ihren Beziehungen zum Lehrer Diskontinuitätserfahrungen zu vermitteln. Dies kann durch die Qualität einer pädagogischen Beziehung erreicht werden, die den bisherigen Beziehungserfahrungen widerspricht und die Entwicklung sicherer Arbeitsmodelle von Bindung fördert. Bildung und Entwicklung aus evolutionsbiologischer Sicht Entwicklung vollzieht sich in weiten Bereichen im Kontext von Beziehungen. Das scheint sowohl für die Evolution zu gelten, als auch für die individuelle Entwicklung einer großen Bandbreite verschiedener Spezies. Aus evoltionsbiologischer Sicht war es lange Zeit ein Rätsel, warum einige Spezies und unter diesen insbesondere Primaten im Verlauf der Evolution besonders große Gehirne ausgebildet haben. Frühe Erklärungsversuche bezogen sich v. a. auf die technischen Kompetenzen, die bei Primaten besonders ausgebildet sind, wie z. B. die Fähigkeit, Werkzeuge zu gebrauchen und innovativ zu sein. Da für diese Fähigkeiten und Fertigkeiten größere und damit leistungsfähigere Gehirne benötigt würden, habe sich der Selektionsdruck für die Ausbildung solcher Gehirne erhöht. Inzwischen gilt diese Annahme jedoch als widerlegt. Gestützt von einer breiten Datenbasis wird aktuell die Hypothese diskutiert, dass der Selektionsdruck für größere Gehirne durch die kognitiven Anforderungen ausgeübt wurde, die für das Zusammenleben in Gruppen nötig sind (Dunbar, 1998; Shultz & Dunbar, 2014). Berühmt geworden ist diese Annahme als sog. social brain hypothesis, als Hypothese vom sozialen Gehirn. Im Kern besagt sie, dass Individuen, die in stabilen sozialen Gruppen leben, mit kognitiven Anforderungen konfrontiert sind, die allein lebende Individuen oder in losen Gruppenverbänden lebende Individuen nicht haben. So kann ein Individuum in einer stabilen Gruppe Entscheidungen nicht unabhängig von den anderen Gruppenmitgliedern treffen. Um den Zusammenhalt einer Gruppe nicht zu gefährden, müssen Individuen einerseits ihren eigenen Ansprüchen z. B. nach Nahrung gerecht werden, andererseits aber auch ihr Verhalten an das der anderen Gruppenmitglieder anpassen. Um beispielsweise in einer Herde von Huftieren den Zusammenhalt der Gruppe zu erhalten, müssen einzelne Individuen ihr Nahrungsverhalten nicht nur an die eigenen Bedürfnisse anpassen, sondern auch an die jeweiligen Bedürfnisse der anderen Gruppenmitglieder. Ansonsten würde der Zerfall der Gruppe drohen. Ein wesentlicher evolutiver Vorteil der Gruppe ginge verloren, der Schutz vor Feinden. Die evolutionäre Fitness der Gruppenmitglieder würde sinken. Durch aktuelle Analysen konnte der Zusammenhang von Gehirngröße und sozialer Organisation noch präziser bestimmt werden. Demnach ist es nicht der Bezug der verschiedenen Gruppenmitglieder untereinander, der einen Selektionsdruck hin zu größeren Gehirnen ausgeübt hat, sondern die besonderen Beziehungen von stabilen Paarbeziehungen innerhalb dieser Gruppe. Stabile dyadische Beziehungen waren somit wahrscheinlich 3

3 Henri Julius Bindung, Entwicklung und bindungsgeleitete Interventionen wichtiger für die Entwicklung großer Gehirne, als eine größere Anzahl loser Beziehungen. Aber warum sind stabile oder monogame Beziehungen anspruchsvoller als lose Beziehungen, so dass sie eine evolutionäre Entwicklung hin zu größeren Gehirnen fördern konnten? Shultz und Dunbar (2014) zufolge gibt es unterschiedliche Gründe, warum die Anbahnung und Aufrechterhaltung von Paarbeziehung kognitiv sehr anspruchsvoll ist. Individuen, die lebenslange Beziehungen eingehen, verzichten darauf, andere Partner zu suchen bzw. sich mit anderen Partnern zu paaren (Komers & Brotherton 1997). Um das Risiko des Scheiterns einer lebenslangen Paarbeziehung zu minimieren, kommt der Partnerwahl eine zentrale Bedeutung zu. So muss das Risiko möglichst klein gehalten werden, einen überproportionalen Anteil an den Kosten der Reproduktion tragen zu müssen. Individuen müssen Partner wählen, die sich loyal verhalten und ihrer Rolle in der Aufzucht des Nachwuchses voll nachkommen. Solche Partner gilt es zu identifizieren. Das Zusammenleben in einer monogamen Partnerschaft zieht zudem unausweichliche Konflikte der Partner nach sich, z. B. hinsichtlich der Aufteilung der zur Verfügung stehenden Nahrungsressourcen sowie der zeitlichen Ressourcen, oder hinsichtlich der elterlichen Investitionen in die Aufzucht des Nachwuchses. Um monogame Paarbeziehungen aufrechtzuerhalten, bedarf es daher Kompetenzen, um diese Konflikte zu lösen, bzw. zu entschärfen. Wenn für die erfolgreiche Aufzucht der Nachkommen beide Partner nötig sind, dann muss dieses Paar zudem seine Aktivitäten koordinieren und synchronisieren. Nur so bleibt jedem der Partner genügend Zeit zur Nahrungsaufnahme und Regeneration. Und nur so lässt sich gewährleisten, dass Aktivitäten zur Aufzucht und Überwachung des Nachwuchses angemessen zeitlich verzahnt werden (Shultz & Dunbar, 2014). Ohne Koordination und Synchronisation des Verhaltens hingegen würde das Paar aufgrund zeitlich unterschiedlicher Aktivitäten auseinanderfallen, die Aufzucht des Nachwuchses wäre gefährdet. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Anbahnung und Aufrechterhaltung von stabilen Paarbeziehungen kognitiv anspruchsvoller ist, als ein Leben als Einzelgänger oder ein Zusammenleben in losen Gruppenverbänden. Hierdurch ist ein Selektionsdruck entstanden, der zu größeren, leistungsfähigeren Gehirnen geführt hat. Die Entwicklung hin zu größeren Gehirnen hat sich also im wesentlichen im Kontext von Beziehungen vollzogen. Bindung und Entwicklung in der menschlichen Individualentwicklung Was für die Evolution gilt, scheint auch für die individuelle Entwicklung zu gelsten. In der Humanpsychologie dürfte es eine der wichtigsten Erkenntnisse der letzten Dekade sein, dass sich auch die individuelle, menschliche Entwicklung in weiten Bereichen im Kontext von Beziehungen vollzieht. Das gilt natürlich insbesondere für die Kindheit, in der sich das Gehirn entwickelt und in der die Abhängigkeit von Beziehungen am größten ist (Julius et al. 2014). Die Qualität der Beziehungen zu primären Bezugsfiguren ist einer der wichtigsten Prädiktoren für die Entwicklung von Sozialkompetenzen sowie adaptivem Sozialverhalten. Aber nicht nur die soziale, sondern auch die emotionale und kognitive Entwicklung vollzieht sich im Wesentlichen in Beziehungen. Kinder, die in fürsorglichen, feinfühligen Beziehungen groß werden, haben einen breiteren Zugang zu ihren Gefühlen und können diese besser regulieren. Und neue Studien zeigen, dass Kinder eine höhere Intelligenz entwickeln, wenn sie im Kontext solch entwicklungsfördernde Beziehungen aufwachsen. Warum das so ist, lässt sich am Besten auf dem Hintergrund der Bindungstheorie erklären, der wohl elaboriertesten Theorie zur Vorhersage von Entwicklungsverläufen im Kontext von Beziehungen. Grundzüge der Bindungstheorie Das Konzept der Bindung geht auf Bowlby (1969; 1980) zurück, der dieses Konstrukt v. a. auf dem Hintergrund der Erfahrungen mit elternlosen Heimkindern und dem Hospitalismusphänomen (Spitz, 1945) sowie den Reaktionen von Kindern auf längere Trennungen von ihren Eltern entwickelte. Im Gegensatz zu psychoanalytischen und lerntheoretischen Ansätzen geht Bowlby davon aus, dass die emotionale Beziehung des Kindes zu seiner Mutter bzw. Hauptpflegeperson eine instinktive Basis hat und nicht vom Bedürfnis nach Nahrung abhängig ist, wie dies von der Psychoanalyse und den Lerntheorien postuliert wurde. Sein im Kern ethologischer Ansatz besagt, dass Menschen wie andere Primaten auch artspezifische Verhaltensweisen entwickelt haben, deren Hauptziel es ist, die Nähe eines Kindes zu seiner Bindungsfigur herzustellen bzw. aufrechtzuerhalten, und zwar insbesondere dann, wenn das Kind gestresst ist oder sich in Gefahr befindet. Auf Seiten des Kindes besteht das Bindungsverhalten zunächst aus einem Satz angeborener Signalverhaltensweisen, die dazu dienen, die Nähe zu einer Pflegeperson herzustellen bzw. aufrechtzuerhalten. Das Weinen, Lächeln, Babbeln und Rufen eines Kindes dient dazu, die Bindungsfigur herbeizuholen oder sie in der Nähe zu halten. Die Verhaltensweisen des Anklammerns, Nachkrabbelns, Nachlaufens und Saugens bringen das Kind aktiv näher zur Bindungsfigur bzw. halten es dort fest. Diese Verhaltensweisen werden im Laufe des ersten Lebensjahres in ein Bindungsverhaltenssystem eingegliedert, das auf bestimmte Bindungspersonen ausgerichtet ist. Komplementär zum Bindungsverhalten des Kindes ist das elterliche Fürsorgeverhalten, das ebenfalls evolutionstheoretisch ableitbar ist. Die altruistische Pflege der 4 Behinderte Menschen 6/2014

4 Thema: Bindung und Vertrauen Jungen sichert das Überleben der Nachkommen und führt damit zur Verbreitung der eigenen Gene. Eine weitere Komponente im Bowlbyschen Konzept des Bindungsverhaltenssystems ist der Drang von Kindern, ihre Umwelt zu erkunden, zu spielen, und an verschiedenen Aktivitäten mit Gleichaltrigen teilzunehmen. Dieses Verhalten ist antithetisch zum Bindungsverhalten. Wenn sich ein Kind sicher fühlt, wird es sich sehr wahrscheinlich erkundend von seiner Bindungsfigur weg bewegen. Wird es erschreckt oder geängstigt, ist es müde oder fühlt es sich unwohl, wächst das Bedürfnis nach Nähe, das Bindungsverhaltenssystem wird wieder aktiviert. Die Bindungserfahrungen eines Kindes mit seinen Bezugspersonen bilden sich aus bindungstheoretischer Sicht in sog. internalen Arbeitsmodellen ab. Internale Arbeitsmodelle sind geistige Repräsentationen im Sinne von Schemata von vergangenen Beziehungserfahrungen, die sowohl affektive als auch kognitive Komponenten enthalten. In Abhängigkeit von der Qualität elterlicher Fürsorge entwickeln Kinder entweder ein sicheres (B), ein unsicher-vermeidendes (A), ein unsicherambivalentes (C) oder ein desorganisiertes (D) Arbeitsmodell von Bindung. Sichere Bindung: Im Arbeitsmodell sicher gebundener Kinder sind die Bindungsfiguren aufgrund entsprechender Erfahrungen als feinfühlig, zuverlässig, verfügbar und unterstützend repräsentiert. Deshalb suchen sicher gebundene Kinder in belastenden Situationen aktiv deren Nähe, Trost und Unterstützung. Kinder dieser Bindungsgruppe sind sich der Verfügbarkeit ihrer Bezugspersonen sicher und können daher außerhalb emotional belastender Situationen ihre Umwelt relativ stressfrei explorieren, ihr Aktionsradius ist nicht eingeschränkt. Diese Form der stressfreien Exploration erlaubt nur die sichere Bindung. Alle unsicheren Bindungen sowie insbesondere das desorganisierte Bindungsmuster sind mit erhöhten Stresszuständen assoziiert. Da sicher gebundene Kinder erfahren haben, dass die Äußerung negativer Gefühlszustände zu feinfühligem und responsivem Verhalten der Bezugspersonen führt, sind sie in der Lage, emotionale Betroffenheit auszudrücken, indem sie eigene negative Gefühle, wie z. B. Angst oder Ärger offen äußern. Unsicher-vermeidende Bindung: Im Arbeitsmodell unsicher-vermeidend gebundener Kinder sind die Bindungsfiguren aufgrund entsprechender Erfahrungen als zurückweisend und nicht unterstützend repräsentiert. Um weitere Zurückweisung zu vermeiden, verhalten sich diese Kinder eher beziehungsvermeidend und suchen in belastenden Situationen keine Nähe, Trost und Unterstützung mehr bei ihren Bindungsfiguren. Stattdessen zeigen sie ein erhöhtes Explorationsverhalten, indem sie sich z. B. Spielsachen oder anderen Objekten zuwenden. Dieses Verhalten wird als eine Verschiebung der Aufmerksamkeit weg von der emotional belastenden (z. B. angstauslösenden) Situation interpretiert, um so Angst und Stress zu regulieren. Diese Form der Stressregulation ist jedoch nur suboptimal. Vermeidendes Bindungsverhalten spiegelt eine optimale Anpassung des Bindungsverhaltenssystems an zurückweisende und vernachlässigende Eltern wider. Da vermeidend gebundene Kinder konsistent erfahren haben, dass die Äußerung negativer Gefühlszustände zu keiner sozialen Unterstützung seitens der Bindungsfiguren führt, zeigen sie Gefühle wie Angst, Trauer oder Ärger kaum mehr. Viele dieser Kinder haben aufgrund dieser Dynamik zudem nur eine eingeschränkte, affektive Erlebnisfähigkeit entwickelt. Unsicher-ambivalente Bindung: Im Arbeitsmodell ambivalent gebundener Kinder sind die Bindungsfiguren als unzuverlässig repräsentiert (Cassidy & Berlin, 1994). Aufgrund entsprechender Erfahrungen sind sich Kinder dieser Bindungsgruppe der Verfügbarkeit ihrer Bezugspersonen in emotional belastenden Situationen nicht sicher. Deshalb suchen sie ständig deren Nähe. Auch dieses Bindungsmuster spiegelt eine optimale Anpassung an eine suboptimale Situation wider. Ambivalent gebundene Kinder sind selbst im Grundschulalter häufig noch sehr anhänglich und kleinkindhaft ; sie äußern eindringliche Wünsche nach Interaktion und Fürsorge. Die Nähe zur Bindungsfigur lässt ihr Stressniveau jedoch nicht sinken, da betroffene Kinder permanent um die Verfügbarkeit der Bindungsfigur besorgt sind. Diese Sorge ist mit einem chronisch erhöhten Stressniveau assoziiert. Es ist unmittelbar einsichtig, dass das ständige Suchen von Nähe auf Kosten des Explorationsverhaltens geht. Ambivalent gebundene Kinder suchen jedoch nicht nur ständig die Nähe ihrer Bezugspersonen. Gleichzeitig, und hier manifestiert sich die Ambivalenz bei diesen Kindern, zeigen sie z. T. massiven Ärger gegenüber ihren Bindungsfiguren, der wahrscheinlich aus der Nichtbeachtung ihrer Bindungsbedürfnisse resultiert. Desorganisierte Bindung: Beim sicheren, unsicher-vermeidenden sowie unsicherambivalenten Bindungsmuster handelt es sich um organisierte und adaptive Strategien des Bindungsverhaltenssystems. Alle drei Bindungsmuster spiegeln in erster Linie Anpassungen an unterschiedliche Fürsorgebedingungen wider, weshalb diese Strategien auch als organisiert bezeichnet werden. Während sicher und ambivalent gebundene Kinder die Nähe zur Bindungsfigur suchen, um ihren Stress zu regulieren, versuchen vermeidend gebundene Kinder, ihren Stress zu reduzieren, indem sie sich ablenken. Neben diesen drei traditionellen Bindungsmustern wurde noch ein viertes Bindungsmuster identifiziert, das so genannte desorganisierte Muster (D; Main, 1997; Main & Solomon, 1986; 1990), welches durch einen Zusammenbruch organisierter Strategien in bindungsrelevan- 5

5 Henri Julius Bindung, Entwicklung und bindungsgeleitete Interventionen ten Situationen gekennzeichnet ist. Im Arbeitsmodell dieser Kinder so Solomon & George (1999) ist das Kind selbst als verletzlich und hilflos im Angesicht angstauslösender Situationen repräsentiert, und die Bindungsfigur als eine Person, die keine Sicherheit in solchen Situationen bietet (Lyons-Ruth & Jacobvitz, 2008). Dieses Arbeitsmodell von Bindung ist nach den bisherigen Ergebnissen charakteristisch für Kinder, die von ihren Eltern zurückgewiesen und vernachlässigt werden, deren Eltern häufig mit Trennung drohen sowie für Kinder, die von ihren Eltern physisch misshandelt oder sexuell missbraucht werden. Aber auch weniger schwere Beziehungstraumata, wie z. B. längere Trennungen von der Bindungsfigur oder eine Erkrankung der Bindungsfigur (z. B. eine depressive Störung), können zu Bindungsdesorganisation führen, wenn diese Ereignisse nicht angemessen in das internale Arbeitsmodell von Bindung integriert werden. Durch wiederholte oder gar chronische Beziehungstraumata wird das Bindungsverhaltenssystem des Kindes häufig oder gar permanent aktiviert, ohne dass die Bindungsfigur diesen hohen Aktivierungszustand beendet, indem sie etwa die Bindungsbedürfnisse des Kindes nach Nähe oder Rückversicherung befriedigt. Wird das Kind physisch misshandelt oder sexuell missbraucht, verursacht die Bindungsfigur zudem selbst Angst- und Stresszustände beim Kind. In diesen Fällen ist das Kind mit einer paradoxen Situation konfrontiert. Denn der genetisch präformierte Impuls, in einer stresshaften und angstbesetzten Situation Nähe bei einer Bindungsfigur zu suchen, kollidiert mit der Angst vor dieser Bindungsfigur, die ja selber die Quelle dieser extremen Belastung ist. Unter den beschriebenen Bedingungen, so Bowlby (1982), komme es zu einem Zusammenbruch der organisierten Bindungsstrategien. Um die traumatische Situation dennoch zu bewältigen, würde das Kind versuchen, die schmerzvollen Bindungserfahrungen vom Bewusstsein auszuschließen. Dies scheint durch den Mechanismus der Dissoziation zu gelingen, einer Form der psychischen Abwehr, die primär auf die Nicht-Wahrnehmung traumatischer Reize zielt. So ist es z. B. bekannt, dass viele Kinder sich während sexueller Missbrauchshandlungen in einen hypnoseähnlichen Zustand versetzen (Summit, 1983). Bei dem Versuch der Bewältigung schwerer Traumata, wie z. B. sexuellem Missbrauch oder physischer Misshandlung, wird diesen dissoziativen Prozessen der Abwehr die Funktion zugeschrieben, Betroffene in der traumatischen Situation vor einer Überschwemmung mit bedrohlichen Wahrnehmungen und Gefühlen zu schützen (Liotti, 1999; Stolz & Julius, 1998). Wenn es Kindern gelingt, sich während der Dauer traumatischer Ereignisse in einen anderen Bewusstseinszustand zu versetzen, dann ist es wahrscheinlich, dass traumabezogene Information nicht im normalen, episodischen Gedächtnis gespeichert werden, sondern in einen Speicher, der mit dem dissoziativen Bewusstseinszustand verknüpft ist. Ein solches, vom Tageswach-Bewusstsein abgetrenntes System ( segregated system nach Bowlby, 1982) enthält trauma-assoziierte Verhaltensmuster, Erinnerungen, Gefühle und Kognitionen. Teile des Traumas (z. B. assoziierte Emotionen) bis hin zur gesamten traumatischen Erfahrung können so einem bewussten Zugang verschlossen bleiben. Gelangen traumatische Erfahrungen in ein abgetrenntes System, so werden sie wahrscheinlich nicht mittels der von Piaget (1981) beschriebenen Mechanismen der Assimilation und Akkommodation in bestehende Gedächtnisstrukturen integriert. Vielmehr scheint es so, als wenn diese Inhalte unverarbeitet, und damit im Rohzustand abgespeichert werden. Wird ein abgetrenntes System aktiviert was zumeist durch bindungsrelevante Hinweisreize geschieht haben betroffene Individuen plötzlich Zugang zu den unverarbeiteten, traumatischen Erfahrungen. Häufig werden desorganisiert gebundene Menschen in diesem Zustand von traumabezogenen Emotionen, Gedanken oder Impulsen, wie z. B. extrem ängstlichem oder aggressivem Verhalten, überwältigt. Da diese Emotionen, Gedanken und Verhaltensimpulse von einem abgetrennten System evoziert werden, sind sie auch kaum über die Exekutivfunktionen des Tages-Wachbewusstsein kontrollierbar. Es ist unmittelbar einsichtig, dass die Aktivierung eines abgetrennten System mit Angst und Stress einhergeht. Deshalb versuchen betroffene Personen, die Deaktivierung der abgetrennten, traumatischen Erfahrungen aufrecht zu erhalten. Dies manifestiert sich besonders deutlich in Situationen, in denen bindungsrelevante Erinnerungen aktiviert werden. So verfallen z. B. desorganisiert gebundene Kinder beim Sprechen über bindungsrelevante Inhalte in Schweigen und leugnen jegliche bindungsrelevanten Gefühle. Andere zeigen stereotype Verhaltensweisen, indem sie etwa in einen Singsang verfallen, rhythmisch klopfen, ein und dasselbe Wort immer wiederholen oder mit dem Oberkörper gleichmäßig vor und zurück wiegen. Solche stereotypen Verhaltenssymptome lassen sich als dissoziative Abwehrversuche begreifen (Julius, 2001) und spiegeln Strategien wider, mittels derer betroffene Kinder versuchen, die Angst, die durch die drohende Aktivierung eines segregierten System ausgelöst wird, zu reduzieren (Julius, Gasteiger-Klicpera, & Kissgen, 2009; Liotti, 1999). Zusätzlich zu den Symptomen, die mit der Aktivierung bzw. Deaktivierung abgetrennter Systeme einhergehen, entwickeln desorganisiert gebundene Kinder häufig kontrollierende Verhaltensweisen gegenüber ihren Bindungsfiguren. Diese beginnen zumeist zu Beginn des Schulalters und können entweder eine fürsorgliche oder strafende Form annehmen (George & Solomon, 2008). Diesen Autorinnen zufolge handelt es sich bei dem kontrollierenden Verhalten um eine brüchige Strategie, mittels derer Kinder versuchen, Desorganisation zu bewältigen. Interpretiert man das kontrollierende Verhalten als Bindungsstrategie, so lässt sich dieses als Versuch begreifen, Zustände von Hilflosigkeit und Kontrollverlust, die typisch für familiäre Missbrauchs-, Misshandlungs- und Vernachlässigungserfahrungen sind, zu bewältigen. So- 6 Behinderte Menschen 6/2014

6 Thema: Bindung und Vertrauen lange man andere kontrolliert, sind diese Personen nicht in der Lage, sich selbst zu kontrollieren. Ängste, die mit diesen Personen assoziiert sind, lassen sich so reduzieren. Aber wie Solomon und George (1995) mit dem Begriff brüchig implizieren, ist die Strategie, andere zu kontrollieren, nicht stabil und bricht leicht zusammen. So kollabiert diese Strategie etwa, wenn eine Bindungsfigur auf das kontrollierende Verhalten eines Kindes mit Gegenkontrolle reagiert. Gegenkontrolle erhöht die Angst und den Stress beim Kind und führt in der Regel zum Versuch noch stärkeren Kontrollverhaltens. Eskaliert diese Situation von Kontrolle und Gegenkontrolle, so führt dies beim Kind häufig zu einem emotionalen Ausbruch, stark ängstlichem oder aggressiven Verhalten oder zu vollständigem Rückzug. Diese Symptome weisen auf die Aktivierung eines abgetrennten Systems hin. Die Verortung der Bindungsmuster Die verschiedenen Bindungsrepräsentationen sowie deren Subklassifikationen lassen sich auf einem hypothetischen Kontinuum verorten (siehe Abb. 1). Die Mitte dieses Kontinuums bildet die B3-Kategorie, der Prototyp des sicher gebundenen Kindes. Die jeweiligen Enden werden rechts von der B3- Kategorie durch das unsicher-ambivalente Muster (C) und links der B3-Kategorie durch das extrem vermeidende Muster (A1) markiert. Zwischen diesen Ankerpunkten sind die restlichen Kategorien entsprechend ihrer inhaltlichen Bedeutung verortet. So ist das B4-Muster zwischen der B3 und C-Kategorie lokalisiert. B4-Kinder werden zwar noch als sicher klassifiziert, aber sie zeigen schon leichte Anzeichen der C-Kategorie, da sie z. B. im Kleinkindalter länger als die B3-Kinder brauchen, um sich von ihren Müttern trösten zu lassen. B2-Kinder hingegen zeigen leichte Anzeichen der A-Kategorie, da ihre Kontaktsuche zur Bindungsfigur in Belastungssituationen nicht so ausgeprägt ist wie bei den B3-Kindern. Die stärkste Form der Vermeidung wird im Bindungskontinuum durch das A1-Muster markiert. Kinder, die dieser Kategorie zugehören, fallen durch ein extrem vermeidendes Verhaltensmuster auf, da ihr Bindungsverhaltenssystem weitestgehend blockiert bleibt und sie auch dann keine Anzeichen von Stress zeigen, wenn sie im Kleinkindalter allein gelassen werden. Wie aus der Lokalisierung der A2-Kategorie hervorgeht, zeigen hingegen die Kinder, die dieser Kategorie zugeordnet werden, leichte Anzeichen sicher gebundener Kinder (B): Ihre Vermeidung ist nicht so ausgeprägt wie bei den A1- Kindern, da sie sowohl leichte Anzeichen von Stress als auch Nachfolgeverhalten der Bindungsfigur gegenüber zeigen. Da das desorganisierte/desorientierte Muster keine eigene Verhaltensstrategie, sondern den Zusammenbruch von Verhaltensstrategien widerspiegelt, wird die D-Kategorie außerhalb dieses Kontinuums platziert. Die gemittelte prozentuale Verteilung der Bindungsmuster in nicht klinischen, deutschen Stichproben zeigt, dass etwa die Hälfte der Kinder sicher gebunden ist (44,9 %). Etwa ein Viertel der Kinder weist ein vermeidendes Bindungsmuster auf (27,7 %), 19,9 % der Kinder erhielten eine D-Klassifikation und 6,9 % wurden als unsicherambivalent eingestuft (Gloger-Tippelt, Vetter & Rauh, 2000). In klinischen Stichproben verschieben sich diese Verhältnisse zu ungunsten des Anteils sicher gebundener Kinder hin zu einer Überrepräsentation unsicher und insbesondere desorganisiert gebundener Kinder. In Sonderschulen für Kinder mit Förderbedürfnissen im emotionalen und sozialen Bereich sowie im Lernen liegt der Prozentsatz der Desorganisation bei bis zu 85 Prozent. Die Folgen unsicherer und desorganisierter Bindung Abb. 1: Verortung der Bindungsmuster nebst Subklassifikationen Schon Bowlby (1982) diskutierte den Einfluss von Bindungserfahrungen auf die Entwicklung eines Individuums. Zusammenfassend zeigen die bisherigen Daten, dass unsicher gebundene Kinder im Vor- und Grundschulalter geringere Sozialkompetenzen aufweisen, als sicher gebundene Kinder. Unsicher gebundene Kinder zeigen weniger Empathie (Sroufe, 1983), verfügen über weniger effektive Konfliktlösungsstrategien und interpretieren soziale Konfliktsituationen eher negativ, während sicher gebundene Kinder durch Optimismus in ihrer sozialen Wahrnehmung auffallen (Suess, Grossmann & Sroufe, 1992). Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass unsicher gebundene Kinder im Gegensatz zu sicher gebundenen hochsignifikant häufiger abweisendes und aggressives Verhalten gegenüber anderen zeigen (Sroufe & Fleesen, 1988). Sicher gebundene Kinder hingegen verfügen eher über ein festes Freundschaftsnetz und haben häufiger einen besten Freund sowie weniger Probleme mit Gleichaltrigen (Dodge & Frame, 1982). Außerhalb dieser Auffälligkeiten im Sozialbereich fallen unsicher gebundene Kinder durch mehr Ängstlichkeit, Hilflosigkeit und Depressivität sowie einen häufigeren Einsatz vermeidender Coping- Strategien auf (z. B. Dodge, 1983; Kobak & Sceery, 1988; Kobak, Sudler, & Gamble, 1993; Papini, Roggman & Anderson, 1991; Zimmermann, 1997). Zwar legen diese Ergebnisse auf eindrucksvolle Weise 7

7 Henri Julius Bindung, Entwicklung und bindungsgeleitete Interventionen einen Zusammenhang zwischen unsicherer Bindungsqualität und einer großen Bandbreite von Symptomen nahe. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass diese Symptome nicht unbedingt eine direkte Folge unsicherer Bindung sein müssen. Vielmehr ist anzunehmen, dass sie im Sinne des Risiko-Schutzmodells der Entwicklungspsychopathologie mit unsicherer Bindung assoziiert sind. Demnach führt eine unsichere Bindungsorganisation nicht zwangsläufig zu einer psychischen Störung, sondern sie bildet einen Risikofaktor, durch den die Vulnerabilität gegenüber Belastungen erhöht wird. Einer sicheren Bindung hingegen wird eine Pufferwirkung für potentiell schädigende Einflüsse aus der Umwelt zugeschrieben (Dornes, 1999). Noch enger als die unsichere Bindung ist die desorganisierte Bindung mit psychischen Auffälligkeiten assoziiert. Übereinstimmend zeigen die bisherigen Daten, dass eine desorganisierte Bindung (insbesondere bei einem frühen Beginn) ein zentraler Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Störungen darstellt (Guttman-Steinmetz & Crowell, 2006; Moss et al., 2006; Osofsky, Hann & Peebles, 1993). Aufgrund der engen Verknüpfung der Bindungsdesorganisation mit psychischen Störungen schreiben denn auch einige Autoren diesem Bindungsmuster die Bedeutung einer eigenständigen, klinischen Kategorie zu (z. B. Zeanah, Keyes & Settles, 2003). Zwar überlappen sich die mit unsicherer und desorganisierter Bindung assoziierten Symptome teilweise. Die gleichen Symptome sind jedoch bei desorganisiert gebundenen Personen in der Regel wesentlich stärker ausgeprägt. So fallen z. B. desorganisiert gebundene Kinder durch ausgeprägte, aggressiv-feindselige Verhaltensmuster gegenüber Gleichaltrigen auf, (Lyons-Ruth, Easterbrooks & Cibelli, 1997; Speltz, Greenberg & DeKlyen, 1990). Weiterhin zeigen sie häufig ein geringes Selbstvertrauen (Jacobsen et al., 1994), gering ausgebildete soziale Kompetenzen (Wartner, Grossmann, Fremmer-Bombik & Suess, 1994), ein geringes Vertrauen in die eigenen schulischen Fähigkeiten (Moss, Rousseau, Parent, St-Laurent & Saintong, 1998) sowie schlechtere Schulnoten im Vergleich zu unsicher gebundenen Kindern (Moss et al., 1998). Die schlechten Schulnoten gehen wahrscheinlich auf Probleme dieser Kinder bei der Regulation von Stresszuständen einher (Zimmermann, 1997, Jacobsen, Edelstein & Hofmann, 1994; Julius et al. 2013). Neurobiologische Grundlagen von Bindung Eine wachsende Anzahl von Studien (zusammengefasst in Julius et al. 2014) weist inzwischen darauf hin, dass das Oxytozin System als neurobiologische Basis von Bindung eine zentrale Rolle spielt. Das Peptidhormon Oxytocin wird im Hypothalamus gebildet und hat sowohl die Funktion eines Neurotransmitters als auch die eines Hormons. Oxytozin ist in ganz ähnlicher Art und Weise involviert, wenn Menschen oder andere Säugetiere sozial interagieren. Durch die weitverbreitete Verteilung von Nerven, die Oxytozin enthalten, geht wahrscheinlich eine große Bandbreite von unterschiedlichen, Oxytozin-vermittelten Effekten mit der Aktivierung dieses Systems einher. Die Effekte, die mit der Freisetzung dieses Hormons im Gehirn assoziiert werden, betreffen einerseits die Reduktion von Stress und Angst. Andererseits findet sich eine Bandbreite von Effekten im sozialen Bereich. Oxytozin stimuliert und erleichtert soziale Interaktionen, erhöht Vertrauen in andere und erleichtert den Zugang zu eigenen emotionalen Zuständen. Die Ergebnisse von Tier- und Humanstudien zeigen, dass Oxytocin durch angenehme Berührungen und bestimmte Formen sozialer Interaktionen freigesetzt wird. Oxytozin wird jedoch nicht durch jede beliebige soziale Interaktion freigesetzt, sondern bedarf einer bestimmten Beziehungsqualität. Julius et al. (2014) gehen davon aus, dass solch eine Beziehungsqualität am besten mittels der psychologisch definierten Konzepte von Bindung und Fürsorge beschrieben werden kann. Durch den engen Körperkontakt wird sowohl beim Baby als auch bei der Mutter Oxytotozin freigesetzt, wodurch Angst und Stress reduziert und soziale Interaktionen zwischen Mutter und Kind angebahnt und erleichtert werden. Es ist anzunehmen, dass im Verlauf der weiteren Entwicklung eines Kindes Oxytozin nicht nur in der Gegenwart und durch den Kontakt zur primären Bindungsfigur freigesetzt wird, sondern ebenfalls durch den Kontakt zu anderen Fürsorgepersonen, wie z. B. Lehrern oder Kindergärtnern. Deshalb entwickeln sicher gebundene Kinder wahrscheinlich einen guten Tonus bzw. eine adaptive Regulation ihres Oxytozin Systems. Komplementär scheinen Bindungsfiguren, die adäquates Fürsorgeverhalten zeigen, ebenfalls über eine optimale Regulation ihres Oxytozintonus zu verfügen, während maladaptives Fürsorgeverhalten wahrscheinlich eher mit einem Ungleichgewicht im Oxytozinsystem einhergeht. Bei unsicher gebundenen Kindern löst die Bindungsfigur keine adäquate Freisetzung von Oxytozin beim Kind aus. Deshalb wird sie eher nicht in der Lage sein, das Kind zu beruhigen und dessen Stress zu reduzieren. Bindungsfiguren von desorganisierten Kindern können selbst zur Stressquelle für ihre Kinder werden, da sie häufig misshandelnd oder vernachlässigend sind. Solche Bindungsfiguren sind nicht nur unfähig, Angst und Stress beim Kind zu reduzieren, sondern sie aktivieren stattdessen deren entgegengesetzte, neurobiologischen Systeme (d.h., die Stresssysteme). Aus der Perspektive des Kindes ist das hochgradig adaptiv, da die Stress-Systeme das Kind in Alarmbereitschaft versetzen und es auf potentielle Gefahren vorbereitet. Zudem macht es Sinn, dass betroffene Kinder Angst vor ihren Bindungsfiguren haben und ihnen nicht mehr vertrauen, was sich neurobiologisch in einem niedrigen Oxytozinniveau widerspiegelt. Das Bindungsverhalten als auch die darunter liegenden, neurobiologischen Systeme passen sich somit an die pathogenen Be- 8 Behinderte Menschen 6/2014

8 Thema: Bindung und Vertrauen dingungen elterlicher Vernachläsigung und Gewalt an. Diese Adaptation sichert das psychische Überleben des Kindes, das so das Beste aus einer schlechten Situation macht. Dies ist allerdings eine teuer bezahlte Anpassung. Denn ein Kind, das seine primären Bindungsfiguren mit Zurückweisung oder gar Gefahr assoziiert, wird sich in emotional belastenden Situationen auch kaum an alternative, sensitive und vertrauenswürdige Fürsorgepersonen wenden. Damit besteht ein hohes Risko für die weitere psychische Entwicklung eines Kindes. Transmission von Bindung Bowlby (1969) selbst war der Ansicht, dass Kinder bereits früh alternative Bindungsbeziehungen entwickeln können. Ainthworth (1967), Bowlby (1969), sowie van Van Ijzendoorn und Bakermans-Kranenburg (1996). Ijzendoorn, Sagi und Lambermon (1992) haben drei Kriterien formuliert, die eine Bezugsperson erfüllen sollte, um als (sichere) Bindungsfigur für ein Kind in Frage zu kommen: Sie muss physische und emotionale Fürsorge bereitstellen, beständig und vorhersehbar präsent sein und emotionalen Einsatz zeigen. Diese Kriterien so diese Autoren übereinstimmend beziehen sich nicht nur auf leibliche Eltern, sondern haben allgemeine Gültigkeit. In Anlehnung an diese Kriterien betonen Howes & Hamilton (1992) und Pianta (1997) die vielfältigen Tätigkeiten von Erziehern, Lehrern und Kindergärtnerinnen, die etliche der elterlichen Aufgaben übernehmen würden. Besonders im Kindergarten und im Grundschulalter seien Erzieher und Lehrer nicht nur für die Vermittlung von Wissen zuständig, sondern ebenso für die emotionale und physische Fürsorge der Kinder von der für-sorglichen Unterstützung z. B. beim Essen, beim Spielen und bei der Toilettenroutine (Alexander, Entwisle & Thompson, 1987) hin zur emotionalen Fürsorge, wie z. B. dem Trösten eines Kindes. Bezogen auf die beständige, vorhersehbare Präsenz von Bindungsfiguren betonen Pianta, Nimetz und Bennett (1997), dass Vor- und Grundschulkinder sehr viel Zeit mit ihren Erziehern und Lehrern verbringen. Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer der Grundschulen tragen die Verantwortung für eine Klasse und den größten Teil des Schultages. Sie decken die meisten bzw. sämtliche Unterrichtsstunden ab und erfüllen die Voraussetzung der Beständigkeit und Vorhersehbarkeit daher am ehesten. Durch das Übergeben des Kindes in die Obhut der Betreuerin bzw. des Betreuers signalisiert die elterliche Bindungsperson zudem, dass sie der betreuenden Person vertraut und sie bis zu ihrer Rückkehr als Hauptansprechperson des Kindes ansieht (Howes & Hamilton, 1992). Empirische Evidenzen für die Annahme, dass Kindergärtnerinnen, Lehrer und Heimerzieher Bindungsfunktionen übernehmen, oder wie Pianta (1997) es ausgedrückt, zu Leiheltern werden, leiten sich v. a. aus dem Verhalten von Kindern gegenüber diesen Personen ab. So zeigten viele der untersuchten Kinder gegenüber ihren Betreuerinnen und Beteuern ein Verhalten, das durch Aufrechterhaltung von Nähe (Goossens & van Ijzendoorn, 1990) und visuelle Rückversicherung (Camras & Sachs, 1991) gekennzeichnet ist. Dieses Verhalten lässt vermuten, dass die Kinder von ihren Betreuern physische und emotionale Fürsorge erwarten (Howes & Hamilton, 1992). Wenn Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen und Lehrer sowie Heimerzieher als potentielle Bindungsfiguren in Betracht kommen, so stellt sich als nächstes die Frage nach der Qualität dieser Bindungsbeziehungen. Hat die Eltern-Kind-Bindung einen Einfluss auf die Beziehung des Kindes zu seinen pädagogisch arbeitenden Bezugspersonen? Theoretische Antworten auf diese Frage lieferte Bowlby schon 1979, indem er postulierte, dass jede neue Person, zu der eine Bindung entwickelt wird, den bestehen-den Modellen angepasst wird. Dieser Zusammenhang lässt sich am besten auf dem Hintergrund des Konzepts des internalen Arbeitsmodells erklären. Das internale Arbeitsmodell einer konkreten Eltern-Kind-Beziehung wird aus dem Bindungsverhal-ten des Kindes und dessen Konsequenzen heraus entwickelt. Die wichtigste Funktion dieser Arbeitsmodelle ist nach Bowlby (1980), Ereignisse der realen Welt vorwegzunehmen bzw. zu simulieren, um das Individuum zu antizipatorischem Verhalten zu befähigen. Deshalb werden über dieses Modell Erwartungen und Bewertungen gesteuert, die das Verhalten anderer sowie die eigene Rolle in einer Beziehung betreffen (z. B. ob Bindungsfiguren responsiv, vertrauenswürdig, zuverlässig, verfügbar und sorgend sind oder nicht und ob das Kind wert und fähig ist, die Sorge von Bindungsfiguren zu erhalten oder nicht). Wenn Bindungsverhalten durch bereits etablierte, internale Bindungsmodelle gesteuert wird, dann besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Kinder in neuen Bindungsbeziehungen die gleichen Bindungsstrategien einsetzen, wie in den bisherigen Bindungsbeziehungen. So wird sich z. B. ein Kind mit einem vermeidenden Bindungsmuster, das auf entsprechenden Erfahrungen basiert, von einem Lehrer oder einer Kindergärtnerin emotional zurückziehen und die Versuche dieser neuen Bezugsperson nach Kontaktaufnahme ignorieren. Diese Strategie hat das Kind gelernt, um die Zurückweisung, die es erwartet, zu vermeiden. Ebenso vermeidet es die Belastung, die mit der Enttäuschung unbefriedigter Nähe und Sicherheit verknüpft ist. Erste empirische Evidenzen für eine Übertragung der Elternbindung auf außerfamiliäre Betreuungspersonen finden sich bei Achatz (2007) und Aschauer (2006). Die Interviewdaten dieser Untersuchung mit 39 Kindern einer Schule für verhaltensgestörte Kinder in Wien zeigen, dass sich die Lehrer-Schüler-Beziehung (aus der Schülerperspektive) im wesentlichen kongruent zur Eltern-Kind- Beziehung darstellt. Die Kinder dieser Untersuchung, die als vermeidend und desorganisiert klassifiziert wurden, erwarteten keinerlei emotionale Fürsorge von ihren Lehrerinnen und Lehrern. 9

9 Henri Julius Bindung, Entwicklung und bindungsgeleitete Interventionen Wenn eine Transmission der in der Familie erworbenen Bindungsqualität auf außer-schulische Betreuungspersonen stattfindet, stellt sich schließlich die Frage nach den Reaktionen dieser Personen auf das bindungsbezogene Verhalten der Kinder. Vermittelt über das bindungsbezogene Verhalten gegenüber den neuen Bindungsfiguren, so Julius (2001) und Pianta (1998) steige die Wahrscheinlichkeit, dass wiederum das komplementäre bindungsbezogene Verhalten dieser neuen Bindungsfigu-ren ausgelöst und somit Kontinuität gefestigt werde. Sicher gebundene Kinder dürften demnach im Kindergarten, im Heim bzw. in der Schule zu den dortigen erwachsenen Bezugspersonen eher eine sichere Bindung aufbauen, während vermeidend, ambivalent und desorganisiert gebundene Kinder auch in diesen Beziehungen wiederum eher unsicher gebunden sein dürften. Diese Hypothese zur Transmission von Bindung wird durch erste empirische Daten bestätigt. Eine Tendenz zu komplementärem Verhalten fanden Osterman et al. (2010) bereits bei Pflegeeltern gegenüber ihren Säuglingen. Selbst Eltern mit einem sicheren Bindungsmodell boten ihren Kleinkindern weniger liebevolle Zuwendung an, wenn die Kinder nicht den Eindruck erweckten, Zuwendung zu benötigen. Die Ergebnisse von Suess (1987), Sroufe und Fleesen (1988) sowie Howes und Hamilton (1992) zeigen in die gleiche Richtung. Die Kindergärtnerinnen die in der Untersuchung von Suess (1987) befragt wurden, beurteilten die unsicher gebundenen Kinder ihrer Gruppen signifikant negativer und unsympathischer, als die sicher gebundenen. Sroufe & Fleeson (1988) sowie Howes und Hamilton (1992) haben die Interaktionen zwischen Kindern und Lehrern untersucht. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass sich Lehrer gegenüber Kindern, die als unsicher vermeidend klassifiziert wurden, am emotional distanziertesten verhielten. Das Verhalten der Lehrkräfte gegenüber diesen Kindern bezeichnen die Autoren als schroff und kontrollierend. Unsicher ambivalent gebundene Kinder wurden von den gleichen Lehrern eher als hilflos wahrgenommen. Howes & Hamilton (1992) vermuten, dass das übermäßig anhängliche Verhalten ambivalent gebundener Kinder zunächst dazu führe, dass diese Kinder häufiger und prompter Zuwendung vom Lehrer bekommen. Gleichzeitig sei es aber den Lehrkräften nicht möglich, dieses hohe Niveau der Aufmerksamkeitszuwendung aufrecht zu erhalten, da sie für alle Kinder der Klasse zuständig seien. Inkonsistente Reaktionen auf die Bindungsbedürfnisse der ambivalent gebundenen Kinder seien daher zwangsläufig. Im Vergleich zu den unsicher gebundenen Kindern dieser Untersuchungen reagierten die Lehrer am feinfühligsten auf die Bindungssignale der sicher gebundenen Kinder. Diese Beziehungen waren durch häufige positive Impulse, emotionale Nähe sowie soziales Engagement seitens der Lehrer gekennzeichnet. Ergebnisse aus eigenen Untersuchung (Julius, 2001, Julius & Schenzle, 2014) schließlich verweisen auf die Übertragung misshandelnder Beziehungsmuster von familiären auf schulische Settings. Unsere Daten zeigen, dass viele der Kinder, die von ihren primären Bezugspersonen physisch misshandelt werden, die gleichen Formen der Misshandlung auch vom Lehrer erwarten. Kommt es nicht dazu, provoziert ein Großteil dieser Kinder solche Misshandlungen durch Beleidigungen und Beschimpfungen des Lehrers oder durch physische Angriffe auf den Lehrer. Andere Kinder provozieren den Lehrer, indem sie sich hartnäckig allen seinen Forderungen widersetzen. Dieses Verhalten lässt sich nach Littner (1960) als ein Test der Person des Lehrers interpretieren, durch den das Kind herausbekommen möchte, ob der Lehrer sie wirklich nicht misshandelt. Diese Form provokanten Verhaltens (provoziert wird das zurückweisende und misshandelnde Verhalten des Lehrers) führte in vielen Fällen dazu, dass der Lehrer das komplementäre Bindungsverhalten zeigt, indem er das Kind z. B. zurückweist, maßregelt oder gar anschreit, so dass die Bindungsmuster der Kinder wiederum stabilisiert werden. Zusammenfassend weisen sowohl die referierten Daten als auch die theoretisch abgeleiteten Annahmen darauf hin, dass sich die Beziehungsmuster zwischen Eltern und Kindern in der Beziehung der Kinder zu ihren Kindergärtnerinnen, Heimerziehern und Lehrern reetablieren. Sollen die unsicheren Bindungsmuster betroffener Kinder im Heim, im Kindergarten und in der Schule nicht zementiert, sondern verändert werden, dann ist es wichtig, diesen Kindern in ihren Beziehungen professionelle Diskontinuitätserfahrungen zu vermitteln. Gemeinsames Ziel der Interventionen ist es, die pädagogischen Beziehung so zu gestalten, dass diese den bisherigen Beziehungserfahrungen widerspricht und die Entwicklung sicherer Arbeitsmodelle von Bindung fördert. Zur Notwendigkeit bindungsgeleiteter Interventionen Kinder und Jugendliche verbringen einen Großteil der Zeit in pädagogischen Settings. Dazu gehören in erster Linie der Kindergarten und die Schule. Es ist unmittelbar einsichtig, dass damit auch ein Großteil der psychosozialen, emotionalen und kognitiven Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in diesen Settings stattfindet. Zwar wird in der Schule der Schwerpunkt auf die kognitive Entwicklung gelegt. Aber der staatliche Auftrag umfasst nicht nur die Bildung, sondern auch die Erziehung. Letztere betrifft v. a. die psychosoziale und emotionale Entwicklung von Kindern. Aber was hat das mit der Bindung zum Pädagogen zu tun? Pianta (1997), Hattie und Yates (2013) und Julius (2001) zeigten, dass die Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehung einer der wichtigsten Prädiktoren für die schulische Entwicklung von Kindern ist. Eine sichere Bindungsbeziehung zwischen Kind und Pädagogen fördere sowohl die psychosoziale und emotio- 10 Behinderte Menschen 6/2014

10 Thema: Bindung und Vertrauen nale Entwicklung eines Kindes als auch dessen kognitive Entwicklung, so die Autoren. Bereits ausgeführt wurde, dass sicher gebundene Kinder und Jugendliche im Vergleich zu unsicher und desorganisiert gebundenen über höher ausgebildete Sozialkompetenzen verfügen. Sie sind empathischer, interpretieren soziale Konfliktsituation wohlwollender, haben bessere Lösungsstrategien für soziale Konflikte, verfügen eher über ein festes Freundschaftsnetz und haben häufiger einen besten Freund. Zudem fallen sicher gebundene Kinder im Vergleich zu unsicher und desorganisiert gebundenen durch weniger Ängstlichkeit, Hilflosigkeit und Depressivität auf. Unsicher und desorganisiert gebundene Kinder und Jugendliche sind aber nicht nur in ihrer psychosozialen und emotionalen Entwicklung gefährdet, sondern auch im Lernen. Das Risiko nicht-gelingender Lernprozesse scheint v. a. über die suboptimale, bzw. maladaptive Stressregulation unsicher und desorgansiert gebundener Kinder vermittelt zu sein. Denn vor allem zum problemlösenden Lernen bedarf es einer optimalen Regulation der Stress-Systeme. Deren Aktivierung darf weder zu niedrig noch zu hoch sein. Insbesondere die zu hohe Aktivierung der beiden Stressachsen scheint jedoch charakteristisch für unsicher und desorgansiert gebundene Menschen zu sein. Sind die Stress-Achsen aktiviert, werden v. a. automatisierte Verhaltensprogramme abgerufen, um möglichst schnell auf den Stressor reagieren zu können. Dies geht natürlich zu Lasten problemlösender Lernprozesse, die der Aktivierung anderer Strukturen bedürfen. Dies wird auch durch neurobiologische Erkenntnisse belegt, denen zufolge ein hoher Kortisolspiegel die exekutiven Funktionen des Frontalhirns behindert (Roth, Tam, Ida, Yang, & Deutch, 2006). Die sichere Bindung unterstützt eine möglichst stressfreie Exploration am Besten. Damit dürfte dieses Bindungsmuster auch optimale Bedingungen für problemlösende Lernprozesse schaffen. Diese bindungstheoretisch abgeleitete Annahme wird durch Eisfeld und Julius (2014) bestätigt. Die Autoren konnten für eine repräsentative Stichprobe aufzeigen, dass sicher gebundene Grundschulkinder im Vergleich zu unsicher und insbesondere desorgansiert gebundenen Kindern einen signifikant höheren IQ haben. Der beste Prädiktor für die Intelligenzentwicklung der Kinder war in dieser Studie die Beziehungsqualität zu den Eltern, operationalisiert als Bindungsmuster. Da Kindergärtnerinnen und Kindergärtner sowie Lehrkräfte insbesondere der unteren Klassenstufen fast immer potentielle Bindungsfiguren sind, und Kinder einen Großteil ihrer Zeit in pädagogischen Settings verbringen, kommt auch der Beziehung zu diesen professionellen Bezugspersonen eine besondere Bedeutung für die psychosoziale, emotionale und kognitive Entwicklung von Kindern zu. Das kindliche Bindungsverhalten gegenüber diesen Personen wird, wie schon beschrieben, durch die bereits bestehenden, internalen Bindungsmodelle gesteuert wird. Damit besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Kinder in diesen neuen Bindungsbeziehungen die gleichen Bindungsstrategien einsetzen, wie in den bisherigen Bindungsbeziehungen. So wird sich z. B. ein Kind mit einem vermeidenden Bindungsmuster von einem Lehrer oder einer Kindergärtnerin emotional zurückziehen und die Versuche dieser neuen Bezugsperson nach Kontaktaufnahme ignorieren. Diese Strategie hat das Kind gelernt, um die Zurückweisung, die es erwartet, zu vermeiden. Ebenso vermeidet es die Belastung, die mit der Enttäuschung unbefriedigter Nähe und Sicherheit verknüpft ist. Vermittelt über das bindungsbezogene Verhalten gegenüber den neuen Bindungsfiguren, so Julius (2001) und Pianta (1997) steige die Wahrscheinlichkeit, dass wiederum das komplementäre bindungsbezogene Verhalten dieser neuen Bindungsfiguren ausgelöst, und somit das bestehende Bindungsmuster gefestigt werde. Um in pädagogischen Settings optimale Voraussetzungen für die psychosoziale, emotionale und kognitive Entwicklung zu schaffen, ist es deshalb von zentraler Bedeutung, dass der Zyklus der Übertragung unsicherer Bindungsmuster in der Beziehung des Kindes zum Pädagogen gebrochen wird. Pädagogen sollten so ausgebildet werden, dass sie nicht komplementär auf die unsicheren und desorgansierten Bindungsstrategien betroffener Kinder reagieren. Stattdessen sollten sie es dem Kind ermöglichen, primäre, sichere Bindungsstrategie zu aktivieren, um so eine sichere Beziehung zwischen Kind und Pädagoge aufzubauen. Dass eine solch sichere Beziehung sowohl die psychosoziale und emotionale als auch die kognitive Entwicklung betroffener Kinder fördert, wurde eindrucksvoll durch die Ergebnisse der Studien Werner und Smith (1982; 1989) und Julius (2001, 2003) belegt. Ein Interventionsprogramm, dass auf die Etablierung sicherer Lehrer-Schüler-Beziehungen zielt, wurde von Julius (in Vorb.) entwickelt und wird derzeit an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich als Ausbildung angeboten. Das CARE -Programm In Lehrbüchern zur Verhaltensgestörtenpädagogik wird immer wieder auf die große Bedeutung aufmerksam gemacht, die der Beziehung von verhaltensgestörten Kindern zu ihren Eltern, Erziehern und Lehrern zukommt. In seinem Lehrbuch der Verhaltensgestörtenpädagogik spricht Hillenbrand (1999) sogar von einem Primat der Beziehung (213) in der pädagogischen Arbeit mit verhaltensgestörten Kindern und sieht in dem Beziehungsaspekt die Voraussetzung für erfolgreiches, pädagogisches Handeln. M.E. zu Recht weist er zudem darauf hin, dass im Gegensatz zur allgemein anerkannten Bedeutung, die dem Beziehungsaspekt für die Genese und Behandlung psychischer Störungen in der Verhaltensgestörtenpädagogik beigemessen wird, bisher keine konkreten, pädagogischen Vorschläge zur Gestaltung dieser Beziehungen entwickelt wurden. 11

11 Henri Julius Bindung, Entwicklung und bindungsgeleitete Interventionen Diesem Mangel begegnet das CARE-Programm. CARE steht für Curative Attachment Relationships und verweist damit auf die kurative Wirkung sicherer Bindungsbeziehungen. Fokus des CARE-Programms sind Interventionen, die auf die Beziehungen von Kindern zu Lehrkräften zielen. Da es kaum andere, im Sozialbereich tätige Professionelle gibt, die so viel Zeit mit Kindern verbringen wie Lehrerinnen und Lehrer, kommt diesen Beziehungen auch aus bindungstheoretischer Sicht eine große Bedeutung zu. Dieses Ziel wird im CARE-Programm auf drei Ebenen angegangen, 1. auf der Ebene realer Schüler-Interaktionen, 2. auf der Ebene symbolischer Interaktionen, 3. auf der Ebene neurobiologischer Mechanismen, die der Regulation von engen Sozialbeziehungen zugrunde liegen. Beginnen wir mit der ersten Ebene, den realen Lehrer- Schüler-Interaktionen. Ad 1) Ebene 1: reale Lehrer-Schüler- Interaktionen Auf dem Hintergrund der dargestellten Zusammenhänge sollen nun pädagogische Strategien vorgestellt werden, die darauf zielen, Diskontinuitätserfahrungen bei unsicher gebundenen Kindern im Rahmen realer Lehrer-Kind- Interaktionen herzustellen (Ebene 1). Ziel dieser Strategien ist es, dem Kind in der Lehrer-Schüler-Beziehung neue Bindungserlebnisse zu ermöglichen, damit das Kind ein internales Arbeitsmodell von anderen als responsiv und sorgend und von sich selbst als wertvoll und liebenswert aufbauen kann. Das Sorgeverhalten der Bezugspersonen, das bei den betroffenen Kindern zu den unsicherer und desorganisierter Bindung geführt hat, ist primär durch Nicht-Feinfühligkeit gekennzeichnet, die sich durch ein fehlendes Verständnis für die kindlichen Bindungsbedürfnisse, Unzuverlässigkeit bzw. Inkonsistenz im Verhalten (bei ambivalent gebundenen Kindern), zurückweisendes Verhalten (bei vermeidend gebundenen Kindern) und Gewalt oder Vernachlässigung (bei desorganisiert gebundenen Kindern) manifestiert. Sollen in der Beziehungserfahrung zum Lehrer die unsicheren Arbeitsmodelle der betroffenen Kinder mit inkompatiblen Erfahrungen konfrontiert werden, muss die Lehrkraft feinfühlig auf das unsichere und desorganisierte Bindungsverhalten des Kindes reagieren. Dies soll nun für das ambivalente, vermeidende und desorganisierte Muster getrennt konkretisiert werden. Wie beschrieben, haben ambivalent gebundene Kinder innere Arbeitsmodelle, in denen die Bindungsfiguren als unzuverlässig und inkonsistent in ihrem Verhalten abgebildet sind. Das ambivalent gebundene Kind weiß nicht, ob die Bindungsfiguren in einer gegebenen Situation verfügbar, feinfühlig und unterstützend sind, oder nicht. Als Folge ist das Bindungssystem dieser Kinder chronisch, oder zumindest sehr häufig aktiviert, was sich im abhängigen Verhalten gegenüber Bezugspersonen und einem eingeschränkten Explorationsverhalten äußert. Um den Erwartungen betroffener Kinder, die auf einem solchen Arbeitsmodell von Bindung basieren, entgegenzuwirken, sollte die Beziehung des Lehrers zum Schüler durch so viel Regelmäßigkeit und Konsistenz wie möglich charakterisiert sein. Dabei sollte eine große Bandbreite von Aspekten der Beziehung zwischen Kind und Lehrer in diese Regelmäßigkeit und Vorhersagbarkeit einbezogen werden. Dies kann z. B. dadurch geschehen, dass der Lehrer sich an jedem Schultag über einen bestimmten, fest vereinbarten Zeitraum mit dem Kind beschäftigt oder indem feste Rituale (z. B. Begrüßungsrituale) eingeführt werden, welche die Idee der Vorhersagbarkeit und Konstanz verstärken. In diesem Zusammenhang ist es von großer Bedeutung, dass es der Lehrer vermeidet, Verabredungen mit dem Kind abzusagen, zu verschieben oder nicht einzuhalten, da solche Veränderungen, insbesondere zu Beginn der Beziehung zwischen Lehrer und Kind starke Wutreaktionen und Enttäuschung beim Kind auslösen können. Diese starken Reaktionen resultieren aus der Überzeugung des Kindes, dass sich die Erwartung, dass Beziehungspersonen unzuverlässig sind und sich nicht sorgen, erneut bestätigt hat. Bei unvermeidbaren Unterbrechungen der Beziehung wie z. B. durch die Schulferien oder eine längere Erkrankung des Lehrers ist es hilfreich, wenn der Lehrer Übergangsobjekte im Sinne Winnicotts (1976) einführt. So kann er dem Kind für diese Zeit z. B. erlauben, einen Gegenstand, der symbolisch für den Pädagogen und die pädagogische Beziehung steht, mit nach Hause zu nehmen. Eine andere Möglichkeit ist beispielsweise, dem Kind eine Postkarte zu schreiben als Beweis, dass der Lehrer als Bindungsperson durch die Trennung nicht verloren gegangen ist. Konsistenz und Zuverlässigkeit im Zuwendungsverhalten des Lehrers sollten die Rahmenbedingung in der pädagogischen Arbeit mit ambivalent gebundenen Kindern bilden. Allein mit Hilfe dieser Maßnahmen von denen hier nur einige beispielhaft genannt werden können lassen sich die internalen Arbeitsmodelle ambivalent gebundener Kinder jedoch noch nicht verändern. Denn wie bereits beschrieben, ist es wahrscheinlich, dass betroffene Kinder ihr ambivalentes Beziehungsmuster auch auf Personen in schulischen Settings übertragen. Solche Kinder zeigen in der Regel zunächst ein übermäßig abhängiges Verhalten gegenüber dem Lehrer, indem sie z. B. ständig dessen Nähe suchen, ihn nach seiner Telefonnummer und Adresse fragen, oder indem sie den Lehrer fragen, ob sie ihn zu Hause besuchen dürfen. Insbesondere bei Kindern der ersten Klassen kann sich das abhängige Verhalten auch in regressiven Verhaltensweisen gegenüber dem Lehrer manifestieren. 12 Behinderte Menschen 6/2014

12 Thema: Bindung und Vertrauen Normalerweise kommt es im schulischen Setting aber zu einem Punkt, an dem das Kind realisiert, dass die Lehrkraft unfähig ist, seine massiven Bindungsbedürfnisse zu erfüllen. An diesem Punkt zeigen ambivalent gebundene Kinder in der Regel Ärger- und Wutreaktionen gegenüber dem Lehrer (die zudem auch auf andere projiziert werden können). Auf dem Hintergrund des internalen Arbeitsmodells interpretieren die Kinder das Verhalten des Lehrers als einen weiteren Beleg dafür, dass anderen nicht zu trauen ist. Diese Ärger- und Wutreaktionen (die sich v. a. in aggressivem Verhalten äußern), führen in vielen Fällen wieder dazu, dass die Lehrkraft das komplementäre Bindungsverhalten zeigt indem sie das Kind z. B. zurückweist oder bestraft und damit das internale Arbeitsmodell der Kinder bestätigt. Aus bindungstheoretischer Sicht gibt das Auftreten dieser Aggressionen und Provokationen dem Lehrer aber eine sehr gute Gelegenheit, dem Kind Beziehungserfahrungen zu ermöglichen, die mit seinem bisherigen Arbeitsmodell von Bindung nicht vereinbar sind. Anstatt das Kind zurückzuweisen oder zu maßregeln, sollte der Lehrer zunächst adäquate Grenzen für unakzeptables Verhalten wie z. B. die Lehrkraft zu schlagen oder Schuleigentum zu zerstören setzen. Solch ausagierendes Verhalten hat in der Regel zur Folge, dass die Angst vor den Reaktionen des Lehrers noch vergrößert wird. Das Setzen klarer Grenzen hingegen kann diese Angst verkleinern und zugleich Wege eröffnen, andere Formen des Umgangs mit Ärger zu erlernen (z. B. Ärgergefühle zu verbalisieren; Pearce & Pearce, 1994; Axline, 1997). Zur gleichen Zeit ist es wichtig, das Verhalten des Kindes anzuerkennen und empathisch auf die Ärger-Reaktionen einzugehen. Dies kann dadurch geschehen, dass der Lehrer Interpretationen für den Grund des kindlichen Verhaltens anbietet. Der Lehrer kann dem Kind z. B. in kindgerechter Sprache sagen, dass er sich vorstellen könnte, dass das Kind ärgerlich ist, weil er nicht in der Lage ist, seine Bedürfnisse nach Nähe zu erfüllen. Solche Äußerungen zeigen dem Kind, dass der Lehrer feinfühlig ist. Von zentraler Bedeutung ist jedoch, dass das feinfühlige Interaktionsverhalten des Lehrers konstant ist, erst dann wird das internale Arbeitsmodell von ambivalent gebundenen Kindern mit neuen Beziehungserfahrungen konfrontiert. Denn anders als vermeidend gebundene Kinder haben ambivalent gebundene Kinder ja die Erfahrung gemacht, dass ihre Eltern, bzw. primären Bindungsfiguren manchmal feinfühlig sind. Eine Konstanz in der elterlichen Feinfühligkeit haben sie jedoch nie erlebt, da die Eltern zugleich zurückweisend und wenig feinfühlsam waren. Halten die Provokationen über einen längeren Zeitraum an hiervon ist bei vielen Kindern auszugehen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Lehrkraft ärgerlich auf das Kind wird. Dieser empfundene Ärger bietet wiederum eine Möglichkeit, die Erwartung des Kindes, zurückgewiesen zu werden, wenn andere ärgerlich sind, damit zu konfrontieren, dass die Lehrkraft ihren Ärger gegenüber dem Kind verbalisiert aber gleichzeitig zu verstehen gibt, dass sie das Kind nicht zurückweisen wird. Feinfühligkeit sollte natürlich nicht auf diese Reaktionen auf Ärger beschränkt sein, sondern sich auf das gesamte Interaktionsverhalten des Lehrers zum Schüler beziehen. Insbesondere, wenn die Kinder Ärger zeigen, ist das feinfühlige Verhalten des Lehrers jedoch besonders wichtig, da hier die Gefahr groß ist, dass das ambivalente Arbeitsmodell des Kindes zementiert wird. Da die internalen Arbeitsmodelle von Grundschulkindern in der Regel schon sehr stabil sind sie basieren auf den Beziehungserfahrungen vieler Jahre müssen die vorgestellten pädagogischen Strategien (Kontinuität und Vorhersagbarkeit, das Setzen adäquater Grenzen, Feinfühligkeit insbesondere im Umgang mit den aggressiven Verhaltensäußerungen der Kinder, Versicherung, dass der Lehrer die Kinder nicht zurückweisen wird, Verbalisieren eigener Gefühle) auch über einen längeren Zeitraum angewendet werden, bis sie das Potenzial haben, tiefgreifende Veränderungen im Kind zu bewirken. Nur so ist es in schulischen Settings möglich, dass sich eine sichere Bindung zum Lehrer einstellt. Dies scheint insbesondere für ambivalent gebundene Kinder zu gelten, die so Klaus Grossmann ( , pers. Mitteilung) während einer langen Zeit der Beziehung scheinbar nur darauf warten, dass die neue Bindungsfigur wenig einfühlsam und zurückweisend ist, damit sich ihr bisheriges Beziehungsschema bestätigt. Anzeichen, dass ein ambivalent gebundenes Kind eine Bindungsbeziehung zum Lehrer aufnimmt, liegen vor, wenn das Kind die beschriebenen Abhängigkeitswünsche und Ärgerreaktionen zeigt. Diese störenden Verhaltensweisen können erst aus bindungstheoretischer Sicht in ihrer tiefergehenden Motivation verstanden werden. Aus lerntheoretischer Sicht z. B. stehen diese Verhaltensweisen in funktioneller Abhängigkeit von vorausgehenden und nachfolgenden Bedingungen. Eine klassische verhaltensmodifikatorische Intervention, die sich aus dieser Theorie ableitet, bestände z. B. darin, dass der Lehrer darauf verzichtet, mit Aufmerksamkeit auf die aggressiven Verhaltenssymptome zu reagieren. Eine solche Intervention steht im Gegensatz zu den vorgeschlagenen, bindungstheoretisch abgeleiteten Interventionen und wäre aus dieser Sicht kontraindiziert. Veränderungen, die darauf hinweisen, dass sich eine sichere Bindung zum Lehrer konstituiert, liegen vor, wenn das Explorationsverhaltenssystem des Kindes stärker aktiviert wird, indem das Kind z. B. verstärkt an Aktivitäten mit Gleichaltrigen teilnimmt. Kinder mit einem vermeidenden Bindungsmuster haben Angst vor weiterer Zurückweisung durch eine Bindungsfigur. Diese Angst äußert sich auch in pädagogischen Settings im Verhalten betroffener Kinder, indem sie z. B. den Augenkontakt zum Lehrer meiden, physischen Abstand zum Lehrer aufrechterhalten oder dessen körperliche Nähe abwehren. In solchen Verhaltensweisen ma- 13

13 Henri Julius Bindung, Entwicklung und bindungsgeleitete Interventionen nifestiert sich die Angst vor Zurückweisung durch die Lehrkraft. Um der Furcht des Kindes, eine Beziehung einzugehen und aufrechtzuerhalten, entgegenzuwirken und damit Diskontinuitätserfahrungen zu ermöglichen ist es auf der realen Interaktionsebene wiederum indiziert, feinfühlig auf das Distanzbedürfnis des Kindes zu reagieren. Die Lehrkraft sollte also die Vermeidungshaltung des Kindes zunächst akzeptieren. Eine verfrühte emotionale Annäherung erhöht nur dessen Ängste (Brisch & Hellbrügge, 2012). Denn feinfühlig zu sein heißt in diesem Kontext, das durch die Bindungsvermeidung motivierte Distanzierungsbedürfnis des Kindes wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren. Eine angemessene Reaktion besteht darin, betroffenen Kindern in kindgerechter Sprache zu spiegeln, dass man versteht, warum sie keine Nähe zur Lehrkraft suchen, bzw. diese vermeiden. Eine weitere Möglichkeit, vermeidend gebundenen Kindern sichere Beziehungserfahrungen zu vermitteln, lässt sich durch eine gute sachorientierte Beziehung zwischen Schüler und Lehrer anbahnen. Unter einer sachorientierten Beziehung versteht man ein eigenständiges Beziehungsgefüge, das die Beziehung zwischen zwei Personen beschreibt, in deren Aufmerksamkeitsmittelpunkt die gemeinsame Auseinandersetzung mit einer gemeinsamen Sache steht (in Abhebung von der Bindungsbeziehung, welche die emotionale Beziehung beschreibt). Sie umfasst alle Interaktionen zwischen diesen beiden Personen, die im Zusammenhang mit interessensoder sachorientierten Beschäftigungen des Kindes stehen (Stephan, 1997). Nach den Ergebnissen von Stephan (1997) hat die Art der sachorientierten Beziehung einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Sachkompetenz, die den Grad der Fähigkeit eines Kindes umfasst, sich aktiv und auf vielfältige Weise mit der Umwelt zu beschäftigen und sich in ihr als effektiv und wirksam zu erleben. Wie bei der Bindungsbeziehung, so lassen sich auch bei der sachorientierten Beziehung verschiedene Beziehungstypen unterscheiden (für die einzelnen Klassen siehe Stephan, 1997). Dabei zeigt sich, dass Kinder mit der höchsten Sachkompetenz Bezugspersonen haben, die über ein hohes Einfühlungsvermögen hinsichtlich der Förderung kindlicher Fähigkeiten verfügen. Im einzelnen zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie die Motivation der Kinder berücksichtigten, sich eher reagierend als initiativ verhalten, dabei aber die Bedürfnisse des Kindes verfolgen um dann dem Kind begleitend zur Seite zu stehen. In schulischen Settings ließe sich eine solche Form der sachorientierten Beziehung zwischen Lehrer und Schülern z. B. im offenen Unterricht oder im Projektunterricht optimal realisieren. Eine gute sachorientierte Beziehung muss aber nicht zwangsläufig mit einer sicheren Bindung einhergehen, da mit diesen beiden Konzepten unterschiedliche Beziehungsaspekte beschrieben sind. Allerdings ist die sachorientierte Beziehung auch nicht unabhängig von der Bindungsbeziehung. Die bisherigen Ergebnisse der Bindungsforschung zeigen, dass eine sichere Bindungsbeziehung eine gute Voraussetzung für den Aufbau einer guten und kompetenzfördernden sachorientierten Beziehung ist. Denn da die Eltern sicher gebundener Kinder feinfühlig gegenüber den Bindungsbedürfnissen ihrer Kinder sind, ist es wahrscheinlich, dass sie sich auch hinsichtlich sachbezogener Themen in die Welt ihres Kindes hineinzuversetzen können. Es müssen aber die bereits oben beschrieben Faktoren für den Aufbau einer guten Sachbeziehung hinzukommen. Bisher wurde die Abhängigkeit zwischen Bindungsbeziehung und sachorientierten Beziehung immer nur aus der beschriebenen Perspektive betrachtet. Dabei blieb unberücksichtigt, dass eine gute sachorientierte Beziehung auch für den Aufbau einer sicheren Bindungsbeziehung förderlich sein kann. Zumindest im Kontext von Lehrer-Schüler-Beziehungen scheint dies nach meiner bisherigen Erfahrung möglich zu sein. Wenn Kinder über einen längeren Zeitraum die Erfahrung gemacht haben, dass ihr Lehrer im Sachbereich feinfühlig ist, so erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass betroffene Kinder diese Beziehungserfahrung auch auf bindungsrelevante Situationen übertragen. Aber auch auf dem Hintergrund einer guten sachorientierten Beziehung würde eine zu schnelle emotionale Annäherung des Lehrers dazu führen, dass sich das Kind noch mehr zurückzieht. Denn im Arbeitsmodell vermeidend gebundener Kinder sind erwachsene Bezugspersonen als unsensibel und zurückweisend abgebildet. Daher ist es wichtig, dass das Kind die Distanz zwischen sich und dem Lehrer selbst bestimmen kann. Dies lässt sich realisieren, indem sich der Lehrer darauf beschränkt, Beziehungsangebote zu machen, die sich zudem in der ersten Zeit der Bindungsbeziehung auf einfache und alltägliche bindungsrelevante Situationen beziehen, wenn sich das Kind z. B. beim Spielen auf dem Schulhof leicht verletzt hat). Nimmt das Kind die Beziehungsangebote in diesen Situationen an, kann der Lehrer dazu übergehen, sich auch in bedeutsameren, bindungsrelavanten Situationen als Bezugsperson anzubieten, beispielsweise wenn ein Elternteil des Kindes schwer erkrankt ist). Kinder, die als desorganisiert klassifiziert werden, haben ein Arbeitsmodell von Bindung, in dem sie als vulnerabel und hilflos im Angesicht angstauslösender Situationen repräsentiert sind. Komplementär ist die Bindungsfigur als eine Person repräsentiert, die keine Sicherheit in solchen Situationen bietet. Um die schmerzvollen Bindungserfahrungn, die einem solchen Arbeitsmodell zugrunde liegen, zu bewältigen, setzt das Kind Abwehrmechanismen ein, die dazu führen, dass diese schmerzvollen Bindungserfahrungen vom Bewusstsein ausgeschlossen werden. Deren Speicherung erfolgt in sogenannten abgetrennten Systemen. Die Bindungsrepräsentationen desorganisiert gebundener Kinder spiegeln diese Abwehrprozesse wider. Denn zum einen zeigen diese Kinder Symptome, die auf einen unkontrollierten 14 Behinderte Menschen 6/2014

14 Thema: Bindung und Vertrauen Durchbruch abgetrennter Erinnerungen, Gefühle, Bilder oder Verhaltensweisen hinweisen. Und zum anderen reflektieren die Kriterien der D-Klassifikation Versuche, den Ausschluss dieser Inhalte aus dem Bewusstsein aufrechtzuerhalten. Im Grundschulalter zeigen viele D-Kinder zudem ein kontrollierendes Verhalten gegenüber ihren Bindungsfiguren, das sich als kontrollierend-strafendes oder kontrollierend-fürsorgliches Verhalten äußert. Interventionen für Kinder, die eine desorganisierte Bindungsklassifikation aufweisen, sollten in jedem Fall sowohl auf der Repräsentationsebene als auch auf der Verhaltensebene ansetzen. Auf der Repräsentationsebene müssten die Interventionen auf eine Integration der abgetrennten Systeme fokussieren. Dies ist sicherlich nicht im schulischen, sondern nur in einem therapeutischen Setting möglich. Auf der Verhaltensebene lassen sich allerdings eine Reihe von Interventionen ableiten, die auch in schulischen Settings realisierbar sind. Diese Interventionen können sich zum einen auf die desorganisierten Symptome von D-Kindern beziehen und zum anderen auf das kontrollierende Beziehungsverhalten dieser Kinder. Interventionen, die sich auf desorganisierte Symptome beziehen: Die bisherigen Daten legen nahe, dass D-Kinder auch in schulischen Settings, ausgelöst durch bindungsrelevante Reize, Stress- oder Hilflosigkeitssituation, mit Desorganisation reagieren. So dissoziieren beispielsweise viele betroffene Kinder während des Unterrichts oder es kommt zu einem unkontrollierten Durchbruch von bindungsbezogenen Affekten oder Verhaltensweisen. Als Beispiel sei hier der Fall eines neunjährigen Jungen vorgestellt, der bis zum Alter von vier Jahren von seinen Eltern extrem vernachlässigt wurde. Die Eltern ließen den Jungen oft bis zu zwei Tage allein zu Hause. Der Junge, der seit seinem fünften Lebensjahr im Heim gewohnt hatte, reagierte auf jedwede Reize in der Schule, die mit den Trennungstraumata assoziiert waren, allein schon, wenn die Lehrerin während des Unterrichts den Klassenraum verließ, mit extremen Schreien, das bis zu zwei Stunden andauerte. Die Intervention der Lehrkräfte bestand darin, den Jungen während der Schreiphasen in einen reizarmen Raum zu bringen. Diese Intervention beruhte auf lerntheoretischen Überlegungen, denen zufolge das Zielverhalten nicht auch noch durch die Zuwendung der Lehrer verstärkt werden sollte. Indem sie den Jungen in bindungsrelevanten Situationen zurückwiesen bzw. in einen Time-out-Raum brachten, zeigten die Lehrkräfte jedoch Reaktionen, die denen der primären Bindungsfiguren vergleichbar waren. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass diese verhaltensmodifikatorischen Interventionen auch nach einem Jahr noch keinen Erfolg zeigte. Erst eine Intervention aus bindungstheoretischer Sicht, die darin bestand, dass sich eine bestimmte Lehrerin während der ganzen Zeit des Schreiens mit dem Jungen an einen für ihn sicheren Ort begab, an dem es zu Essen und Trinken gab, führte dazu, dass das Schreien des Kindes aufhörte. Interventionen, die sich auf kontrollierendes Verhalten beziehen: Zusätzlich zu solchen desorganisierten Symptomen manifestiert sich die Symptomatik des D-Musters auch im Beziehungsverhalten betroffener Schüler zum Lehrer. Denn nach den bisherigen Beobachtungen ist das kontrollierende Verhalten nicht auf Interaktionen mit der Bindungsfigur beschränkt. Wie in der Primärbeziehung kann das kontrollierende Verhalten in der Lehrer-Schüler- Beziehung sowohl eine kontrollierend-strafende als auch eine kontrollierend-fürsorgliche Form annehmen. Beide Formen des kontrollierenden Verhaltens spiegeln wahrscheinlich Versuche betroffener Kinder wider, massive Hilflosigkeitserfahrungen im Kontext von Beziehungen (wie sie typisch für Misshandlung, Missbrauch, Vernachlässigung und Verlust sind) zu kompensieren. Auf diesem Hintergrund lassen sich Interventionen auf der konkreten Beziehungsebene ableiten, deren Ziel es ist, betroffene Kinder mit inkompatiblen Beziehungserfahrungen zu konfrontieren. So ist es zunächst sehr wichtig, dass die Lehrkraft nicht mit verbalen Gegenaggressionen auf das strafend-kontrollierende Verhaltens des Kindes reagiert. Nach den bisherigen zur Verfügung stehenden Daten ist dies leider die häufigste Lehrerreaktion. Inkompatible, feinfühlige Reaktionen auf desorganisiert-kontrollierendes Verhalten hingegen erfordert von der Lehrkraft, dass sie anerkennt, dass das betroffene Kind nicht in der Lage ist, die Lehrerin oder den Lehrer als sichere Basis zu nutzen. Die Lehrkraft sollte realisieren, dass das kontrollierende Verhalten ihr gegenüber aus der Erwartung entspringt, misshandelt oder verlassen zu werden. Aus dieser Einsicht heraus kann die Lehrkraft beginnen, feinfühlig auf das kontrollierende Verhalten des Kindes zu reagieren, indem sie Interpretationen für dieses Verhalten anbietet, die dem Kind zeigen, dass die Lehrerin oder der Lehrer feinfühlig ist. Dabei hat sich bewährt, zunächst keine direkten Interpretationen des kontrollierenden Verhaltens anzubieten, sondern diese in kindgerechte Metaphergeschichten zu kleiden. Als Protagonisten dienen in diesen Metaphergeschichten Tiere, wobei als Hauptfigur (Held) das jeweilige Lieblingstier des betreffenden Kindes gewählt wird. Die meisten Kinder stellen ohne Lenkung durch die Lehrkraft einen Bezug von den Metaphergeschichten zur eigenen Situation her. Inhaltlich reflektieren die Metaphergeschichten zum einen die Entstehungsbedingungen kontrollierenden Verhaltens. Zum anderen bieten sie eine Lösung in der Form an, dass eine Vertrauensfigur empathisch das Verhalten des Helden reflektiert und ihm mitteilt, dass sie nicht misshandelnd oder vernachlässigend reagiert, wenn er Bindungsbedürfnisse zeigt. Hat das Kind einen Bezug von den Metaphergeschichten zur eigenen Situation hergestellt, sollte die Lehrkraft zu direkten Interpretationen des kontrollierenden Ver- 15

15 Henri Julius Bindung, Entwicklung und bindungsgeleitete Interventionen haltens übergehen. Parallel muss sich die Lehrkraft als sichere Basis anbieten, indem sie die Bindungsbedürfnisse des Kindes wahrnimmt und adäquat darauf reagiert. Da Kinder, die ein kontrollierendes Beziehungsverhalten ausgebildet haben, in relevanten Situation häufig kein Bindungsverhalten zeigen, ist es indiziert, dass die Lehrkraft zunächst selbst die bindungsbezogenen Bedürfnisse des Kindes verbalisiert und feinfühlig und prompt darauf reagiert. Flankierend scheint es nach den bisherigen Erfahrungen notwendig zu sein, alternative Strategien der Ärgerregulation mit diesen Kindern einzuüben. Die bisherigen Daten zeigen, dass das kontrollierende Verhalten desorganisiert gebundener Kinder gegenüber der Lehrkraft drastisch zurückgeht, wenn die Lehrkraft die beschriebenen Strategien konsequent über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten anwendet. Insbesondere die Arbeit mit desorganisiert gebundenen Kindern erfordert von der Lehrkraft nicht nur ein angemessenes Wissen um die Entstehung dieses Bindungsmusters sowie möglicher Interventionen, sondern auch eine supervisorische Begleitung über einen längeren Zeitraum. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es sinnvoll ist, Lehrer-Schüler-Interaktionen insbesondere in bindungsrelavanten Situationen zu videographieren. Mittels solcher Aufnahmen, die konkrete Lehrer- Schüler-Interaktionen zeigen und die gemeinsam von Supervisor und Lehrer ausgewertet werden, lässt sich die Feinfühligkeit der Lehrkräfte also die Fähigkeit, kindliche Bindungsbedürfnisse wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren besonders effektiv erhöhen. Ad 2) Interventionen auf symbolischer Interaktionsebene Auf der realen Interaktionsebene (Ebene 1) eine sichere Lehrer-Schüler-Beziehung zu etablieren, benötigt viel Zeit. So dauert es in den meisten Fällen weit über ein Jahr, bis sich eine sichere Lehrer-Schüler-Beziehung einstellt. Um diesen Zeitraum zu verkürzen und Ressourcen effektiver einzusetzen, wurden im CARE-Programm zwei weitere Interventionsebenen entwickelt. Mit den sogenannten symbolischen Interaktionen ist die zweite Ebene beschrieben. Statt, wie auf der ersten Ebene, sichere Bindungsbeziehungen im Kontext realer Interaktionen zu etablieren, wird eine solche Beziehung zunächst in einer Spielsituation also in einer symbolischen Interaktion hergestellt. Als besonders geeignet hat sich das Spiel mit Handpuppen oder kleinen Spielfiguren (z. B. Playmobil-Figuren) erwiesen. Spielsituationen lassen sich vor allem in unteren Klassen leicht realisieren und können zum Beispiel im Kontext einer wöchentlich eingerichteten Spielstunde durchgeführt werden. Insbesondere Spielsituationen, in denen das Kind Versorgungssituationen spielt, indem es z. B. ein Baby oder Tiere füttert oder verwundete Tiere versorgt oder sie vor Gefahren bewahrt ein sehr häufiges Thema bei desorgansiert und vermeidend gebundenen Kindern bieten eine gute Gelegenheit für den Lehrer, das Bild von sich als positiv und sorgend beim Kind aufzubauen bzw. zu verstärken. In diesen Versorgungsspielen haben desorganisert gebundene Kinder fast immer die Kontrolle über das Spielgeschehen, indem sie die Rolle des Beschützers oder des Versorgenden einnehmen. Und auch vermeidend gebundene Kinder können es dem Lehrer zumindest in diesem Stadium noch nicht erlauben, den Versorgenden zu spielen, da sie noch erwarten, dass Erwachsene zurückweisend und unwillig sind, sich sorgend um Kinder zu kümmern (Pearce & Pearce, 1994). Die Lehrkraft kann damit beginnen, diese Wahrnehmung zu verändern, indem sie auf einer weniger eindringlichen Ebene versucht, Bindungsbedürfnisse des Kindes zu befriedigen. So kann sie z. B. das Essen zubereiten, dass das Kind einer Tierfigur in der Spielsituation gibt. Wenn das Kind sich diesen uneindringlichen Versuchen nicht widersetzt und sich dabei wohl fühlt, kann die Lehrkraft z. B. dazu übergehen, die Tierfigur im Spiel selbst zu füttern. Andere Kinder spielen Versorgungssituationen, indem sie im Spiel beispielsweise Mahlzeiten für die Figur der Lehrkraft und für die eigene Figur zubereiten. Auch diese Kinder haben in der Regel die Kontrolle über diese Versorgungssituation, da sie misstrauisch gegenüber der Bereitschaft der Lehrkraft sind, das Kind zu versorgen. In diesem Fall kann die Lehrkraft eine aktivere Rolle einnehmen, indem sie beispielsweise Vorschläge zur Zubereitung des Essens macht oder den Tisch deckt. In einer späteren Phase schließlich könnte sie das ganze Mahl für das Kind zubereiten, das als ein wichtiger und geschätzter Gast behandelt wird (Pearce & Pearce, 1994). Ziel dieser beispielhaft skizzierten, symbolischen Interaktionen ist es, das internale Arbeitsmodell der betroffenen Kinder mit inkompatiblen Erfahrungen zu konfrontieren. Die bisherigen Daten zeigen, das dies auf einer symbolischen Interaktionsebene wesentlich einfacher ist als auf der realen Interaktionsbene. So dauert es im Mittel nur etwa drei Monate, bis Kinder auf einer symbolischen Interaktionsbene sichere Bindungsbeziehungen zur Lehrkraft eingehen. Dies mag v. a. damit zusammenhängen, dass symbolische Interaktionen weit weniger Stress auslösen als reale Interaktionen. Dadurch werden unsicher und desorganisiert gebundene Kinder offener für sichere Bindungserfahrungen. Ad 3) Priming Eine noch stärkere Öffnung betroffener Kinder für sichere Bindungserfahrungen gelingt, wenn neurobiologische Mechanismen, die der Regulation von Sozialbeziehungen zugrunde liegen, so beeinflusst werden, dass sicheres Bindungsverhalten gefördert wird. Wie mehrfach herausgestellt, zielt das CARE-Programmm darauf, sichere Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern zu etablieren. Die der Vermeidung, Ambivalenz und Desorganisation zugrundeliegenden, neurobiologischen Regulationsmuster erschweren aber den 16 Behinderte Menschen 6/2014

16 Thema: Bindung und Vertrauen Aufbau einer sicheren Bindungsbeziehung. Ein niedriges Oxytozinniveau und hohe Stresslevel die typisch für desorganisiert gebundene Kindern sind machen es für Lehrkräfte extrem schwierig, sichere Bindungsbeziehungen mit betroffenen Kindern einzugehen, geht doch diese Regulation mit niedrigem Vertrauen, niedriger Empathie und erhöhter sozialer Ängstlichkeit einher. Auf Ebene 3 des CARE-Programms ist es das Ziel, die zugrundeliegende, neurobiologische Regulation unsicher und desorganisiert gebundener Kinder so zu verändern, dass diese Kinder offener für sichere Beziehungserfahrungen werden. Dieser Prozess wird im CARE-Programm als Priming bezeichnet. Beispielhaft sollen zwei solcher Primingstrategien zum Abschluss dieses Beitrages vorgestellt werden. Priming durch Synchronisation: Menschen tendieren dazu, sich automatisch mit den Gesichtsausdrücken, Vokalisationen, Körperhaltungen und Bewegungen anderer Personen zu synchronisieren. Dieses Phänomen ist tief in der Evolution verwurzelt und kann insbesondere bei sozial organisierten Tieren beobachtet werden. So flüchtet z. B. eine gesamte Pferdeherde, wenn nur ein Mitglied dieser Gruppe durch ein Raubtier aufgeschreckt wird. Diese Beispiel illustriert die Synchronisation von Alarmreaktionen, die für das Überleben in Gruppen von zentraler Bedeutung ist. Das Phänomen der Synchronisation ist aber auch involviert, wenn es um den Zusammenhalt der Gruppe geht. So lassen sich bei sozialen Tieren einschließlich des Menschen eine ganze Reihe synchronisierter Verhaltensweisen beobachten, die dem Zusammenhalt der Gruppe dienen (z. B. gemeinsame Nahrungsaufnahme, gemeinsamer Aufbruch). Dieses Phänomen der Gruppenkohäsion ist wahrscheinlich evolviert, weil es Raubtieren so erschwert wird, einzelne Gruppenmitglieder zu erbeuten und hat deshalb einen hohen Überlebenswert. Darüber hinaus scheinen Synchronisationsphänome eine Rolle beim Aufbau dyadischer Beziehungen in sozialen Netzwerken zu spielen. So lassen sich bei einer Reihe von sozialen Tieren Synchronisationsphänomene während des Balzverhaltens beobachten, nehmen wir als Beispiel den Tanz der Kraniche vor der Paarung. Und auch beim Menschen spielt die Synchronisation von Verhalten, Körperhaltungen, Vokalisationen und Affekten eine herausragende Rolle beim Aufbau von Beziehungen. So sind etwa frühe Synchronisationserfahrungen zwischen Mutter und Kind kritisch für die Entwicklung von Vertrauen, Empathie und Selbstregulationsfähigkeiten beim Kind (Feldman, 2007), den Bausteinen für die Entwicklung sicherer Bindungsbeziehungen. Diese wiederum bilden den stärksten protektiven Faktor für die Entwicklung psychischer Gesundheit. Die Fähigkeit, synchron zu interagieren, hat wahrscheinlich eine physiologische Basis, bei der Spiegelneuronensysteme sowie das Oxytozinsystem eine zentrale Rolle spielen. Spiegelneuronen werden bei der Beobachtung von Aktionen und Emotionen anderer aktiviert und bilden die entsprechenden motorischen Muster nach. Dieses Erregungsmuster wird genutzt, um sich mit der Bewegung anderer zu synchronisieren, bzw. aus dem motorischen Anteil der beobachteten Emotion das entsprechende Mit-Gefühl zu generieren. Die bisherigen Daten legen zudem nahe, dass auch das Oxytozinsystem beim Zustandekommen von Synchronisationsphänomenen beteiligt ist. In einer Reihe von Studien konnte gezeigt werden, dass hohe Oxytozinspiegel beim Menschen mit einem hohen Grad an Synchronisation von Verhalten, Emotionen und Körperhaltungen und sogar biologischen Rhythmen wie z. B. dem Herzschlag assoziiert sind. Dabei sieht es so aus, als wenn das Oxytozinsystem und das Spiegelneuronensystem durch eine Rückkopplungsschleife miteinander verknüpft sind: Oxytozin erhöht die Aktivität der Spiegelneuronen, so dass der Grad der Synchronizität steigt. Synchronizität wiederum begünstigt die Freisetzung von Oxytozin. Beim Aufbau dyadischer Beziehungen scheinen diese biologischen Mechanismen eine wichtige Rolle zu spielen. Wie lässt sich das Wissen um solche Synchronisationsphänomene und deren biologischer Basis nun aber nutzen, um Kinder offener für sichere Beziehungserfahrungen zu machen? Eine bedeutsame Möglichkeit besteht darin, Kinder und Tiere miteinander zu synchronisieren. Dies ist z. B. beim Reiten möglich. Synchronisiert sich das Kind beim Reiten mit den Bewegungen des Pferdes, scheint sein Oxytozinsystem aktiviert zu werden. Darauf weisen die bisherigen Daten zumindest hin. Dies geschieht auch bei jenen Kindern, deren Oxytozinsystem durch zwischenmenschliche Interaktionen nicht mehr aktiviert wird, was insbesondere für desorganisiert gebundene Kinder zutrifft. Ein niedriger Oxytozinspiegel macht es für Pädagogen extrem schwierig und zeitaufwändig, eine sichere Beziehung zu den ihn anvertrauten Kindern aufzubauen. Wird hingegen beim Kind Oxytozin durch die Synchronisation mit den Bewegungen des Pferdes freigesetzt, erhöht sich die Offenheit des Kindes, eine sichere Bindungsbeziehung einzugehen. Dieses Zeitfenster einer erhöhten Offenheit (der Oxytozineffekt hält ca Minuten an) nutzen wir, indem betroffene Kinder direkt nach der Arbeit auf dem Pferd eine Spielsequenz (Ebene 2) mit der Lehrkraft durchführen. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder bei Anwendung dieser Priming-Methode schon nach zwei bis drei Sitzungen sicheres Bindungsverhalten gegenüber der Lehrkraft zeigt. Priming durch Mensch-Hund-Kontakt: Natürlich besteht nur in den wenigsten Schulen die Möglichkeit, ein Pferd in der pädagogischen Arbeit einzusetzen. Als weitere Priming-Methode hat sich der Einsatz von Hunden bewährt. Eine breite Datenbasis zeigt nämlich, dass Menschen bindungsähnliche Beziehungen zu Hunden eingehen. Das ist möglich, weil viele Gehirnstrukturen und funktionen, die im sozialen Kontext relevant sind, bei Menschen und Hunden identisch sind (Kotrschal et al. 2009). Weiterhin zeigen die Forschungsergebnisse, dass unsichere und desorganisierte Bindungs- 17

17 Henri Julius Bindung, Entwicklung und bindungsgeleitete Interventionen muster, die auf zwischenmenschlichen Erfahrungen beruhen, nicht mit der Bindung korrespondieren, die Menschen zu Hunden entwickeln. Selbst in Stichproben mit auschließlich desorganisiert gebundenen Menschen entwickelten 85 Prozent der Probanden ein sicheres Bindungsmuster gegenüber ihrem Hund (Kurdek, 2003). Das weist darauf hin, das unsichere und desorganisierte Bindungsstrategien zwar auf neue Bindungsbeziehungen, nicht aber auf Hunde übertragen werden. Die Beziehung zu Hunden hat somit ein großes Potential, die Transmission unsicherer und desorganisierter Bindung zu brechen. Denn nach den bisherigen Daten sieht es so aus, dass die Nicht-Übertragung unsicherer und desorganisierter Bindungen auf Hunde mit entsprechenden Veränderungen in der neurobiologischen Regulation von Beziehungen einhergeht. Denn die neurobiologischen Regulationsmuster von unsicher und desorganisiert gebundenen Kindern, die mit einem Hund interagieren, gleichen den Mustern sicher gebundener Menschen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Dieses Muster ist geprägt durch einen guten Tonus des Oxytozinsystems sowie einer niedrigen Aktivierung der Stress-Systeme (für erste Ergebnisse siehe die Daten unserer Forschungsgruppe, Beetz et al, 2010; 2011). Wenn bindungsähnliche Beziehungen zu Hunden das Oxytozinsystem nebst dessen stressreduzierenden und beziehungsfördernden Effekten aktivieren, birgt dies ein großes Potential für Pädagogen, eine sichere Bindungsbeziehungen zum Kind aufzubauen. Die psychologischen und zugrundeliegenden neurobiologischen Veränderungen, die mit dem Kontakt zu einem Hund assoziert sind, scheinen Vertrauen und Empathie zu befördern und soziale Ängstlichkeit zu reduzieren. Durch diese Priming- Strategie wird das Bindungsverhaltenssystem unsicher und desorganisiert gebundener Kinder offener, um neue, sichere Bindungserfahrungen zu integrieren. Für den vorliegenden Artikel wurden nur zwei Priming-Strategien ausgewählt, anhand derer exemplarisch das Vorgehen im CARE-Programm aufgezeigt werden sollte. Eine Reihe weiterer Priming-Strategien werden bei Julius et al. (2014) vorgestellt. Bei Anwendung aller drei Ebenen des CARE-Programms ist es inzwischen möglich, innerhalb von sechs bis acht Wochen eine sichere Lehrer-Schüler-Beziehung zu etablieren. Diese Zeitressource ist in allen Schulen, mit denen wir bisher gearbeitet haben, aufgebracht worden und hat sich letztlich vielfach bezahlt gemacht. Denn die Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehung ist einer der wichtigsten Prädiktoren für die schulische Entwicklung eines Kindes, wie die berühmte Hattie-Studie zeigt (Hattie & Yates, 2013). Ein Training zum CARE-Programm wird seit drei Jahren an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich unter Leitung von Henri Julius angeboten. Literatur Ainsworth, M. D. S. (1967). Infancy in Uganda: Infant care and the growth of love. Oxford, UK: Johns Hopkins Press. Alexander, K. L., Entwisle, D. R. & Thompson, M. S. (1987). School performance, status relations, and the structure of sentiment: Bringing the teachers back in. American Sociological Review, 52 (5), Axline, V.M. (1997). Kinder-Spieltherapie im nicht-direktiven Verfahren. München: Reinhardt. Beetz, A., Hediger, K., Julius, H., Balzer, H.-U., Turner, D., Uvnäs-Moberg, K., & Kotrschal, K. (2010, July). Stress reduction in children in the presence of a real dog, a stuffed toy dog, or a friendly adult. Special session presented at the 12th International Conference on Human-Animal Interactions (IAHAIO), Stockholm, Sweden. Beetz, A., Kotrschal, K., Turner, D., Hediger, K., Uvnäs-Moberg, K., & Julius, H. (2011). 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