Die Lungenfunktionsprüfung
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- Gerhard Dittmar
- vor 8 Jahren
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1 Die Lungenfunktionsprüfung Die Hauptaufgabe der Lunge als Ort des Gasaustausches und hierüber als Regulator des Säure-Basen- Haushaltes findet ihre Repräsentation in der Lungenfunktionsdiagnostik. Die verschiedenen Anteile der Lungenfunktion Ventilation, Perfusion, Diffusion, Verteilung können hierbei als Einzelfunktionen oder als Summe dargestellt werden. Indikationen zur Durchführung einer lungenfunktionellen Diagnostik stellen neben der Objektivierung und ätiologischen Zuordnung der Dyspnoe, deren Verlaufskontrolle unter Therapie, die Beurteilung der pulmonalen Leistungsbreite vor belastenden Eingriffen (bspw. Operationen) und im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen dar. Folgende Messmethoden stehen uns hierfür zur Verfügung: 1. Die Spirometrie dient der Identifikation von Ventilationsstörungen im Sinne einer obstruktiven bzw. restriktiven Einschränkung. Der Patient wird aufgefordert, nach maximaler Ausatmung zügig und vollständig einzuatmen, um anschließend - ohne zwischenzeitliche Pause - komplett forciert auszuatmen. Es resultiert eine Fluss-Volumen-Kurve. Limitationen auf der X-Achse (Volumen) sprechen für Behinderungen der Lungenausdehnung und damit für restriktive Ventilationsstörungen. Limitationen auf der Y-Achse (Fluss) spiegeln verminderte exspiratorische Flussgeschwindigkeiten wider und erlauben hierüber eine Abgrenzung von zentralen und peripheren obstruktiven Ventilationsstörungen.
2 2. Ergänzt wird die Spirometrie durch die Bodyplethysmographie, die die Bestimmung des spezifischen Atemwegswiderstandes mit Atemschleife, des intrathorakalen Gasvolumens und aller davon ableitbaren zusätzlichen Volumenparameter erlaubt. Der Patient nimmt in einer luftdicht zu verschließenden Kabine Platz, deren Volumen bekannt ist. Mittels Verschlussdruckmessung wird kurzzeitig am Mundstück des Patienten der Atemstrom verschlossen und hierüber der spezifische Atemwegswiderstand als Ausdruck der hierfür aufzubringenden Atemarbeit ermittelt. Die bodyplethysmographisch erhobenen Parameter erlauben insbesondere eine genauere Quantifizierung von restriktiven Ventilationsstörungen und Überblähungsgraden. 3. Die Diffusionstestung erfolgt unter Verwendung des Testgases Kohlenmonoxid (CO), das abgesehen bei Rauchern- in der natürlichen Umgebung und damit im Blut der Patienten nicht vorkommt. Mittels Ein- Atemzug-Methode (Single-Breath-Methode) wird ein Gasgemisch (Kohlenmonoxid, Helium, Raumluft) maximal eingeatmet. Während einer anschließenden Atemanhaltezeit von 10sec kann das Gasgemisch ins Blut diffundieren; der verbliebene intraalveoläre Gasanteil wird in der nachfolgenden Exspiration bestimmt. Der hierdurch ermittelte Transferfaktor (TL) kann zum Alveolarvolumen (VA) korreliert werden und ergibt den Transferkoeffizienten (K=TL/VA), der eine Unterscheidung von konkomitanten pulmonalen oder extrapulmonalen Restriktionen erlaubt. So ist bspw. bei Z.n. Lobektomie zwar der Transferfaktor reduziert; die Korrelation zum reduzierten Alveolarvolumen ergibt jedoch einen normwertigen Transferkoeffizienten als Ausdruck einer regelrechten Diffusionsleistung des verbleibenden Lungenparenchyms.
3 4. Die Bronchospasmolysetestung dient der Beurteilung der Reversibilität einer zuvor spirometrisch und ggf. bodyplethysmographisch nachgewiesenen Obstruktion. Nach Inhalation eines schnellwirksamen Bronchospasmolytikums (β2-sympathomimetikum, Anticholinergikum) wird die Lungenfunktion wiederholt und die Rückbildung der vormals beschriebenen Obstruktion beurteilt. Eine Zunahme der FEV1 von mind. 15% bzw. 200ml wird als signifikante Reversibilität beurteilt. An der Reversibilitätsreaktion der Obstruktion lässt sich häufig zwischen einem Asthma bronchiale und einer COPD unterscheiden: Während das Asthma bronchiale unter Bronchospasmolyse komplett reversibel ist, ist die Obstruktion bei COPD irreversibel bzw. maximal partiell reversibel. 5. Dem Nachweis einer bronchialen Hyperreaktivität dient die Provokationstestung. Bei der unspezifischen Metacholin-Provokation erfolgt die standardisierte Inhalation eines Metacholin-Aerosols in steigender Konzentration. Eine unter Provokation auftretende Obstruktion mit einem FEV1-Abfall um mindestens 20% spricht für das Vorliegen einer sog. unspezifischen bronchialen Hyperreaktivität als Ausdruck eines Asthma bronchiale. Weiterführend können spezifische Inhalationstests zur Identifikation bestimmter Aeroallergene ergänzt werden.
4 Lungenfunktionsparameter Nachfolgend eine Beschreibung der wichtigsten Lungenfunktionsparameter, von denen die statischen und dynamischen Volumina und ihre Relation zueinander im Spirogramm veranschaulicht werden. In den einzelnen Messungen werden die Parameter als Istwert (=gemessener Wert) und meist auch als Sollwert mit prozentualer Abweichung des Ist- vom Sollwerts wiedergegeben. VT IRV IC = VT+IRV ERV IVC EVC FRC = ERV+RV ITGV = ERV+RV RV TLC = VC+RV Tidalvolumen/Atemzugvolumen: das pro Atemzug ein- bzw. ausgeatmete Volumen Inspiratorisches Reservevolumen: das Volumen, das nach normaler Inspiration noch zusätzlich maximal eingeatmet werden kann Inspiratorische Kapazität: das Volumen, das aus der Atemruhelage heraus noch maximal eingeatmete werden kann Exspiratorische Reservevolumen: das Volumen, das nach normaler Exspiration noch zusätzlich maximal ausgeatmet werden kann Inspiratorische Vitalkapazität: das Volumen, das nach maximaler Exspiration maximal eingeatmet werden kann Exspiratorische Vitalkapazität: das Volumen, das nach maximaler Inspiration maximal ausgeatmet werden kann. Erfolgt dies als forciertes Manöver, spricht man von der forcierten Vitalkapazität (FVC). Funktionelle Residualkapazität: Volumen, das sich nach normaler Exspiration noch in der Lunge befindet. Entspricht den ventilierten Anteilen in der Heliumdilutionsmethode. Intrathorakales Gasvolumen: Volumen, das sich nach normaler Exspiration noch in der Lunge befindet. Wird bodyplethysmographisch bestimmt und entspricht neben den ventilierten Anteilen auch den gasgefüllten Anteilen. Bei bspw. Emphysembullae ist ITGV>FRC. Residualvolumen: Volumen, das nach maximaler Exspiration noch in der Lunge verbleibt und nicht ausgeatmet werden kann Totale Lungenkapazität: Volumen, das sich nach maximaler Inspiration in der Lunge befindet.
5 Atemflussparameter: FEV1 Forciertes exspiratorisches Volumen in 1 Sekunde, Einsekundenkapazität: das nach maximaler Inspiration unter stärkster Anstrengung schnellstmöglich ausgeatmete Volumen der ersten Sekunde. FEV1% Relative Einsekundenkapazität: FEV1 im Verhältnis zur Vitalkapazität. PEF Peak exspiratory flow: maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit, die bei forcierter Exspiration nach kompletter Inspiration erreicht werden kann. MEF75 Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit zu dem Zeitpunkt, bei dem noch 75% der Vitalkapazität auszuatmen sind. MEF50 Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit zu dem Zeitpunkt, bei dem noch 50% der Vitalkapazität auszuatmen sind MEF25 Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit zu dem Zeitpunkt, bei dem noch 25% der Vitalkapazität auszuatmen sind Diffusionsparameter: TLCO = DLCO KCO = TLCO/VA VA Transferfaktor, Diffusionskapazität: Gasmenge an Kohlenmonoxid (CO), die vom Alveolarraum ins Blut (Hämoglobin) aufgenommen wird Transferkoeffizient, Krogh-Index: Transferfaktor bezogen auf das Alveolarvolumen (VA) Alveolarvolumen
6 Fallbeispiele 1. Fallbeispiel:
7 Die exspiratorische Fluss-Volumen-Kurve zeigt eine konkavbogige Deformierung mit deutlicher Diskrepanz des tatsächlichen exspiratorischen Flusses (blau) vom (auf das Alter, Geschlecht, Gewicht und Größe normierten) Sollverlauf (schwarz). Entsprechend beträgt der gemessene FEV1 1,54l bzw. 46,4% des Sollwertes. Die zu verschiedenen Zeitpunkten der Exspiration bestimmten Flussgeschwindigkeiten (PEF, MEF75, MEF50, MEF25) zeigen eine stärkere Beeinträchtigung von MEF75 bis MEF25 als Ausdruck einer führend peripheren Obstruktion, da die genannten Werte die späten Zeitpunkte der Exspiration und damit das periphere Bronchialsystem erfassen. Die sich im Kurvenverlauf darstellende frühexspiratorische Knickbildung ist Ausdruck einer bronchialen Wandinstabilität. Als Folge der Bronchialobstruktion besteht eine unvollständige Exspiration, die eine Lungenüberblähung bedingt. Entsprechend sind das intrathorakale Gasvolumen und das Residualvolumen mit 148,9% des Sollwertes bzw. 186,2% des Sollwertes erhöht. Zusammenfassend zeigt sich der Befund einer mittelschweren, führend peripheren Obstruktion mit mittelgradiger Überblähung, passend zu einer COPD GOLD III mit mittelgradigem Lungenemphysem. Folge des emphysematösen Lungenumbaus ist eine schwergradig reduzierte Diffusionskapazität (TLCO=33,3% des Sollwertes). Eine Abgrenzung zum Asthma bronchiale ist durch die Betonung der peripheren Bronchialobstruktion (beim Asthma bronchiale führend zentrale Obstruktion mit vorwiegender Reduktion FEV1 und PEF und Erhöhung des Atemwegswiderstandes) und der reduzierten Diffusionskapazität möglich, die beim Asthmatiker nicht beobachtet wird. Eine Schweregradeinteilung von Obstruktion und Überblähung ist anhand folgender Grenzwerte möglich: (1) Obstruktion Schweregrad FEV1 (in % vom Soll) Leicht 70 Mäßig Mittelschwer Schwer Sehr schwer <35 (2) Überblähung Schweregrad TGV (in % v. Soll) RV (in % v. Soll) RV/TLC (in % v. Soll) Leicht <140 <140 <140 Mittel Schwer >170 >170 >170
8 2. Fallbeispiel: Die Form der Fluss-Volumen-Kurve ist verschmälert, d.h. das auf der X-Achse markierte, zu erwartenden Sollvolumen (schwarz) wird nicht erreicht. Unter Berücksichtigung der Messwerte ergibt sich eine mittelgradige IVC- und TLC-Reduktion (53,2%/Soll bzw. 58,4%/Soll). Gleichzeitig liegen die Flussgeschwindigkeiten (PEF, MEF75, MEF50, MEF25) und der Atemwegswiderstand (R tot) im Normbereich. Die ergänzend vorliegende Diffusionstestung ergibt eine schwergradig eingeschränkte Diffusionsleistung (TLCO 31,4%/Soll).
9 Zusammenfassend sprechen der typische Kurvenverlauf und die Werte für das Vorliegen einer mittelgradigen restriktiven Ventilationsstörung mit schwergradig eingeschränkter Diffusionsleistun. Es handelt sich um die Lungenfunktion eines an einer idiopatischen pulmonalen Fibrose (IPF) - als eine Unterform der diffusen fibrosierenden Lungenparechymerkrankungen erkrankten Patienten. Eine Schweregradeinteilung von Restriktion und Diffusionsstörung ist anhand folgender Grenzwerte möglich: (1) Restriktion Schweregrad IVC in % vom Soll Leicht >70 Mäßig Mittelschwer Schwer Sehr schwer <35 (2) Diffusionsstörung Schweregrad TLCO in % vom Soll Leicht >60 Mittel Schwer <40
10 3. Fallbeispiel: Dargestellt ist das Ergebnis einer Metacholinprovokationstestung im Sinne eines Mehrkonzentrationstests. Die Basismessung ergibt sich eine völlig blande Lungenfunktion mit normwertigem Kurvenverlauf und Messparametern. Nach Inhalation von NaCL 0,9% zeigt sich keine wesentliche Änderung. Unter Inhalation von Metacholin in steigenden Dosen kommt es bei 0,49mg Metacholin (kumulativ: 0,65mg Metacholin) zu einem deutlichen Anstieg der Resistance mit Abnahme der FEV1 um 20% im Sinne einer schwergradigen Obstruktion mit relativer Überblähung (RV 2,69l). Nach anschließender Bronchospasmolyse ist eine gänzliche Reversibilität der Obstruktion und Überblähung nachweisbar.
11 Es ergibt sich der Befund einer positiven Metacholinprovokationstestung (Abfall der FEV1 um mind. 20%) mit reversiblem Befund nach Bronchospasmolyse. Man spricht von einer schwergradigen unspezifischen bronchialen Hyperreaktivität, meist im Sinne eines Asthma bronchiale.
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