Aktuelle Rechtsprechung zum Stockwerkeigentum
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- Herta Inge Waldfogel
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1 Aktuelle Rechtsprechung zum Stockwerkeigentum Prof. Dr. iur. Jörg Schwarz Rechtsanwalt und Notar in Luzern Titularprofessor für Privatrecht an der Universität Luzern 6. Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 22. November 2016
2 Die Themen - Prozessfähigkeit der Stockwerkeigentümergemeinschaft - Beiträge an die Stockwerkeigentümergemeinschaft - Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 257 ZPO) bei Beschlüssen einer Stockwerkeigentümergemeinschaft - Bauhandwerkerpfandrecht - gesetzliches Pfandrecht der Gemeinschaft für Beitragsforderungen 2
3 Prozessfähigkeit der Stockwerkeigentümergemeinschaft 3
4 Gesetzliche Grundlage Art. 712l ZGB 1 Unter ihrem eigenen Namen erwirbt die Gemeinschaft das sich aus ihrer Verwaltungstätigkeit ergebende Vermögen, wie namentlich die Beitragsforderungen und die aus ihnen erzielten verfügbaren Mittel, wie den Erneuerungsfonds. 2 Die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer kann unter ihrem Namen klagen und betreiben sowie beklagt und betrieben werden. Abs. 2 bezieht sich auf Abs. 1; daher ist die Prozessfähigkeit der Gemeinschaft auf ihren Zweck begrenzt. 4
5 Bundesgericht: "Die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer ist aufgrund gesetzlicher Vorschrift vermögensfähig (Art. 712l Abs. 1 ZGB) sowie im Rahmen ihrer vermögensrechtlichen Zuständigkeit partei- und prozessfähig und damit in bestimmtem Umfange auch handlungsfähig (Art. 712l Abs. 2 ZGB). Diese Selbstständigkeit kommt ihr indessen einzig als Verwaltungsgemeinschaft, nicht etwa auch als Eigentumsgemeinschaft zu " (BGE 114 II 239 E.3). Frage, ob bestimmte Handlungen "Verwaltung" darstellen; nur falls bejaht kann die Gemeinschaft (prozessual) vorgehen. 5
6 Die Prozessfähigkeit der Stockwerkeigentümer im Besitzesschutzverfahren 6
7 Das Urteil 5A_126/2015 Der Sachverhalt Der Kläger machte gegenüber der Stockwerkeigentümergemeinschaft eine Besitzesstörung (Art. 928 Abs. 1 ZGB: "Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht gestört, so kann der Besitzer gegen den Störenden Klage erheben, auch wenn dieser ein Recht zu haben behauptet.") geltend. Es ging darum, dass eine über die Oberlichter des Hauses führende "Brücke" versetzt wurde. Neu lag das Atrium in der Wohnung des Klägers schräg unter der neu positionierten Brücke. Wer die Brücke verschoben hatte, geht aus dem Urteil nicht hervor (und konnte offenbar auch nicht eruiert werden). 7
8 Das Urteil Hauptfrage: Kann die Stockwerkeigentümergemeinschaft überhaupt als Störer passivlegitimiert sein? Die Stockwerkeigentümergemeinschaft kann nur im Zusammenhang mit ihrer Verwaltungstätigkeit und mit dem Gemeinschaftsvermögen im eigenen Namen klagen und verklagt werden. Daher ist fraglich, ob die Stockwerkeigentümergemeinschaft im Falle einer Besitzesstörung überhaupt als Störer eingeklagt werden kann. Als Zustandsstörerin kann die Gemeinschaft darum nicht in Frage kommen, weil sie nicht Eigentümerin des Gebäudes ist. Die Klage wurde abgewiesen. 8
9 Lehren aus dem Urteil Das Urteil behandelt die Frage der Prozessfähigkeit der Stockwerkeigentümergemeinschaft im Bereich des Besitzesschutzes nicht abschliessend, da die Klage auch aus andern Gründen abzuweisen war. Immerhin kann aber Folgendes als gesichert gelten: Die Stockwerkeigentümergemeinschaft kann nicht Zustandsstörerin sein, da sie nicht Eigentümerin der Baute ist. 9
10 Verhaltensstörerin könnte die Stockwerkeigentümergemeinschaft wohl nur dann sein, wenn die Störung auf einem Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft zurückgeht. In diesem Fall könnte der Beschluss von jedem Stockwerkeigentümer angefochten werden (Art. 712m Abs. 2 ZGB i.v.m. Art. 75 ZGB). Aufgrund der Anfechtungsmöglichkeit erscheint eine Besitzesschutzklage generell nicht mehr möglich. Gilt dann, wenn ein Stockwerkeigentümer durch den Zustand des eigenen Gebäudes oder durch das Verhalten der andern Stockwerkeigentümer in seinem Besitz gestört wird. 10
11 ABER: Wird die Gemeinschaft als Ganzes durch Dritte gestört, oder stört die Stockwerkeigentümergemeinschaft einen Dritten in seinem Besitz ist die Stockwerkeigentümergemeinschaft zu Besitzesschutzklagen aktiv- und passivlegitimiert. Abwehr von Einflüssen, die alle Stockwerkeigentümer stören, gehören zur Verwaltungstätigkeit. Störung eines Dritten hängt meistens mit der Art und Weise der Verwaltung der Stockwerkeigentümergemeinschaft zusammen. Stört der Zustand der Stockwerkeigentumsbaute einen Dritten, ist allerdings nicht die Gemeinschaft ins Recht zu fassen, sondern es sind die Eigentümer, d. h. die Stockwerkeigentümer, einzuklagen. 11
12 Die Prozessfähigkeit der Stockwerkeigentümergemeinschaft für Prozesse um Dienstbarkeiten 12
13 Das kantonale Urteil: Obergericht ZH NP Der Sachverhalt Dienstbarkeit zugunsten des Stammgrundstücks des Stockwerkeigentums und zulasten eines benachbarten Grundstücks. Inhalt: Bäume und Sträucher auf dem belasteten Grundstück dürfen die Höhe von 5 m nicht übersteigen. Zwei Bäume auf dem belasteten Grundstück überschritten die Höhe von 5 m massiv. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft verlangte vom Eigentümer des belasteten Grundstücks den Rückschnitt der Bäume. Da kein Rückschnitt erfolgte, klagte die Gemeinschaft gestützt auf die Dienstbarkeit auf diesen Rückschnitt. Bezirksgericht verpflichtete den Eigentümer des belasteten Grundstücks, die Bäume zurückzuschneiden und drohte ihm Gehorsamsstrafe gemäss Art. 292 StGB an. 13
14 Das Urteil: Ausführungen zur Frage der Prozessfähigkeit und damit zur Aktivlegitimation der Stockwerkeigentümergemeinschaft: Die Stockwerkeigentümergemeinschaft hat im Bereich der gemeinsamen Nutzung und Verwaltung von Gesetzes wegen Prozessfähigkeit. Entscheidend ist somit, ob eine Klage auf Durchsetzung der konkreten Dienstbarkeit den Bereich der gemeinsamen Nutzung und Verwaltung betrifft. 14
15 Die konkrete Dienstbarkeit ist nicht zugunsten eines, mehrerer oder gar aller Stockwerkeigentümer im Grundbuch eingetragen, sondern zugunsten des Stammgrundstücks. Da unter Verwaltung "alle Massregeln tatsächlicher oder rechtlicher Art, die der Natur und der wirtschaftlichen Bestimmung des gemeinschaftlichen Grundstücks dienen" zu verstehen ist, fällt auch die Einleitung einer Klage auf Unterlassung oder Beseitigung einer Störung der Dienstbarkeit unter die "Verwaltung". Zudem betrifft die Dienstbarkeit die gemeinschaftlichen Teile des Stockwerkeigentums, sodass die Gemeinschaft zu deren Durchsetzung prozessfähig ist. 15
16 Das Bundesgerichtsurteil 5A_898/2015 (Das Urteil ist zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) Subsidiäre Verfassungsbeschwerde nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte konnte gerügt werden (Art. 116 BGG) Es ist nicht willkürlich, wenn das Obergericht ZH bezüglich der Klage ausführt, die Aktivlegitimation und Prozessfähigkeit der Stockwerkeigentümergemeinschaft sei zu bejahen. Bei der Beschränkung der Höhe von Bäumen geht es "offensichtlich um die Gewährung von Licht, Aussicht und Weitegefühl zugunsten des dienstbarkeitsberechtigten Grundstücks". Hiervon profitieren alle Stockwerkeigentümer, und zwar sowohl in subjektiver Hinsicht (persönliches Wohlbefinden) als auch potenziell wertmässig (Verkehrs- und Mietwert der Einheiten wird positiv beeinflusst). Daher betrifft die Dienstbarkeit die gemeinschaftliche Verwaltung. 16
17 Lehren aus dem Urteil Die Durchsetzung einer Dienstbarkeit, die im Interesse des Stammgrundstücks als Ganzes (und nicht nur einzelner Stockwerkeigentümer) errichtet wurde, gehört in den Bereich der gemeinsamen Nutzung und Verwaltung; dementsprechend kann die Stockwerkeigentümergemeinschaft diese Dienstbarkeit in ihrem eigenen Namen auf dem Klageweg durchsetzen. Praktische Vorteile: Es bedarf nicht der Zustimmung aller Stockwerkeigentümer; es genügt ein Mehrheitsbeschluss der Stockwerkeigentümer. Könnte die Gemeinschaft nicht selber klagen, müssten alle Stockwerkeigentümer gemeinsam vor Gericht auftreten. Probleme bei einem Handwechsel (Art. 83 Abs. 1 ZPO) 17
18 Beiträge an die Stockwerkeigentümergemeinschaft 18
19 Das Urteil 5A_768/2015 Der Sachverhalt Probleme in einer Eigentümergemeinschaft. Ein erster Verwalter genügte den Anforderungen an eine ordentliche Verwaltung nicht und auch durch Wechsel der Verwaltung konnten nicht alle Versäumnisse korrigiert werden. Jahresrechnungen 2000 bis 2006 wurden erst am 1. Oktober 2013 auf Grundlage der vorhandenen Belege und gestützt auf einen Vergleich der in diesen Jahren eruierten Ausgaben mit den vorangehenden und nachfolgenden Jahren sowie einer entsprechenden Plausibilitätsprüfung genehmigt bis 2012 waren schon vorgängig genehmigt worden. 19
20 Gestützt auf alle diese Jahresrechnungen, die einen Kostenverteilschlüssel gemäss den Wertquoten enthielten, wurden den Stockwerkeigentümern die entsprechenden Beträge in Rechnung gestellt. Der Stockwerkeigentümer A bezahlte anders als alle andern seine Beiträge nicht. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft klagte gegen A vorerst auf Zahlung von rund CHF 37' Das Bezirksgericht Arbon verurteilte A zur Bezahlung von rund CHF 34' Auf Berufung hin reduzierte das Obergericht TG den Betrag auf rund CHF 29'
21 Das Urteil: Die von der Stockwerkeigentümergemeinschaft geltend gemachte Forderung beruht auf den Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung bezüglich der Jahresrechnung und der Kostenverteilung. A hatte die entsprechenden Beschlüsse nicht innert Frist angefochten er kann weder die Berechnungsgrundlagen in Frage stellen noch die Begründetheit der Beitragsforderung an sich bestreiten. Es stellt sich nur die Frage, ob die Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung nichtig waren. Dies verneint das Bundesgericht. 21
22 Das Bundesgericht stellt fest, die Versammlung habe im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Kompetenzordnung Beschlüsse bezüglich der Jahresrechnung und der Kostenverteilung gefasst. Dabei hat sie sich auf die verfügbaren Belege und einen Vergleich mit den vorangehenden und den nachfolgenden Jahren abgestützt. In der konkreten Situation haben die Verwaltung und die Stockwerkeigentümergemeinschaft nach bestem Wissen und Gewissen die finanzielle Situation zu ermitteln versucht, was nicht zu beanstanden ist. Zur Nichtigkeit: Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung sind nur dann nichtig, wenn die Beschlussfassung auf schwerwiegenden formellen oder materiellen Mängeln beruht oder wenn überhaupt keine ordnungsgemässe Versammlung stattgefunden hat. 22
23 Nichtigkeit ist auch dann gegeben, wenn die Versammlung über Gegenstände, die klar ausserhalb des Zuständigkeitsbereiches der Gemeinschaft liegen, Beschluss fasst. Nichtig ist auch eine Beschlussfassung, die materiell krass zuungunsten eines einzelnen Mitglieds ausfällt. Zur Einforderung von Beiträgen: Die von der Stockwerkeigentümerversammlung genehmigten Jahresrechnungen und Kostenverteilung sind für den Forderungsprozess gegen den einzelnen Stockwerkeigentümer verbindlich, sofern die Beschlüsse rechtskräftig sind, d. h. insbesondere keine Anfechtung rechtshängig ist, und auch kein Nichtigkeitsgrund vorliegt. Beweisanträge von A, der die materielle Richtigkeit der Jahresrechnungen überprüfen wollte, wurden zu Recht nicht berücksichtigt. 23
24 Lehren aus dem Urteil Wenn die Richtigkeit der Jahresrechnung und die Begründetheit der Kostenverteilung bestritten wird, muss der Stockwerkeigentümer die entsprechenden Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung innert eines Monats anfechten (Art. 712m Abs. 2 ZGB i.v.m. Art. 75 ZGB). Später kann er entsprechende Rügen nur dann geltend machen, wenn die Beschlüsse nichtig sind, was nur sehr selten der Fall ist. Für die Stockwerkeigentümergemeinschaft bzw. den Verwalter bedeutet dies, dass allein gestützt auf die nicht angefochtenen bzw. rechtskräftigen Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung ein Forderungsprozess gegen einen Stockwerkeigentümer erfolgreich bestanden werden kann. Voraussetzung sind vollständige, korrekt und sauber geführte Protokolle. 24
25 Aus den Überlegungen des Bundesgerichts ist auch zu schliessen, dass bei Vorliegen sauberer Protokolle die Beiträge auf dem Weg des Rechtsschutzes in klaren Fällen (Art. 257 ZPO) eingetrieben werden können. 25
26 Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 257 ZPO) bei Beschlüssen der Stockwerkeigentümergemeinschaft 26
27 Die gesetzliche Grundlage Art. 257 ZPO 1 Das Gericht gewährt Rechtsschutz im summarischen Verfahren, wenn: a. der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar ist; und b. die Rechtslage klar ist. 2 Ausgeschlossen ist dieser Rechtsschutz, wenn die Angelegenheit dem Offizialgrundsatz unterliegt. 3 Kann dieser Rechtsschutz nicht gewährt werden, so tritt das Gericht auf das Gesuch nicht ein. 27
28 Ein Sachverhalt ist liquid, wenn er unbestritten oder sofort beweisbar ist. Sofort beweisbar ist der Sachverhalt, "wenn er ohne zeitliche Verzögerung und ohne besonderen Aufwand nachgewiesen werden kann. Der Beweis ist in der Regel durch Urkunden zu erbringen" (BGE 138 III 620 E.5.1.1). Bestreitet der Beklagte den vom Kläger behaupteten Sachverhalt glaubhaft, so kann der schnelle Rechtsschutz nicht gewährt werden. Es liegt kein liquider Sachverhalt vor. Seit einigen Jahren wird diskutiert, ob Art. 257 ZPO der schnellen Durchsetzung von Beitragsforderungen der Stockwerkeigentümergemeinschaft gegen einzelne Stockwerkeigentümer dienen kann. Art. 257 kann allerdings auch bezüglich anderer Beschlüsse der Stockwerkeigentümergemeinschaft von Interesse sein. 28
29 Urteil 5D_95/2015 Der Sachverhalt Ein Mehrfamilienhaus ist in Stockwerkeigentum aufgeteilt und umfasst fünf Wohnungen mit fünf Garagen. A ist einer der Stockwerkeigentümer. An mehreren Stockwerkeigentümerversammlungen wurden bauliche Massnahmen betreffend die Garagentore erörtert: 1. Versammlung: Sanierung der fünf Garagentore mit allen gegen die Stimme von A beschlossen. 29
30 2. Versammlung: Mitteilung, die neuen Garagentore seien bestellt und würden in Bälde montiert. A war mit dem Ersatz der Garagentore nicht einverstanden. Bestätigung des ursprünglichen Beschlusses; allerdings Konzession gegenüber A, indem nur die Garagentore der andern Stockwerkeigentümer ausgewechselt werden, nicht aber seines. Das überzählige Tor wird vorerst aufbewahrt. 3. Versammlung: Mit allen gegen die Stimme von A wurde dem Verwalter die Kompetenz erteilt, die Einheitlichkeit der Liegenschaft mit der Erneuerung des letzten Garagentores auf rechtlichem Weg abzuklären und allenfalls anzugehen. 4. Versammlung: Beschluss die Erneuerung des noch nicht ersetzten Garagentores von A auf rechtlichem Wege durchzusetzen (einstimmig, da A nicht anwesend war). 30
31 Stockwerkeigentümergemeinschaft verlangt im Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fällen, A zu verpflichten, den "Ersatz seines im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Garagentores zu dulden". Das Kantonsgericht Schaffhausen hiess das Gesuch gut; eine Beschwerde wurde vom Obergericht SH abgewiesen. 31
32 Das Urteil: Keine Beschwerde in Zivilsachen, sondern subsidiäre Verfassungsbeschwerde daher konnte der Beschwerdeführer (A) nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend machen (Art. 116 BGG). Stockwerkeigentümerversammlung war befugt, angesichts der Verweigerungshaltung von A die rechtsgültig beschlossenen baulichen Massnahmen unter Auflage der Mehrkosten an A gerichtlich vollstrecken zu lassen. Die Protokolle der Stockwerkeigentümerversammlungen sind klar; die korrekt protokollierten Beschlüsse sind sofort beweisbar. Obwohl die Gemeinschaft zuerst gegenüber A kompromissbereit war, konnte sie den rechtsgültig gefassten Beschluss, alle Garagentore zu ersetzen, durchsetzen. 32
33 Lehren aus dem Urteil Für das Gericht war wichtig, dass die Beschlüsse der Stockwerkeigentümergemeinschaft im Protokoll so klar festgehalten waren, dass im Hinblick auf die Durchsetzung des Beschlusses von einer klaren Rechtslage gesprochen werden kann. Dem Protokoll kommt grosse Bedeutung zu. Rechtsschutz in klaren Fällen kann gewährt werden, wenn die Stockwerkeigentümergemeinschaft gegen einen Stockwerkeigentümer gestützt auf einen rechtskräftigen, d. h. nicht angefochtenen oder in einem Anfechtungsprozess geschützten, Beschluss, der korrekt und umfassend protokolliert ist, vorgeht. Der Verwaltung ist anzuraten, die Beschlüsse so zu beantragen, dass sie, falls von der Versammlung genehmigt, vollstreckt werden können. 33
34 Es sollte aufgrund dieses Urteils möglich sein, gestützt auf einen rechtskräftigen Beschluss der Stockwerkeigentümerversammlung Beiträge von einem nicht zahlenden Stockwerkeigentümer auf dem Weg des Rechtsschutzes in klaren Fällen einzutreiben. 34
35 Bauhandwerkerpfandrecht 35
36 Das Problem Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB Der Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandrechtes besteht: 3. für die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die auf einem Grundstück zu Bauten oder anderen Werken, zu Abbrucharbeiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung oder dergleichen Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben, an diesem Grundstück, sei es, dass sie den Grundeigentümer, einen Handwerker oder Unternehmer, einen Mieter, einen Pächter oder eine andere am Grundstück berechtigte Person zum Schuldner haben. Frage: Zulasten welchen Grundstücks kann/muss ein Bauhandwerkerpfandrecht beim Stockwerkeigentum eingetragen werden? Stammgrundstück (Liegenschaft oder Baurecht) oder einzelne Stockwerkeigentumseinheiten? 36
37 Urteil 5A_924/2014 Es gelten folgende Grundsätze: Forderungen aus Bauarbeiten, die lediglich für im Sonderrecht stehende Räume erbracht werden, können nur durch ein Bauhandwerkerpfandrecht auf der entsprechenden Stockwerkeigentumseinheit gesichert werden. Zur Sicherung von Forderungen aus Bauarbeiten an den gemeinschaftlichen Teilen kann der Bauhandwerker grundsätzlich wählen, ob er das Stammgrundstück belasten oder seinen Anspruch anteilsmässig auf alle Stockwerkeigentumseinheiten verlegen will. Diese Wahl ist aber in vielen Fällen nicht gegeben, da Art. 648 Abs. 3 ZGB die Belastung des Stammgrundstückes untersagt, wenn auch nur eine Stockwerkeigentumseinheit bereits mit Grundpfandrechten belastet ist. 37
38 Beantragt der Bauhandwerker die Belastung aller Stockwerkeigentumseinheiten, muss er die von ihm geltend gemachte Gesamtsumme des Bauhandwerkerpfandrechts im Verhältnis ihres Werts auf die Stockwerkeigentumseinheiten verteilen. Konkret im Urteil: Ein Gesamtpfand (Belastung mehrerer Grundstücke mit einem einzigen Pfandrecht für eine Gesamtforderung) auf allen Stockwerkeigentumseinheiten ist grundsätzlich nicht möglich, weil ein Gesamtpfand nur zulässig ist, wenn alle verpfändeten Grundstücke dem gleichen Eigentümer gehören oder im Eigentum solidarisch verpflichteter Schuldner stehen (Art. 798 Abs. 1 ZGB). 38
39 Gesetzliches Pfandrecht der Gemeinschaft für Beitragsforderungen 39
40 Die gesetzlichen Grundlagen Art. 712i Abs. 1 ZGB 1 Die Gemeinschaft hat für die auf die letzten drei Jahre entfallenden Beitragsforderungen Anspruch gegenüber jedem jeweiligen Stockwerkeigentümer auf Errichtung eines Pfandrechtes an dessen Anteil. Sicherung der Beitragsforderung (zusammen mit dem Retentionsrecht gemäss Art. 712k ZGB) Grundpfandverschreibung Geltung des Prinzips der Alterspriorität 40
41 Urteil Obergericht ZH LF Gemäss Art. 712i Abs. 1 ZGB besteht das gesetzliche Pfandrecht für die "auf die letzten drei Jahre entfallenden Beitragsforderungen". Nicht klar ist aus dem Gesetzestext, auf welchen Zeitpunkt für den Beginn der rückwärts zu rechnenden 3-Jahres-Frist abzustellen ist und ob nur Forderungen aus den letzten drei bereits abgeschlossenen Rechnungsjahren oder auch Forderungen aus dem laufenden Rechnungsjahr durch das Pfandrecht gesichert werden können. Bisher keine Stellungnahme des Bundesgerichts zu diesen Fragen. Zeitliche Beschränkung dient primär dem Schutz des Erwerbers einer Stockwerkeigentumseinheit. Da der Anteil des Erwerbers mit einem Pfandrecht für Beiträge, die der Verkäufer schuldig geblieben ist, belastet sein kann, muss eine allzu verzögerte Eintreibung der Beitragsforderung vermieden werden. 41
42 Entsprechend der Interessenlage der Beteiligten ist die 3-Jahres- Frist durch Zurückrechnen ab dem Zeitpunkt des Begehrens um Eintragung des Pfandrechts festzulegen. Erstreckt man die Pfandhaft auf die Forderung drei letzten abgeschlossenen Rechnungsjahre, könnte faktisch eine 4-Jahres-Frist bestehen. Pfandrecht besteht nicht nur für abgeschlossene Rechnungsjahre, sondern auch für Forderungen aus dem laufenden Rechnungsjahr. Pfandrecht besteht nur für die tatsächlich in den letzten drei Jahren vor dem Einreichen des Begehrens um Eintragung des gesetzlichen Pfandrechts angefallenen Forderungen. Insbesondere kann auch für ein abgeschlossenes Rechnungsjahr die Pfandhaft nur für den Betrag geltend gemacht werden, der den Zeitraum betrifft, der im Zeitpunkt des Einreichens des Begehrens maximal drei Jahre zurückliegt. 42
43 Die Verwalter von Stockwerkeigentum tun gut daran, diese für die Stockwerkeigentümer ungünstige Sichtweise zu beherzigen. Es handelt sich um die für die Gemeinschaft ungünstigste Variante der Fristberechnung. In der Literatur werden zum Teil für die Gemeinschaft bzw. den Verwalter günstigere Fristberechnungen als richtig erachtet, doch besteht keine Garantie, dass das Bundesgericht diese günstigeren Varianten berücksichtigen würde. 43
44 Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit! 44
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