Wissenswert. Bier wie der Deutschen liebstes Getränk sich verändert Die Geschichte des Bieres. von Karin Trappe. Sendung:

Größe: px

Ab Seite anzeigen:

Download "Wissenswert. Bier wie der Deutschen liebstes Getränk sich verändert Die Geschichte des Bieres. von Karin Trappe. Sendung:"

Caroline Fuchs
vor 6 Jahren
Abrufe

Hessischer Rundfunk hr-info Redaktion: Heike Ließmann Wissenswert Bier wie der Deutschen liebstes Getränk sich verändert Die Geschichte des Bieres von Karin Trappe Karin Trappe Sendung: 16.07.

1 Hessischer Rundfunk hr-info Redaktion: Heike Ließmann Wissenswert Bier wie der Deutschen liebstes Getränk sich verändert Die Geschichte des Bieres von Karin Trappe Karin Trappe Sendung: , hr-info Copyright Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.b. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks.

2 Bier hat eine jahrtausendealte Tradition. Bier gehört zur Zivilisationsgeschichte des Menschen, sagt Gunther Hirschfelder, Professor für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg. Zusammen mit Manuel Trummer hat er das Buch Bier Eine Geschichte von der Steinzeit bis heute geschrieben. Die Menschheitsgeschichte ist von Anfang an eine Biergeschichte, weil an dem Punkt, wo Zivilisationen erkennbar werden, vor Jahren, im Vorderen Orient, in dem Gebiet, den man heute den fruchtbaren Halbmond nennt, da haben wir Ethnien, die dort siedeln, die frühen Getreidebau betreiben, die auch wilde Körner einsammeln und was machen sie damit? Von Anfang an Bier brauen und die Geschichte von Brot und Bier lässt sich überhaupt nicht voneinander trennen am Anfang war das Bier. Bier ohne Getreide funktioniert nicht. Als der Mensch sesshaft wurde, als er anfing, Getreide anzubauen, als er mehr Getreide erntete, als er zum Sattwerden brauchte da wurde das Bier erfunden. Das Getränk, das in der Frühzeit dabei herauskam, würden wir heute aber nicht mehr als Bier wiederkennen. Man warf Kräutermischungen in den Sudtopf, Blütensamen, Seite 2 von 7

3 Gewürze wie Salbei oder Koriander. Eigentlich war das frühe Bier ein schwach-alkoholisches, vergorenes Getränk auf Getreidebasis. Erst die Zugabe von Hopfen ab dem 8. Jahrhundert und vor allem die Perfektionierung der Bierherstellung in den Klöstern im 13. Jahrhundert veränderten das Bier elementar. Die Qualität des Bieres wurde stabiler und besser, der Alkoholgehalt stieg, es ließ sich besser lagern, die Biere wurden filtriert. Den nächsten großen Schritt hin zum heutigen Bier erlaubte dann die Erfindung der Kältetechnik in den 1870er Jahren. Die Kältemaschine garantierte stabile Lager- und Brautemperaturen, ließ den Brauvorgang überhaupt erst richtig steuern. Der Kulturanthropologe Prof. Gunther Hirschfelder: Und es ist ja kein Zufall, dass die Industrialisierung in hohem Maße eine Industrialisierung des Lebensmittelgewerbes ist und da vor allem der Bierherstellung. Bier wird im 19. Jahrhundert dann eigentlich erst zum flächendeckend verbreiteten Massengetränk. Wir müssen ja schauen, dass wir in der vorindustriellen Zeit natürlich fast überall Bier haben. Aber es bleibt schwer zu transportieren, wir haben die unsichere Getreide-Ernte-Geschichte, und wir dürfen damit rechnen, dass natürlich in den wohlhabenderen Städten Hessens die männliche Bevölkerung und die handwerkliche Bevölkerung durchaus fast immer Bier trinken können konnte. Aber das Seite 3 von 7

4 sieht auf dem Land, in den Mittelgebirgen, schon ganz anders aus. Und das 19. Jahrhundert macht das Bier dann eigentlich erst zum Volksgetränk Nummer 1 und übrigens auch zum identitätsstiftenden Faktor in der deutschen Kultur. Es kommen erste kritische Stimmen wegen des Alkohols auf, trotzdem entstehen in den meisten Ländern nördlich der Alpen ausgeprägte Bier-Kulturen. Das Bier überdauert Krisen- und Hungerzeiten, bis es dann, in den 1960er Jahren, als der Wirtschaftsaufschwung Deutschland erreicht, mit der Fresswelle schwimmt: Aber eigentlich ist die Fresswelle vor allem eine Trinkwelle, und wir haben in den 50er Jahren eine Vervierfachung des Bierkonsums. Vorher hat man schon nicht wenig getrunken, 40 Liter pro Kopf und Jahr, das ist gar nicht wenig, aber es geht bis auf 120 Liter pro Kopf und Jahr hoch, und dieser Trend setzt sich in den 60er Jahren durch, da haben wir so die letzte Zeit, dass man sagen kann, Genuss ohne Reue. Das ist bis in die frühen 70er Jahre so. Dann kommen neue zivilisationskritische Bewegungen, wir haben den Beginn der Anti-Atomkraft- Bewegung, man glaubt, dass die Welt möglicherweise wegen der katastrophalen Umweltsituation bald in eine Schieflage Seite 4 von 7

5 gerät und irgendwo wird alles kritisiert, und da wird dann das Bier bald nicht mehr verschont. Natürlich wird weiterhin Bier getrunken, mittlerweile auch Bio-Biere. Für die meisten ist Bier ein Alltagsgetränk, nichts Besonderes. Für Wein gibt man Geld aus, Bier dagegen soll so billig sein wie möglich. Die neuen Craft-Biere wollen genau das ändern, wollen wieder die Qualität in den Vordergrund stellen. Der Frankfurter Craft-Bier-Brauer Marc Rauschmann: Es ist so, wie bei allen Lebensmitteln, und da ist Bier eigentlich nur nachgezogen. Wir lieben es, uns über Rinderrassen und das Fleisch Gedanken zu machen, wir wollen (wissen), von welchem Winzer der Wein kommt, wir lieben gutes Essen, und wir gehen gerne auf den Markt und wissen, woher die ganzen Lebensmittel kommen. Und die Menschen, die bereit sind, für hochwertige Lebensmittel mehr zu bezahlen, die möchten auch wissen, wer das Bier gebraut hat, und die bezahlen dafür, dass wir es sind. Kleinere Chargen, es wird viel mehr Hopfen eingesetzt, es werden unglaublich viele verschiedene Malze verwendet, es ist alles natürlich viel mehr Handarbeit, viel aufwendiger, und das ist in anderen Lebensmittelbranchen genauso, und von daher: bei Bier ist es neu, weil man Bier mehr im Volumen betrachtet hat, aber auch das werden die Seite 5 von 7

6 Menschen lernen, und am Ende ist es so, dass die Menschen, auch die Craft Bier trinken, trotzdem ihr Weizen, ihr Pils, zu einer anderen Gelegenheit trinken, und auch das ist gut, es wird kein ausschließlich sein, sondern es wird eine Ergänzung des Bierkonsums sein, und der Mensch wird auch dort höherwertige Pilsbiere und Weizenbiere schätzen lernen und daneben seine neuen Sorten, Spezialitäten und Craft-Biere. Die Craft-Biere erweitern die Palette an deutschen Bieren, sie bringen neue Facetten und Geschmacksrichtungen auf den Markt. Craft-Bier passt in die heutige Zeit, sagt der Kultur- Anthropologe Prof. Gunther Hirschfelder: Wir haben eine Situation, dass Menschen heute in einem Zeitalter, in dem wir die alten Ideologien, Kapitalismus und Kommunismus, verloren haben, da suchen wir neue Ideologien. Wir haben neue Diskussionen in der Gesellschaft um das richtige Leben, um die Frage, wie soll ich die Zukunft gestalten, wie soll ich genießen, wie soll ich meinen Körper gestalten, und da bekommen Lebensmittel eine neue Qualität. Ich definiere sozusagen meine Individualität und meine Wertvorstellungen über die Art und Weise, wie ich esse und trinke und darüber kommuniziere. Und die Craft-Biere sind hier besonders geeignet, weil sie für Qualität stehen, weil sie für Genuss Seite 6 von 7

7 stehen und wirklich auch gut schmecken, viele davon jedenfalls, und weil sie eine narrative Folie abgeben, das heißt, wenn ich vor 25 Jahren in einer Gaststätte gestanden habe als junger Student, und ich habe über die Welt gesprochen, dann habe ich über den Kommunismus oder über die sozialistischen Revolutionen schwadroniert. Wenn ich heute die jungen Leute beobachte, wie sie diskutieren, dann diskutieren die weniger über die Staaten dessen, was wir früher 3. Welt genannt haben, sondern sie sprechen über Veganismus, über Vegetarismus, über Paläo-Food, das sind komplizierte Sachen, wo man sich leicht argumentativ verrennt. Das Bier und das Craft-Bier bietet hier eine Super-Folie. Ich kann leicht Expertise haben, und ich kann mit dieser Expertise leicht auf den diskursiven Markt gehen. O-Ton Geräusch Seite 7 von 7

Ähnliche Dokumente

Wissenswert. CRISPR/Cas-Einsatz in der Krebsforschung. von Tanja Stehning. Sendung: , hr-info

Wissenswert. CRISPR/Cas-Einsatz in der Krebsforschung. von Tanja Stehning. Sendung: , hr-info Hessischer Rundfunk hr-info Redaktion: Dr. Regina Oehler Wissenswert CRISPR/Cas-Einsatz in der Krebsforschung von Tanja Stehning Tanja Stehning Sendung: 18.06.16, hr-info Copyright Dieses Manuskript ist