Examinatorium Familienrecht Prof. Dr. Gomille
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- Gotthilf Ackermann
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1 Examinatorium Familienrecht Prof. Dr. Gomille Augsburger Examinatorium der Juristischen Fakultät Universitätsstraße Augsburg Zimmer: 2010 Tel.: Fall 5 (Gläubigerproblem) A. Ermittlung des Rechtsschutzziels Lösungsvorschlag: Zunächst ist das Rechtsschutzziel der B zu ermitteln. Ihr Interesse besteht darin, die gepfändeten Gegenstände zurückzuerhalten. Fraglich bleibt, ob und wie sie dieses Interesse verfahrensrechtlich verwirklichen kann. I. Zweigeteiltes Rechtsschutzsystem im Vollstreckungsverfahren Das Rechtsbehelfssystem innerhalb der 704 ff. ZPO ist zweigeteilt zwischen den Rechtsbehelfen des Klauselverfahrens und den echten vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen, mit denen eine Partei gegen die Zwangsvollstreckung als solche oder gegen einzelne ihrer Maßnahmen vorgeht. B will die Wirkungen der Pfändungen beenden, die der Gerichtsvollzieher in Bezug auf Kommode und Motorrad vorgenommen hat. Damit liegt ihr Interesse außerhalb des Klauselverfahrens und sie kann Rechtsschutz nur durch die echten vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe erlangen. II. Die vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe i.e.s. Die vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe i.e.s. differenzieren nach dem Bezugspunkt und dem Grund der Einwendung des Rechtsbehelfsführers. Hier macht B geltend, dass sowohl die Kommode als auch das Motorrad in ihrem Eigentum stehen und eine Vollstreckung in jeden der beiden Gegenstände unzulässig ist. Als tauglicher Rechtsbehelf, um ihre Eigentümerstellung durchzusetzen, kommt die Drittwiderspruchsklage gem. 771 Abs. 1 ZPO in Betracht, durch die der Kläger die Vollstreckung in den genau bezeichneten Gegenstand für unzulässig erklären lassen kann. Außerdem bemängelt B, dass G bei der Pfändung die bestehenden Besitzverhältnisse nicht ausreichend beachtet habe. Dieser Einwand könnte das Verfahren betreffen, das der Gerichtsvollzieher bei der Pfändung beweglicher Sachen zu beachten hat. Insoweit kommt eine Vollstreckungserinnerung gem. 766 ZPO in Betracht. Soweit diese erfolgreich ist, erklärt das Erinnerungsgericht die beanstandete Vollstreckungsmaßnahme für unzulässig. 1
2 B. Erfolgsaussichten einer Vollstreckungserinnerung gem. 766 ZPO Eine gegen die Pfändung der Kommode und des Ariel Red Hunter gerichtete Vollstreckungserinnerung hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. I. Zulässigkeit der Vollstreckungserinnerung Zulässig ist die Erinnerung, wenn sie als solche statthaft ist, form- und fristgerecht eingelegt wurde, der Rechtsbehelfsführer erinnerungsbefugt ist und ein Rechtsschutzbedürfnis hat. 1. Statthaftigkeit der Vollstreckungserinnerung Die Vollstreckungserinnerung ist der statthafte Rechtsbehelf für Anträge, Einwendungen und Rügen, die die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das von dem Vollstreckungsorgan zu beachtende Verfahren betreffen. Sowohl in Bezug auf die Kommode als auch in Bezug auf das Motorrad reklamiert B eigene Besitzpositionen, die G bei der Pfändung missachtet habe. Damit behauptet sie einen Verstoß des G gegen 808 Abs. 1 ZPO und damit einen Verstoß gegen das bei der Zwangsvollstreckung zu beachtende Verfahren. Gegen beide Pfändungen ist die Erinnerung ein statthafter Rechtsbehelf. 2. Form und Frist Für die formgerechte Einlegung der Erinnerung gibt es keine Vorschrift. Man wendet insoweit die Regeln über die sofortige Beschwerde gem. 569 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO entsprechend an.1 Danach ist Schriftform oder Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle erforderlich. Die Erinnerung ist beim zuständigen Vollstreckungsgericht i.s.d. 764 ZPO zu erheben. Auch eine Frist ist gesetzlich nicht vorgesehen. Daraus folgt, dass die Erinnerung eingelegt werden kann, ohne dass irgendeine Frist gewahrt werden müsste.2 3. Erinnerungsbefugnis/Beschwer Nur wer beschwert ist, hat die Erinnerungsbefugnis und kann zulässigerweise Erinnerung erheben.3 Erforderlich ist eine rechtsverletzende Missachtung des Vollstreckungsverfahrensrechts.4 Zu unterscheiden ist zwischen der Erinnerung des Schuldners, des Gläubigers und eines Dritten. a) Schuldner- und Gläubigererinnerung Im Vollstreckungstitel ist B weder als Gläubigerin noch als Schuldnerin des titulierten Anspruchs ausgewiesen. b) Dritterinnerung Folglich kommt allein eine Dritterinnerung in Betracht. 1 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann, ZPO (5. Aufl. 2016), 766 Rn BGH BeckRS 2011, Rn Thomas/Putzo/Seiler, ZPO (37. Aufl. 2016), 766 Rn. 20a. 4 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann, ZPO (5. Aufl. 2016), 766 ZPO Rn
3 Ein Dritter, der weder Schuldner noch Gläubiger ist, ist zur Erinnerung befugt, wenn er geltend macht, durch die Art und Weise der Vollstreckung in seinen Rechten verletzt zu sein.5 Dafür genügt das Innehaben eines materiellen Drittrechts (z.b. Eigentum) als solches nicht. Anders liegt es aber, wenn die Verletzung einer Verfahrensvorschrift vorliegt, die zur Beeinträchtigung eines Drittrechts des Erinnerungsführers führt. In Bezug auf Kommode und Motorrad beschränkt B sich nicht darauf, die Verletzung ihres Eigentums daran zu rügen. Vielmehr macht sie eine Missachtung des 808 Abs. 1 ZPO geltend, ohne die der G die (vorgeblich) in ihrem Eigentum stehenden Gegenstände gar nicht erst gepfändet hätte. B ist erinnerungsbefugt. 4. Rechtsschutzbedürfnis Für den besonderen Rechtsbehelf der Vollstreckungserinnerung muss schließlich das besondere vollstreckungsrechtliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben sein. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Zwangsvollstreckung begonnen hat und die einzelne Vollstreckungsmaßnahme noch nicht beendet ist.6 Die gepfändeten Sachen sind hier noch nicht versteigert und abgeliefert. Folglich dauert die Vollstreckungsmaßnahme noch an und das Rechtsschutzbedürfnis besteht. II. Begründetheit der Vollstreckungserinnerung Begründet ist die Erinnerung, wenn die Vollstreckungsmaßnahme zu Recht beanstandet worden ist.7 Maßgebend ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung, nicht der Zeitpunkt der gerügten Maßnahme.8 Hier rügt B, dass G bei der Pfändung der Kommode und des Motorrads die Vorgaben des 808 Abs. 1 BGB missachtet habe. Dabei setzt die Pfändung einer beweglichen Sache beim Titelschuldner gem. 808 Abs. 1 ZPO Gewahrsam voraus, womit Alleingewahrsam des Schuldners gemeint ist.9 1. Begriff des Gewahrsams Gewahrsam meint die nach außen erkennbare tatsächliche Sachherrschaft. Der Begriff entspricht dem des unmittelbaren Besitzes i.s.d. 854 BGB. Der Alleingewahrsam begründet für den Gerichtsvollzieher die Vermutung, dass die Sache im Alleineigentum des Schuldners steht und deshalb für die titulierte Forderung haftet. Gewissermaßen handelt es sich um die Entsprechung zu 1006 BGB. 5 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann, ZPO (5. Aufl. 2016), 766 ZPO Rn Thomas/Putzo/Seiler, ZPO (37. Aufl. 2016) 766 Rn. 21a. 7 MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann, ZPO (5. Aufl. 2016), 766 ZPO Rn MünchKomm/K. Schmidt/Brinkmann, ZPO (5. Aufl. 2016), 766 ZPO Rn BeckOK/Forbriger, ZPO (23. Ed. 2016), 808 Rn. 6. 3
4 2. Der Gewahrsam des verheirateten Schuldners Die eheliche Lebensgemeinschaft bringt es mit sich, dass beide Ehegatten Mitbesitz und somit auch Mitgewahrsam an den im Haushalt befindlichen beweglichen Sachen haben. Damit sind die Voraussetzungen des 808 Abs. 1 BGB von vornherein nicht erfüllt, wenn eine bewegliche Sache aus dem gemeinsamen Haushalt von Verheirateten gepfändet werden soll. Nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Regeln liegt also tatsächlich ein Verstoß des G gegen 808 Abs. 1 ZPO vor und die Erinnerung der B ist begründet. 3. Die eherechtliche Reaktion gem BGB Bliebe es jedoch bei den allgemeinen Regeln, würde eine einfache Sachpfändung von Mobilien bei Eheleuten praktisch ausscheiden. Seitens des Gesetzgebers wird dies als nicht sachgerecht angesehen. Dementsprechend dient 1362 BGB dazu, zu Gunsten des Vollstreckungsgläubigers Abhilfe zu schaffen. Zunächst entkoppelt 1362 BGB als lex specialis zu 1006 BGB die Eigentumsvermutung von den Besitzverhältnissen. Die Regel Besitz streitet für Eigentum des 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB ist suspendiert. Vielmehr wird zu Gunsten der Gläubiger des Mannes und der Gläubiger der Frau vermutet, dass die im Besitz eines Ehegatten oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören ( 1362 Abs. 1 BGB). Das bedeutet: Natürlich erfasst die Eigentumsvermutung des 1362 Abs. 1 BGB diejenigen Sachen, die tatsächlich im Alleineigentum des Schuldners stehen. Ebenso auch diejenigen, deren Miteigentümer er lediglich ist. Schließlich führt 1362 Abs. 1 BGB aber auch dazu, dass der Vollstreckungsschuldner als Eigentümer derjenigen Sachen vermutet wird, die tatsächlich im alleinigen Eigentum des anderen Ehegatten stehen. Bürgerlichrechtlich wird gem Abs. 1 BGB also vermutet, dass A Alleineigentümer der Kommode und des Ariel Red Hunter ist. 4. Die flankierende Vorschrift des 739 ZPO Allerdings hilft diese bürgerlichrechtliche Vermutungswirkung nicht über den Umstand hinweg, dass der Vollstreckungsschuldner A den von 808 Abs. 1 ZPO geforderten Alleingewahrsam an der Kommode nicht hat. Dieses verbliebene Problem des Schuldners überwindet 739 ZPO. Danach wird der Alleingewahrsam desjenigen fingiert, dessen Eigentum nach 1362 BGB vermutet wird. Nachdem 1362 Abs. 1 BGB also die Vermutung begründet, dass A Alleineigentümer der Kommode sei, fingiert 739 ZPO seinen Alleingewahrsam i.s.d. 808 Abs. 1 ZPO. Somit hat G bei der Pfändung die Besitz- und Gewahrsamsverhältnisse an der Kommode und an dem Motorrad nicht missachtet. Anhaltspunkte für weitere Verfahrensverstöße bestehen nicht. Die Pfändung ist ordnungsgemäß verlaufen. Folglich ist eine Vollstreckungserinnerung der B zulässig aber unbegründet. 4
5 C. Erfolgsaussichten einer Drittwiderspruchsklage gem. 771 ZPO Ihr Eigentum an den gepfändeten Sachen kann B durch die Drittwiderspruchsklage gem. 771 ZPO durchsetzen. Diese hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. I. Zulässigkeit der Drittwiderspruchsklage Die Drittwiderspruchsklage ist zulässig, wenn sie an sich statthaft ist, die Sachentscheidungsvoraussetzungen einschließlich des besonderen vollstreckungsrechtlichen Rechtsschutzbedürfnisses gegeben sind und Prozesshindernisse nicht entgegenstehen. 1. Statthaftigkeit der Drittwiderspruchsklage Die Drittwiderspruchsklage ist statthaft, wenn sich der Kläger eines die Veräußerung hindernden Rechts am Vollstreckungsgegenstand berühmt.10 Die Formulierung in 771 Abs. 1 ZPO, wonach mit der Drittwiderspruchsklage ein die Veräußerung hinderndes Recht geltend gemacht wird, ist unpräzise. Da der Gerichtsvollzieher dem Ersteher in der Zwangsvollstreckung gem. 817 Abs. 2 ZPO das Eigentum durch privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt zuweist, kann es kein Drittrecht geben, das den Erwerb des Erstehers vereitelt.11 Deshalb ist 771 ZPO in dem Sinn zu lesen, dass die Vollstreckung sich auf Vermögen beziehen muss, das nicht für die titulierte Forderung haftet. Hier macht B ihr Eigentum an den gepfändeten Sachen geltend. Dieses haftet nicht für die Schuld des A. Der Umstand, dass A und B miteinander verheiratet sind, ändert daran nichts. 2. Ordnungsgemäße Klageerhebung, 253 ZPO Zu den allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen zählt insbesondere die ordnungsgemäße Klageerhebung gem. 253 ZPO. Bei 771 ZPO geht dieser dahin, die Vollstreckung aus dem (genau bezeichneten) Titel in den (genau bezeichneten) Gegenstand für unzulässig zu erklären. 3. Zuständiges Gericht Die sachliche Zuständigkeit beurteilt sich nach allgemeinen Regeln.12 Örtlich zuständig und zwar gem. 802 ZPO ausschließlich ist das Amts- oder Landgericht, innerhalb dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt Vollstreckungsrechtliches Rechtsschutzbedürfnis Ferner ist für die Drittwiderspruchsklage gem. 771 ZPO nach h.m. ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis erforderlich. Dieses verlangt, dass die Vollstreckung bereits begonnen hat und 10 Hk/Handke, Zwangsvollstreckung (3. Aufl. 2015), 771 Rn Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht (10. Aufl. 2014), Rn Thomas/Putzo/Seiler, ZPO (37. Aufl. 2016), 771 Rn. 8; BeckOK/Preuß, ZPO (23. Ed. 2016) 771 ZPO Rn BeckOK/Preuß, ZPO (23. Ed. 2016), 771 ZPO Rn
6 noch nicht beendet ist.14 Das ist hier der Fall, da Kommode und Motorrad bereits gepfändet sind, aber das Versteigerungsverfahren noch nicht stattgefunden hat. Eine Drittwiderspruchsklage wäre zulässig. II. Begründetheit der Drittwiderspruchsklage Die Drittwiderspruchsklage ist begründet, wenn der B das behauptete Eigentum tatsächlich zusteht und sie auch nicht aus anderen Gründen verpflichtet ist, die Zwangsvollstreckung zu dulden. 1. Eigentumslage hinsichtlich der Kommode a) Ursprüngliche Eigentumslage Ursprünglich war B Alleineigentümerin der Kommode. Da sie und A im gesetzlichen Güterstand leben, hat sich durch die Eheschließung an dieser Eigentumszuordnung nichts geändert. Auch sind derzeit keine Tatsachen bekannt, die auf eine spätere rechtsgeschäftliche Übereignung im Verhältnis A-B hindeuten. b) Das Beweisproblem Problematisch ist freilich, dass B im Rahmen der Klage nach 771 ZPO die Beweislast für das Bestehen ihres Drittrechts trifft und darüber hinaus 1362 BGB die Vermutung begründet, dass nicht sie, sondern ihr Ehemann A als Vollstreckungsschuldner Eigentümer der Kommode sei. Folglich muss B den Vollbeweis ihres aktuell bestehenden Eigentums führen. Dieser Nachweis ist erst dann geführt, wenn für das Gericht gem. 286 Abs. 1 ZPO die Tatsachen feststehen, aus denen sich ihr ursprünglicher Eigentumserwerb ergibt, und außerdem zur Überzeugung des Gerichts dargetan ist, dass sie dieses Eigentum später nicht wieder verloren hat. Es liegt auf der Hand, dass dieser negative Beweis außerordentlich schwer zu führen ist. c) Der Ausweg : Beweis früheren Alleinbesitzes Der BGH eröffnet dem nicht schuldenden Ehegatten einen Ausweg aus diesem beweisrechtlichen Dilemma, indem er den Nachweis früheren Alleinbesitzes genügen lässt, um das aktuelle Alleineigentum nachzuweisen:15 aa) Bis zur ehelichen Lebensgemeinschaft: 1006 Abs. 1 BGB Solange die eheliche Lebensgemeinschaft nicht besteht und die Sache nicht in die Ehewohnung eingebracht ist, streitet für das Alleineigentum des unmittelbaren Besitzers die Vermutung des 1006 Abs. 1 BGB. Mit Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft und Einbringen der Sache in die gemeinsame Ehewohnung endet diese Vermutungswirkung des 1006 Abs Musielak/Voit/Lackmann, ZPO (13. Aufl. 2016), 771 Rn BGH NJW 1992, 1162,
7 BGB. Sie wird abgelöst durch die Vermutung und Fiktion der 1362 BGB bzw. 739 ZPO. bb) Ab der ehelichen Lebensgemeinschaft: 1006 Abs. 2 BGB Gleichzeitig wird der die Sache einbringende Ehegatte zum früheren Alleinbesitzer i.s.d Abs. 2 BGB. Danach wird zugunsten des früheren Besitzers vermutet, dass er während der Dauer seines Besitzes Eigentümer gewesen sei. Dieser 1006 Abs. 2 BGB ist ausgesprochen unglücklich formuliert. Nimmt man ihn ganz wörtlich, so trifft er keine andere Aussage als 1006 Abs. 1 BGB für die Vergangenheit. Damit wäre die Vorschrift komplett inhaltsleer. Es darf aber nicht unterstellt werden, dass der Gesetzgeber eine inhaltsleere Vorschrift entwerfen wollte. Bei teleologischer Betrachtung meint 1006 Abs. 2 BGB tatsächlich etwas ganz anderes. So wird aufgrund von 1006 Abs. 2 BGB zugunsten des früheren Besitzers vermutet, dass trotz Besitzverlusts sein Eigentum fortbesteht, solange die Voraussetzungen eines Verlusttatbestands (z.b. 929 Satz 1 BGB) nicht bewiesen sind oder anderweitig feststehen (z.b. durch Geständnis gem. 288 ZPO). cc) Das Verhältnis von 1006 Abs. 2 BGB zu 1362 BGB Nachdem der Alleinbesitzer die eheliche Lebensgemeinschaft begründet und die Sache in die Ehewohnung verbracht hat, treten also zwei unterschiedliche Vermutungswirkungen zueinander in Konkurrenz: Nach 1362 BGB ist bis zum Beweis des Gegenteils vom Eigentum des Schuldnerehegatten auszugehen, während nach 1006 Abs. 2 BGB das fortbestehende Alleineigentum des früheren Alleinbesitzers vermutet wird. Der BGH hält dabei 1006 Abs. 2 BGB für eine lex specialis im Verhältnis zu 1362 BGB. Da B ihren früheren Alleinbesitz an der Kommode beweisen kann, gelingt es ihr auf Grundlage der Rechtsprechung des BGH auch, ihr Alleineigentum daran darzutun. Insoweit wird ihre Drittwiderspruchsklage erfolgreich sein. 2. Eigentumslage hinsichtlich des Ariel Red Hunter Somit bleibt die Eigentumslage hinsichtlich des Ariel Red Hunter zu klären. a) Ursprüngliche Eigentumslage Ursprünglich war A Eigentümer des Motorrads. b) Übereignung an B gem. 929 Satz 1 BGB? Jedoch könnte A das Eigentum an dem Motorrad durch Übereignung gem. 929 Satz 1 BGB an B verloren haben. aa) Konstruktion der Eigentumsverschaffung unter Ehegatten Eheleute können einander bewegliche Sachen ebenso übereignen wie beliebige Dritte. In Bezug auf die Einigung ergeben sich insoweit keine Besonderheiten. 7
8 Doch ist die Übergabe problematisch. Nach allgemeinen Regeln verlangt diese seitens des Veräußerers den vollständigen Besitzverlust. Eheleute in bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft haben jedoch berechtigten Mitbesitz an der Ehewohnung selbst sowie an allen darin befindlichen beweglichen Sachen. Die Übergabe wird deshalb durch ein Besitzmittlungsverhältnis gem. 930 BGB ersetzt, als dessen Grundlage bereits die eheliche Gemeinschaft als solche dienen kann.16 bb) Einigung i.s.d. 929 Satz 1 BGB? Fraglich bleibt, ob A der B auf diese Weise das Eigentum an dem Ariel Red Hunter verschafft hat. (1) Ausdrückliche Vereinbarung Eine ausdrückliche Vereinbarung über den Eigentumswechsel haben A und B nicht getroffen. (2) Konkludente Vereinbarung Allerdings könnte im Rahmen der dauerhaften Überlassung des Red Hunter von A an B konkludent eine entsprechende Vereinbarung getroffen sein. Allerdings könnte insoweit auch lediglich eine Überlassung zur unentgeltlichen Nutzung gewollt sein. Maßgeblich ist die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gem. 133, 157 BGB unter besonderer Berücksichtigung des Umstands, dass A und B Eheleute sind. (a) Für eine Übereignung an B spricht17 A hat sich ein neues Motorrad zugelegt. B nutzt und unterhält das überlassene Motorrad allein. B ist als Halter in den KFZ-Brief des Motorrads eingetragen. (b) Dagegen spricht Richtig ist es, in der vorliegenden Konstellation eine konkludent erfolgte Übereignung von A an B zu verneinen: A hat B den Red Hunter nicht deshalb überlassen, weil er des Motorrads überdrüssig geworden wäre, sondern weil er es wegen seiner Rückenbeschwerden nicht mehr fahren konnte. Bei dem Ariel Red Hunter handelt es sich nicht um ein beliebiges Gebrauchsstück, sondern um ein seltenes und damit wertvolles Sammlerstück. Vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Bedeutung, kann 16 Wellenhofer, Familienrecht (3. Aufl. 2014), 12 Rn Vgl. OLG Naumburg, FamFR 2012, 70. 8
9 man die Überlassung des Motorrads an B sinnvollerweise nicht als Übereignung verstehen. Das widerspricht auch nicht der Eintragung der B in den KFZ-Brief. Dieser weist nämlich lediglich den Halter aus, der vom Eigentümer durchaus verschieden sein kann. In Bezug auf das gepfändete Motorrad ist eine Drittwiderspruchsklage der B zulässig aber unbegründet und somit im Ergebnis erfolglos. 9
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