Protokoll zur Fachkonferenz Stromnetzausbau mit Erdverkabelung aus den Augen, aus dem Sinn?
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- Nicole Kruse
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1 Protokoll zur Fachkonferenz Stromnetzausbau mit Erdverkabelung aus den Augen, aus dem Sinn? am im Kulturgebäude Leingarten Schwaigerner Straße Leingarten Protokollanten: Ole Brandmeyer und Ulrike Voß (Deutsche Umwelthilfe) Die Diskussionsbeiträge werden sinngemäß wiedergegeben. Block 1: Gesetzliche Regelungen, Planung und Technik Dr. Heiko Lünser (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg), Dr. Wolfgang Peters (Bosch & Partner GmbH), Prof. Dr. Olaf Kühne (HS Weihenstephan-Triesdorf), Prof. Dr. Kay Rethmeier (FH Kiel) Diskussion: - Frage: Wie können Erkenntnisse zu Landschaftsbild, Beeinträchtigung von Heimat, Ästhetik im Planungsprozess genutzt werden? Kühne: Die individuelle, subjektive Bewertung des Schutzguts Landschaftsbild erschwert eine Integration der Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Heimat, Landschaft und Ästhetik in Planungsprozesse. Die Variabilität ästhetischer Werte legt nah, dass es mit der Zeit zu einem generationellen Wandel und zu einer Normalisierung ästhetischer Werte oder Anpassung an das Gebaute kommt. - Frage: Warum ist die Diskussion in Norddeutschland auf Kabel fokussiert? Rethmeier: In Schleswig-Holstein gibt es genauso Widerstand gegen Erdkabel von Seiten der Landwirtschaft. Es besteht die Befürchtung, dass Bodenerwärmung landwirtschaftliche Erträge negativ beeinflussen könnte. Auf der anderen Seite fordern Bürgerinitiativen Erdkabel. Demnach ist die Diskussion im Norden ähnlich wie im Süden. Lünser: Eine Erklärung für den Fokus auf Erdkabel könnten die bestehenden Erfahrungen mit Erdkabeln bei Offshore Anlandungen sein. Das Thema Erdkabel wurde im Zuge des Baus von Offshore Windparks schon früh relevant und war daher in der Diskussion über den Stromnetzausbau präsent. - Frage: Ist es realistisch, dass es auf kurzen Abschnitten mehrfach zu Wechseln zwischen Freileitung und Erdkabel kommen wird? Lünser: Voraussichtlich wird es einen gesetzlichen Vorrang für Erdkabel geben. Gleichzeitig sind Ausnahmen von diesem Vorrang vorgesehen. Gebietskörperschaften haben demnach das Recht auf ihrem Hoheitsgebiet zwischen Freileitung und Erdkabel zu entscheiden. Unklar ist, was genau mit Gebietskörperschaft (Land, Landkreis, Gemeinde) gemeint ist. Rechtlich macht die Ausnahmeregelung einen mehrfachen Wechsel zwischen Freileitung und Erdkabel möglich.
2 Rethmeier: Technisch ist der regelmäßige Wechsel auch möglich, jedoch wenig sinnvoll, weil mit dem Übergang von einer Technologie zur anderen mehr Schwachstellen und mögliche Fehlerquellen eingebaut werden. - Frage: Wenn es keine technische Norm für Höchstspannungserdkabel gibt, auf welcher Grundlage wird dann die Rechtmäßigkeit einer Genehmigung sichergestellt? Rethmeier: momentan keine Norm als Grundlage bei Gleichspannungskabeln. Die Realität hat die Normung überholt. Lünser: Damit technische Neuerungen vor der Normierung umgesetzt werden können, ist es üblich, Normen aus verwandten Bereichen oder projektspezifische Gutachten als Grundlage für eine Genehmigung heranzuziehen. - Frage: Sind bei Erdkabeln unterirdische Muffenbauwerke notwendig? Rethmeyer: Auf Grund des Gewichts des Kabels und der dadurch beschränkten Transportfähigkeit, müssen ca. alle 800m Kabelabschnitte durch Muffen verbunden werden. Die Muffen müssen während des Baus zugänglich sein. Im Betrieb ist ein Zugang über ein Bauwerk nicht bei jeder Muffe notwendig. - Frage: Wird es mit der Vorrangregelung für Erdkabel zu juristischen Auseinandersetzungen kommen, bei denen über Freileitung oder Erdkabel entschieden wird? Peters: Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass im Rahmen eines Planverfahrens eine Alternativenprüfung stattfindet. Mit der Vorrangregelung misst der Gesetzgeber Erdkabeln ein höheres Gewicht zu. Das bedeutet nicht, dass in jedem Fall eine Entscheidung für ein Erdkabel getroffen wird. Lünser: Die Neuregelung macht die Planung des Übertragungsnetzausbaus komplexer. Mit dem neuen Gesetz gilt ein Vorrang für Erdkabel. Nur in Ausnahmefällen sollen Freileitungen gebaut werden. Mit dem Vorrang für Erdkabel zielt der Gesetzgeber auf eine Akzeptanzsteigerung für den Stromnetzausbau. Technische und ökonomische Aspekte scheinen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Im Klagefall werden Planungsentscheidungen auch Gerichte beschäftigen. - Frage: Welche Methodenvorgaben gibt es für die Trassenplanung bei Erdkabeln? Peters: Die Bundesnetzagentur und die Übertragungsnetzbetreiber haben methodische Leitfäden bzw. einen Musterantrag für die Durchführung von Trassenplanung und Umweltverträglichkeitsprüfungen erstellt. Mit der Neuregelung des Erdkabelvorrangs müssen dort vorgegebenen Methoden angepasst werden, weil nun der Raum mit Bezug auf die möglichen Konflikte durch Erdkabel neu bewertet werden muss. Dazu sollte eine gemeinsame Diskussion mit der Bundesnetzagentur, den Übertragungsnetzbetreibern, Planern und Experten stattfinden, damit die Akzeptanz neuer Methoden erhöht wird. - Frage: Warum werden Höchstspannungsdrehstromerdkabel in Pilotprojekten erprobt, wenn sie bereits Stand der Technik sind und Höchstspannungsgleichstromerdkabel mit einem gesetzlichen Vorrang versehen, obwohl sie nicht Stand der Technik sind? Rethmeier: Weltweit werden 400 kv Drehstromkabel produziert und verlegt. International sind AC- Erdkabel erprobt. In Deutschland gibt es dagegen wenige Betriebserfahrungen mit Drehstromerdkabeln auf Höchstspannungsebene. Freileitungen waren hier für lange Zeit die
3 dominante Technologie, weshalb der Einsatz von HDÜ-Erdkabeln in Deutschland verzögert abläuft. Im Rahmend er Pilotvorhaben ist bisher keine Erprobung von 520 kv Kabeln vorgesehen. - Frage: Kommt es zu einer Erwärmung des Bodens? Gibt es Unterschiede zwischen AC und DC? Wie flexibel sind Kabel? Rethmeier: Es sind Obergrenzen für die von Erdkabeln verursachte Bodenerwärmung festgelegt. Das Problem der Erwärmung wird gelöst, indem die Auslastung des Kabels reduziert wird. Damit das Kabel bei Richtungsänderungen keinen Schaden nimmt, legen die Hersteller bestimmte Biegeradien- und Winkel fest. - Frage: Wie lange halten Erdkabel? Wie hoch ist der Reparaturaufwand? Rethmeier: Die Lebensdauer von 320 kv Gleichstromkabeln beträgt ca. 40 Jahre. Da keine Alterungsversuche in Echtzeit durchgeführt werden können, wird der Alterungsprozess durch gesteigerte Beanspruchung nachgestellt. Die Untersuchung der Haltbarkeit von Erdkabeln ist genormt. Bisher gibt es allerdings noch keine Langzeiterfahrungen. Erdkabel sind weniger fehleranfällig als Freileitungen. Wenn allerdings ein Schaden auftritt ist die Reparatur aufwendiger. Zunächst muss der Fehlerort identifiziert werden. Danach muss das fehlerhafte Kabelstück ersetzt und mit zwei Muffen eingebaut werden. Für die Installation einer Muffen unter Reinraumbedingungen muss mit einer Montagezeit von ca. 1-2 Tagen gerechnet werden. Während der Reparatur eines Kabels ist die Betriebssicherheit gewährleistet, wenn ein redundantes System vorhanden ist, das restliche Drehstromnetz den Transport übernehmen kann oder ein intakter Leiter desselben Systems stärker ausgelastet werden kann. - Frage: Gibt es im Ausland bereits Betriebserfahrungen mit Höchstspannungsgleichstromkabeln? Wer entscheidet darüber, ob Freileitungen oder Erdkabel gebaut werden? Rethmeier: Auch im europäischen Ausland gibt es keine Erfahrungen mit Gleichstromerdkabeln ab 500 kv. Lünser: Bei grenzübergreifenden Projekten liegt das Entscheidungsregime bei der Bundesnetzagentur. Peters: Die BNetzA führt eine Alternativenprüfung durch, bei der eine Bewertung unterschiedlicher Trassenverläufe stattfindet, um die Alternative mit den geringsten raum- und umweltbezogenen Konfliktrisiken zu identifizieren.
4 Block 2: Praxiserfahrungen Heinz- Hermann Lager (Samtgemeinde Dörpen), Hartmut Drosch (terrranetz bw GmbH) Diskussion - Frage: Wie kam es zu der Standortwahl für die Konverterstation? Lager: Am Standort Heede gab es Pläne für ein Kraftwerk, die bei der Standortsuche für den Konverter übernommen wurden. - Frage: Welche Beweggründe gab es für die Bündelung mit der bestehenden Schnellstraße? Lager: Durch die direkte Lage an der Autobahn werden die Lärmemissionen der Konverterstation durch die Geräusche des Autoverkehrs überlagert. Auf Grund des Standorts der Anlage direkt an der Autobahn wurden von Bewohnern wenige Bedenken geäußert. - Frage: Wie ist die Trasse der Gaspipeline aufgebaut? Gibt es die Möglichkeit Strom und Gasleitungen in einer Trasse zu verlegen? Drosch: Zum Schutz vor tiefwachsenden Gehölzwurzeln wird im Betrieb über der Leitung ein 5m breiter Gehölz freier Streifen eingerichtet. Hinzukommt ein zu jeder Seite 10m breiter Schutzstreifen, der nicht bebaut werden darf. Während des Baus wird ein 25m breiter Arbeitsstreifen eingerichtet. In manchen Fällen ist es unvermeidbar, dass Bereiche außerhalb des Arbeitsstreifens befahren werden. Eine Erweiterung des Arbeitsstreifens hätte den Vorteil, dass Schäden außerhalb des Arbeitsstreifens vermieden werden könnten. Eine parallele Verlegung von Strom- und Gasleitungen nebeneinander ist möglich. Allerdings würden dadurch sehr breite Trassen entstehen. Es müssen Mindestabstände beachtet werden und die Sicherstellung des beeinträchtigungsfreien Betriebs steht im Vordergrund. - Frage: Wie groß ist der Flächenbedarf einer Trasse bei HGÜ-Kabeln? Anm. d. Red.: Abhängig von der Übertragungsleistung und der Art der Verlegung (Grabenprofil) variiert die Trassenbreite. Bei 4 HGÜ Kabelsystemen (8 Kabel) ist im Betrieb mit einer 15-20m breiten Trasse zu rechnen. (vgl. BMU Studie Ökologische Auswirkungen von 380-kV-Erdleitungen und HGÜ- Erdleitungen Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse, EFZN/HOFMANN 2012, 97) - Frage: Wurde eine Vereinbarung über die Ausgleichzahlungen zwischen dem Betreiber des Erdkabels und der Gemeinde Heede abgeschlossen? Lager: Es wurde keine Vereinbarung mit der Gemeinde getroffen. Die übliche Entschädigung von /km gilt nur bei Freileitungen. Manche Gemeinden entlang der neugebauten Freileitungstrasse (ab Heede nach Süden) fordern mehr. Aus dem Publikum wird die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung von Ausgleichszahlungen bei Erdkabeltrassen geäußert. - Frage: Wie hoch sind die Kosten einer Gaspipeline pro Kilometer? Drosch: Bei einer Leitung mit einer Nennweite von 66mm und einem Druck von 80bar liegen die Kosten bei ca. 1 Mio. /km und sind damit vergleichbar mit den Kosten für den Freileitungsbau im Höchstspannungsbereich.
5 Anmerkung zur Diskussion zu Grabenbreite und Zugänglichkeit von Muffen (Vertreter von TransnetBW): - Die Grabenbreite ist abhängig von den technischen Bedingungen der Anlage. Ein Zugang über ein oberirdisches Bauwerk oder einen Schacht ist nicht bei jeder Verbindungsmuffe notwendig. Eine direkte Verlegung im Bettungsmaterial ist bei modernen Muffen unproblematisch. Fazit: bei DC Erdkabeln keine Muffenbauwerke notwendig. Block 3: Umwelt und Gesundheit Dr. Gunde Ziegelberger (BfS), Dr. Elke Bruns (INER) Diskussion - Frage: Kommt es zu im Zuge der natürlichen Bodenerwärmung zu Doppelungseffekten mit der vom Erdkabel emittierten Wärme? Bruns: Die vom Klimawandel bedingte Bodenerwärmung erschwert eine Beurteilung der Auswirkungen von Erdkabeln auf die Bodentemperatur, da nicht eindeutig nachvollziehbar ist, welche Folgen auf Kabel beziehungsweise auf Klimaerwärmung zurückzuführen sind. Ungeklärt ist bisher auch, ob und wenn ja, auf welchen Standorten eine klimatisch bedingte Bodenerwärmung und die Bodenerwärmung auf Kabeltrassen Doppelungseffekte erzeugen können. - Frage: Warum ist die Exposition mit elektromagnetischer Strahlung in Städten größer als auf dem Land? größere Exposition in der Stadt? Ziegelberger: In der Stadt ist der Abstand zu Geräten, die elektromagnetische Strahlung emittieren geringer. Grund dafür sind beispielsweise dichtere Bauweisen und Siedlungsformen. - Frage: Welche Möglichkeiten der Vermeidung von elektromagnetischer Strahlung gibt es? Ziegelberger: Die größten Potenziale zur Vermeidung elektromagnetischer Strahlung liegen vor allem im Abschalten von Elektrogeräten im Haushalt. Messprofile im Alltag haben gezeigt, dass die höchsten Expositionswerte von Haushaltsgeräten verursacht werden. Eine Reduktion der Exposition ist vor allem durch den bewussten Umgang mit Quellen elektromagnetischer Strahlung zu erreichen.
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