Stationäre Kreisfahrt
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- Meike Schulze
- vor 6 Jahren
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1 Stationäre Kreisfahrt Ansprechpartner: Dipl.-Ing.(FH) Paul Balzer Telefon: Inhaltsverzeichnis 1 Motivation 0 2 Fahrphysikalische Grundlagen Lineares Einspurmodell Stationäres Verhalten Eigenlenkgradient Versuchsdurchführung Modellfahrzeug Kreisfahrt Auswertung 4 5 Kontrollfragen 5 1 Motivation Um die Eigenschaften eines Fahrzeugs bezüglich der Querdynamik (Reaktion auf Lenkwinkeländerung) beschreiben zu können, ist es notwendig die Fahrzeugparameter zu bestimmen. Ein mögliches Manöver um diese zu ermitteln, ist die stationäre Kreisfahrt.
2 2 Fahrphysikalische Grundlagen 2.1 Lineares Einspurmodell Um die Fahrzeugbewegung mathematisch leicht beschreiben zu können, ist es ratsam ein physikalisches Modell zu entwerfen, welches die hochkomplexe Bewegung so weit vereinfacht, dass diese schnell und einfach berechnet werden kann. Die einfachste Art ist das Einspurmodell nach Riekert & Schunck [Riek40], welches bereits 1940 eingeführt wurde. Dabei wird das Fahrzeug auf eine Spur reduziert, der Schwerpunkt liegt in Fahrbahnhöhe, somit gibt es keine Nick- oder Wankbewegungen (keine Radlastschwankungen). Weitere Einschränkungen sind, das die Fahrzeugmasse im Schwerpunkt zusammengefasst ist, das die Reifen eine lineare Seitenkraftkennlinie aufweisen und das die Fahrzeuggeschwindigkeit konstant ist. Abbildung 2.1: Lineares Einspurmodell nach Ackermann ψ=gierrate δ=lenkwinkel m=fahrzeugmasse l v =Abstand Schwerpunkt R=Kurvenradius M =Momentanpol Durch Walkvorgänge (Schlupf) ist bei auftretenden Querkräften die Bewegungsrichtung eines abrollenden Rades nicht ausschließlich die Längsrichtung, sondern, je nach Schräglaufsteifigkeit (c), auch die Querrichtung. Der Winkel wird Schräglaufwinkel α bezeichnet. Im Bereich kleiner Winkel (α < 3 Grad) besteht ein linearer Zusammenhang zwischen Schräglaufwinkel und erzeugter Querkraft. Es kann also auch gesagt werden, dass für kleine Querkräfte (z.b. Fliehkräfte während der Kurvenfahrt) eine lineare Abweichung von der reinen Geradeausfahrt (z.b. an der Hinterachse) hervorgerufen wird. In diesem Bereich ist das lineare Einspurmodell von Rieckert-Schunck gültig. Auf trockener Fahrbahn wird im Allgemeinen von einer Querbeschleunigung bis zu a y 4 m /s 2 gesprochen, welche den linearen Bereich der Reifen abbildet und daher ausgesprochen gut mit dem Einspurmodell berechnet werden kann. Abbildung 2.2: Lenkradwinkel δ L als Funktion der Querbeschleunigung während einer statischen Kreisfahrt (R = 100m, i L = 20, l = 2, 67m) für zwei verschiedene Fahrzeuge (Kringel im Kurvenverlauf durch Schaltvorgänge hervorgerufen) 1
3 2.2 Stationäres Verhalten Bei der stationären Kreisfahrt, wird ein Zustand angestrebt, bei welchem sich weder Geschwindigkeit noch Lenkwinkel noch gefahrener Kurvenradius ändern. Dieser quasistationäre Zustand wird als Grundlage für die Berechnung des Fahrzeugverhaltens herangezogen. Aus dem linearen Einspurmodell nach Riekert-Schunck, auf dessen Herleitung an dieser Stelle verzichtet werden soll, lässt sich folgender Zusammenhang entnehmen. δ = l }{{} R δ A ( mv + c v m ) h a y (2.1) c h } {{ } EG Der Anteil l /R ist der stationäre Ackermann-Lenkwinkel, welcher sich aus den geometrischen Gegebenheiten des Einspurmodells für kleine Lenkwinkel (l R) ergibt. Der zweite Summand ist die dynamische Eigenschaft des Fahrzeugs, welche auch als Eigenlenkgradient (EG) bezeichnet wird. Diesen Eigenlenkgradienten zu bestimmen ist Sinn und Zweck der stationären Kreisfahrt. 2.3 Eigenlenkgradient Der Eigenlenkgradient ist ein fahrzeugspezifischer Koeffizient, welcher aussagt, ob bei zunehmender Querbeschleunigung, also einer schnelleren Kurvenfahrt (a y = v2 /R), der Lenkwinkel vergrößert oder verkleinert werden muss, um den gleichen Kurvenradius fahren zu können. Vereinfacht und im linearen Bereich (auf trockener Fahrbahn mit a y < 0.4g) kann man formulieren: Übersteuern (EG < 0) bedeutet, dass der Lenkwinkel reduziert werden muss, weil das Fahrzeug über die hinteren Räder schiebt, siehe der Anstieg der grünen Kurve (im linearen Bereich) in Abb. 2.2 entspricht dem EG. Untersteuern (EG > 0) bedeutet, dass der Lenkwinkel vergrößert werden muss, weil das Fahrzeug über die vorderen Räder schiebt, der Anstieg der blauen Kurve (im linearen Bereich) in Abb. 2.2 entspricht dem EG. 3 Versuchsdurchführung 3.1 Modellfahrzeug Für die Messwertaufnahme steht ein Modellfahrzeug zur Verfügung, welches im Maßstab 1:5 ein reales Fahrzeug nachstellt. Es ist mit Fahrdynamiksensoren und einer Funkübertragung ausgestattet, sodass die Fahrversuche real durchgeführt und direkt am PC beobachtet/aufgezeichnet werden können. 2
4 Abbildung 3.1: Modellfahrzeug mit Fahrdynamiksensoren Sobald das Fahrzeug eingeschaltet ist, beginnt die Übertragung sämtlicher Fahdynamikdaten via W-LAN. Diese können sie am PC mit CANalyzer ansehen/aufzeichnen. Tabelle 1: Technische Daten des Modellfahrzeugs Parameter Wert Formelzeichen Einheit Abstand Schwerpunkt von Vorderachse 0.3 l v m Radstand 0.53 l m Spurweite Hinterachse 0.32 b m Gesamtmasse 12 m kg 3.2 Kreisfahrt Das Fahrzeug fährt mit definiertem, konstantem Lenkwinkel einen Kreis. Die Geschwindigkeit wird dabei schrittweise gesteigert. Die übertragenen Fahrdynamikdaten erlauben es für jede Geschwindigkeit, den gefahrenen Radius zu berechnen. Dies sogar dreifach, nämlich aus Geschwindigkeit (v) und Gierrate ψ, aus Geschwindigkeit (v) und Querbeschleunigung (a y ) 3
5 sowie aus den Raddrehzahlen (n a =Drehzahl des kurvenäußeren Hinterrades, n i =Drehzahl des kurveninneren Hinterrades) und der Spurweite (b). R 1 = v ψ (3.1) R 2 = v2 a y (3.2) R 3 = b n a n i 1 + b 2 (3.3) Die im Fahrzeug verbauten Sensoren weisen einen Offset (Abweichung von der Nulllage) auf, welchen sie für die Berechnung berücksichtigen (abziehen) müssen. Diese können sie zu Beginn der Fahrt, wenn sich das Fahrzeug in Ruhe befindet, ermitteln. Table 2: Sensoroffsets Sensor Wert Einheit Lenkwinkel δ Gierrate ψ Querbeschleunigung a y rad rad/s m/s 2 4 Auswertung 1. Berechnen Sie den gefahrenen Kurvenradius dreifach 2. Vergleichen Sie die berechneten Radien, schätzen Sie diese qualitativ ein (Offsets bei der Berechnung beachten!) 3. Sofern sie die Berechnungen korrekt durchgeführt haben, bilden sie den Mittelwert von R 1...R 3 und nehmen sie diesen Kurvenradius als tatsächlich gefahrenen Kreisradius an. 4. Berechnen Sie den nötigen theoretischen Lenkwinkel δ A = l R (Ackermann-Lenkwinkel) 5. Berechnen Sie aus Gleichung 2.1 den Eigenlenkgradienten des Fahrzeugs. 6. Erstellen sie das Diagramm δ = f(a y ) und zeichnen sie den Ackermann-Lenkwinkel und ihre berechneten Punkte ein. Approxomieren sie eine Gerade mit dem berechneten Anstieg (also dem EG) und zeichnen sie diese ein. Alternativ nutzen sie folgendes Diagramm: 4
6 Abbildung 4.1: Lenkwinkel als Funktion der Querbeschleunigung für Modellfahrzeug 7. Ist das Fahrzeug über- oder untersteuernd ausgelegt? 5 Kontrollfragen 1. Welche Faktoren bestimmen, ob ein Fahrzeug eher übersteuernde oder untersteuernde Tendenz hat? 2. Wie schätzen sie die Abhängigkeit des Eigenlenkgradienten von Schräglaufsteifigkeit und Schwerpunktlage ein? EG = m v m h (5.1) c v c h 3. Grundsätzlich neigen alle Serienfahrzeuge zum Untersteuern. Dennoch wird bei Sportwagen mit Mittel- oder Heckmotor eine gewissen Neutralität erreicht. Wie schätzen Sie es ein, wenn zusätzlich noch die schlechteren Reifen (jene mit geringerer Seitenführungskraft) auf der Hinterachse montiert werden? Literatur [Trau09] [Riek40] Trautmann, T.: Grundlagen der Fahrzeugmechatronik: Eine praxisorientierte Einführung für Ingenieure, Physiker und Informatiker. Vieweg+Teubner, GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, Riekert, P. und Schunck, T.-E.: Zur Fahrdynamik des gummibereiften Kraftfahrzeuges. Ingenieur-Archiv, XI. Band, Heft 3, S , Juni
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