Kinder & Jugend. Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen

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1 Kinder & Jugend Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Lebensbildung Expertise zum 10. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung NRW

2 2 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Expertise zum 10. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung NRW Prof. Dr. Holger Ziegler Im Auftrag des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen Universität Bielefeld Fakultät für Erziehungswissenschaften Postfach Bielefeld September 2014

3 3 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen 1. Entwicklungen im Bereich der Hilfen zur Erziehung Sozialraumorientierung Wirkungen der Hilfen zur Erziehung (HzE) Literatur Impressum

4 4 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen 1. Entwicklungen im Bereich der Hilfen zur Erziehung Die Kinder- und Jugendhilfe richtet sich an alle jungen Menschen unter 27 Jahren sowie deren Personensorgeberechtigte, d. h. im Regelfall die Eltern oder, im Fall von Vormundschaften, deren gesetzliche Vertreter. Mit ihrem sehr breit gefächerten Angebotsspektrum nimmt sie mittelbar oder unmittelbar erheblichen Einfluss auf das Aufwachsen von Kindern, Jugendlichen und Familien in Deutschland. Sieht man von der Kinder- und Jugendarbeit ab in der die Personalstellen im Vergleich zu den 1990er Jahren reduziert worden sind ist für alle Bereiche der Kinderund Jugendhilfe ein deutliches Wachstum zu verzeichnen. Alleine zwischen 2006 und 2010 stieg die Zahl der in der Kinder- und Jugendhilfe Beschäftigten um mehr als Personen 1. Davon entfiel ein wesentlicher Teil auf den (politisch gewünschten) Ausbau des Kindertagesbereichs, in dem Anfang 2011 etwa Personen pädagogisch tätig waren. Aber auch in den anderen pädagogischen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe sind inzwischen fast Personen beschäftigt (vgl. Fuchs-Rechlin/Rauschenbach 2012). Das Ausmaß und die Art der Aktivitäten der Kinder- und Jugendhilfe sind ein (im Einzelnen umstrittener) Gegenstand politischer Entscheidungen. Selbst die rechtlich kodifizierten (gleichwohl jedoch tendenziell widersprüchlichen und darüber hinaus weitgehend unbestimmten) Leitziele der Kinder- und Jugendhilfe, nämlich die Autonomie und Gemeinschaftsfähigkeit junger Menschen zu fördern, werden in unterschiedlichen Handlungsfeldern divergierend interpretiert. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass unabhängig von der tendenziell sinkenden Anzahl junger Menschen in der Gesamtbevölkerung der Bedarf an Unterstützung und Betreuung empirisch das Ausmaß an Angeboten übersteigt. Obwohl das Kinder- und Jugendhilfegesetz den gesellschaftlich-politischen Konsens zum Ausdruck bringt, dass jeder junge Mensch einen Anspruch auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat (und dieser Anspruch in einer Reihe einklagbarer Rechte spezifiziert und ausformuliert wird), ist gegenwärtig weitgehend offen, ob die Kinder- und Jugendhilfe auf diesen Bedarf in Form eines weiteren Ausbaus reagieren wird und in welcher Form sie den entsprechenden Bedarfen begegnet. Die klassischen einzelfallorientierten Hilfeformate geraten zunehmend in die politische (und teilweise auch fachliche) Defensive, während problemspezifische 1 Der Anstieg der Beschäftigungszahlen korrespondiert insgesamt nicht mit einem proportionalen Anstieg der Vollzeitäquivalente. Präventionsprogramme und fallübergreifende sozialräumliche Infrastrukturangebote zumindest in den Debatten (und teilweise auch in der Praxis) in den Vordergrund rücken. Die Entwicklung der Leistungen und Programme der Kinder- und Jugendhilfe wird nicht nur durch objektive Bedarfe oder subjektive Bedürfnisse potenzieller AdressatInnen, sondern auch durch politische Schwerpunktsetzungen und nicht zuletzt durch fiskalische Handlungsfähigkeiten und -willigkeiten der Kommunen beeinflusst. Bei der Frage der Steuerung sowie der fachlichen Aus- und Umgestaltung der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe spielen neben Fragen der Angemessenheit und Wirkungen der entsprechenden Förder- und Unterstützungsmaßnahmen auch die damit verknüpften fiskalischen Kosten eine erhebliche Rolle. Die vom statistischen Bundesamt ausgewiesenen Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe beliefen sich im Jahr 2011 bundesweit auf insgesamt rund 35 Milliarden Euro davon wurden ca. 19,03 Milliarden Euro für die Kindertagesbetreuung bereitgestellt 2. Der Kostenträger ist typischerweise die öffentliche Hand in der Regel die zuständige kommunale Gebietskörperschaft. Dem 14. Kinder- und Jugendbericht zu Folge, werden gegenwärtig etwa 14 Prozent der Gesamtausgaben der kommunalen Gebietskörperschaften für Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe veräußert. Der Anteil dieser Leistungen an den Kommunalhaushalten ist in den letzten zwanzig Jahren um über 60 % gestiegen (vgl. BMFSFJ 2013). Dabei ist Kindertagesbetreuung das gegenwärtig (noch) am stärksten expandierende Feld der Kinder- und Jugendhilfe. Diese Expansion ist jedoch trotz aller Kontroversen im Einzelnen fachlich, gesellschaftlich sowie politisch gewollt. Demgegenüber ist ein Ausbau von Maßnahmen, die auf Risikovermeidung und die präventive oder kurative Bearbeitung von Abweichungen von gesellschaftlich und kulturell gültigen Standards zielen, in einer anderen Weise begründungsbedürftig und auch in anderer Weise ein Gegenstand der politischen wie fachlichen Debatte als der Ausbau der Kindertagesbetreuung. Mit diesen Maßnahmen sind insbesondere, aber keinesfalls ausschließlich, die Hilfen zur Erziehung angesprochen. Auch im Um- und Vorfeld von Hilfen zur Erziehung finden sich eine Reihe von präventiven und infrastrukturellen Aktivitäten der Kinder- und Jugendhilfe. 2 In NRW wurden ,1 Milliarden Euro für Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe ausgegeben, davon 3,8 Milliarden Euro für den Bereich der Tageseinrichtungen für Kinder und 2,2 Milliarden Euro für die HzE (inklusive Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfen für junge Volljährige sowie vorläufige Schutzmaßnahmen).

5 5 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Klassische Formate in diesem Kontext sind z. B. Maßnahmen zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie gemäß SGB VIII. Hierzu zählen u. A. Angebote der Familienbildung, der Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung und Entwicklung junger Menschen sowie Angebote der Familienfreizeit und der Familienerholung, insbesondere in belastenden Familiensituationen. Allerdings ist sowohl der absolute als auch der relative Anteil der Mittel, der in den kommunalen Kinder- und Jugendhilfeetats für diesen präventiven Bereich verausgabt wird, eher marginal. Es verwundet vor diesem Hintergrund nicht, dass die Entwicklungen im Bereich der Hilfen zur Erziehung (HzE) im Mittelpunkt der fiskalischen und darüber vermittelt politischen sowie schließlich fachlichen Debatte stehen. Auf die HzE entfällt mit bislang steigender Tendenz ein gutes Viertel der kommunalen Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe 3. In NRW machen die HzE (inklusive der Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, der Hilfen für junge Volljährige sowie der vorläufigen Schutzmaßnahmen) gut 30 % der Jugendhilfeausgaben aus. Die Hilfen zur Erziehung sind im Kern auf die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen (SGB VIII 27, Abs. 3) gerichtet, auf die Personensorgeberechtigte Anspruch haben, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist (SGB VIII 27, Abs. 1). Sie umfassen ein breites Arsenal von familienunterstützenden und -ergänzenden Maßnahmen (wie z. B. die sozialpädagogische Familienhilfe) aber auch familienersetzende Interventionen (wie z. B. Heimerziehung). Die bei Weitem am häufigsten in Anspruch genommene Einzelleistung unter den HzE ist die (jugendhilferechtlich auf die Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme bezogene) Erziehungsberatung ( 28 SGB VIII). Sie macht bundesweit etwa drei Fünftel aller HzE aus und wird anders als Maßnahmen, die eine formale Hilfegewährung voraussetzen in einem hohen Ausmaß von Eltern aus der Mittelschicht in Anspruch genommen. Bei allen weiteren HzE, die förmlich beantragt werden müssen und meist von Familien in prekären Lebenslagen in Anspruch genommen werden, entscheidet in der Regel der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) der Jugendämter über deren Gewährung. Dabei spielt die Tatsache eines individuellen Rechtanspruchs auf die HzE zwar formalrechtlich und für die Steuerung der Leistungen eine erhebliche Rolle, nichtsdestoweniger kommt der An- 3 Allein im Jahr 2011 wurden HzE gewährt, mit denen knapp eine Million junger Menschen erreicht wurde (vgl. Fendrich et al. 2012). stoß, auch für die freiwillige Inanspruchnahme von HzE, häufig von öffentlichen Einrichtungen (inklusive des ASD selbst). Demgegenüber ist die Wahrscheinlichkeit, dass betroffene Eltern oder auch Minderjährige sich direkt und aus eigenem Antrieb mit der Bitte um Gewährung von Hilfe zur Erziehung ans Jugendamt wenden, ist in der Realität eher gering (Seithe 2007: 574). Vor diesem Hintergrund ist von einer hohen Zahl von Non-Take-Ups auszugehen, d. h. von Personen, die einen Bedarf und eine Berechtigung für Unterstützungsleistungen haben, diese Unterstützungen aber nicht in Anspruch nehmen. Der professionelle wie sozialrechtliche Anspruch der Kinder- und Jugendhilfe besteht mit Blick auf die Hilfen zur Erziehung darin, möglichst allen berechtigten Personen mit entsprechendem Bedarf eine individuell angemessene und fachlich optimale Unterstützung zukommen zu lassen. In diesem Sinne ist das fachlich wesentliche Problem der Kinder- und Jugendhilfe anders gelagert als das fiskalische Problem der Kommunen. Das fachliche Problem der Kinder- und Jugendhilfe im Bereich der HzE ist weniger die steigende Anzahl vom Fällen (die im Wesentlichen die erkannten und bearbeiteten Bedarfe zum Ausdruck bringt), sondern die empirisch noch weitgehend unerforschte mutmaßlich beträchtliche Anzahl von Non-Take-Ups. Wie Philippe Warin und seine KollegInnen verdeutlicht haben, ist der Non-Take-Up von sozialen Leistungen von einer hohen gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Relevanz: Non-take-up [NTU] of social rights, which in all countries consist of social benefits and services, is a serious cause for concern and a threat to social cohesion [ ]. Irrespective of whether NTU is explained in terms of unintentional behaviours [ ] or deliberate ones [ ], or in terms of institutional factors [ ], the very existence of this phenomenon is a fundamental challenge to the effectiveness, if not the validity, of the social welfare systems implemented throughout Europe 4 [ ] (Warin et al. 2007: 11). Schon ein flüchtiger Blick auf unterschiedliche Jugendamtsbezirke und zwar nicht nur in den verschiedenen Bundesländern, sondern auch innerhalb eines Bundeslandes (wie etwa NRW, das über die mit Abstand meisten unterschiedlichen Jugendamtsbezirke verfügt) verdeutlicht, dass in der konkreten Ausgestaltung der Inanspruchnahme der HzE eine erhebliche lokale Varianz vorherrscht. Die relative Wahrscheinlichkeit, dass junge Menschen und/oder Familien, im Falle eines Unterstützungsbedarfs tatsächlich eine HzE erhalten sowie die 4 Zugleich machen Warin und seine KollegInnen deutlich, dass aktuelle Philosophien der Wohlfahrtsreform nicht tauglich waren, um dieses Problem zu begrenzen: The issue seems particularly urgent in light of the fact that in many countries the choice of policies and measures targeted more specific ally at vulnerable groups primarily via means-tested or even behaviour-tested benefits, has not curbed this phenomenon (Warin et al. 2007:11)

6 6 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Formen der implementierten HzE (z. B. ambulant oder stationär) variieren in einem erheblichen Ausmaß mit dem Wohnort der Betroffenen 5. Unabhängig von den erheblichen und weder fachlich noch jugendhilferechtlich begründbaren Varianzen ist davon auszugehen, dass der Anteil von Non-Take-Ups im Bereich der HzE beträchtlich ist. Mit Blick auf monetäre Sozialhilfeleistungen vorliegende, deutsche Dunkelzifferstudien legen (je nach Modellierung) nahe, dass auf jede BezieherIn von Transferleistungen zwischen 0,5 und 1,5 AkteurInnen kommen, die diese Leistungen trotz Berechtigung nicht in Anspruch nehmen. Zu den wesentlichen Ursachen gehören ein mangelnder Informationsstand über Berechtigungen und Zugänge ( kognitive Constraints ), bürokratische Hürden sowie eine Reihe subjektiver Motive, die sich nicht zuletzt aus Stigmatisierungsbefürchtungen und/oder Gefühlen der Hilflosigkeit und Ohnmacht gegenüber Behörden speisen. Dabei ist wesentlich, dass sich diese Dunkelzifferstudien auf monetäre Transferleistungen beziehen. Der Anteil an Non-Take-Ups dürfte im Falle von HzE-Leistungen bezüglich der kognitiven und subjektiven Constraints höher liegen 6, zumal HzE-Leistungen zu den Leistungen gehören, bei denen eine Bedarfsprüfung ( means-testing ) vorausgeht. Generell wird angenommen, dass means-testing den Anteil von Nichtinanspruchnahmen erhöht (vgl. Warin et al. 2007). Eine jüngere Erhebung der forsa, die im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter gut 1000 Eltern von minderjährigen Kindern befragt hat, beschreibt anschaulich das Problem der kognitiven Constraints im Bereich der HzE. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass von Eltern, die mindestens Abitur haben 77 % zumindest eine Vorstellung davon hatten, welche Leistungen das Jugendamt anbietet, während von Eltern, die höchstens einen Hauptschulabschluss haben, lediglich 45 % eine Vorstellung von den Leistungen des Jugendamts hatten. Dies spricht dafür, dass eine Mehrzahl der formal Anspruchsberechtigen, gerade unterhalb der Mittelschicht, gar nicht erst weiß, welche Leistungen sie überhaupt erwarten könnten. Lässt man die Erziehungsberatungen außen vor, fanden sich in Nordrhein-Westfalen im Jahr beendete oder andauernde erzieherische Hilfen. Dieser Zahl standen Kinder und Jugendliche unter 21 Jahren gegenüber. Damit kam rechnerisch eine 5 Zur Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung im Spiegel regionaler Disparitäten vgl. HzE Bericht 2011, Einen Hinweis hierauf gibt die KiGGS-Studie: In einer Analyse mit den Daten der KiGGS-Basiserhebung hatten nur 11,8 % der im SDQ-Symptomfragebogen als grenzwertig auffällig klassifizierten und 18,6 % der als auffällig klassifizierten Kinder und Jugendlichen im Jahr vor der Befragung Kontakt zu einem Psychiater, Psychologen oder zur Jugendhilfe (Hölling et al.2014: 818, vgl. Wölfle et al. 2014) erzieherische Hilfe auf 39,71 junge Menschen 7. Da anzunehmen ist, dass einzelne junge Menschen im Laufe eines Jahres mehr als eine Maßnahme in Anspruch genommen haben 8 und z. B. nahezu alle jungen Menschen die Heimerziehung begonnen haben, im Vorfeld dieser Hilfe eine andere HzE erhalten haben, dürfte die reale Zahl unterschiedlicher junger Menschen pro HzE substanziell höher liegen, als die rechnerische Zahl. Man muss weder medialen Inszenierungen eines Erziehungsnotstands (Gerster/Nürnberger 2001) oder einer Erziehungskatastrophe (Gaschke 2001) noch der Diagnose Glauben schenken, dass Deutschland seine Kinder misshandele (vgl. Tsokos/Guddat 2014), um zu konstatieren, dass dieser Anteil deutlich geringer ist, als der Anteil von Familien, die Surveys zu Folge von (teilweise deutlichen) Überforderungen in ihrer familialen Alltagsorganisation (vgl. z. B. Sinus-Institut 2014) oder der Erziehung ihrer Kinder berichten (vgl. Henry-Huthmacher/Borchard 2008) bzw. als unsichere oder Risikofamilien klassifiziert werden (Holz et al. 2012) 9. Der aktuelle Gesundheitssurvey geht davon aus, dass etwa ein Drittel der deutschen Erwachsenen unter einer oder mehreren psychischen Störungen leidet (unter den 18 bis 35-Jährigen finden sich die höchsten Prävalenzraten). Etwa bei einem Viertel dieser Personen besteht eine akute Behandlungsnotwendigkeit und es wird angenommen, dass von diesen wiederum etwa ein Drittel minderjährige Kinder hat (vgl. Plass/Wiegand-Grefe 2012). In absolute Zahlen umgerechnet entspricht dies gegenwärtig etwa drei Millionen Kindern die bei Eltern mit einer psychischen Krankheit aufwachsen (vgl. Mattejat 2008), wobei bei mindestens einem Drittel dieser Eltern von signifikanten Einbußen ihrer psycho-sozialen Funktionsfähigkeit auszugehen ist. Alleine diese Anzahl ist mehr als doppelt so hoch, wie die Anzahl junger Menschen, die eine HzE (jenseits der Erziehungsberatung) erhält. Die Bindungsforschung schätzt die Prävalenz sog. desorganisiert-desorientierter Bindungsmuster auf etwa 5 % bis 10 % (vgl. Lohaus/Vierhaus 2013), Gewaltstudien gehen davon aus, dass zwischen 3 % und 10 % 7 Eine erzieherische Hilfe (ohne Erziehungsberatung) begonnen wurde 2011 bei jungen Menschen dieser Altersgruppe. Rechnerisch kam damit eine begonnene Hilfe auf 90 junge Menschen dieser Altersgruppe. Da insbesondere familienorientierte Maßnahmen in der Regel mehr als einen jungen Menschen erreichen, ist die Zahl der durch HzE erreichten Kinder etwas höher. Sie liegt bei jungen Menschen. Wenn man nicht berücksichtigt, dass ggf. auch über 21 jährige durch HzE erreicht werden, liegt der Anteil der durch HzE erreichten jungen Menschen rechnerisch bei etwas weniger als 3,68 %. 8 Eine Heimerziehung begann 2012 für 0,27 % der jungen Menschen dieser Altersgruppe. 9 Dabei legen Studien nahe, dass die Unsicherheit von Eltern in Erziehungsfragen im Verlauf der 2000er Jahre insgesamt zugenommen hat. Exemplarisch hierfür ist etwa die Studie von Mühling und Smolka (2007), der zufolge zum Beispiel 11,8 % der befragten Eltern angaben, immer oder häufig in Erziehungsfragen unsicher zu sein, wohingegen der Anteil derer, die sich nie unsicher sind, bei 7,4 % lag.

7 7 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen der Minderjährigen schwere körperliche Züchtigungen und Misshandlungen erfahren (vgl. Luedtke 2003, Lamnek et al. 2012) und die aktuelle KiGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts ermittelt eine Prävalenzrate klinisch relevanter psychischer Auffälligkeiten (im Sinne von Störungen der Entwicklung, der Emotionalität und des Sozialverhaltens) bei nicht weniger als 18 % der Kinder und Jugendlichen in Deutschland (vgl. Holling et al 2007, Ravens-Sieberer et al. 2008). Studien, die auf erhebliche Einschränkungen im Aufwachsen junger Menschen hinweisen, ließen sich lange fortführen. Das Argument ist nun nicht, dass all diese jungen Menschen und ihre Familien durch die Kinder- und Jugendhilfe in Form von HzE adressiert oder klientifiziert werden sollten, sondern dass die Debatte darüber, dass die Fallzahlen zu hoch seien, angesichts der Realitäten empirischer Schwierigkeiten im Prozess des Aufwachsens weniger substanziell begründet erscheint, als eine Debatte darüber, wie das Non-Take-Up-Problem bearbeitet werden kann. Die Notwenigkeit dieser Debatte lässt sich alleine angesichts der Tatsache begründen, dass man defensiv geschätzt davon ausgehen muss, dass der Anteil kinder- und jugendhilferelevanter Problemlagen mindestens drei mal so hoch ist, wie die Inanspruchnahme entsprechender Hilfen. Dieses Problem wird durch empirische Hinweise auf einen sozialen Gradienten in der Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen noch verstärkt. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit der Angebotsnutzung ceteris paribus revers zum sozioökonomischen Status sinkt (zum sozialen Gradienten der Inanspruchnahme personenbezogener Dienste vgl. z. B. Bauer 2005, Bailey-Smith 2001, Ghate/Hazel 2002, Heinrichs et al. 2005, Janßen et al 2009,Lösel et al. 2006, Santen/Seckinger 2008). Wie die AGJ (2014: 6) in ihrem kinder- und jugend(hilfe)politischen Leitpapier zum 15. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag diesbezüglich feststellt, gibt es insbesondere Anzeichen dafür, dass Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, die für alle Kinder und Jugendlichen bereit stehen, stärker von denjenigen in Anspruch genommen werden, die in der Lage sind, ihre Bedarfslagen zu erkennen, zu artikulieren und möglicherweise auch in einem konflikthaften Prozess durchzusetzen. Hinzu kommt, dass personenbezogene soziale Dienstleistungen als Maßnahmen des people processing und people changing (vgl. Hasenfeld 1972, 1978) in die Lebensführung von Menschen deutlich unmittelbarer eingreifen als Geldleistungen. Die Ursache für den Bedarf an HzE wird nicht selten einem moralisch kodierten Erziehungsversagen oder einer Verantwortungslosigkeit der AdressatInnen dieser Maßnahmen zugeschrieben. Mit dieser Zuschreibung ist nicht nur eine Selbstzuschreibung potenzieller NutzerInnen oder die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit gemeint, sondern auch eine Zuschreibung durch die Kinder- und Jugendhilfe selbst. In einer Befragung von mehr als 2000 Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe aus 60 unterschiedlichen Einrichtungen im Zuge des Projekts ZuPE (dazu: Mohr/Ziegler 2013), konstatierten beispielsweise mehr als 36 % der Fachkräfte aus dem HzE-Bereich, dass die Ursache für viele Probleme unserer Klient(inn)en darin zu suchen sei, dass diese einfach keine Lust dazu haben, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Lediglich 15 % der Fachkräfte hielten diese Ursachenzuschreibung für gar nicht zutreffend. Hinzu kam, dass etwa 37 % der Fachkräfte die Meinung vertraten, dass die Unterstützungsleistungen, die ihre KlientInnen erhielten, dazu führen würden, dass diese immer weniger bereit seien, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Diese tendenziell pejorativ-moralische Verantwortungszuschreibung, gepaart mit einer relativ ausgeprägten Sanktionsbereitschaft mehr als 40 % der Fachkräfte hielten es für grundsätzlich wichtig, mangelndes Kooperationsverhalten der Klient(inn)en zu sanktionieren und mehr als 35 % waren der Ansicht es sollte mehr Möglichkeiten geben, mangelndes Kooperationsverhalten der Klient(inn)en zu sanktionieren sprechen dafür, dass mögliche Ängste und Befürchtungen von potenziellen NutzerInnen von HzE nicht völlig abwegig sind. Von dem Realitätsgehalt dieser Befürchtungen abgesehen, dürfte das zumindest in Teilen negativ geprägte Image des Jugendamtes von Bedeutung sein, das nicht zuletzt daraus rührt, dass die Grenzen zwischen Prävention und Intervention, zwischen Förderung und Kontrolle, zwischen Familienunterstützung und Familienersetzung fließend sind. Zwar war mit dem Inkrafttreten des SGB VIII die Hoffnung verbunden, den kontrollierenden Charakter ihrer Arbeit weitgehend in den Hintergrund zu drängen, jedoch ist seit Mitte der 2000er Jahre das staatliche Wächteramt der Kinder- und Jugendhilfe wieder in den Vordergrund getreten (Pothmann/Tabel 2014: 13). Vor diesem Hintergrund wird eine Aufwertung der Kontrolldimension der Kinder- und Jugendhilfe bzw. eine veränderte Kultur der Kontrolle in der Kinder- und Jugendhilfe (vgl. Lutz 2010, siehe auch die Beiträge im Forum Erziehungshilfen, 2012, Heft 5 Schutz und Kontrolle in der SPFH ) konstatiert, die mit einem statistisch nachweisbaren Anstieg sowohl der Maßnahmen als auch (und vor allem) der Anzeigen und zum vollständigen oder teilweisen Entzug der elterlichen Sorge (vgl. Abb. 1) sowie der Inobhutnahmen (vgl. Abb. 2) korrespondiert (vgl. Pothmann/Tabel 2014: 10-12)

8 8 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Abb 1: Anrufungen des Gerichts zum Entzug der elterlichen Sorge und Sorgerechtsentzüge im Zeitverlauf Abb 2: Inobhutnahmen im Zeitverlauf Dabei weißt NRW gegenwärtig die höchste Inobhutnahmequote unter den westdeutschen Flächenländern auf (vgl. HzE-Bericht 2014b: 47). Bemerkenswert an den Inobhutnahmen ist der rückläufige Anteil dieser Maßnahmen, die auf eigenen Wunsch eingeleitet werden. Während bis zum Jahr 2000 der Anteil der Inobhutnahmen auf eigenen Wunsch bei über einem Drittel lag, sinkt dieser Anteil bis zum Berichtsjahr 2012 auf 23 %. Dies ist der niedrigste Anteil seit Beginn der statistischen Erfassung von Inobhutnahmen im Jahre Zugleich sind insgesamt noch nie so viele Inobhutnahmen durchgeführt worden wie im letzten dokumentierten Berichtsjahr 2012 (vgl. Pothmann/Tabel 2014: 10). Darüber hinaus findet sich vor allem [bei] stärker interventionsorientierte Hilfen zur Erziehung [ ein deutlicher] Zusammenhang von sozioökonomisch belasteten Lebenslagen und einer höheren Inanspruchnahme (HzE-Bericht 2014b: 48). Die Tendenz zu einer stärkeren Kontrollorientierung scheint demnach in einer sozial selektiven Weise zu verlaufen eine Tendenz die z. B. in kriminologischen Diskursen seit geraumer Zeit konstatiert wird (vgl. Garland 2001, Reiman 1979, Ziegler 2003). Es ist nicht zu bestreiten, dass Kontrolle ein Element von Fachlichkeit sein kann (vgl. Schone 2008), dass die Kinder- und Jugendhilfe beauftragt ist, sich am Kindeswohl zu orientieren und fachlich nicht viel Überzeugendes gegen diese Aufgabenpriorität spricht (dazu: Ziegler 2013) und dass das Kindeswohl ggf. nicht deckungsgleich mit dem Kindes- oder Elternwillen sein muss (dazu: Oelkers/Schrödter 2007). Zweifelhaft ist jedoch, ob eine zunehmende Kontroll- und Interventionsorientierung zweckdienlich ist, um sicherzustellen, dass den zu Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe berechtigten Personen mit entsprechendem Bedarf eine individuell angemessene und fachlich - optimale Unterstützung zukommt. Eine Profession, die als Kontrolle, Strafe und Bedrohung wahrgenommen wird, dürfte eine Profession sein, der potenzielle NutzerInnen aus eher dem Weg gehen, als sich aktiv um deren Unterstützung zu bemühen. Im Verlauf dieser Expertise wird argumentiert, dass sich trotz steigender Fallzahlen eher das Problem findet, dass viele Bedarfe nicht in die notwenigen Unterstützungen münden und weniger das Problem, dass zu viele Bedarfe erkannt und bearbeitet werden (wobei ein Fall im Wesentlichen ein erkannter und bearbeiteter Bedarf ist). Mit diesem Argument wird keinesfalls davon ausgegangen, dass eine verstärkte Kontroll- und Eingriffsorientierung eine fachlich zweckdienliche Option ist, um auf das kardinale Problem der Non-Take-Ups angemessen zu reagieren. Die Anzahl der begonnenen, der beendeten und im jeweiligen Jahresverlauf fortdauernden Hilfen zur Erziehung in Nordrhein- Westfalen ist, wie in anderen Bundesländern auch, in den letzten Jahrzehnten massiv und mehr oder weniger kontinuierlich angestiegen. Damit korrespondierend sind auch die Kosten für die HzE gestiegen. Für die Interpretation der Kostenentwicklung ist es relevant, dass sich im letzten Jahrzehnt, im Kontext des Neuen Kommunale Finanzmanagements, ein Prozess der Umstellung der kommunalen Haushaltsführungen weg von der Kameralistik hin zur Doppik fand. Eine der Leitlinien der doppischen Haushaltsführung ist das Ressourcenverbrauchskonzept. Vor diesem Hintergrund werden

9 9 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen ggf. Produkten der Hilfen zur Erziehung Kosten zugeordnet, die vor der Umstellung nicht als Aufwendungen für die HzE verbucht worden sind. Die statistisch ausgewiesenen Steigerungsraten der Kosten für die HzE sind insofern in einem gewissen in der präzisen Quantität gleichwohl kaum rekonstruierbaren Ausmaß auch auf veränderte Erfassungen zurückzuführen. Dennoch kann ein deutlicher, realer Anstieg der Ausgaben für die HzE nicht ernsthaft bestritten werden. Nach ersten Auswertungen der Entwicklungen der Inanspruchnahme von HZE und der Ausgaben für erzieherische Hilfen in Nordrhein-Westfalen im HzE Bericht 2014 (Pothmann et al. 2014), haben sich die Ausgaben für Maßnahmen gemäß 27,2 bis 35, 41 und 35a SGB VIII (ohne Erziehungsberatung) im Vergleich zur Preisentwicklung in Nordrhein-Westfalen von 2000 bis 2012 wie folgt entwickelt, wenn man die Ausgaben im Jahr 2000 mit dem Indexwert 100 kodiert 10. Abb 3: Ausgaben für HzE in NRW im Vergleich zur Preisentwicklung (Quelle: Pothmann et al. 2014) Rechnerisch stellt sich die Kostenentwicklung der letzten 12 Jahre als eine um den Anstieg der Verbraucherpreise bereinigte Nettoausgabenerhöhung um 88 % dar Dieser Wert wird sicherlich nicht durch verbuchungstechnische Umstellungen von der Kameralistik auf die Doppik erklärt. Man kann von erheblichen realen Ausgabensteigerungen ausgehen. 11 Diese Ausgabensteigerungen haben in vielen Bundesländern und Kommunen sehr energische Debatten hervorgerufen. Paradigmatisch und plakativ wurden insbesondere in Hamburg entsprechende Vorschläge und Vorstöße unternommen wie etwa striktere Prüfung der Anspruchsberechtigung und voraussetzungen, -höhe, -umfang, aber auch der Eigenbeteiligungen [ ], Beschränkung überdurchschnittlicher Leistungen oder Rechtsansprüche z. B. durch Benchmark, Ländervergleich Bewilligungsverfahren [ ]. Umsteuerung in günstigere Hilfen bzw. Leistungsarten z. B. Ambulantisierung, niedrigschwelligere, weniger kostenintensive Hilfe- und Leistungsformen, die ähnlich wirksam oder im Idealfall sogar wirksamer sind, Einbeziehung von Netzwerken und Nachbarschaften (Integration) statt (Über)Professionalisierung [ ]Abbau von Unterschieden der Kostensätze und Konsolidierungsdruck bei Trägern [ ]. Stärkere Steuerung von Kostensatzverhandlungen auf Benchmarkvergleiche, Begrenzungen auf Höchstwerte oder Durchschnittskosten [ ]Standardabsenkungen z. B. Verringerung von Personalschlüsseln, Leistungsinhalten und ansprüchen, Leistungsentgelten, Aufbau von Hürden für die Inanspruchnahme von Leistungen, [ ] Reduktion von Rechtsansprüchen (Wersich 2009: 1-2). In teils (rhetorisch) abgeschwächter Form, sind solche und ähnliche Debatten nach wie vor virulent. Die Deutlichkeit dieser Ausgabenerhöhung wird auch dann nicht relativiert, wenn sich für die letzten Jahre in NRW eine Verlangsamung des Ausgabenanstiegs [ feststellen lässt]. Während in den Jahren vor 2009 die jährlichen Zuwachsraten wiederholt bei über 10 % gelegen haben, beziffern sich die Zunahmen seit 2010 bei etwas mehr als 5 % für den Zeitraum 2010 bis 2011 sowie zuletzt bei noch knapp 5 % für die Jahre 2011 und 2012 (HzE-Bericht 2014: 10). Insgesamt korrespondieren die Kostenentwicklungen in einem hohen Maße mit der Fallzahlentwicklung. Die Anzahl der HzE ohne Erziehungsberatung hat sich in NRW z. B. in den ambulanten Hilfen von 2008 auf 2012 um 34,6 % erhöht, in den stationären Hilfen um 25,4 %. Die Ausgaben sind im selben Zeitraum (verbraucherpreisbereinigt) um 27,8 % gestiegen 12. Entsprechend lässt sich zwar argumentieren, dass die Fallzahlen insgesamt stärker angestiegen sind, als die Kosten. Allerdings haben sich z. T. auch die Kompositionen der HzE verschoben. So sind z. B. unter den stationären Hilfen insbesondere die relativ preisgünstigen Maßnahmen der Vollzeitpflege angestiegen. Richtet man den Blick auf die unterschiedlichen Hilfen, gibt es klare Hinweise darauf, dass auch die Kosten pro Fall (berechnet als Jahreskosten pro Fall) insgesamt angestiegen sind. Mit den Kosten pro Fall liegt NRW im bundesweiten Vergleich über alle Hilfen hinweg im oberen Drittel der Bundesländer. Angesichts der Tatsache, dass Fallzuweisungen in eine oder andere Hilfeart erheblich differieren können und in NRW vergleichsweise häufig auf Hilfen gemäß 27,2 SGB VIII zurückgegriffen wird, ist jedoch fraglich, ob die Kosten pro Hilfe (zumal zwischen Jugendamtsbezirken oder gar zwischen Bundesländern) ohne weiteres sinnvoll miteinander vergleichen werden können. Das Problem eines solchen Vergleichs besteht insbesondere darin, dass sich hinter einer formal gleichen Hilfeart durchaus unterschiedliche Fälle verbergen können, die unterschiedlich intensiv bearbeitet werden. Ferner handelt es sich bei den Statistiken zu Kosten pro Hilfe zunächst um fiktive Jahresausgaben, d. h. um Ausgaben unter der Annahme, dass die Hilfen 365 Tage gedauert haben. Hilfen, deren jährliche Dauer sich an die 365 Tage annähern, werden damit genau so gezählt wie sehr kurzfristige Hilfen. Dies kann ggf. je nach Neigung in den unterschiedlichen Jugendamtsbezirken (oder den unterschiedlichen Bundesländern), Hilfen nur mit kurzer 12 Die Verbraucherpreise sind zwischen 2008 und 2012 um 6 % gestiegen. Um dies einzuberechnen werden die Ausgaben von Euro im Jahr 2012 zunächst durch den Wert 1,06 und dann durch die Ausgaben von Euro im Jahr 2008 dividiert.

10 10 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Laufzeit zu gewähren zu deutlichen Unterschieden in der statistischen Berechnung von Kosten pro Fall führen. Dass die Kosten pro Fall als Jahreskosten berechnet werden, bringt es auch mit sich, dass Kosteneinsparungen bei Hilfen, die zumindest im arithmetischen Mittelwert über ein Jahr dauern, statistisch nur bedingt sichtbar werden. Während sich z. B. in der Heimerziehung Kostenreduktionen pro Fall alleine deshalb finden, weil die Hilfedauer erheblich reduziert wurden, finden diese Kostenreduktionen in der Berechnung von Kosten pro Fall als Jahreskosten nur bedingt einen Niederschlag: Die Kosten für eine Heimerziehung die zwei Jahre dauert, sind niedriger, als die Kosten für eine Heimerziehung, die drei Jahre dauert, selbst wenn die Jahresfallkosten gleich hoch sind. Die Entwicklung der Dauer der Hilfen ist ein überaus relevanter Gegenstand. Nach aktuellen Daten des statistischen Bundesamtes sind z. B. im besonders kostenintensiven Bereich der Heimerziehung im Jahr 2012 mehr als 33 % Maßnahmen nach maximal sechs Monaten, mehr 43 % nach maximal neun Monaten mehr als 51 % nach maximal einem Jahr, mehr als 63 % nach maximal 18 Monaten und über 72 % nach maximal zwei Jahren beendet wurden. Im Jahr 2006 dauerten lediglich 25 % der Heimerziehungen kürzer als 6 Monate, 41 % kürzer als 12 Monate und 64 % kürzer als 24 Monate. Dabei wurde bereits Mitte der 2000er Jahre Heimerziehungsdauer deutlich verkürzt. In den frühen 1990er Jahren dauerte eine Heimerziehung im arithmetischen Mittel eineinhalb Mal so lange wie in den 2010er Jahren. In abgeschwächter Form findet sich dieser Trend auch jenseits der Heimerziehung. So konstatieren etwa Studien zur SPFH seit den 1990er Jahren einen mittel- bis langfristigen Trend zu kürzeren und weniger intensiven Hilfen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund des Befundes bemerkenswert, dass die durchschnittliche Problembelastung der mit SPFH betreuten Familien eher zugenommen hat (vgl. Fröhlich-Gildhoff et al. 2006, Frindt 2010). Für NRW liegen keine öffentlich zugänglichen Statistiken für die Dauer der Heimerziehungen vor. Allerdings ist der Bundestatistik zu entnehmen, dass die 2012 begonnen und beendeten Heimerziehungen in NRW jeweils etwa 28,2 % aller Heimerziehungen in Deutschland ausmachen, die Zahl der 2012 laufenden Heimerziehungen entspricht demgegenüber einem Anteil 26,8 %. Die durchschnittliche Dauer der Heimerziehungen in NRW liegt insofern rechnerisch um gut 5 % unter dem Bundesdurchschnitt. Dieser Befund ist nicht nur in fachlicher, sondern auch in fiskalischer Hinsicht relevant. Denn die Ausgaben, die durch eine Gewährung einer Hilfe pro Fall ausgelöst werden, sind wenn man die Kosten der Hilfen innerhalb der jeweiligen Hilfeart vergleicht durch keinen Einflussfaktor auch nur annähernd in dem Ausmaß bestimmt, wie durch die Dauer der jeweiligen Hilfe. Auch wenn die Steigerungsrate der Jahreskosten pro Hilfe gerade in den kostenintensiven Hilfen im letzten Jahrzehnt in der Regel unterhalb der Kürzungsrate der Hilfedauern geblieben sind, ändert dies nichts daran, dass durchschnittlichen Jahreskosten pro Hilfe in NRW im Verlauf der 2000er bei einer verbraucherpreisbereinigten Berechnung in jeder Hilfeart jenseits der Erziehungsberatung (außer der sozialen Gruppenarbeit nach 29 SGB VIII) gestiegen sind. Dies gilt insbesondere für kostenintensive Hilfen wie z. B. die Heimerziehung. In Abb. 4 wird die Relation von Fallzahlentwicklungen zu Kostenentwicklungen (ohne Berücksichtigung von Verbraucherpreissteigerungen) dargestellt. Abb 4: Relation von Fallzahlentwicklungen zu Kostenentwicklungen bei Hilfen gemäß 34 SGB VIII in NRW Eine empirisch belegte Erklärung der tendenziellen Entkopplung von Fallzahlentwicklungen und Kostenentwicklungen (insbesondere in der Heimerziehung) findet sich bislang nur ansatzweise. Ein Teil des Anstieg der Jahreskosten pro Hilfe kann möglicherweise durch die recht deutliche Zunahme von Inobhutnahmen (von 2007 auf 2012 eine bundesweite Steigerung um insgesamt 43 %, in der Heimerziehung ist die Zahl der Inobhutnahmen zwischen 2005 um 2012 um 57 % angestiegen) erklärt werden, die ggf. höhere Kosten verursachen, als regulär begonnene Hilfen nach den 33 oder 34 SGB VIII. Eine andere Erklärung hängt mit einer Form der Hilfeerbringung zusammen, die als Intensivierung und Spezialisierung der Hilfen diskutiert wird. Insbesondere wenn im Kontext der Heimerziehung verstärkt spezielle, therapeutische (aber ggf. auch familienbezogene) Leistungen

11 11 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen z. B. in Intensivgruppen erbracht werden, geht dies nicht selten mit einer Verkleinerung der (statistischen) Relation von Gruppengröße und Betreuungspersonen und entsprechend mit einer Erhöhung der durchschnittlichen Kosten pro Fall während der Laufzeit der Maßnahme einher. In der vorliegenden Expertise wird im Folgenden zunächst die Komposition der HzE dargestellt und mögliche Gründe für die Entwicklungen in den HzE eruiert. Es wird diskutiert inwiefern eine Sozialraumorientierung einen fachlich sinnvollen Beitrag für eine Umsteuerung der HzE darstellen kann. Die Expertise wird sich daran anschließend mit den Potenzialen und Grenzen interinstitutioneller Kooperation befassen. Darüber hinaus werden Überlegungen zu offenen, präventiven Infrastrukturangeboten und ihr Verhältnis zu einzelfallbezogenen HzE erörtert. Hierbei werden Probleme des selektiven Zugangs und das eklatante Problem der selektiven Inanspruchnahme von offenen Maßnahmen ausgeführt. Schließlich werden der Stand der Wirkungsforschung, Strategien einer Wirkungsorientierung und die damit verbundenen Herausforderungen herausgearbeitet 13. die Inanspruchnahme unterschiedlicher Hilfeformate pro der unter 21-Jährigen: Während Anfang der 1990er-Jahre die Quote der Inanspruchnahme von familienunterstützenden und -ergänzenden Hilfen bei lediglich 24 pro der unter 21-Jährigen und somit deutlich unter der der familienersetzenden Hilfen lag (79 pro ), hat sich diese im Verlauf der beiden letzten Jahrzehnte in etwa verachtfacht (Pothmann/Tabel 2014: 10). Obwohl familienersetzende Hilfen seit Mitte der 2000er Jahre sowohl relativ zu der Anzahl junger Menschen, als auch in absoluten Hilfezahlen etwas ansteigen, kann insgesamt durchaus von einer flächendeckenden Ambulantisierung der Erziehungshilfen (Pothmann/Tabel 2014: 10) gesprochen werden (vgl. Abb. 5). Die Komposition von Hilfen zur Erziehung in NRW Der seit den 1970er Jahren beginnende, relative Bedeutungsverlust stationärer Fürsorge bzw. HzE-Leistungen ist wohl das zentrale Merkmal der längerfristigen Entwicklung in den erzieherischen Hilfen. Dies zeigt zum einen ein Blick auf Abb 5: Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung nach Leistungssegmenten pro der unter 21-Jährigen (zum Stichtag andauernde und der innerhalb eines Jahres beendeten Leistungen, Quelle: Pothmann/Tabel 2014: 10) 13 Der empirische Wissensstand über die HzE ist in den letzten 15 Jahren massiv angewachsen. Dennoch finden sich in Zentralbereichen nach wie vor eher Spekulationen, als auf belastbaren Daten basierendes Wissen. Dies gilt z. B. mit Blick auf so grundlegende Fragen wie hoch der epidemiologische Bedarf an Unterstützungen ist und hinsichtlich der (damit verbundenen) Frage in welchem Ausmaß die Kinder- und Jugendhilfe bedarfsgerecht ist. Ferner ist weitgehend unbekannt, ob und unter welchen Umständen genau sich junge Menschen und Familien mit HzE mittel- und langfristig besser entwickeln als junge Menschen und Familien die ceteris paribus keine Hilfe in Anspruch nehmen. Es gibt in Deutschland nach wie vor kaum Wirkungsstudien, die auf echten Kontrollgruppendesigns basieren. Darüber hinaus findet sich zwar zunehmend ein solides Wissen über die Wirkungen von einzelnen Maßnahmen, aber nicht über das Zusammenwirken unterschiedlicher Maßnahmen im Zeitverlauf (Maßnahmenkompositionseffekte). Auch diesbezüglich erweist sich auch das bislang nur sehr ansatzweise erforschte Problem der Non-Take-Ups als relevant. Eine Maßnahme mit einem hohen Wirkungsgrad im Einzelfall ist u.u. hinsichtlich der Wirkungen auf die Gesamtpopulation weniger effektiv, als eine Maßnahme mit mittlerem Wirkungsgrad im Einzelfall, wenn die z. B. die Rate der Inanspruchnahme bei der zweiten Maßnahme erheblich höher ist als bei der ersten. Pointiert formuliert: Eine Maßnahme kann hypothetisch noch so wirksam sein wird sie nicht in Anspruch genommen, hat sie keinen Effekt. Noch deutlicher wird die Ambulantisierungstendenz, wenn die Entwicklung der HzE in den unterschiedlichen Leistungssegmenten nicht nur pro der unter 21-Jährigen, sondern in Absolutwerten berechnet wird. Eine von Tabel et al. (2011: 3) auf Basis von Daten des statistisches Bundesamt berechnete Indexentwicklung der Hilfen zur Erziehung nach Leistungssegmenten (Indexwert 2005 =100) bringt die langfristige Entwicklung anschaulich zum Ausdruck (vgl. Abb. 6)

12 12 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Abb. 6: Indexentwicklung der Hilfen zur Erziehung in Deutschland nach Leistungssegmenten Die Fallzahlen in den familienersetzenden Hilfen bleiben, trotz leichten Steigerungen seit Mitte der 2000er Jahre, auf lange Sicht mehr oder weniger stabil. Die Fallzahlen der Erziehungsberatung (nach 28 SGB VIII) steigen bis Mitte der 2000er Jahre und bleiben dann auf stabilen Niveau, die ambulanten, familienunterstützenden Maßnahmen steigen signifikant und mehr oder weniger kontinuierlich bis Mitte der 2000er Jahre. Seit Mitte der 2000er Jahre lässt sich eher von einem sprunghaften als von einem kontinuierlichen Anstieg sprechen. Zieht man Stichtagserhebungen als Berechnungsgrundlage heran, kamen z. B. im Jahr 1991 noch gut drei Heimerziehungen auf eine ambulante HzE im Jahr 2010 kommen nur noch knapp 0,6 Heimerziehungen auf eine ambulante Maßnahme. Für diesen lineare[n] Trend zur Ambulantisierung (Schmidt et al. 2002: 53) dürfte eine Reihe von Gründen verantwortlich sein: Ambulant vor stationär hat sich als eine fachliche Prämisse einer sich weniger obrigkeitlichen, sondern sich als subjektorientiert, lebensweltlich, präventiv und lebenslagengestaltend verstehenden Jugendhilfe durchgesetzt. Dabei werden ambulante Angebote (im Gegensatz zur Heimerziehung) in der Regel normativ positiv besetzt, [sie] gelten als präventiv und niedrigschwellig; sie sind familiennah und leisten Unterstützung im Familienalltag (Schmidt et al. 2002: 53). Ferner ist vor dem Hintergrund eines recht eindeutig steigenden Hilfebedarfs insgesamt davon auszugehen, dass auch der Ausbau ambulanter Hilfen selbst die Ausbaudynamik stationärer Hilfen begrenzt hat. Zwar kann insbesondere für die 2000er Jahre konstatiert werden, dass dem deutlichen Ausbau des nicht-stationären Bereichs ein bestenfalls mäßiger bzw. in jüngster Zeit kein Rückgang bei den stationären Hilfen gegenüber steht, gleichwohl gibt es Gründe für die Annahme, dass die Inanspruchnahme der stationären Hilfen in der letzten Dekade auch deshalb nicht bzw. nur mäßig angestiegen ist, weil die ambulanten Hilfen häufig ausreichen, um den Bedarf zu befriedigen, bzw. weil ein Ausbau durchaus bewährter ambulanter Maßnahmen die Notwendigkeit stationärer Hilfen reduziert hat (vgl. Bürger 2012). Allerdings ist diese fachlich optimistische Deutung der Entwicklung nicht unumstritten. Zwar wird eine verstärkte Ausrichtung auf ambulante erzieherische Hilfen im Prinzip kaum in Frage gestellt, jedoch wird zum einen die Tendenz moniert, junge Menschen auch in problematischen Konstellationen möglichst lange in ihren Familie zu belassen und damit zugleich den Druck auf ambulante Hilfen zu erhöhen (vgl. Kemper 2004) zum anderen wird konstatiert, dass ein (zu) starker Fokus auf den ambulanten Bereich, Tendenzen zu einer unnötig späten Einleitung fachlich indizierter Formen der Fremdunterbringung vorangetrieben habe, die u. A. die Erfolgsaussichten der Heimerziehung reduziere. Die Tatsache, dass inzwischen nahezu jeder stationären Maßnahme (mindestens) eine ambulante Maßnahme vorausgeht (die ipso facto nicht die gewünschten Effekte gezeigt haben) spricht durchaus dafür, dass solche Tendenzen nicht auszuschließen sind. Damit verbunden ist auf die Gefahr verwiesen worden, dass das Prinzip zunächst der am wenigsten intensiven Maßnahme der Vorzug zu geben, vermeidbare Karrieren von Maßnahmen mit steigendem Intensitätsgrad und vergleichsweise kurzer Verweildauer erzeuge, die jenseits von Effekteinbußen und Erfahrungen des Scheiterns auch wechselnde Hilfesettings und damit verbunden wechselnde Bezugspersonen für die Kinder und Jugendliche nahelegen. Diese gelten für eine zielführende Gestaltung professioneller Arbeitsbündnisse in der Regel als hinderlich. Darüber hinaus sprechen unterschiedliche Studien dafür, dass z. B. das Abbruchrisiko in der stationären Erziehungshilfe mit dem Eintrittsalter steigt und es auch in dieser Hinsicht fachlich unangemessen ist, wenn junge Menschen vor einer entsprechenden Maßnahme erst das ganze Spektrum der ambulanten Hilfen, der kinderpsychiatrischen Zwischenstationen, der Clearing-Intermezzi und das Zuwarten (Tornow et al. 2012: 106) abarbeiten müssen. Ein weiterer Grund für den Bedeutungsgewinn ambulanter Maßnahmen dürfte in der Akzentuierung einer spezifischen Wohlfahrtsphilosophie liegen. In diesem Kontext hat das Prinzip der Subsidiarität nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer Kritik an dem vermeintlich oder tatsächlich übermächtigen und bürokratisierten

13 13 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Wohlfahrtsstaat in den letzten Jahrzehnten eine deutlich erhöhte Aufmerksamkeit erfahren bzw. ist als neue Subsidiarität wiederbelebt worden (vgl. Sachße 1994, 2003). Diese Subsidiaritätsdebatte wird auch im SGB VIII (z. B. 4) reflektiert. Dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend, wird die Kinder- und Jugendhilfe dazu aufgefordert, der Selbsthilfe prinzipiell Vorrang vor der Daseinsgestaltung durch staatliche Institutionen zu geben und die möglichst personennächsten Einheiten und Einrichtungen mit Unterstützungsleistungen zu betrauen 14. Damit wird eine Priorität ambulanter Maßnahmen vor stationären ebenso nahegelegt, wie eine im Vergleich zum JWG deutliche Fokussierung auf Eltern als die zentralen Rechtssubjekte 15. Nicht zufällig wiederholt das SGB VIII in 1 Abs. 2 wortgetreu Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes: Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Auch in diesem Sinne ist mit der Einführung des KJHG eine Stärkung des nicht-stationären Bereichs bzw. ein Vorrang von familiennahen ambulanten Maßnahmen vor familienersetzenden Maßnahmen programmatisch in der Kinder- und Jugendhilfe angelegt. Dieser Fokus lässt sich auch als Teil einer präventiven Gesamtausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe mit verhältnismäßig früh ansetzenden und integrativ ausgerichteten Maßnahmen verstehen, die ebenfalls programmatisch durch das KJHG unterstützt wird. Vor dem Hintergrund dieser Ausrichtung ist es durchaus folgerichtig, dass bei Inanspruchnahme von Jugendhilfemaßnahmen insbesondere die Altersgruppe der Kinder im letzten Jahrzehnt überproportional anstiegen ist. Waren in den 1980er- und 1990er Jahren noch die 13- bis 15-Jährigen, die am häufigsten adressierte Altersgruppe, sind es 2013 die 8- bis 10-Jährigen, die am häufigsten durch HzE adressiert werden. Vor allem bei der Gruppe der Kinder sind die Maßnahmen in der Regel familienunterstützender Natur, während in Maßnahmen 14 Zwar wird in der Regel argumentiert, dass das Prinzip der Subsidiarität einen beziehungslosen Individualismus ablehne und die gegenseitige Abhängigkeit und die Bindung aller an der Gesellschaft (Höfer 2007: 951) betone, da es das Personalprinzip wonach Unterstützungsund Absicherungsleistungen von den personennächsten Einheiten und Einrichtungen zu erbringen sind, mit dem Solidarprinzip verkoppelt, demzufolge diese Einheiten von höheren Ebenen subsidiär unterstützt werden sollen (dazu Mohr et al. 2014). Gleichwohl ist Subsidiaritätsprinzip als solches notorisch dazu geeignet die Verantwortung für die Behebung/Vermeidung prekärer Lebenslagen vom Staat bzw. von einer größeren Gemeinschaft auf kleinere Einheiten oder das einzelne Individuum zu verlagern (Butterwegge 2007: 200). 15 Zugleich wird die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe vor dem Hintergrund des Subsidaritätsprinzips dazu gehalten, von eigenen Maßnahmen abzusehen, sofern geeignete lokale Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von freien Trägern betrieben bzw. geschaffen werden können. Operativ werden die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe entsprechend in einem hohen Maße von freien und privatgewerblichen Trägern der Region erbracht. Dass Wertorientierungen, Methoden, Arbeitsformen und inhaltliche Schwerpunkte dabei variieren, ist nicht nur ein Nebeneffekt der ggf. die Steuerung der Maßnahmeerbringung erschwert, sondern ein bewusst gewollter Sachverhalt. der Fremdunterbringungen Jugendliche deutlich überrepräsentiert sind 16. Auch der in den Fachdebatten der Kinder- und Jugendhilfe seit den späten 1980er Jahren akzentuierte Empowerment-Gedanke, der die Aktivierung und Mobilisierung von Ressourcen und Möglichkeiten im natürlichen bzw. familialen und lebensweltlichen Umfeld der jungen Menschen betont, legt zumindest eine Priorität ambulanter d. h. familienunterstützender, vergleichsweise niedrigschwelliger und in die Familienstrukturen eher wenig eingreifender gegenüber familienersetzenden Maßnahmen nahe. Darüber hinaus dürften auch fiskalische Überlegungen die Tendenz beeinflussen, ambulante Maßnahmen gegenüber stationären Leistungen vorzuziehen. So wurden die Jugendämter bereits 1994 von der KGST dazu aufgerufen, den Ausbau der ambulanten HzE voranzutreiben, um die Ausgaben im Bereich der teuren Heimerziehung zu reduzieren. Zum einen ließe sich, so die nicht nur in Deutschland (vgl. Baartman/Janssens 1998) verbreitete Hoffnung, durch zeitnahes ambulantes Eingreifen kostenintensivere Maßnahmen vermeiden, zum anderen scheint die Formel umso geringfügiger der Eingriff durch die Hilfe, umso kürzer die Dauer der Maßnahme und umso näher an der Familiensituation (am besten zu Hause) desto kostengünstiger ist die Hilfemaßnahme (Knorth et al. 2009: 331) auch generell zu überzeugen. Die eingeforderte Priorisierung ambulanter Maßnahmen scheint sich auch auf der organisatorischen Ebene hinsichtlich Entscheidungen der Fachkräfte des öffentlichen Trägers u. A. darin niederzuschlagen, dass die Bewilligungsschwellen von stationären Leistungen höher liegen als die von ambulanten Leistungen (vgl. Hilscher et al. 2013). In einer aktuellen Studie zum ASD beschreiben etwa Hilscher et al. (2013: 157) ein aus fiskalischen Motiven geschaffene[s] Gefüge aus Selbststeuerung der Teams hinsichtlich ihrer Budgets auf der einen Seite und hierarchischen Entscheidungen bei potenziellen Mehrausgaben auf der anderen Seite. Dieses Gefüge befördere systematisch das Prinzip ambulant vor stationär : Die notwendige Verfahrenskette ist bei der Bewilligung von stationären Hilfen länger als bei ambulanten, indem im Entscheidungsprozess eine zusätzliche Ebene in der Aufbauorganisation eingebunden wird [ ]. Dabei sei die Verfahrenskette bei stationären Lösungen [ ] mit einer Einschränkung der fachlichen Selbstbestimmung des Teams verbunden, zugunsten eines Fremdentscheids durch eine höhere Hierarchieebene. In ähnlicher Weise verweist Hamberger (2014: 235) darauf, dass die Entscheidungspraxis in Jugendämtern auch von fiskalischen Zwängen bestimmt wird. Die Begründung einer 16 Bemerkenswert mit Blick auf die Altersgruppe der 6- bis 14-Jährigen ist ferner, dass hier die generelle Tendenz, dass Jungen häufiger adressiert werden als Mädchen, in besonderer Weise zutrifft.

14 14 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen ambulanten Maßnahme, vermeintlich ja auch die finanziell weniger kostenintensive Alternative, ist leichter als eine Fremdplatzierung zu legitimieren und amtsintern durchzusetzen. Eine gewisse Zurückhaltung bei der angedachten Intervention bedeutet z. B. für Fachkräfte im Jugendamt ganz banal auch weniger Arbeit und weniger Begründungspflicht gegenüber der wirtschaftlichen Jugendhilfe oder der Amtsleitung. Blickt man auf längere Zeitreihen seit den frühen 1970er Jahren wird deutlich, dass die Zahl der stationären Maßnahmen nicht nur relativ zu den ambulanten Maßnahmen gesunken ist, sondern auch in einem erheblichen Maße in absoluten Zahlen. Dies gilt selbst dann, wenn man (angesichts des schrumpfenden Anteils unter 18-jähriger an der Gesamtpopulation) 17 die stationären Maßnahmen pro junge Menschen berechnet (vgl. Abb. 7). Der Bedeutungsgewinn der ambulanten Hilfen bringt es mit sich, dass der statistische Anteil junger Menschen steigt, die durch HzE erreicht werden. Denn definitionsgemäß erreicht eine Heimerziehung einen jungen Menschen. Eine familienorientierte ambulante Hilfe erreicht aber in der Regel mehr als einen jungen Menschen. Dies gilt insbesondere für die SPFH, die sich häufig an vergleichsweise kinderreiche Familien richtet. Bei der Berechnung der Inanspruchnahme wird unterstellt, dass die familienbezogenen Maßnahmen alle Kinder in der Familie gleichermaßen erreichen. Dies mag mehr oder weniger häufig auch tatsächlich der Fall sein, die Annahme ist aber nicht notwendigerweise zutreffend. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die reale Inanspruchnahmerate von HzE (in einem unbekannten Ausmaß) geringer ist, als es die statistische Inanspruchnahmerate nahelegt 19 (dabei ist das Problem einer mehrfachen Inanspruchnahme von HzE durch ein und dieselbe Familie während eines Berichtsjahres noch nicht berücksichtigt). Eine Interpretation der gegenwärtigen statistischen Inanspruchnahmequote die, inklusive der Erziehungsberatung, einen Wert von 639,4 pro unter 21-Jährige aufweist in der Form, dass behauptet wird, die Kinder- und Jugendhilfe würde 6,4 % der jungen Menschen mit HzE-Leistungen versorgen, ist vor diesem Hintergrund letztlich kaum zulässig. Wesentlich ist, dass alleine durch eine Abb. 7: Fallzahlenentwicklung für Vollzeitpflege und Heimerziehung (Westdeutschland einschl. Berlin; ; Angaben pro der unter 18-Jährigen am des jeweiligen Jahres) 18. An dieser Stelle sei folgendes Gedankenexperiment erlaubt. Wenn man kontrafaktisch davon ausgeht, dass die Kosten pro Fremdunterbringung im Jahr 1979 so hoch gewesen wären wie im Jahr 2014, so wären alleine angesichts der absoluten Fallzahlen in stationären Maßnahmen selbst wenn es nicht eine einzige ambulante Maßnahme gegeben hätte, die Ausgaben für die Fürsorgeerziehung in den 1970er deutlich höher gewesen als die gegenwärtigen Gesamtausgaben für die HzE. Dass dies nicht der Fall war dürfe in erster Linie den Zuständen und fachlichen Standards der Heimerziehung in den 1970er Jahren geschuldet sein lag der Anteil der unter 20jährigen an der Bevölkerung bei 30 %, 2010 bei 18,4 % (vgl. Statistisches Bundesamt, Fortschreibung des Bevölkerungsstandes (zum ) 18 Quelle DJI Online Thema 2009: Hilflos und überfordert? Wenn Erziehung scheitert und Kinder ins Heim kommen ( index.php?id=42082&l=0) 19 Nehmen wir an, in einer Familie mit vier Minderjährigen gibt es ein wie auch immer geartetes Problem mit einem der Kinder. Ein Elternteil nimmt diesbezüglich eine Erziehungsberatung in Anspruch, in deren Folge zunächst eine familienorientierte 27er Hilfe implementiert und im Laufe des Jahres durch eine SPFH abgelöst wird. Statistisch werden durch diesen fiktiven Verlauf 9 (1+4+4) junge Menschen erreicht, während es praktisch ggf. nur um einen jungen Menschen geht.

15 15 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Obwohl NRW nicht zu jenen Bundesländern (wie etwa Baden-Württemberg) gehört, in denen der Anteil der Heimerziehungen so gesunken ist, dass sie fast schon als Ausnahme gelten kann, entsprechen die Entwicklungen in NRW weitgehend dem Bundestrend. Entsprechend hat sich die Komposition der HzE in den letzten 15 Jahren deutlich verändert (vgl. Abb. 8). Die ambulanten Maßnahmen machen den Löwenanteil der HzE. Unter allen Maßnahmen spielt die Erziehungsberatung, die in NRW fast 60 % aller Maßnahmen nach 27 ff SGB VIII ausmacht (vgl. Abb. 9), die quantitativ bei weitem größte Rolle. Abb. 8: Begonnene Erzieherische Hilfen in NRW in absoluten Zahlen 2012 Ambulantisierung die statistische Inanspruchnahmequote ceteris paribus steigt 20. Der auch für NRW gültige Gesamttrend eines relativen Bedeutungsverlusts der Heimerziehung hat zu einer deutlichen Veränderung der Komposition der erzieherischen Hilfen geführt, die ab den 1970er Jahren beginnt und auch im Verlauf der 1990er Jahre und 2000er Jahren prägend bleibt. 20 Dass der relative Bedeutungsverlust der stationären Maßnahmen bzw. der Bedeutungsgewinn der familienunterstützenden, ambulanten Maßnahmen in den 2000er Jahren nicht nur nicht unterbrochen blieb, sondern ab Mitte der 2000er Jahre verstärkt wird, hat die These, dass HzE inzwischen einen auch quantitativ beträchtlichen Teil der jungen Menschen erreiche vorangetrieben. So beginnt der HzE-Bericht 2014 mit der Feststellung: Erstmalig ist im Jahre 2012 die Millionen-Grenze der Zahl junger Menschen in den Hilfen zur Erziehung durchbrochen worden (Fendrich et al. 2014: 8). Allerdings wurden in diesem Jahr nicht für 1 Mio. junger Menschen HzE begonnen, sondern für (d. h. für gut junge Menschen weniger als 2011). Rund zwei Drittel dieser HzE waren Erziehungsberatungen. Auch bei Stichtagsberechnungen ist man von der Millionengrenze weit entfernt, wenn man Erziehungsberatungen nicht mitrechnet. Am Stichtag des fand sich bundesweit rechnerisch junge Menschen in ambulanten HzE (ohne Erziehungsberatung), junge Menschen in einer Tagesgruppe, junge Menschen in der Heimerziehung, in einer Vollzeitpflege und junge Menschen in intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuungen außerhalb des Elternhauses. Dies entspricht einer rechnerischen Gesamtzahl von knapp durch HzE erreichten Kindern (wobei bei familienbezogenen HzE, die Anzahl der erreichten Kinder etwa doppelt so hoch ist wie die Zahl der Hilfen). Abb. 9: Verteilung der Erzieherischen Hilfen in NRW 2012 in Prozent Erziehungsberatung nach 28 SGB VIII Bei der Verschiebung der quantitativen Bedeutung von stationären zu ambulanten Hilfen scheint die Erziehungsberatung, zumindest seit Mitte der 2000er Jahre, eine gewisse Ausnahme darzustellen. Dies gilt obwohl im Vergleich zu den 1990er Jahren eine deutlich steigende Inanspruchnahme von Erziehungsberatung festzustellen ist (und zwar sowohl bezogen auf die Inanspruchnahme je der unter 21-Jährigen als auch hinsichtlich der absoluten Fallzahlen). Dabei ist zu berücksichtigen, dass

16 16 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen sich die Anzahl der Beratungsstellen und die Anzahl der in diesen Beratungsstellen tätigen Fachkräfte trotz der gestiegenen Fallzahlen kaum verändert haben. Seit Mitte der 2000er Jahre gab es keinen institutionellen Ausbau der Erziehungsberatung. Ab diesem Zeitraum hat sich jedoch auch steigende die Entwicklung der (statistisch ausgewiesen) Fallzahlen nicht mehr fortgesetzt. Im Gegenteil: Für NRW spricht der HzE-Bericht 2014 davon, dass seit 2008 [ ] ein stetiger Rückgang bei den Fallzahlen der Erziehungsberatung zu beobachten sei 21 (Pothmann et al. 2014: 8). Dieser Befund des HzE-Bericht 2014 ist eine durchaus überzeugende Interpretation auf der Basis einer soliden Datenberechnung, gleichwohl spricht vieles dafür, die These eines stetigen Rückgangs der Beratungen zumindest zu relativieren ist. Für die Notwendigkeit eines genaueren Blicks auf die Daten zur Erziehungsberatung spricht erstens, dass es auf Basis der Daten zu 185 Jugendamtsbezirken in NRW zwar einen sehr starken Zusammenhang zwischen der relativen Anzahl der ambulanten und stationären HzE in Jugendamtsbezirk gibt (r =.617) aber kontraintuitiver Weise faktisch keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Erziehungsberatungen nach 28 SGB VIII und anderen ambulanten oder stationären HzE. Ferner sind die Fallzahlen der Erziehungsberatungen nach 28 SGB VIII trotz höherer durchschnittlicher Belastungen, Scheidungsraten, Quoten von Ein-Elternfamilien etc. in den städtischen Jugendamtsbezirken nicht oder nur unwesentlich höher als in den anderen Jugendamtsbezirken. Es findet sich in NRW insgesamt kein statistischer Zusammenhang zwischen der aggregierten Belastungsrate der Menschen in einem Jugendamtsbezirk und der Inanspruchnahmerate von Erziehungsberatungen in diesem Jugendamtsbezirk. Nimmt man die 25 Jugendamtsbezirke mit den höchsten Belastungsziffern aus, findet sich sogar ein tendenziell entgegengesetzter Zusammenhang: Je höher die durchschnittliche Problembelastung in den nordrhein-westfälischen Jugendamtsbezirken ist, desto geringer ist die Anzahl von Familien, die pro junger Menschen eine Erziehungsberatung nach 28 SGB VIII in Anspruch nehmen. Dies verwundert, wenn man sich der Auftrag der Erziehungsberatung nach 28 SGB VIII vergegenwärtigt, nämlich Kinder, Jugendliche, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme und der zugrunde liegenden Faktoren, bei der Lösung von Erziehungsfragen sowie bei Trennung 21 Allerdings habe in den letzten 5 Jahren demografisch auch die Zielgruppe für diese Leistungen abgenommen [ sodass sich] bei der Inanspruchnahmequote sogar noch ein leichter Zugewinn zeige. (HzE-Bericht 2014, S. 8) und Scheidung [zu] unterstützen. Da individuelle und familienbezogene Problemlagen (vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung 2005) sowie Trennungs- und Scheidungsquoten (vgl. Alt/Lange 2012) umgekehrt zum sozioökomischen Status von Familien steigen, wäre anzunehmen, dass die Inanspruchnahmerate von Erziehungsberatungen in Jugendamtsbezirken mit hohen Belastungsziffern höher liegt, als Jugendamtsbezirken mit niedrigen Belastungsziffern. Dies ist jedoch mit Blick auf die Erziehungsberatung nach 28 SGB VIII nicht der Fall. Bis zu einem gewissen Grad findet sich bereits in dem Paragraphen eine mögliche Erklärung für diesen zunächst irritierenden Befund: Die Erziehungsberatung nach 28 SGB VIII soll von Erziehungsberatungsstellen und andere[n] Beratungsdienste[n] und -einrichtungen durchgeführt werden. Es ist nicht zu bezweifeln, dass Erziehungsberatungsstellen und andere Beratungsdienste und -einrichtungen diesen Auftrag erfüllen neben einer Reihe weiterer, dem Gegenstand nach eng verwandter Beratungsformate, die allerdings nicht als Erziehungsberatungen gemäß 28 SGB VIII in den Statistiken geführt werden. Es spricht vor diesem Hintergrund viel für die Annahme, dass der Anteil der Erziehungsberatungen in den statistischen Erhebungen zu den HzE in den amtlichen Statistiken unterschätzt wird. Dies gilt zumal die Fallzahlen und entsprechend auch die Fallentwicklungen der Erziehungs- oder besser, erziehungsbezogenen Beratung vergleichsweise schwer zu erfassen sind. Die Schwierigkeit der Erfassung dieser Beratungen liegt zum einen darin begründet, dass die Erziehungsberatung nicht vom öffentlichen Träger, sondern von den leistungserbringenden Einrichtungsträgern gemeldet wird 22. Mit dieser Berichtsstrategie sind zum einen allgemeine Fragen der Datenqualität verbunden, zum anderen stellt sich die Frage, ob die auf einer anderen Meldebasis erhobenen Daten der Erziehungsberatung mit denen der übrigen HzE ohne weiteres vergleichbar sind. Inhaltlich bedeutsam dürfte darüber hinaus sein, dass neben 28 SGB VIII auch die 16 SGB VIII (Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie), 17 SGB VIII (Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung), 18 SGB VIII (Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts) wesentliche Rechtsgrundlagen der Erziehungsberatung darstellen. In die Bundesstatistik münden jedoch lediglich die Einzelberatungen, die als Erziehungsberatung nach 28 SGB VIII geleistet werden. Die funktionale Erziehungsberatung bzw. formlose erzieherische Betreuung sowie einzelfallübergreifende Tätigkeiten werden in 22 In NRW sind etwa drei von vier Beratungsstellen in freier Trägerschaft.

17 17 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen den amtlichen Statistiken nicht erfasst. Dies gilt auch für die präventive Partnerschaftsberatung ( 17 Abs. 1 SGB VIII), die darauf gerichtet ist, die Partnerschaft von Müttern und Vätern zu stärken, um Erziehungsprobleme im Vorfeld oder bei der Entstehung zu verhindern. Praktisch finden sich erhebliche Überschneidungen zwischen Beratungen nach 28 SGB VIII und Beratungen auf Basis anderer Rechtsgrundlagen (insbesondere den Paragraphen 17 SGB VIII und 18 SGB VIII). Hinzu kommt, dass die letztlich eher rechtlich als praktisch unterschiedlichen Beratungsformate häufig in einer Hand liegen. Zumal auch bei Erziehungsberatung nach 28 SGB VIII Belastungen durch Eltern sowie Belastungen durch familiale Konflikte in einem sehr hohen Maße als Begründungen für die Beratung angegeben werden, ist davon auszugehen, dass die praktischen Unterschiede zwischen Beratungen auf unterschiedlichen jugendhilferechtlichen Paragraphen eher fließend sind. Ein eindrückliches Beispiel hierfür ist der neuen Statistik zu Gefährdungseinschätzungen nach 8a Absatz 1 SGB VIII zu entnehmen. Die dort ausgewiesenen Gefährdungseinschätzungen mündeten im Ergebnis zu unterschiedlichen, neu eingerichteten Hilfen, davon in Fällen zu einer Unterstützung nach SGB VIII und in Fällen zu Erziehungsberatung nach 28 SGB VIII. Durch 8a-Verfahren festgestellte latente Kindeswohlgefährdungen führten in Fällen zu Unterstützung nach SGB VIII und in Fällen zu Erziehungsberatung nach 28 SGB VIII. Akute Kindeswohlgefährdungen führten in Fällen zu Unterstützung nach SGB VIII und in 726 Fällen zu Erziehungsberatung nach 28 SGB VIII. Offensichtlich ist es in einem gewissen Sinne kontingent, ob dem Gegenstand nach recht eindeutige potenzielle HzE Fälle mit Beratungsbedarf nach 28 SGB VIII beraten werden und damit in der HzE-Statistik geführt werden oder nach SGB VIII beraten und damit nicht HzE-Statistik geführt werden 23. Hinzu kommt, dass sich, nicht zuletzt vor dem Hintergrund unterschiedlicher (kommunaler) Präventionsstrategien, die Arbeit der Beratungsstellen in eine Richtung entwickelt hat, die präventionsorientierten Gruppenangeboten einen vergleichsweise hohen Stellenwert einräumt. Dabei spielen multi-institutionelle und kooperative Arbeitsformate sowie die Multiplikatorenarbeit eine erhöhte Rolle. Gerade diese Arbeitsformate werden häufig nicht auf der Grundlage von 28 SGB VIII durch- 23 Wenn im HzE-Bericht 2014 konstatiert wird, dass zwischen 2008 und 2012 die Fallzahlen bei der Erziehungsberatung in NRW stetig zurückgegangen sind, dann ist dies zwar sicher richtig, gilt aber eben nur mit Blick auf jene erziehungsbezogenen Beratungen, die nach 28 SGB VIII dokumentiert sind und entsprechend in der Statistik aufgeführt werden. geführt und erscheinen daher nicht in der Kinder- und Jugendhilfestatistik. Wie sich die Fallzahlen der im breiten Feld der erziehungsbezogen Beratung tatsächlich entwickeln, lässt sich der amtlichen Statistik entsprechend nur bedingt entnehmen. Anzunehmen ist gleichwohl, dass die realen Zahlen höher sind, als die in der Statistik dokumentierten Fallzahlzahlen der Erziehungsberatung nach 28 SGB VIII. In einem gewissen Sinne stellt die Erziehungsberatung ihrer Struktur nach ein Beispiel für die potenziellen Probleme einer Jugendhilfe dar, die weniger auf inzidierte Einzelfälle zielt, sondern sich in Form eines (sozialräumlichen) Infrastrukturangebots darstellt. Die Erziehungsberatung kann als ein niedrigschwelliges und kostenfrei zugängliches Infrastrukturangebot mit präventivem Charakter betrachtet werden, das überwiegend komm-strukturierte und in der Regel kurze und wenig intensive Maßnahmen bereitstellt. Doch nicht nur in dieser Hinsicht unterscheidet sich die Erziehungsberatung von anderen HzE, sondern auch mit Blick auf die Klientel, die sie erreicht. Junge Menschen und Familien mit Migrationshintergrund sind in der Erziehungsberatung deutlich unterrepräsentiert. Auch in sozioökonomischer Hinsicht ist die Erziehungsberatung jene HzE, die mit großem Abstand am häufigsten eine Mittelschichtsklientel aufweist (dazu bereits Thiersch 1978). Nach allen Jugend- und Familienstudien liegt die absolut geringe Inanspruchnahmerate von MigrantInnen und die relativ geringe Inanspruchnahme von AkteurInnen aus sozioökonomisch deprivierten Lebenslagen nicht an in einem geringeren Bedarf dieser Bevölkerungsgruppe begründet oder darin, dass Problemlagen und Bedarfe sozioökonomisch normal verteilt wären 24. Vielmehr ist von einer selektiven Inanspruchnahme auszugehen. Diese scheint sich durchaus generell bei offenen, niedrigschwelligen und komm-strukturierten Maßnahmen zu finden. Sie findet nicht nur im Falle der Erziehungsberatung, sondern z. B. auch bei Elternbildungsmaßnahmen (vgl. Lösel et al. 2006). Studien sprechen dafür, dass sich der deutliche soziale Gradient bei der Inanspruchnahme durch eine Geh-Struktur, durch eine Zielgruppenorientierung und durch einen Fokus auf indizierte Problemlagen und Bedarfe zumindest tendenziell ausgleichen ließe. Dabei gilt auch hinsichtlich der Wirkungen der Maßnahmen, dass gezielte Maßnahmen höhere Effekte erzielen als universelle (Lösel/Runkel 2012: 269). Sofern aber 24 Zwar kann auch argumentiert werden, dass die KlientInnenpopulation der Erziehungsberatung einen Querschnitt aller Bevölkerungsgruppen darstelle (vgl. Hensen/Körner 2005). Gleichwohl sind auch bei einer nominal Gleichverteilung - AkteurInnen aus sozioökonomisch deprivierten Lebenslagen relativ zu ihrer Problembelastungswahrscheinlichkeit statistisch unterrepräsentiert. Ihr Anteil an den KlientInnen der Erziehungsberatung ist um ein vielfaches geringer als ihr Anteil an anderen HzE.

18 18 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Maßnahmen solche Merkmale aufweisen, haben sie nicht mehr den Charakter von sozialräumlichen Infrastrukturangeboten, sondern entsprechen faktisch den einzelfallbezogenen HzE. Ambulante und stationäre Hilfen (jenseits der Erziehungsberatung) Betrachtet man sich nun die Komposition der HzE in NRW jenseits der Erziehungsberatung so wird ein deutlicher Schwerpunkt auf ambulante, familienbezogene Hilfen, insbesondere auf die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) sowie die ambulanten 27,2er-Hilfen deutlich (vgl. Abb. 10) Abb. 10: Verteilung der Erzieherischen Hilfen (ohne Erziehungsberatung) in NRW 2012 in Prozent deutlicher aus als bei den stationären Hilfen (HzE Bericht 2014: 6). Korrespondierend mit der Bedeutungsverschiebung ist der Kostenanteil der Heimerziehung an den Ausgaben für die HzE von 2000 auf 2012 von 58,8 % auf 46,1 % gesunken (vgl. HzE Bericht 2014: 30). Der im HzE Bericht 2014 für NRW ausgewiesene Kostenanteil aller stationären Hilfen an den Gesamtkosten der HzE in NRW entspricht (nach Abzug der Ausgaben für Maßnahmen gemäß 35a SGB VIII und 41 SGB VIII) im Wesentlichen dem im 14. Kinder- und Jugendbericht (2014: 349) ausgeführten Anteil der Kosten für die Heimerziehung von etwas mehr als zwei Drittel der Gesamtausgaben für HzE. Dieser Anteil ist insbesondere seit den1990er Jahren massiv zurückgegangen. Dies liegt, wie der 14. Kinder- und Jugendbericht auf Basis bundesweiter Daten deutlich macht, insbesondere darin begründet, dass die Kosten für Fremdunterbringungen zwar von 1995 bis 2010 um etwas weniger als 40 % gestiegen sind, die Ausgaben für ambulante Hilfen im gleichen Zeitraum jedoch um über 380 %. Wie Ulrich Bürger (2012) nachzeichnet, differiert der Anteil der stationären Hilfen an der HzE (ohne Erziehungsberatung) je nach Bundesland erheblich, wobei NRW zu den Bundesländern mit einem vergleichsweise hohen Anteil an stationären HzE gehört (vgl. Abb. 11). Gleichwohl entspricht die Komposition der HzE in Nordrhein-Westfalen insgesamt in einem hohen Maße der typischen Komposition der HzE in (West-)Deutschland (vgl. Abb. 12). Dieser Schwerpunkt wird insbesondere dann deutlich, wenn die Anzahl der mit den Hilfen erreichten jungen Menschen in den Blick genommen wird. In NRW werden gegenwärtig zwei von drei der jungen Menschen in Hilfen zur Erziehung durch ambulante Maßnahmen erreicht. Zählt man für die familienorientierten ambulanten Hilfen nicht die Zahl der in den Familien lebenden Kinder, sondern die Leistungen, ist das Verhältnis von ambulanten und stationären Maßnahmen mit einer Gewichtung von 54 % zu 46 % [zwar] ausgeglichener dennoch fällt auch der gegenwärtige Zuwachs der Maßnahmen in NRW im ambulanten Bereich Abb. 11: Nicht-stationäre Hilfen ( 27,2u3 & 29-32) je 1 stationäre Hilfe ( 33, 34) im Jahr 2011 (Summe /+ beendete Hilfen; einschließlich der Hilfen für junge Volljährige 41, Quelle: Bürger 2012)

19 19 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Abb. 12: Komposition der 2012 begonnenen HzE: Nordrhein-Westfalen im Vergleich zur Bundesrepublik und zu den alten Ländern (ohne Berlin, Angaben in Prozent). Grüne Hervorhebungen verweisen auf einen überdurchschnittlichen Anteil, rote Hervorhebungen auf einen unterdurchschnittlichen Anteil in NRW. Der bedeutsamste Unterschied zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Durchschnitt der west-deutschen Bundeslänger besteht weniger in dem etwas überdurchschnittlichen Anteil von Heimerziehungen (oder dem etwas unterdurchschnittlichen Anteil an Erziehungsbeistandschaften), sondern vor allem darin, dass der Anteil der SPFH an allen HzE in Nordrhein-Westfalen etwa 20 % unter dem Bundesdurchschnitt und der Anteil an familienorientierten (und zwar nur an familienorientierten) 27,2er-Hilfen um fast 130 % über dem Bundesdurchschnitt liegt. Diese Unterschiede sind vor allem das Ergebnis von Entwicklungen im letzten Jahrzehnt. Die Ausgaben für 27,2er Hilfen in NRW sind von 2000 auf 2012 um genau 800 % gestiegen (vgl. HzE Bericht 2014: 31). Dabei spricht einiges dafür, dass in Nordrhein-Westfalen die Hilfen nach 27 SGB VIII weniger im Sinne einer Alternative und Öffnung des etablierten Maßnahmenkataloges der in den SGB VIII kodifizierten Leistungen, als flexible und integrierte Hilfen angeboten werden, um das Problem einer Versäulung der Hilfen zur Erziehung zu entschärfen 25 (vgl. Peters/Koch 2004), sondern vor allem als eine Art funktionales Äquivalent zur SPFH verstanden werden. Insbesondere seit Mitte der 2000er Jahre sind die (relativen) Inanspruchnahmeraten der familienorientierten 27,2er-Hilfen in NRW deutlich stärker gestiegen als die Inanspruchnahmeraten der SPFH 26. Insgesamt sind die 27er-Hilfen fast ausschließlich ambulante Hilfen 27, die in vielerlei Hinsicht faktisch eine flexible und niedrigschwelligere Form der SPFH darstellen. So wurden im 2012 knapp 81 % der 27er Hilfen nicht als primär am jungen Menschen, sondern als familienorientierte Hilfen implementiert. Dies gilt insbesondere für die gut er Hilfen die nicht als ergänzende Hilfen angeboten werden. Von diesen wurden ,96 % als familienorientierte Hilfen gestaltet 28. In NRW kann man bezüglich der Ausrichtung der HzE insgesamt von einem relativ starken Fokus auf familienorientierte Hilfen sprechen. Nimmt man die SPFH und die familienorientierten 27er Hilfen zusammen, so machen diese in NRW etwa 48 % aller 2012 begonnenen Erzieherischen Hilfen jenseits der Erziehungsberatung (inklusive der Eingliederungshilfen) aus. Der gerade in NRW außerordentlich starke Rückgriff auf 27er-Hilfen lässt sich ggf. auch als angemessene Reaktion auf die Kritik an der tatsächlichen oder vermeintlichen Versäulung der Hilfelandschaft verstehen bzw. an der tatsächlichen oder vermeintlichen Tendenz, Hilfen eher nach Paragraphen als nach Bedarfslagen zu 25 Dies gilt zumal flexible integrierte Hilfen keinesfalls nur auf Basis des 27 SGB VIII gewährt werden, sondern auch im Kontext anderer Hilfeformate, insbesondere nach 30, 31 sowie 34 SGB VIII (vgl. Pluto et al. 2007) kamen auf eine 27er Hilfe in NRW 1,31 SPFH, 2012 kamen auf eine 27er Hilfe 1,17 SPFH ,6 % der 27er Hilfen sind ambulante bzw. teilstationäre Hilfen 28 Gut er Hilfen wurden 2012 als ergänzende Hilfen gewährt. Diese de facto ausschließlich ambulanten Hilfen, sind zwar ebenfalls überwiegend, aber weniger eindeutig familienorientiert. Knapp 40 % diese ergänzenden 27er Hilfen sind am jungen Menschen orientiert.

20 20 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen gewähren. Die 27er Hilfen, bzw. die Öffnungsklausel in 27,2 SGB VIII erlaubt es flexible Leistungen jenseits des etablierten, rechtlich kodifizierten Katalogs an Maßnahmen nach 28 bis 35 SGB VIII zu gewähren (vgl. Fendrich et al. 2011). In keinem Bundesland ist der Anteil an 27er Hilfen so hoch wie in NRW, nämlich mehr doppelt so hoch wie im Durchschnitt der anderen Länder. Während eine verstärkte Ausgestaltung von Hilfen jenseits des etablierten Leistungskanons zunächst begrüßenswert ist, ist gerade für NRW jedoch die Frage zu stellen, ob die 27er-Hilfen de facto nicht häufig eine Unterform der SPFH darstellen. Statistische Daten sprechen dafür, dass die 27er-Hilfen in NRW häufig als eine kürzere und weniger intensive Variante der SPFH eingesetzt werden. So wird aus den Daten z. B. ersichtlich, dass von den Familien in den familienorientierten 27er Hilfen in den letzten Jahren nur % zugleich Transferleistungen beziehen, während dieser Anteil bei den Familien die eine SPFH erhielten zwischen % lag. Die sozioökonomische Belastung der Familien die familienorientierte 27er Hilfen erhielten, scheint insofern etwas geringer zu sein, als die Belastungen der typischen Familien in der SPFH. Die SPFH adressieren sehr eindeutig armutsbelastete und kinderreiche Familien. Dies gilt im Großen und Ganzen zwar auch für die familienorientierten 27er Hilfen, gleichwohl ist der Zusammenhang hier tendenziell weniger stark ausgeprägt wurden fast 47 % der familienorientierten 27er Hilfen nach maximal 9 Monaten beendet. Diese vergleichsweise kurze Verweildauer ist nur bedingt ein Ergebnis von vorzeitigen Abbrüchen. Denn auch von den planmäßig beendeten 27er Hilfen wurden fast 43 % nach maximal 9 Monaten beendet. Für etwa drei von vier Familien war damit auch die Unterstützung (vorläufig) beendet. Die SPFH hat eine etwas längere Dauer wurden 35,8 % aller SPFH nach maximal 9 Monaten, 47,5 % nach maximal 12 Monaten und 65,5 % nach maximal 18 Monaten beendet. Auch im Falle der SPFH ist die kurze Dauer nur bedingt ein Ergebnis von Abbrüchen von Maßnahmen. Von den planmäßig beendeten SPFH wurden 27 % nach maximal 9 Monaten, 38,8 % nach maximal 12 Monaten und 58,5 % nach maximal 18 Monaten beendet. Auch von den Familien die 2011 eine SPFH erhielten, erhielten 58,6 % nach Beendigung der SPFH keine unmittelbar nachfolgenden Hilfen. Die empirisch vergleichsweise kurze Dauer der familienorientierten 27er Hilfen sowie der SPFH ist aus fachlicher Perspektive verwunderlich, insbesondere da die Laufzeit der Maßnamen offensichtlich in einem hohen Maße geplant ist. Bereits bei der Beschreibung von 31 im SGB VIII ist davon die Rede dass die SPFH in der Regel auf längere Dauer angelegt ist bzw. sein soll. Wirkungsstudien wie EVAS (vgl. Institut für Kinder- und Jugendhilfe 2008) weisen nicht nur einen klaren und signifikanten Zusammenhang von Dauer und Wirkung der SPFH aus (vgl. auch Gabriel 2007), sondern verdeutlichen auch, dass im ersten Jahr solcher Hilfen in der Regel keine merklichen Effekte zu messen sind. Aus einer Wirkungsperspektive beträgt die optimale Dauer der SPFH etwa zwei bis drei Jahre (vgl. Blüml et al siehe auch Helming et al. 1997), die höchsten Effektstärken erreichen SPFH nach Monaten. Insbesondere seit Mitte der 2000er Jahre kann in NRW von einer Verschiebung von den SPFH zu den 27er Hilfen gesprochen werden. So sind zwar die Fallzahlen in beiden Hilfearten gestiegen, dies aber in einem deutlich unterschiedlichen Niveau. So sind etwa zwischen 2008 und 2012 die Fallzahlen der begonnen SPFH um knapp 5,5 % gestiegen. Dies ist deutlich unterhalb der Fallzahlsteigerung der SPFH im Bundesdurchschnitt. Demgegenüber sind die Fallzahlen der begonnen 27er Hilfen im gleichen Zeitraum um fast ein Viertel angestiegen. Knapp vor den Fallzahlen der Eingliederungshilfe nach 35a SGB VIII, die zwischen 2008 und 2012 allerdings von einem deutlich niedrigeren Ausgangsniveau ausgehend um gut 23 % angestiegen sind, machen die 27er Hilfen in NRW, die Hilfeform mit den mit Abstand am stärksten steigenden Fallzahlen aus. Stationäre HzE Zumal die Heimerziehung den Löwenanteil der Kosten insgesamt ausmacht und auch die Kostenentwicklung in den HzE in einem hohen Maße durch die Entwicklungen in der Heimerziehung erklärt wird (vgl. dazu HzE-Bericht 2014), scheint es sinnvoll, den quantitativen Stellenwert der Heimerziehung im Bundesländervergleich etwas genauer in den Blick zu nehmen. Die unterschiedlichen Kompositionen und Fallzahlen der ambulanten und stationären Hilfen zur Erziehung in den Bundesländern mögen z. T. unterschiedlichen Traditionen, finanziellen Möglichkeiten und Steuerungsphilosophien geschuldet sein. Dieser, in der politischen wie fachlichen Debatte gegenwärtig stark betonte Einfluss sollte jedoch nicht überbewertet werden. Zumindest bei Berechnungen auf der Basis von auf Länderebene aggregierten Daten scheinen diese Einflüsse statistisch gesehen eine vergleichsweise nebensächliche Rolle spielen. Dies lässt sich auch dann sagen, wenn Daten zu Traditionen und Steuerungsphilosophien nicht vorliegen. Denn die Varianzen zwischen den Bundesländern werden durch sozial-strukturelle Einflussvariablen in einem bemerkenswert hohen Maße aufgeklärt. Für den Einfluss von Traditionen spricht zunächst die Tatsache, dass sich nach wie vor Ost-West-Unterschiede

21 21 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Abb. 13: Anteil der laufenden Heimerziehungen an allen laufenden HzE am Stichtag nach Bundesländern Ländern. Ein schwacher, aber bemerkenswerterweise umgekehrter Zusammenhang findet sich zwischen der Quote von Maßnahmen nach 29 SGB VIII (soziale Gruppenarbeit, r = -.223) sowie nach 32 SGB VIII (Erziehung in einer Tagesgruppe, r = -.133) und der SGB II- Quote junger Menschen in den verschiedenen Bundesländern. Die genannten Zusammenhänge sind in den ostdeutschen Bundesländern insgesamt schwächer ausgeprägt, als in den westdeutschen Bundesländern. Bezieht man die Berechnung lediglich auch die westdeutschen Bundesländer zeigt sich der eben ausgeführte Befund in einer deutlich pointierten Weise (vgl. Abb. 14). finden, die durch weitere Sozialdaten der Bundesländer nicht (vollständig) aufgeklärt werden. Ansonsten sind die Entwicklungen in maßgeblichen Bereichen, namentlich der SPFH und der Heimerziehung, vor allem einem Faktor geschuldet: der sozioökonomischen Lage des potenziellen Klientels der HzE. Sofern alle 16 Bundesländer in die Berechnung einbezogen werden findet sich ein Zusammenhang von r =.733 zwischen der Anzahl von Heimerziehungen (nach 34 SGB VIII) je der 0- bis unter 21-Jährigen in einem Bundesland (Hilfen zum Stichtag beendete Hilfen 2011) und der SGB II-Quote der nicht-erwerbsfähiger Hilfebezieher unter 15 Jahren. Der entsprechende Zusammenhang zwischen der Anzahl von SPFH und der SGB II-Quote nicht-erwerbsfähiger Hilfebezieher unter 15 Jahren ist mit r =.572 ebenfalls beachtlich. Statistisch werden ca. 28 % (korrigiertes R-Quadrat =.279) der Unterschiede in den SPFH-Quoten zwischen den Ländern alleine durch die Unterschiede in der SGB II-Quote junger Menschen erklärt und mehr als 50 % (korrigiertes R-Quadrat =.504) der Unterschiede in der relativen Fallzahl der Heimerziehungen. Bezüglich der Erziehungsbeistandschaft ( 30), der Vollzeitpflege ( 33) und der intensive sozialpädagogischen Einzelbetreuung ( 35) sind diese Zusammenhänge deutlich geringer. Mit Blick auf die Anzahl der Erziehungsberatung nach 28 SGB VIII pro der 0- bis unter 21-Jährigen findet sich auf der Ebene der Bundesländer praktisch kein Zusammenhang mit der SGB II-Quote junger Menschen in den jeweiligen Abb. 14: Zusammenhang von HzE je der 0- bis unter 21-Jährigen (Stichtag beendete Hilfen 2011) und der SGB II-Quote nicht-erwerbsfähiger Hilfebezieher unter 15 Jahren auf Länderebene (westdeutsche Länder) Zunächst finden sich Maßnahmen der soziale Gruppenarbeit und der Erziehung in einer Tagesgruppe aber auch der Erziehungsberatung häufiger in (westdeutschen) Bundesländern mit einer vergleichsweise niedrigen SGB II-Quote nicht-erwerbsfähiger Hilfebezieher unter 15 Jahren. Dies ist vor dem Hintergrund der Debatten um eine tendenzielle Mittelschichtsorientierung der Erziehungsberatung nicht völlig überraschend und angesichts der insgesamt eher überschaubaren Fallzahlen im Falle von Maßnahmen der soziale Gruppenarbeit und der Erziehung in einer Tagesgruppe wenig spektakulär. So liegt der Anteil der Erziehung in einer Tagesgruppe in einigen Bundesländern mit einer hohen SGB II-Quote junger Menschen an allen HzE bei 1-1,5 % (in NRW 1,6 %), während sie in einigen Bundesländern mit einer relativ niedrigen SGB II-Quote junger Menschen bei deutlich über 2 % liegt. Mit Blick auf Maßnahmen der sozialen Gruppenarbeit ist der reverse Zusammenhang von Fallzahlen und der SGB II-Quote junger Menschen in einem hohen Maße

22 22 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen darin begründet, dass mehr als 30 % dieser HzE alleine in Baden-Württemberg stattfinden 29. Andere Zusammenhänge lassen sich jedoch nicht durch einzelne Ausreißer erklären. Gut 81 % der Varianz (R-Quadrat =.813) zwischen den westdeutschen Ländern in der SPFH-Rate wird durch den Einflussfaktors SGB II-Quote der nicht-erwerbsfähiger Hilfebezieher unter 15 Jahren erklärt. Ebenfalls 81 % (korrigiertes R-Quadrat =.812) der Unterschiede westdeutscher Bundesländer in der Heimerziehungsrate wird durch die Unterschiede in der SGB II-Quote junger Menschen in diesen Ländern erklärt. In einem etwas schwächeren, aber immer noch überaus deutlichen Ausmaß, gilt dies auch für die Unterschiede zwischen den Ländern in Bezug auf die Raten an Maßnahmen der Vollzeitpflege und der intensiven sozialpädagogische Einzelbetreuung je der 0- bis unter 21-Jährigen. Obgleich es zunächst Unterschiede in den sozioökonomischen Situationen von Familien sind, die in einem hohem Maße Unterschiede in HzE-Quoten zwischen den Bundesländern erklären, machen international vergleichende Studien deutlich, dass insbesondere Fremdunterbringungsraten auch mit generellen Wohlfahrtsphilosophien zusammenhängen. Dies gilt zunächst insofern, wie sich unter ansonsten gleichen Bedingungen in Staaten mit einem (?) Wohlfahrts- und Absicherungssystem niedrigere Fremdunterbringungsraten finden als in Staaten mit einem restriktiven bzw. residualen Wohlfahrtssystem (vgl. Thoburn 2007: 26). Dies wird im Wesentlichen darauf zurückgeführt, dass großzügige und umfassende Absicherung in der Lage sind, jene familiale und entwicklungsbezogene Problematiken zu vermeiden, auf die personenbezogenen Unterstützungsleistungen der Kinderund Jugendhilfe reagieren 30. Es ist empirisch unstrittig, dass zum einen ökonomische Deprivationslagen für die Betroffenen einen unmittelbaren Einfluss auf familiale Praktiken und Entwicklungsaussichten junger Menschen haben 31 (vgl. u. A. Costello et al. 2003, Duncan/Brooks- Gunn 1997, McLoyd 1998, McLoyd et al. 2006, Waldfogel 29 Die Tatsache, dass gut 60 % aller bundesweiten familienorientierten 27er Hilfen in NRW stattfinden führt ebenfalls zu statistischen Verzerrungen der skizzierten Zusammenhänge im Faller der 27er Hilfen. 30 Zurecht konstatiert Schorr (1992: 51), dass the majority of social services clients are poor or live in adverse circumstances, their need for services is increasing because of growing poverty and unemployment 31 Selbst der kindliche IQ wächst und sinkt mit dem Familieneinkommen (vgl. McLoyd et al. 2006, Feinstein 2003). 2006) 32 und dass zum anderen das gesellschaftliche Ausmaß an sozialer Ungleichheit in einer Gesellschaft mit dem Ausmaß an psychosozialer Problemlagen in der Gesamtbevölkerung dieser Gesellschaft kovariiert (vgl. Pickett/Wilkinson 2009) 33. Anders formuliert, je weniger es einem Wohlfahrtssystem gelingt ökonomische Deprivationslagen zu vermeiden und sozioökonomische Ungleichheit auszugleichen, desto höher ist die Bedarfslagen auf die (auch) mit Maßnahmen der personenbezogenen Wohlfahrtsproduktion reagiert wird. Diesem generellen Zusammenhang steht jedoch ein anderen Befund entgegen: In einigen Ländern etwa den USA, GB, Kanada sowie Australien und Neuseeland die besonders bemüht waren, Wohlfahrtsausgaben zu reduzieren, finden sich verhältnismäßig niedrige Fremdunterbringungsraten. Dies lässt sich nicht auf reduzierte Bedarfslagen zurückführen, sondern scheint insbesondere dadurch begründet zu sein, dass Fremdunterbringen politisch vermieden und im Sinne eines engen Kinderschutzparadigmas weitgehend auf Fälle von Misshandlungen und Missbrauch reduziert werden (vgl. Featherstone et al. 2013, zur Ausrichtung in Deutschland: Klomann 2014). Fremdunterbringungen fungieren in diesen Ländern überproportional häufig als Zwangsmaßnahmen, die gegen die Eltern durchgesetzt werden. So kommen in den USA weniger als 5 % und in GB weniger als ein Drittel der Fremdunterbringen aufgrund eines elterlichen oder zumindest mit elterlichem Einverständnis zu Stande,in Schweden sind es zwei Drittel, in Deutschland mehr als drei Viertel und in Dänemark über 90 % (vgl. Thoburn 2007: 26). In Ländern, in denen die Wohlfahrtsleistungen (relativ) weniger restriktiv und residual eingesetzt werden dies 32 So bilanziert der Entwicklungspsychologe Holodynski (2007: 47), dass es empirisch gesichert gelten kann, dass positive Veränderung der Einkommens-Bedürfnis-Relation in armen Familien ein ganz zentraler Schutzfaktor für arme Kinder ist und empirische Befunde auch in wirkungsanalytischer Hinsicht dafür sprechen, dass es effektiver ist, Kinderarmut durch Einkommenszuschüsse zu verhindern, als die Folgen von Armut durch Elterntrainings oder andere Interventionen lindern zu wollen (Holodynski (2007: 78). Anders formuliert: Wer heute an Transferleistungen spart, die Kindern aus der Armut verhelfen könnten, muss morgen umso mehr Transferleistungen einplanen, wenn diese Kinder als Erwachsene aufgrund ihrer kognitiven und sozialen Defizite aus dem Erwerbsleben herausfallen oder anderweitig auffällig werden und entsprechend versorgt werden müssen (Holodynski 2007: 79). 33 Die Ungleichheitsentwicklungen in Deutschland sind durchaus bemerkenswert. Auf Basis einer Kombination von Einkommenssteuerdatensätzen mit Daten des SOEP zeichnen etwa Bach et al. (2009) nach, dass in der unteren Hälfte der Verteilung die Markteinkommen privater Haushalte zwischen 1992 und 2003 um etwa 45 % gesunken sind. Bei einer Berechnung von Lebenseinkommen zeigen Bönke und Lüthen (2014) dass sich die Ungleichheit der Verteilung von Einkommen und Vermögen im Vergleich der Geburtskohorten 1935 und 1972 nahezu verdoppelt hat: Ab Jahrgang 1950 driftet das Wachstum zunehmend auseinander. Während die hohen Einkommen weiter an steigen, wachsen die mittleren nur noch leicht, und im unteren Einkommensbereich sind die Zuwächse am geringsten; für die jüngsten Jahrgänge ist sogar ein Rückgang zu beobachten (Bönke/Lüthen 2014: 276).

23 23 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen sind im Wesentlichen die sog. sozialdemokratischen und konservativen Wohlfahrtsregime (dazu: Esping-Andersen 1990, Lessenich 2007) sind Jugendhilfesysteme eher auf die Prävention von Kindeswohlgefährdungen ausgerichtet. So dienen etwa in Deutschland die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (inklusive der HzE) explizit nicht nur dem Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gefährdungen, sondern auch den weiteren in 1 SGB VIII Abs. 3 formulierten Aufgaben junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung [zu] beraten und [zu] unterstützen sowie generell dazu positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen. In solchen eher breit und präventiv ausgerichteten Jugendhilfesystemen werden auch Fremdunterbringungen eher als ggf. notwendiger Bestandteil der Unterstützungen von Familien und jungen Menschen betrachtet (vgl. Thoburn 2007). Wie June Thoburn (2007: 26) ausführt: [ S]tates with a more positive view of out-of-home care as part of the family support and mental health services are likely to have lower thresholds for entry into care, thus admitting more children at an earlier stage in problem development and contributing to higher rates in care. Während die Frage welche Ausrichtung von Kinderschutzsystemen vorzuziehen sei international politisch umstritten ist, lässt eine britische Review-Studie von Donald Forrester et al. (2009) wenig Zweifel daran, welcher Ansatz in fachlicher Hinsicht angemessener ist: Es gäbe, so fassen die Autoren den Stand der internationalen Forschung zusammen, little doubt that the German, French and Scandinavian approach not only involves care being provided for more children but also results in a care system perceived as producing better outcomes for vulnerable children. Fundamental to this is a view that public care is a form of support for the families with the greatest difficulties, rather than a residual service that usually involves compulsory removal and that should be avoided at all costs (Forrester et al. 2009: 453, Herv. H.Z.). Es scheint demnach so zu sein, dass sich Jugendhilfeleistungen (und dabei insbesondere stationäre Jugendhilfeleistungen) dann verhältnismäßig gering halten lassen, wenn es entweder den primären sozialen Sicherungssystemen gelingt ungleichheitsinduzierte oder deprivationsbezogene Problemlagen zu vermeiden bzw. gering zu halten oder man sich politisch dafür entscheidet, Jugendhilfesysteme als residuale Zwangssysteme auszurichten, Problemlagen unbearbeitet zu lassen bzw. in die Verantwortung der Betroffenen zu stellen und die Lebensaussichten für die nachwachsende Generation der stärksten belasteten Populationen der Gesellschaft weiter zu reduzieren. Heimerziehung Intensivierungs- und Spezialisierungstendenzen Die bereits gesprochene Tendenz zur Ambulantisierung findet sich seit spätestens den 1980er Jahren als ungebrochener Trend. Dennoch ist der relative Bedeutungsverlust der Heimerziehung zumindest in den letzten 20 Jahren nicht mit einem absoluten Rückgang der Fallzahlen zu verwechseln. Die Fallzahlen der Heimerziehung bleiben in den 1990er Jahren relativ stabil, steigen zu Beginn der 2000er Jahre um Mitte der 2000er Jahre wieder auf das Niveau der 1990er Jahre zu fallen. Seit Ende der 2000er Jahre zeigen sich wieder steigende Fallzahlen in der Heimerziehung. Abb. 15: Entwicklung der Fallzahlen ( ) und der (unbereinigten) Kosten ( , in Euro) der Heimerziehung nach 34 SGB VIII in Nordrhein-Westfalen Dabei sind Jahreskosten pro Fall (am Stichtag andauernde und innerhalb des Jahres beendete Fälle) in der Heimerziehung nach 34 SGB VIII in Nordrhein-Westfalen sind sofern man die Steigerung der allgemeinen Verbraucherpreisen heraus rechnet - von 2000 bis 2012 zwar ebenfalls angestiegen, aber nur in einem eher bescheidenen Ausmaß von ca. 5, 6 % lagen die rechnerischen jährlichen Kosten bei Euro (in Verbraucherpreisen von 2012 ca Euro), 2008 bei Euro (in Verbraucherpreisen von 2012 ca Euro) und 2012 bei Euro pro Fall. Diese Daten scheinen für eine relative Stabilität der Kosten pro Fall zu sprechen. Allerdings ist diese Deutung möglicherweise irreführend. Sinnvoller scheint die Annahme zu sein, dass unterschiedliche Mechanismen auf die Kosten pro Fall einwirken, die im Einzelnen eine gegensätzliche Kostendynamik nahelegen, sich aber insgesamt auf einer aggregierten Ebene weitgehend die Waage halten.

24 24 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Für die Annahme gegensätzlicher Kostendynamik sprechen folgende Befunde: Zum einen findet sich in NRW ein auch bundesweit eindeutig rekonstruierbarer Trend: Die Verweilauer in Heimen sinkt. Die ist, wie zuletzt im 14. Kinder- und Jugendbericht hervorgehoben wurde, seit Jahren der Fall und gilt nicht nur für die Heimerziehung. Seit 2007 ist bei allen erzieherischen Hilfen, außer bei der sozialen Gruppenarbeit [ ], ein zum Teil sehr stark ausgeprägter Rückgang der durchschnittlichen Verweildauer erkennbar (Gadow et al. 2013: 190) 34. Sinkende Verweildauern gehen zunächst mit ceteris paribus niedrigeren Kosten pro Fall einher. Fachlich wird die verkürzte Verweildauer in Fremdunterbringungen nicht selten mit dem Ziel verknüpft, die Kinder und Jugendlichen rasch in ihre wieder in ihre Herkunftsfamilie zurückzuführen 35. So finden sich auch in NRW Jugendämter, deren Steuerung der HzE z. B. explizit auf die Reduzierung der Heimaufenthaltsdauer, die Rückführung in die Herkunftsfamilie durch Erziehungspartnerschaften mit Eltern, die Vermittlung von Heimerziehung in Vollzeitpflege und die Überleitung von Pflege in Adoption gerichtet und deren Hilfen z. B. für Kinder ab dem sechszehnten Lebensjahr [ ] auf die Förderung der frühen Verselbstständigung - als Alternative zur Heimunterbringung angelegt (prognos 2011: 29) ist 36 (dazu auch: Krone et al. 2009). Unabhängig von der Frage, ob die Reduktion der Verweildauern tatsächlich durch solche Strategien zu erklären sind, ist unstrittig, dass sich die Verweildauern in der Heimerziehung deutlich reduziert haben: Von den im Jahr 2010 beendeten Hilfen in Heimen im Kontext des 34 SGB VIII [ dauerten] rund ein Drittel lediglich bis zu sechs Monaten, weitere knapp 18 Prozent zwischen 34 Dass das prognos-institut (2011) in einem Gutachten für die NRW Staatskanzlei zu sozialen Folgekosten von einer Kostensteigerung durch zunehmende Dauer [ ] der Maßnahmen (gemeint sind HzE) spricht, ist von diesem Hintergrund verwunderlich. 35 In diesem Kontext wird nicht selten darauf verwiesen, dass in Deutschland im Vergleich zu anderen westeuropäischen Länder verhältnismäßig viele Kinder fremduntergebracht werden und die Fremdunterbringung im arithmetischen Mittel überdurchschnittlich lange dauern (vgl. Kindler et al. 2009). Eine Strategie der raschen Rückführung in die Herkunftsfamilien lässt sich durch solche Befunde aber fachlich nicht begründen. Wirkungsstudien aus UK und den USA legen vielmehr nahe, dass ein solches Ziel aus fachlicher Perspektive zumindest fragwürdig ist (vgl. Biehal 2006). Das Problem besteht darin, dass Kinder und Jugendliche häufig in die prekären Lebensverhältnisse re-integriert werden, die ursprünglich Anlass für die Fremdunterbringung waren (vgl. Yampolskaya et al. 2007; Biehal 2006). Dies geht nicht selten mit einer Situation einher, die eher problematischer ist als vor dem Eintritt in die Heimerziehung. 36 Aktuelle Studien zeigen, dass das derzeitige Medianalter zu dem junge Männer ihr Elternhaus verlassen bei 25 Jahren liegt, bei jungen Frauen ist das Auszugsalter etwas geringer. Die Verschiebung des Auszugsalters hat ökonomische sowie eine Reihe weiterer durchaus rationaler Gründe. Warum aber angesichts der typischen biographischen Problematiken und Entwicklungsstände junger Menschen in der Heimerziehung generell eine Verselbstständigung ab dem 16. Lebensjahr angestrebt wird, ist aus fiskalischen Gründen ggf. nachvollziehbar, wo die überzeugende fachlich-pädagogische Vernunft dieser Ausrichtung liegen soll, ist aber zumindest rätselhaft. sechs und unter zwölf Monaten. Etwas mehr als ein Viertel der Hilfen dauerte länger als zwei Jahre. Die durchschnittliche [arithmetische] Verweildauer lag 2010 bei 20 Monaten, im Jahr 1998 hatte sie noch bei 29 Monaten gelegen (BMFSFJ 2013: 497). Die durchschnittliche Verweildauer der Heimerziehung in NRW entspricht etwa diesem Bundesdurchschnitt (bzw. liegt leicht darunter). Diese Reduktion der Verweildauer könnte teilweise auch das Resultat von kurzzeitigen Fremdunterbringungen im Kontext von 8a-Maßnahmen zum Schutz für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen sein. Insbesondere mit Blick auf jüngere Kinder erfolgt ein erheblicher Teil der HzE insgesamt im Anschluss Gefährdungseinschätzung nach 8a Abs. 1 SGB VII. Dies trifft 2012 bundesweit für ca. 8,4 % der HzE im Falle der 12-18jährigen, 11,9 % der HzE im Falle der 6-11jährigen und 27,5 % der HzE im Falle der unter 6jährigen zu (vgl. Fendrich 2014). Auf Basis von Gefährdungseinschätzung wurden deutlich überproportional häufig Maßnahmen für junge Menschen bzw. Familien in Armutslagen (genauer Familien in Transferleistungsbezug) begonnen. Insbesondere Maßnahmen der Heimerziehung wurden 2012 auf der Grundlage einer Gefährdungseinschätzung nach 8a begonnen (22 %), bei ambulanten Hilfen war dies nur etwa halb so oft der Fall (vgl. Fendrich 2014). Im Zusammenhang mit 8a-Maßnahmen spielen kurzzeitige Fremdunterbringungen eine erhebliche Rolle (vgl. Gadow et al. 2013) Diese kurzzeitigen Fremdunterbringungen gehen in einem nicht unerheblichen Ausmaß in stationäre Anschlusshilfen über, die ggf. wiederum einen Teil der Kostensteigerungen im Feld Heimerziehung erklären könnten. Gleichwohl ist die durchaus signifikante Reduktion der Verweildauer nicht alleine durch kurzzeitige Fremdunterbringungen im Zuge von Inobhutnahmen erklärbar. Die Tendenz zu einer kürzeren Hilfegewährung hat sofern es um eine generelle Tendenz und nicht um eine Ausweitung von kurzzeitigen Unterbringungen geht, die additiv zu normalen Heimunterbringungen erfolgen ebenfalls Auswirkungen auf die Kostenentwicklung. Hier wirken Reduktion der Verweildauer allerdings nicht in Form einer Kostensteigerung, sondern im Gegenteil im Sinne einer relativen Kostenreduktion. Selbst wenn man aus einer Reihe von Gründen nicht annehmen kann, dass eine um 45 % längere Verweildauer ceteris paribus mit 45 % höheren Ausgaben einhergehen, so ist doch zu erwarten, dass mit einer deutlich verkürzten Verweildauer pro Fall auch deutlich reduzierte Kosten pro Fall einhergehen. Dass die Kosten pro Fall in der Heimerziehung insgesamt trotz der Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauern gesunken sind, dürfe anderen Entwicklungen geschuldet sein. So nimmt die Heimerziehung unter den HzE gegenwärtig insofern eine Ausnahmestellung ein, wie sie zu den wenigen HzE gehört, bei denen sich die statistische Personaldichte pro Fall Ende der 2000er Jahre günstiger darstellt, als zu Beginn der 2000er

25 25 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Jahre. Da sich die Kosten für HzE generell weniger durch die Anzahl der Fälle begründen, sondern vielmehr durch die Anzahl (und die Vergütung) der mit diesen Fällen betrauten Person, dürfte sich vor allem die Entwicklung der Personaldichte in der Kostenentwicklung niederschlagen. Auch ein anderer Aspekt macht es - zumindest in einer mittelfristigen Betrachtung schwierig unmittelbar von der Fallzahl auf die Kostenentwicklung in der Heimerziehung zu schließen. So ist es inzwischen durchaus typisch (und gilt es in der Fachdebatte zumindest zum Teil auch als zweckdienlich), dass insbesondere in Institutionen der Heimerziehung spezielle TherapeutInnen, PsychologInnen und HeilpädagogInnen zur Verfügung stehen. Diese werden z. T. als individuelle Zusatzleistungen vergütet oder finden in Spezial- bzw. Intensivgruppen statt, deren Tagessätze ggf. deutlich höher liegen als die der Regelgruppen. Solche Spezialisierungen scheinen in den letzten Jahrzehnten zugenommen zu haben (vgl. Hamberger 2014). Allerdings finden sich zu dieser These insgesamt nur wenig belastbare empirische Daten. Eine kontroverse Debatte um Spezialisierungen findet sich seit Jahrzehnten. Böllert et al. (2004: 62) bewerten es zunächst als Fortschritt in der Entwicklung der sozialen Arbeit [ ], dass nicht mehr der klassische Allround-Sozialarbeiter das Berufsbild bestimmt, sondern es durch Spezifizierung und Qualifizierung fachlich sehr weite Differenzierungen in den Berufsbildern gibt. Dies bedeutet ein hohes Maß an Fachlichkeit bezogen auf spezifische Problemkonstellationen [ ]. Die damit angesprochene Ausgründung von spezialisierten Angeboten, mit inhaltlich und methodisch eng zugeschnittene[n] Konzepte[n] (Hamberger 2014: 239) schlägt sich häufig insofern auf die Kostenentwicklung nieder, wie sie häufig mit einer verbesserten Ressourcenausstattung in diesen Angeboten einhergehen (vgl. Berner 2013). Teilweise wird argumentiert, dass solche Spezialisierungstendenzen eine Folge von Wettbewerbszunahmen seien. Dieses Argument ist nicht unplausibel: Um sich im Markt zu positionieren scheint eine strategische Option für freie Träger darin zu bestehen, ihr Angebotsportfolio zu spezialisieren 37. Mit dieser Deutung verbunden wird häufig der Verdacht, dass Spezialangebote dazu neigen spezielle Bedarfe zu generieren und ggf. auch Strategien zu unterstützen, die es Anbietern erlauben, gegenüber Kostenträgern höhere Preise zu verlangen: Die speziellen Angebote seien eben nicht 37 Dabei ist jedoch zu bemerken, dass auch eine Generalisierung diese Portfolios ggf. eine strategische Marktoption darstellen kann. mit üblichen Angeboten vergleichbar 38 und die individualisierten und nicht selten therapeutisch orientierten Hilfen bräuchten andere Personalstandards als eine Regelgruppe. In diesem Zusammenhang sind auch Entwicklungen im Zuge der Neuregelungen der Vereinbarungen nach 78b SGB VIII (vgl. Berner 2013) sowie die Debatten um eine wirkungsorientierte Steuerung relevant. Wie Carola Kuhlmann (2014: 30-31) bemerkt, ging es im Anschluss an diese Debatten und Steuerungsformate zunehmend nicht mehr nur um Prozessqualität nach fachlichen Standards, sondern um nachgewiesene Wirkungen, um Effekte der Erziehungshilfen [ ]. Um die Nachfrage nach erfolgreichen Konzepten zu befriedigen, entstanden in der Folge immer mehr spezialisierte und evaluierte, oft copyrightgeschützte aus den USA oder Niederlanden kommende Konzepte, die entweder spezielle Familienhilfeprogramme (FIM, FUN, OPSTAPJE etc.) oder gruppenpädagogische, gewaltpräventive beziehungsweise geschlechtsspezifische Ansätze beinhalten. Spezialisierungstendenzen und die Etablierung von besonderen Angeboten für junge Menschen mit speziellen, differenziert diagnostizierten Problemlagen werden darüber hinaus dafür kritisiert, dass sie vom Veränderungsdruck und den Fehlleistungen bestehender Konzepte ab[lenken] (Hamberger 2014: 240), eine Kultur der Versäulung, Trennung und Selektivität befördern und die Komplexität und Unüberschaubarkeit des Kinder- und ugendhilfesystems erhöhen. Insbesondere eine Spezialisierung von Trägern auf eine bestimmte Hilfeart und auf eine bestimmte Form der Durchführung bei der Erbringung von Hilfen münde bezogen auf den jungen Menschen oder dessen Familie als Ganze in eine organisierte Unzuständigkeit (Hamberger et al. 2004: 348) und bringe z. B. bei einem empirisch nicht seltenen Wechsel der Hilfeart für die adressierten jungen Menschen einen Wechsel der Bezugsperson bzw. 38 Diese Tendenz findet sich u. a. im Kontext geschlossener Einrichtungen. Im Falle von solchen Einrichtungen scheinen im Übrigen auch die (sogenannten) Wirkungsanalysen vergleichsweise wenig aussagekräftig, weil solche Einrichtungen in der Regel eben nicht nur geschlossen sind, sondern in vielerlei Hinsicht auch anders (und besser) ausgestattet. Da geschlossene Einrichtungen (zumindest in Deutschland) bislang nicht mit Einrichtungen verglichen worden sind, die ceteris paribus nicht-geschlossen sind, sind die der Geschlossenheit zugeschrieben Effekte in aller Regel aus methodischen Gründen (sofern man sich am State of the Art der internationalen Wirkungsforschung orientiert, dazu: Farrington 2003) massiven Einwänden hinsichtlich ihre Ergebnisvalidität ausgesetzt (zur kritischen Diskussion: Ziegler 2010).

26 26 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Beziehungsabbrüche mit sich 39 (vgl. Seithe 2007, Wolff 2000). Dies gilt auch aus Effektivitäts- und Effizienzgesichtspunkten als nicht förderlich (vgl. Petrat/van Santen 2010), zumal ein Wechsel der Hilfeart nicht nur ein Ausdruck einer zu vermeidenden Eigendynamik eines Hilfeverlaufs sein muss, sondern ggf. auch auch eine fachlich adäquate Abfolge von verschiedenen, den Bedürfnissen und dem Entwicklungszustand der Adressaten angemessenen Hilfen abbilden kann (Petrat/van Santen 2010: 253). Verbunden mit einer Kritik eines Fokus auf spezielle Methoden statt auf die Lebenswelt der AdressatInnen, wird darüber hinaus die Stigmatisierung von AdressatInnen durch Spezialangebote, deren Aussonderung in Spezialangebote und die niedrige Flexibilität in Spezialangeboten moniert, denen ein umfassender Blick [ auf] die komplexen Individuum-Umwelt-Einflüsse (Hamberger 2014: 239) häufig fehle. Demgegenüber sei es in Regelangeboten eher wahrscheinlich, dass junge Menschen mit verschiedenen Problemintensitäten betreut werden. In der Regel scheinen diese Angebote in der Lage zu sein, auf die durchaus typischen Änderungen von Förder- und Unterstützungsbedarfen in einem Fallverlauf innerhalb eines Angebots reagieren zu können. Friedhelm Peters (2014: 44) fasst diesen Kritikstrang an der Spezialisierung der HzE prägnant zusammen: Je spezialisierter eine Angebotsstruktur ist, desto größer ist auch ihre Selektivität mit der unerwünschten Folge, dass vermehrt Kinder und Jugendliche, die sich nicht exakt in das (jeweilige institutionell) gewünschte oder vorhandene Profil einer durch social censures 40 bestimmten Praxis einpassen, durch die Maschen fallen. Das gilt nicht nur für die vermeintlich besonders schwierigen Kinder und Jugendlichen, sondern kennzeichnet als Strukturmerkmal eine ausdifferenzierte Jugendhilfepraxis: Je spezialisierter ein System ist, desto mehr Unzuständigkeiten produ- 39 Auch dies ist in unterschiedlichen Jugendhilfebereichen zumindest strittig. Z. B. führt Thomas Tenczek (2011: ) mit Blick auf die Jugendgerichtshilfe (JGH) aus, dass sich entgegen immer wieder auch von Jugendhilfeseite kolportierter Vermutungen [ ] die Aufgabenwahrnehmung der (mehr) spezialisiert arbeitenden Kolleginnen durch eine größere Nähe zu den Betreuungsaufgaben der Jugendhilfe aus[zeichnet]. Bei den JGH-Aufgaben wahrnehmenden ASD-Mitarbeitern ist der Anteil der spezifischen, der Betreuung von straffälligen Jugendlichen dienenden Hilfeangebote und Unterstützungsleistungen deutlich niedriger. [ ] Trotz anders lautender Unterstellungen orientieren sich die mehr spezialisiert arbeitenden JGH-Mitarbeiter erkennbar stärker an jugendhilferechtlichen Zielsetzungen und Kriterien als ihre (eher) integriert arbeitenden Kollegen [. so haben] Kommunen, die ihre Dienste entspezialisiert hatten, erkannt, dass dies im Kooperationsbereich zur Justiz zu unproduktiven und zu teilweise nicht kompensierbaren Reibungsverlusten führt. Auf der Grundlage der Ergebnisse der empirischen Untersuchungen scheint es deshalb geboten, die JGH-Aufgaben einigen Mitarbeitern gebündelt zu einer (weitgehend) spezialisierten Aufgabenwahrnehmung zu übertragen. 40 Social Censures ist ein Begriff, der insbesondere von Collin Sumner gebraucht wird. Dabei geht es um vermeintliche Beobachtungs- oder Diagnosekategorien, die sich als hochgradig folgenreiche moralische Unwerturteile darstellen. ziert es auch. Die Folge dieser Angebotsorientierung und eines für jede Problemgruppe spezialisierten Settings ist daher eine organisierte Unzuständigkeit: Kinder und Jugendliche durchlaufen verschiedenste Hilfeangebote und werden wenn die Hilfe zu scheitern droht weiter verwiesen, wobei zumeist ihnen noch das Scheitern zugeschrieben wird. Ein mit dieser Kritik verwandtes Argument verweist darauf, dass die Zusammenführung vieler junger Menschen mit besonderen Belastungen und Versorgungbedarfen in Sondergruppen die Gefahr gruppendynamisch negative Akkumulationseffekte berge, in denen sich die segregierten (und stigmatisierten) jungen Menschen auch wechselseitig ungünstig beeinflussen. Zieht man die für die Heimerziehung einigermaßen repräsentativen Daten des Forschungsprojekts ABiE Abbrüche in den stationären Erziehungshilfen heran, so kann davon ausgegangen werden, dass auf fünf junge Menschen in Regelgruppen knapp zwei junge Menschen kommen, die in einer wie auch immer gearteten Spezialoder Intensivgruppe untergebracht werden. Die jungen Menschen in den Intensivgruppen weisen in der Tat stärker, als die jungen Menschen in Regelgruppen, Merkmale einer Hilfekarriere auf 41 und kommen häufiger aus armutsbelasteten Familien. Junge Menschen in Intensivgruppen haben seltener als junge Menschen in Regelgruppen die Auswahl der Hilfeform und die Auswahl des Leistungsanbieters mitbestimmt und waren auch bei der Festlegung der Handlungsziele und der Hilfedauer weniger beteiligt. Bemerkenswert ist aber vor allem, dass sich junge Menschen in Intensivgruppen im Vergleich zu jungen Menschen in Regelgruppen mit Blick auf die diagnostizierte Problemintensität zum Zeitpunkt der Entscheidung für eine Intensiv- oder Regelgruppe in den meisten Zuständen kaum unterscheiden. Lediglich in verhaltensbezogenen Aspekten (Sozialverhalten und psychische Stabilität) wird für junge Menschen in Intensivgruppen im Durchschnitt eine stärker ausgeprägte Problemlage diagnostiziert, als dies für junge Menschen in Regelgruppen der Fall ist. Diese verhaltensbezogenen Problematiken sind zwar häufig hilferelevant, aber relativ selten der Hauptgrund für eine Heimunterbringung. Für die Einrichtungen bzw. die Abläufe in Einrichtungen stellen solche Problematiken jedoch häufig eine besondere Herausforderung dar. Diese Befunde sprechen zumindest tendenziell für die Kritik von Friedhelm Peters. Die Lösung der Spezialisierungsproblematik wird in der Regel in einer Flexibilisierung von Hilfen und dem Aufbau von Settings gesehen in der z. B. verschiedene 41 Auch wurden sie häufiger im Anschluss an eine Inobhutnahme untergebracht.

27 27 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen erzieherische Hilfeformen von einer Institution aus zu praktizier[t werden], sodass Betroffene kontinuierlich durch ein kleines Team von Fachkräften betreut werden. Mit einem notwendigen Wechsel der Erziehungshilfe wären dann kein Wechsel der Institution und keine Abbrüche mehr verbunden (Gründer 2011: 80). Ein Teil der fachlichen Attraktivität die gegenwärtig z. B. eine sozialräumliche Ausrichtung erzieherischer Hilfen erfährt, begründet sich vor dem Hintergrund solcher Überlegungen. Sozialräumliche Strategien werden regelmäßig mit dem Versprechen verknüpft Spezialisierungen und Separierungen einzelner Hilfeformen aufzubrechen und diese wieder zusammenzuführen. Damit soll die Möglichkeit eröffnet werden, alle ambulanten und teilstationären (z. T. auch stationären) Hilfen für Kinder, Jugendliche und Familien an einem Ort und flexibel zu erbringen, Übergänge zwischen Hilfeformen abzufedern, Trägerwechsel und Abbruche zu vermeiden (Böllert et al. 2004: 60). Zugleich wird argumentiert dass eine hohe Spezialisierung ggf. als ein potenzielles Hindernis für intra- und interinstitutionelle Kooperationen bzw. insgesamt als ein Hindernis für eine sozialräumliche Orientierung wirke. Wie Karin Böllert et al. (2004: 62) ausführen: Spezialisierung und Ausdifferenzierung bedeuten auch, dass für eine sozialräumliche Arbeit in einer Region/ einem Stadtteil eine Vielzahl faktisch beteiligter Akteure berücksichtigt werden muss, wenn wichtige Netzwerke und Kooperationen aufgebaut werden. Aus der Sicht der Kunden (der Empfänger sozialer Leistungen) mit komplexen Problembelastungen erschwert diese Form der besonderen Fachlichkeit die auch in der Vielschichtigkeit der Zuständigkeiten von Einrichtungen Ausdruck findet die faktische Nutzung der Leistungen. Das heißt, die institutionen- und leistungsgebundene Perspektive überlagert oftmals die sozialräumliche bzw. lebensweltliche Perspektive, weil sie immer nur einen Ausschnitt der Lebenswelten ihrer Zielgruppen einfängt. Dieser Einwand wäre insbesondere dann von erheblicher Bedeutung, wenn die Position vertreten wird, dass Fachkräfte eher für einen Sozialraum als für eine spezifische Problematik eines spezifischen Falls zuständig bzw. kompetent sein sollten. Diese Position erfreut sich zwar in Teilen des Fach- sowie des politischen Diskurses einer gewissen Beliebtheit, ist aber inhaltlich zumindest umstritten. Die Diskussion um die Potenziale und Grenzen einer sozialräumlichen Orientierung wird in Kapitel II dieser Expertise geführt. Insgesamt sind die mit Spezialisierungstendenzen verbundenen Befürchtungen zwar im Einzelnen plausibel und haben anhand einzelner Beispielsituationen auch eine kaum zu bestreitende Ad-hoc-Evidenz, in einem systematischen Sinne sind die Vermutungen zu den Auswirkungen solcher Tendenzen aber bislang nicht empirisch geprüft worden. Selbst die rein quantitative Entwicklung der Spezialisierungstendenzen war bislang kaum Gegenstand von Untersuchungen 42. Es gibt nur wenig Zweifel daran, dass insbesondere Heime, zumindest in der Langzeittendenz nicht nur zunehmend kleiner 1976 hatte ein Heim durchschnittlich 47,4 Plätze, 1998 waren es 17,4 (vgl. Birtsch 2005) sondern in diesem Zuge auch ausdifferenzierter (z. B. hinsichtlich verhaltenstherapeutischen oder heilpädagogische Formaten, Intensivgruppen etc.) geworden sind. Eine generelle Tendenz besteht darin, dass sich Heime vor allem in die Richtung einer familienähnlichen Konstruktionen entwickelt haben (gemeint sind Klein- und Kleinstgruppen, Außenwohngruppen, betreute Wohngruppen usw.) (vgl. bereits Bühler-Niederberger 1999). Diese lassen sich ggf. auch als Spezialgruppen verstehen oder haben den Charakter von Intensivgruppen, ohne das damit per se eine Ent-Lebensweltlichung nahe gelegt sein muss. Über solche Beobachtungen hinaus, lassen sich valide Aussagen zur Entwicklung von Spezialgruppen z. B. auf der Informationsbasis der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik nicht formulieren. Zwar findet sich unter den Stichworten Generalisierung bzw. Ganzheitlichkeit und Spezialisierung seit Jahrzehnten ein durchaus kontroverser Fachdiskurs, repräsentative statistische Befunde zum Ausmaß der Spezialisierungstendenzen finden sich jedoch nicht. Fälle und Beispiele einer verstärkten Spezialisierung von Einrichtungen und Fachkräften auf bestimmte Symptome und bestimmte Zielgruppen sind gleichwohl breit dokumentiert (vgl. z. B. BMFSFJ 2013, ForE Schwerpunktheft 3/2013) oder finden sich ansatzweise in einzelnen Forschungsprojekten. In der Heimerziehung finden sich eine Reihe lokaler Schilderungen, die eine finanzielle und konzeptionelle Schwächung der sogenannten Regelgruppen konstatieren, die auf eine verstärkte Einführung von unterschiedlichen Typen von Spezialgruppen auf der Basis immer neuen bzw. spezielleren Problemdiagnosen zurückgeführt werden (dazu: Knuth 2013). Dass es kaum aussagekräftige Statistiken zum Ausmaß an Spezialisierungen gibt, dürfte mit der Schwierigkeit zusammenhängen, trennscharf zu erfassen was Spezialisierung genau bedeuten soll. In den Debatten wird u. A. auf spezifische Zielgruppen, überdurchschnittliche Problembelastungen spezielle Settings, spezielle (therapeutische) Methoden, spezielle Zusatzangebote oder spezielle Ausbildungen der Fachkräfte verwiesen. Vor diesem Hintergrund erscheint es schwierig, eindeutig zu bestimmen 42 Wenn etwa der bayerische Landesjugendhilfeausschusses in einem Beschluss vom (AZ /009/01) unter Punkt argumentiert, dass sich der Anspruch von Heimerziehung oder Erziehung in sonstigen betreuten Wohnformen [ ] in der Gestaltung eines gelingenden Alltags [ realisiere und daher] dem Grad der Spezialisierung und dem Umfang therapeutischer Maßnahmen in der stationären Erziehungshilfe Grenzen gesetzt seien, ist dies eine Aussage, die eher einen fachlichen (oder politischen) Wunsch als eine empirische Tatsachenaussage zum Ausdruck bringt.

28 28 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen was ein spezielles und was ein Regelangebot ist. Sind z. B. Frühe Hilfen oder Maßnahmen, die ein hohes Augenmerk auf interkulturelle Kompetenz legen, spezialisierte Maßnahmen? Soll es nicht der Regelfall sein, dass eine Maßnahme speziell für den Bedarf der jeweiligen AdressatInnen designt wird? Zeichnet sich eine Intensivgruppe in der Heimerziehung nicht vor allem dadurch aus, dass es dem freien Träger gelungen ist den öffentlichen Träger zu überzeugen bzw. es dem öffentlichen Träger gelungen ist Einigkeit mit dem freien Träger herzustellen dass für einen bestimmten Fall oder eine bestimmte Zielgruppe ein intensiveres Betreuungsverhältnis zweckdienlich ist? Tatsächlich ist die Beobachtung einer Tendenz zur Spezialisierung nicht nur Gegenstand von Kritik. Teilweise werden Spezialisierungen auch als Ausdruck fachlicher Notwendigkeiten interpretiert, die sich aus komplexen Bedarfen und Fallkonstellationen ergeben. Spezialisierte Zugänge scheinen auch in wirkungsorientierter Hinsicht zumindest insofern günstig zu sein, wie generell davon auszugehen ist, dass Maßnahmen, die sich sehr spezifisch auf die jeweilige Bedarf- und Problemkonstellation eines Falles richten in der Regel wirksamere Ergebnisse in Kontrollstudien aufweisen (vgl. z. B. Dünkel/Drenkhahn 2001, Roberts/Yeager 2006). Für die Kinder- und Jugendhilfe kommen Macsenaere und Knab (2004) auf dem Fundament von einer Analyse von über Hilfeverläufen zu dem Ergebnis, dass Spezialisierungen in den Einrichtungen durchaus die Effektivität von HzE erhöhen, sofern man deren Wirksamkeit hinsichtlich ihres Beitrags zum Abbau von Defiziten erfasst (vgl. auch Macsenaere 2014). Auch die Ergebnisse der ABiE-Studie sprechen für ein etwas höheres Ausmaß an Hilfeerfolgen in Intensiv- im Vergleich zu Regelgruppen in der Heimerziehung. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass das Ausmaß von Problem- bzw. Defizitreduktionen mit der Problemintensität zu Beginn der Hilfen kovariiert, so dass je nach Berechnungen der Hilfeeffektivität die vermeintliche Überlegenheit von Intensiv- oder Spezialgruppen zumindest teilweise auch ein statistisches Artefakt sein könnte. Nichtsdestoweniger unterstellen klinische Wirkungsstudien insbesondere verhaltenstherapeutischen Spezialangeboten in der Regel eine erhöhte Effektivität (vgl. Petermann et al. 2008, Nitkowski et al. 2009, Rücker et al. 2009). Allerdings ist anzunehmen, dass diese Ergebnisse zumindest zum Teil auch auf das gewählte, häufig stark verhaltens- und symptomorientierte (i.d.r. aus ICD-10 Klassifikationen derivierte) Erfolgsmaß zurückzuführen sind (zur methodologischen Debatte: Ziegler 2010). Wenn sich die Wirkungsindikatoren der Maßnahme anpassen, hat die Maßnahme fast notwendigerweise eine hohe Aussicht auf Erfolg. Methodisch eleganter formuliert: Es gehört zu den Binsenweisheiten der Wirkungsforschung, dass proximale Erfolgskriterien, die sich direkt auf die in den Maßnahmen thematisierten Inhalte beziehen, [ ] im Mittel höhere Effektstärken [erbringen] als distale Indikatoren des alltäglichen Problemverhaltens (Lösel/Runkel 2012: 275, vgl. Lundahlet al. 2006). Vor diesem Hintergrund lässt sich die Frage stellen, ob sich die Kinder- und Jugendhilfe sofern ihr Anliegen nicht primär im (kurz- und mittelfristigen) abtrainieren von Symptomen auf der Verhaltensebene besteht von Befunden einer behavioral ausgerichteten Wirkungsforschung allzu sehr irritieren lassen sollte (dazu ausführlich: Ziegler 2012). Hinzu kommt, dass Wirkungsforschungen zu Spezialmaßnahmen (etwa bestimmten verhaltenstherapeutischen Maßnahmen) häufig am Beispiel von Modellprojekten durchgeführt werden und insofern mit dem notorischen Problem konfrontiert sind, dass Effektstärken auch wirksamer Modellprogramme teilweise sinken, wenn sie in der Praxis über das Modellprojekt hinaus implementiert werden 43. Jenseits der Frage der Effektivität der Hilfen gibt es, z. B. mit Blick auf die Heimerziehung jedoch Hinweise darauf, dass Abbruchquoten in Einrichtungen mit Angeboten mit einem hohen Spezialisierungsgrad bzw. für junge Menschen die in Intensiv- statt Regelgruppen sind, die Abbruchraten etwas geringer sind (sofern man die ebenfalls sehr moderaten Unterschiede in den durchschnittlichen Problembelastungen zu Beginn der Hilfen mit einrechnet). Auch wenn man im Einzelnen die Wirkungsuntersuchungen methodisch kritisieren kann und es berechtigte Zweifel daran gibt, dass der Wirkungsvorsprung von spezialisierten gegenüber Regelmaßnahmen tatsächlich so hoch ist, wie es Wirkungsforschungen teilweise nahelegen, bestehen nur wenig Zweifel daran, dass Intensiv- bzw. spezialisierte Maßnahmen effektiv und ggf. auch effektiver als Regelmaßnahmen sein können. Dies ist schon alleine deswegen durchaus erwartbar, weil Intensiv- bzw. Spezialmaßnahmen in der Regel ceteris paribus besser ausgestattet sind als Regelmaßnahmen. Gleichwohl: Falls es zutrifft, dass Intensiv- bzw. Spezialmaßnahmen auf Kosten der Qualität von Regelmaßnahmen ausgebaut werden, ist es durchaus möglich, dass die Effektivität des Gesamtsystems durch Spezialisierungstendenzen sinkt (grundlegend zur Frage von spill over -Effekten vgl. White 2006). Dies wäre dann der Fall, wenn Wirkungsvorsprung von Intensiv- bzw. Spezialmaßnahmen mit Blick auf die Gesamtheit aller AdressatInnen geringer ist als der Effektivitätsverlust durch Qualitätsreduktionen in Regelsystemen. Allerdings finden sich gegenwärtig keine Wirkungsanalysen die über die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen hinaus, die Frage von Kompositionseffekten für das gesamte System berücksichtigen bzw. 43 Dabei spielt generell der sog. Hawthorne-Effekt eine Rolle, der das Phänomen beschreibt, dass TeilnehmerInnen einer Studie ihr typisches Verhalten ändern, wenn sie wissen, dass sie an einer Studie teilnehmen bzw. unter Beobachtung stehen.

29 29 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen epidemiologische Fragen mit einbeziehen und Wirkungsfragen mit Fragen der in der deutschen Kinder- und Jugendhilfe quasi nicht existenten - Versorgungsforschung verknüpfen. Damit hängt die Frage zusammen, ob und inwiefern unterschiedliche Angebote interferieren, kumulative Effekte erzeugen und intendierte (Ausstrahleffekte, Contagion-Effekte) wie nicht-intendierte Wirkungen (z. B. wachsende Disparitäten zwischen spezifisch adressierten und anderen AdressatInnen) zeitigen. Dass es solche Studien in der deutschen Kinder- und Jugendhilfe bislang nicht einmal ansatzweise gibt, ist ein eklatanter Mangel, der gerade auf die Frage nach dem Verhältnis von spezialisierten und Regelangeboten zu eklatanten Fehleinschätzungen führen kann. Nichtsdestoweniger gilt generell, dass Maßnahmen die den spezifischen Bedarf der jungen Menschen und ihrer Familien fachlich angemessen erfassen und einer zielgerichteten und fallangemessenen Weise auf diesen Bedarf so reagieren, dass sich die jungen Menschen und/oder ihre Familien auf diese Unterstützungen einlassen bzw. sich diese Maßnahmen aneignen können, in aller Regel bessere Wirkungen zeigen, als Maßnahmen, denen dies weniger gelingt. Die Frage, ob dieser Anspruch durch Regel-, eine Intensiv- oder eine andere Spezialmaßnahme besser erfüllt werden kann, ist keine prinzipielle, sondern im Wesentlichen eine fachliche, fallbezogene Frage. Allerdings gibt es keine empirischen Hinweise darauf, dass dies Intensivbzw. Spezialmaßnahmen schlechter gelingen würden, als Regelmaßnahmen. Die teilweise massiven fachlichen Einwände gegen problematische Spezialisierungstendenzen werden damit jedoch nicht insgesamt hinfällig. Als eine Art Gegenstück zur Intensivierung der Heimerziehung können die Entwicklungen im Pflegekinderwesen verstanden werden. Diese stehen weniger für eine Spezialisierung, sondern für eine Familialisierung von Fremdunterbringungen. Entwicklungen im Pflegekinderwesen Die Pflegekinderhilfe hat sich - auch quantitativ - als relevante Säule stationärer Maßnahmen der Kinderund Jugendhilfe etabliert und konsolidiert (vgl. Kotthaus 2009). Während etwa in den 1970er Jahren und mit der Einführung des KJHG zu Beginn der 1990er die Heimunterbringungen gegenüber den Unterbringung in Pflegefamilien deutlich überwogen, nimmt das Pflegekinderwesen seit den 2000er Jahren nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch relativ zur Heimerziehung erheblich zu (vgl. Abb. 17 & 18). Abb. 17: Entwicklung der Heimerziehungsfälle seit den 1990er Jahren (Hilfen am Stichtag) Abb. 18: Entwicklung der Vollzeitpflegefälle in einer anderen Familie (Hilfen am Stichtag) Zieht man Querschnittsdaten heran, nähert sich die Zahl der Pflegekinder sich der Zahl der in Heimen untergebrachten Kindern an (vgl. Kuhls 2012). In NRW waren 2012 bereits mehr junge Menschen in der Vollzeitpflege als in der Heimerziehung untergebracht. 52 % der laufenden stationären Hilfen sind Pflegeverhältnisse. Für NRW lässt sich konstatieren, dass die gegenwärtig zu beobachtbaren Fallzahlerhöhungen in den stationären HzE insgesamt weniger auf die Entwicklungen in der Heimerziehung, sondern insbesondere auf die wesentlich stärker ansteigenden Fallzahlen in der Vollzeitpflege zurückzuführen sind. Der Bedeutungsgewinn der Vollzeitpflege im Kontext der stationären HzE lässt sich zu einem guten Teil fachlich begründen. Zum einen spielt die Alterskomposition der HilfeadressatInnen eine Rolle. Die AdressatInnen haben sich im Durchschnitt deutlich verjüngt. Da es als evident gilt, dass sich die Vollzeitpflege eher an jüngere Kinder, die Heimerziehung nach wie vor an ältere Jugendliche richtet (vgl. Abb. 20 & 21), ist der quantitative

30 30 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Abb. 19: Verhältnis von Vollzeitpflege und Heimerziehung in NRW (Hilfen am 31.12) Bedeutungsgewinn des Pflegekinderwesens zunächst wenig überraschend. Abb. 20: Altersverteilung begonnene Hilfen Heimerziehung (2011) Abb. 21: Altersverteilung begonnene Hilfen Vollzeitpflege (2011) Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass die Problembelastung von jungen Menschen in der Heimerziehung in der Regel höher ist als in der Vollzeitpflege. Bezogen auf jüngere Kinder mit einer eher moderaten Problembelastung verspricht die Vollzeitpflege ein angemessenes Hilfeformat darzustellen. Dennoch: Während sich am Verhältnis der Hilfegründe und -anlässe sowie den Merkmalen der AdressatInnen im Verhältnis von Heimerziehung und Vollzeitpflege per se nicht viel verändert hat, hat sich das Verhältnis der Fallzahlen zugunsten der Vollzeitpflege verändert. Die Tatsache, dass die durchschnittlichen Jahreskosten pro Vollzeitpflege in NRW bei Euro liegt, während die Jahreskosten pro Heimerziehung mit Euro mehr als drei Mal so hoch sind, dürfte bei dieser Entwicklung jenseits aller fachlicher Erwägungen durchaus eine Rolle spielen. Dies gilt zumal wie der 14. Kinder- und Jugendbericht ausführt (2013: 345) in 80 % der Jugendämter der Betreuungsschlüssel von Fachkraftstelle im Verhältnis zur Zahl der betreuten Pflegekinder höher liegt, als der z. B. vom DJI geforderte Wert von max. 1: 35. In 47 % der Fälle ist er sogar höher als 1: 50. Entsprechend konstatiert der Bericht, dass die derzeitige Ausstattung der meisten Pflegekinderdienste in Deutschland defizitär ist. Dies trifft im Wesentlichen auch für das Pflegekinderwesen NRW zu. Dabei kann man insbesondere für die Vollzeitpflege davon ausgehen, dass neben der Qualifizierung der Pflegefamilien vor allem auch deren Begleitung empirisch zu den zentralen Faktoren gehören, die z. B. instabile Hilfeverläufe zu vermeiden helfen (vgl. Petrat/van Santen 2010). Wie Kotthaus (2009: 335, vgl. auch Biermann 2001) argumentiert, ist das Potenzial zur Steuerung von Pflegefamilien jedoch insgesamt eher gering: Während bspw. Heime aufgrund ihrer professionellen Konzeption grundsätzlich konzeptionier-, steuer- und damit veränderbar sind, bleibt die Pflegefamilie als privater Raum Modifizierungsversuchen gegenüber resistent. Während die Vollzeitpflege demnach zunächst eine sinnvolle und fachlich angemessene Hilfeform darstellt, sind Bestrebungen einer Weiterentwicklung der semi-professionellen Pflegekinderhilfe als Alternative zur (teureren) Heimunterbringung zumindest teilweise skeptisch zu betrachten. In einem legendären Urteil befand das OLG Hamm Mitte der 1980er Jahre, dass die Unterbringung in einer Pflegefamilie generell wünschenswerter sei, als eine Heimerziehung. Bezieht man diese Feststellung auf den heutigen Entwicklungsstand der Fremdunterbringungen und den empirischen Wissensstand über Fremdunterbringung erscheint sie eher ein normatives Axiom denn als eine Schlussfolgerung, die sich aus gegenwärtigen empirischen Analysen ziehen lässt. Zwar gab und gibt es eine Reihe von Bundesländern (und Kommunen) die eindeutige und öffentlich klar formulierte Bemühungen unternehmen Heimunterbringungen

31 31 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen zu reduzieren und durch Pflegestellen zu ersetzen (dazu: Kotthaus 2009: 326). Dem steht jedoch der Befund gegenüber, dass der Anteil junger Menschen, die von einer Heimerziehung in eine Pflegestelle überführt werden verschwindend gering ist. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2012 nicht mehr als 2,5 % der jungen Menschen nach einer Heimerziehung in einer Pflegefamilie gemäß 33, 35a oder 41 SGB VIII untergebracht. Rechnet man die Unterbringung in einer nicht-verwandten Familie (z. B. Pflegestelle gemäß 44 SGB VIII) hinzu, waren es 4,0 %. Mit Blick auf die für die Heimerziehung typische Altersgruppe der Jährigen ist dieser Anteil noch deutlich geringer, nämlich 1,7 % bzw. 3,1 %. Dass junge Menschen, für die zunächst eine Heimerziehung durchgeführt wurde, in Maßnahmen der Vollzeitpflege untergebracht werden, ist also (statistisch betrachtet) ein kaum existentes Phänomen. In fachlicher Hinsicht ist dies wenig verwunderlich. Denn mit Blick auf die Problematiken (ihre Intensität und Verfestigung) gibt es erhebliche Unterschiede zwischen dem typischen Klientel der Vollzeitpflege und der Heimerziehung. Auch die Altersgruppen sind unterschiedlich. Während in NRW 50 % der jungen Menschen in den laufenden Vollzeitpflegeverhältnissen jünger als 10 Jahre sind, sind es in den laufenden Heimerziehungen lediglich 17,5 %. Dies hängt in einem hohem Maße auch damit zusammen, dass es als schwieriger gilt bzw. riskanter ist, ältere Kinder in Pflege[ ]verhältnisse zu vermitteln (Petrat/van Santen 2010: 254). Mit Blick auf die Altersgruppen aber auch hinsichtlich der Problematiken handelt es sich bei Hilfen nach 33 SGB VIII und 34 SGB VIII um recht unterschiedliche Maßnahmen. Die Versorgungs- und Erziehungsschwierigkeiten der Familien bzw. die Belastungen und Auffälligkeiten der jungen Menschen in der Heimerziehung sind in aller Regel durchaus erheblich. So haben etwa Schmidt et al. (2008) knapp 700 junge Menschen in der Heimerziehung mit Blick auf mental disorders gemäß den Kriterien einer ICD-10-Diagnose getestet. Bei knapp 60 % der Kinder und Jugendlichen sahen sie die Kriterien einer entsprechenden ICD-10-Diagnose erfüllt 44 und bei 81,5 % berichten sie von Screening-Werte oberhalb einer klinischen Bedeutsamkeit. Diese Werte gehen mit hohen Komorbiditätsraten in anderen Bereichen einher. Die Autoren führen aus, dass ihre Ergebnisse, aus einer Reihe methodischer Gründe, rather an underestimation of the real prevalence of mental disorders in the study sample 44 Graf et al. (2003) sprechen auf der Basis von etwas über 100 Fällen (und anderer Indikatoren) von einer Prävalenz psychischer Störungen bei jungen Menschen in der Heimerziehung von etwa 80 %. repräsentieren würden 45. Darüber hinaus wurde die überwältigende Mehrheit der jungen Menschen in der Heimerziehung im Vorfeld der Maßnahme durch (tendenziell eher gescheiterte) ambulante oder stationäre Hilfen zur Erziehung adressiert, bei der Vollzeitpflege ist dies weitaus weniger der Fall. Eine Überführung von Heimerziehung in Vollzeitpflege in einem quantitativ erheblichen Ausmaß, dürfte derzeit nicht nur an einer generellen mangelnden Verfügbarkeit von Pflegestellen, sondern vor allem an einer mangelnden Verfügbarkeit von geeigneten Pflegestellen für die typische Klientel der Heimerziehung scheitern. Darüber hinaus scheinen sich einige der häufig beschriebenen fachlichen Stärken der Vollzeitpflege gegenüber der Heimerziehung bei einer genaueren Analyse zu relativieren. So wird es z. B. als eine Stärke der Vollzeitpflege betrachtet, dass ihre Abbruchraten geringer sind als in der Heimerziehung. Tatsächlich liegt die Quote der unplanmäßig beendeten Leistungen der Vollzeitpflege 46 in NRW nach Daten des HzE-Berichts 2014 bei 46 %, während sie für die Heimerziehung nach 34 SGB VIII bei 57 % liegt. 47 Auf Basis der Daten des Forschungsprojekts ABIE (Abbrüche in Erziehungshilfen) sowie im Rekurs auf eine Reihe weiterer Studien lässt sich aber zeigen, dass die Abbruchwahrscheinlichkeit in den HzE und insbesondere in der Heimerziehung in einem hohen Maße mit dem Alter und der Problemschwere der jungen Menschen steigt. So ist die relative Wahrscheinlichkeit, dass die Maßnahme mit einem Abbruch endet, in der Heimerziehung bei jungen Menschen, die zu Beginn der Maßnahme jünger als 12 Jahren waren, nur etwa halb so hoch wie bei über 12-Jährigen. Angesichts der AdressatInnenkomposition spricht die Differenz von nominal gut 10 Prozentpunkten nicht dafür, dass die Abbruchrate im Pflegekinderwesen unter ansonsten gleichen Bedingungen erheblich günstiger wäre, als in der Heimerziehung. Zieht man z. B. aus der Bundesstatistik die Daten aus dem Jahr 2012 für die 12- bis 18-jährigen heran, so findet sich statistisch praktisch kein Unterschied zwischen Maßnahmen nach 33 SGB VIII und 45 The real prevalence in our study group, so führen die Autoren an gleicher Stelle weiter aus, might be higher, because our method was not sufficiently sensitive for several relevant clinical diagnoses such as pervasive developmental disorders, PTSD, attachment disorders, and mental or developmental retardation. 46 Von den stationären 27,2er-Hilfe werden indes nur 34 % unplanmäßig beendet. 47 Ein ähnliches Bild zeigt sich auf Basis der Bundesstatistik. Bei den Abbruchraten werden in aller Regel die in der Statistik ausgewiesenen Beendigung abweichend vom Hilfeplan/Beratungszielen sowie die Beendigung aus sonstige[n] Gründe[n] addiert. Dies überzeugt durchaus. Weniger überzeugt indes die Beendigungen aufgrund einer Abgabe an ein anderes Jugendamt wegen Zuständigkeitswechsels unter den beendigten Hilfen insgesamt zu führen. Zieht man diese Abgabe an ein anderes Jugendamt von den beendeten Fällen insgesamt ab, kommt man in der Bundesstatistik für das Jahr 2012 auf gut 54 % der Heimerziehungen und knapp 44 % der Vollzeitpflegeverhältnisse, die im Sinne eines so definierten Abbruchs beendet werden.

32 32 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen nach 34 SGB VIII bezüglich des relativen Anteils der Maßnahmen der gemäß Hilfeplan statt abweichend von Hilfeplan oder aus sonstigen Gründen beendet wurde. Auch für die unter 12-Jährigen liegt der Anteil der jungen Menschen der die Vollzeitpflege abweichend von Hilfeplan statt gemäß Hilfeplan beendet hat 48 bei 24,1 %. Im Falle der Heimerziehung liegt dieser Anteil bei 25,5 %. Der Unterschied ist statistisch an der Grenze zur Vernachlässigbarkeit 49. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine Reihe weiterer Befunde, die sich aus der Bundesstatistik für das Jahr 2012 berechnen lassen: Nach Beendigung einer Vollzeitpflege erhalten 59,5 % der jungen Menschen eine unmittelbar nachfolgende Hilfe (bei Abzug von Zuständigkeitswechsel), während nach einer Heimerziehung bei 54,9 % der jungen Menschen eine unmittelbar nachfolgende Hilfe implementiert wird. Diese Hilfen werden in der Bundesstatistik breit erfasst. Konzentriert man sich auf die HzE im engeren Sinne wird die Differenz noch deutlicher: Unmittelbar nach der Beendigung einer Vollzeitpflege (abzüglich Zuständigkeitswechsel) erhielten 50,1 % der jungen Menschen Hilfe zur Erziehung gemäß SGB VIII bzw. gemäß 43 SGB VIII. Von den jungen Menschen die eine Heimerziehung in Anspruch genommen haben gilt dies nur für 43,6 %. Unterstellt man, dass sich die Implementation einer HzE an den Bedarfen orientiert, scheint die Notwendigkeit von nachfolgenden HzE demnach im Falle der Vollzeitpflege höher zu sein als im Falle der Heimerziehung. Nach Beendigung einer Vollzeitpflege leben gegenwärtig 15,8 % in einem Heim (unter den 12- bis 18-Jährigen sind es 29,4 %), 16,3 % in einer (i.d.r. anderen) Pflegefamilie (12-18 Jährige: 18,2 %) und 34,6 % bei ihren Eltern/Sorgeberechtigten oder in einer eigenen Wohnung. Nach Beendigung einer Heimerziehung leben demgegenüber gegenwärtig 21,2 % der jungen Menschen in einem (i.d.r. anderen) Heim (unter den 12- bis 18-Jährigen gilt dies für 20,5 %), 2,5 % in einer Pflegefamilie (12- bis 18-Jährige 1,7 %) und 60,6 % bei ihren Eltern/Sorgeberechtigten oder in einer eigenen Wohnung. Es lässt sich einschränken, dass diese Zahlen schon alleine deswegen nicht unmittelbar vergleichbar sind, weil die Altersgruppen sowie die Problemlagen differieren. Gleichwohl lässt sich auf dieser Datenbasis durchaus sagen, dass für die 12- bis 18-Jährigen die relative Wahrscheinlichkeit nach einer Vollzeitpflege in eine Heimerziehung einzumünden 1. relativ hoch und 2. höher ist als 48 Anzahl Beendigungen abweichend Hilfeplan / (Anzahl Beendigungen gemäß Hilfeplan + Anzahl Beendigungen abweichend Hilfeplan) * Hinzu kommt, dass angenommen werden kann, dass das subjektive Erleben eines Abbruchs aus der Perspektive der jungen Menschen in Pflegefamilien eher belastender ist, als ein (Beziehungs-) Abbruch in der Heimerziehung (zu Frage der Zugehörigkeit in Pflegefamilien vgl. Biehal 2012). die Wahrscheinlichkeit, dass eine Heimerziehung in eine (weitere) Heimerziehung mündet. Für die 12- bis 18-Jährigen scheint der Wechsel einer Pflegefamilie nicht wesentlich seltener zu sein, als der Wechsel eines Heims und schließlich stellt sich das Verhältnis zwischen Vollzeitpflege und Heimerziehung so dar, dass ein Übergang von der Vollzeitpflege in die Heimerziehung durchaus nicht selten ist, während ein umgekehrt ein Übergang von der Heimerziehung in die Vollzeitpflege ein absolute Ausnahme darstellt. Geht man davon aus, dass die Platzierungspolitiken einigermaßen rational sind, scheint es demnach so zu sein, dass sich junge Menschen in der Vollzeitpflege nicht selten als Fälle darstellen (oder entwickeln) für die eine andere Maßnahme, nämlich die Heimerziehung eine angemessenere oder zumindest praktikablere Alternative darstellt, während dies anders herum nur für einen von vierzig jungen Menschen in der Heimerziehung zu gelten scheint. Mit Blick auf die Verselbstständigung (bemessen am Leben in einer eigenen Wohnung) sind die Zahlen alleine aufgrund der Altersstruktur der jungen Menschen nicht wirklich vergleichbar und auch eine Rückkehr in die Herkunftsfamilie ist sicherlich nicht immer ein fachlich prioritäres Ziel der Vollzeitpflege. Dennoch ist die Vollzeitpflege in der Regel so angelegt, dass vorübergehende Pflegeverhältnisse durch eine Rückführung in die Herkunftsfamilie und die Dauerpflege in die Verselbstständigung der jungen Menschen führen soll. Es spricht statistisch nichts dafür, dass die Vollzeitpflege häufiger in eine Rückführung in die Herkunftsfamilie oder in eine Verselbstständigung führt als eine Heimerziehung. Im Gegenteil scheint dieses häufig zentrale Ziel eher im Anschluss an eine Heimerziehung erreicht zu werden. Das alles spricht nun keinesfalls gegen die Vollzeitpflege per se. Allerdings stehen Strategien, die die Pflegekinderhilfe vor allem deshalb ausbauen bzw. möglichst viele potenzielle Fälle der Heimerziehung in die Vollzeitpflege überführen möchten, weil diese als prinzipielle Alternative zur teureren Heimunterbringung betrachtet wird, in fachlicher Hinsicht auf wackeligen Beinen. Beschäftigungsverhältnisse Es macht sowohl in fachlicher wie in statistischer Perspektive Sinn, die personellen Ressourcen im Feld der Hilfen zur Erziehung nicht auf Basis der Zahl der im Feld tätigen Personen, sondern umgerechnet in Vollzeitstellen zu berechnen. Diese Berechnung ist gemeint, wenn von Vollzeitäquivalenten die Rede ist. Der Blick auf Vollzeitäquivalente in den HzE gibt einen Hinweis darauf, wie gut die Hilfen zur Erziehung ausgestattet sind. Zumal HzE als personenbezogene Dienstleistungen per se vergleichsweise personalintensiv sind, ist es nicht verwunderlich, dass zumal in den ambulanten Hilfen die Ausgaben

33 33 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen der freien Träger für HzE im Wesentlichen Personalkosten sind. Pointiert formuliert: Für die öffentlichen Träger hat die Entwicklung der Fallzahlen den wesentlichsten Einfluss auf die Kosten der HzE. Die Ausgaben der freien bzw. der die Maßnahme durchführenden Träger begründen sich jedoch weniger aus der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle, sondern aus der Anzahl der für diese Bearbeitung zu entlohnenden Vollzeitstellen. zu Beginn der 2000er Jahre diese Entwicklung gilt für NRW in einem verstärkten Ausmaß. Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass diese Entwicklung, zumindest teilweise auch auf die ggf. problematische Tendenz zu Spezialisierungen zurückgeführt werden kann, ist die erhöhte Personaldichte in der Heimerziehung in fachlicher Hinsicht zu begrüßen. Angesichts der Fallzahlentwicklung im ambulanten Bereich, die die Entwicklung der Vollzeitäquivalente bei weitem übersteigt, kann jedoch von einer deutlichen Arbeitsverdichtung gesprochen werden 50. Fuchs-Rechlin (2012) hat die Entwicklung der Fallzahl-Vollzeitstellen-Relation in den ambulanten Hilfen im Einzelnen berechnet. Dabei zeigt sich, seit Ende der 1990er Jahre, mit Ausnahme der Tagesgruppenerziehung, eine deutliche Tendenz zur Verschärfung der Arbeitsbelastung pro Fachkraft (vgl. Abb. 24). Abb. 22: (Quelle: 14. Kinder- und Jugendbericht) Das Personal für die ambulanten HzE ist berechnet in Vollzeitstellen von 2002 auf 2010 bundesweit um ca. 22,9 % gestiegen, das Personal in der Heimerziehung um ca. 17,8 %. Demgegenüber ist die Fallzahl in den HzE (ohne Erziehungsberatung) alleine zwischen um 42,6 % gestiegen. Die Personalentwicklung in den HzE in Nordrhein-Westfalen weicht von der Bundesentwicklung etwas ab: Sowohl in den ambulanten als auch in den stationären Hilfen finden sich stärkere Zuwächse als im Bundesdurchschnitt. Dies bedeutet aber nicht, dass NRW besonders großzügig in der Personalausstattung wäre. So finden knapp 27 % aller bundesweit laufenden Heimerziehungen in NRW statt und knapp 26 % aller Vollzeitstellen in der Heimerziehung sind in nordrhein-westfälischen Heimen beschäftigt. NRW ist insofern, trotz eines überdurchschnittlichen Personalwachstums, knapp durchschnittlich, was die rechnerische Personalausstattung pro Fall betrifft. Darüber hinaus übersteigt die Entwicklung der Fallzahlen (von 2000 auf 2010 eine Zunahme um ca. 70 %) ganz zu schweigen von der Entwicklung der öffentlichen Ausgaben für HzE auch in NRW sehr deutlich die Zunahme der Vollzeitstellen. Bezogen auf die Fallentwicklung in der Heimerziehung (vgl. BMFSFJ 2013: 347) lässt sich gleichwohl feststellen, dass sich die rechnerische Personaldichte pro Fall im Jahr 2010 bundesweit etwas günstiger darstellt, als 50 Hier nicht zu klären, aber überaus interessant scheint die Beantwortung der folgenden Frage: Wenn es stimmt, dass pädagogische Maßnahmen personalintensiv sind und die Kosten von (zumal ambulanten) HzE vor allem Personalkosten sind, dann müssten auch die Kostensteigerungen im Wesentlichen in Form von Stellenzunahmen oder eben Gehaltszunahmen abbildbar sein. Der Personalzuwachs hinkt nun der Kostensteigerung hinterher und kann diese Steigerung nicht erklären. Auch die Lohnsteigerungen in den sozialen Diensten war im 10-Jahres Zeitraum keinesfalls weit oberhalb des allgemeinen Verbraucherpreisindex. Die veränderte Qualifikationsstruktur erklärt die Ausgabensteigerung ebenfalls nicht, zumal in den ambulanten HzE in NRW seit Beginn der 2000er Jahre keine Erhöhung des Anteils des akademisch qualifizierten Personals zu verzeichnen ist (vgl. HzE-Bericht 2012). Und selbst wenn dem so wäre: Nach Berechnungen des DIW liegt der durchschnittliche Stundenlohn für Frauen mit FH Abschluss in der Sozialen Arbeit bei 8,71 Euro, mit Uni Abschluss bei 8,10 Euro und mit betrieblicher Ausbildung bei 7,80 Euro (bei Männern FH 9,41 Euro, Uni 8,90 Euro, betriebliche Ausbildung 8,16 Euro). Die Differenz der Durchschnittslöhne bei Frauen in der Sozialen Arbeit mit FH Abschluss im Vergleich zu betrieblich ausgebildeten beträgt etwas weniger als 12 % (bei Männern 15,3 %). Der größte Teil der Kostenentwicklung scheint nicht plausibel durch Veränderungen in der Quantität und Qualität der Personalausstattungen erklärt zu werden. Berichtet wird teilweise von einer Zunahme von selbstständigen Beschäftigungsformen, die durch die amtliche Statistik nicht erfasst wird.

34 34 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Abb. 23: Personelle Ressourcen in den erzieherischen Hilfen in NRW (Quelle HzE-Bericht 2012) Abb. 24: Relation zwischen Vollzeitäquivalenten und Fällen in den ambulanten Hilfen in Nordrhein-Westfalen (Quelle: Fuchs- Rechlin 2012) Dieser Befund gewinnt angesichts der Tatsache an Gewicht, das unter den ambulanten Maßnahmen (jenseits der Erziehungsberatung) insbesondere die SPFH signifikant an Bedeutung gewonnen hat, die zumindest konzeptionell eine vergleichsweise intensive Maßnahme darstellt. Dabei ist nicht mitgerechnet, dass fallabgewandte Dokumentationsarbeiten (und entsprechende Dokumentationszeiten) Fachkräftebefragungen zu Folge deutlich zugenommen haben. Johannes Schnurr hat mit Blick auf die frühen 2000er Jahre (angesichts einzelfallübergreifender, z. B. sozialraum-, vernetzungs- und verwaltungsbezogener Tätigkeiten für MitarbeiterInnen in den sozialen Diensten) geschätzt, dass der durchschnittliche Anteil im engeren Sinne einzelfallbezogener Tätigkeiten nur etwa 60 % bis 70 % der Arbeitszeit einer Fachkraft umfasst (vgl. Schnurr 2006). Es ist durchaus anzunehmen, dass sich der Anteil nicht unmittelbar pädagogischer Tätigkeiten und zwar auch bei den Fachkräften freier Träger in den letzten 10 Jahren eher erhöht hat. Sofern dem auch nur ansatzweise so ist, kann von einer deutlichen Verdichtung der Arbeitsintensitäten im Bereich der einzelfallbezogenen Arbeit insbesondere in den ambulanten Hilfen gesprochen werden 51. Dienstleistungstheoretisch ist davon auszugehen, dass die personenbezogene Dienstleistungsarbeit nur begrenzt rationalisierbar und in ihrer Produktivität zu steigern ist 52. Sofern dies zutrifft, ist eine Erhöhung des Fallvolumens pro Arbeitszeiteinheit bei einzelfall- oder familienbezogenen HzE mehr oder weniger gleichbedeutend mit einer Leistungsreduktion pro Fall. Verschlechterungen der Relation von Fall- zu Beschäftigtenzahlen können, wie Böllert et al. (2004: 76) bereits in einer Expertise zum 8. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen ausführten, letztlich nur durch eine Intensivierung der Arbeitsabläufe für das Personal und/oder eine weitere Verkürzung des Hilfebezugs aufgefangen werden. Eine Leistungsreduktion bzw. Leistungsverdichtung auf einen geringeren wöchentlichen Stundenumfang der HzE dürfte sich mittel- und langfristig ungünstig auf die Qualität der Leistungsdurchführung auswirken. Sofern diese Leistungsverdichtung auch ein Resultat von Steuerungen der HzE sind, dürfte zweifelhaft sein, ob sich die Steuerung der Hilfen zur Erziehung gegenwärtig tatsächlich der viel betonten Wirkungsorientierung verpflichtet. Versorgung nach kommunaler Kassenlage? Einige statistische Hinweise Die Fallzahl- und Ausgabenanstiege in den Kreisen, so zeichnet Ulrich Bürger (2013: 26) für Baden-Württemberg nach, stehe derzeit unter einem sehr starken Einfluss des objektiven Wandels in den Lebensverhältnissen und Sozialisationsbedingungen der jungen Menschen. Vor dem Hintergrund einer teilweise dramatischen Entwicklung in einer Vielzahl nordrhein-westfälischer 51 Hierfür spricht auch der Befund, dass seit Mitte der 2000er Jahre die Zahl der Überlastungsanzeigen [ im ASD] stark angestiegen ist (BMFSFJ 2013:293, vgl. AGJ 2010, Seckinger et al. 2008). 52 So können z. B. MitarbeiterInnen bei Porsche unter Umständen zwei 911er in einer Zeit herstellen, die sie vor 15 Jahren für einen 911er gebraucht haben. Für die SPFH gilt dies so nicht.

35 35 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Großstädte (vgl. Seils/Meyer 2012), gilt dieser Befund auch und in einem verstärkten Maße für NRW: Das zunehmende Auseinanderdriften sozialer Lebensverhältnisse mit einem erhöhten Armutsrisiko insbesondere in Familien mit Kindern, ein Bedeutungszuwachs von Familienformen mit gravierend überdurchschnittlichen Hilfehäufigkeiten; der empirisch unbestreitbare Zuwachs von Kindern, deren Eltern in Folge psychischer Erkrankung ihre Erziehungsverantwortung zumindest vorübergehend nicht angemessen wahrnehmen können [ ] erweisen sich [ ] als hoch folgenreich für die insgesamt steigende Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung (Bürger 2013: 26). Für die Übertragung dieser Deutung auf NRW spricht, dass hier zunächst arme Städte und Gemeinden eine höhere Rate an ambulanten Hilfen, an Vollzeitpflege sowie (und insbesondere) an Heimunterbringungen aufweisen. Die fiskalischen Belastungen durch die HzE treffen insofern vor allem Kommunen, die über beschränkte Mittel verfügen. Dabei lassen sich die unterschiedlichen HzE-Raten zunächst vor allem durch das Ausmaß an sozioökonomischen Belastungen und weniger aus der Finanzlage der Stadt oder Gemeinde erklären. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die Linearität der Zusammenhänge von Belastungen und HzE-Raten in einem Jugendamtsbezirk durch andere Einflüsse unterbrochen wird. So wird z. B. teilweise argumentiert, dass vor dem Hintergrund fiskalischer Einschränkungen die Gewährung kostenintensiver Hilfen, insbesondere die der Heimerziehung ggf. restriktiver erfolgt als in Jugendamtsbezirken, die weniger Einschränkungen aufgrund eines kommunalen Kostendrucks erfahren. Da es keine empirischen Daten gibt, die das Ausmaß des Kostendrucks auf die Jugendämter sinnvoll abbilden, ist diese Überlegung kaum zu prüfen. Ein näherungsweise brauchbarer Indikator ist die Verschuldung der Kommunen. Zumindest für Jugendämter in kreisfreien Städten entsprechen die Daten zu den Schulden der Kommunen den Jugendamtsbezirken. Dabei zeigt sich jedoch für NRW zunächst ein statistisch positiver Zusammenhang zwischen Schuldenlast und der Anzahl von Heimerziehungen pro jungen Menschen. Dieser Zusammenhang bleibt zunächst auch bei der Kontrolle verfügbarer Drittvariablen bestehen. Dies würde zunächst dafür sprechen, dass ein genereller Einfluss fiskalischer Beschränkungen auf die Gewährung kostenintensiver Hilfen nicht belegbar ist. Genauere Berechnungen zeichnen jedoch ein anderes Bild. Bemerkenswert ist zunächst Folgendes: 25 städtische Jugendamtsbezirke in NRW sind im HzE Bericht 2013 in der Belastungsklasse 1 ausgewiesen. Damit sind Jugendamtsbezirke gemeint, die eine sehr hohe Belastung der sozioökonomischen Lebenslagen aufweisen. In diesen 25 Jugendamtsbezirken leben der insgesamt jungen Menschen unter 21-Jahren in NRW. Das entspricht einem prozentualen Anteil von gut 35 % aller jungen Menschen in NRW unter 21 Jahren. Auf diese 25 Jugendamtsbezirke entfallen gut 39 % aller ambulanten Hilfen, knapp 44 % aller stationären Hilfen und knapp 48 % aller Heimerziehungen 53. Diese Tendenz ist im Wesentlichen zu erwarten. Denn, wie auch im HzE-Bericht 2014 in NRW deutlich wird, beziehen 60 % der Familien in NRW die Hilfen zur Erziehung (ohne Erziehungsberatung) in Anspruch nehmen, Transferleistungen. Es ist entsprechend anzunehmen, dass in Jugendamtsbezirken in denen viele Familien Transferleistungen beziehen auch die HzE-Zahlen höher sind. Dies ist aber nur ein Teil des Zusammenhangs (wobei die Zusammenhänge von Belastungs- und Hilferaten in vielerlei Hinsicht nicht linear sind). In den Jugendamtsbezirken in NRW kovariieren nicht nur die HzE-Zahlen pro jungen Menschen mit dem Ausmaß von Belastungen, sondern je nach Belastung der Jugendamtsbezirke werden die Leistungen auch mehr oder weniger exklusiv an Familien im Transferleistungsbezug erbracht (vgl. Abb. 25). Abb. 25: Anteil von Familien im Transferleistungsbezug in den HzE nach Belastungsklasse der Jugendamtsbezirke Sehr eindeutig konzentrieren die HzE Leistungen in den Jugendamtsbezirken der Belastungsklasse 1 auf Familien im Transferleistungsbezug. Der Anteil von Familien im Transferleistungsbezug in den HzE differiert zwischen ambulanten und stationären Hilfen (hier liegt der Anteil bei 63,7 %) nur unwesentlich. Geht man näherungsweise davon aus, dass sich die o. g. Daten zum Anteil von Familien im Transferleistungsbezug in den HzE gleichermaßen auf ambulante wie stationäre HzE beziehen, eröffnet dies die Möglichkeit einer Neuinterpretation der Daten. Es lässt sich etwa danach fragen, wie viele HzE pro der unter 21-jährigen an junge Menschen und Familien gehen, deren wirtschaftliche Lage nicht so angespannt ist, dass sie Transferleistungen in Anspruch nehmen. Dabei wird ignoriert, dass der Bezug von Transferleistungen nur ein vager Indikator für sozioökonomische Mängellagen (vgl. Fuchs 2009) 54 ist, weil 1. SGB II und SGB XII 53 Nimmt man die Jugendamtsbezirke der Belastungsklasse 2 mittlere bis hohe Belastung der sozioökonomischen Lebenslagen hinzu, leben gut 55 % der unter 21 Jährigen in solchen Jugendamtsbezirken. Auf diese entfallen 60 % aller ambulanten Hilfen, knapp 65 % aller stationären Hilfen und gut 68 % aller Heimerziehungen. 54 The receipt of social assistance cannot be considered as a reliable indicator for deprived circumstances, if it mirrors only the observable part (Fuchs: 2009: 3).

36 36 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Leistungen aggregiert werden, die durchaus unterschiedliche Anspruchsberechtigungsgrundlagen haben, man 2. bevölkerungsweit bei defensiven Schätzungen von einer Nicht-Inanspruchnahme Anspruchsberechtigter von Regelleistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch von ca. 34 % bis 43 % (Bruckmeier et a. 2013: 4) ausgehen kann und es 3. eine deutliche Differenz zwischen Armutsschwellenwerten und den deutlich unter diesen Werten liegenden Transferleistungsbedarfswerten gibt 55. Zieht man trotz dieser Bedenken Daten zum Transferleistungsbezug als Indikator für sozioökonomische Mängellagen heran, ist es möglich zu prüfen, wie hoch die HzE-Quote von Familien ist, die nicht in gravierenden sozioökonomische Mängellagen sind. Diese Quoten lassen pro unter 21 Jährige für Jugendamtsbezirke nach Belastungsklassen ausweisen. Zwar wird aufgrund von Matching-Problemen der Daten zum Transferleistungsbezug junger Menschen und der Daten auf der Ebene von Jugendamtsbezirken der eigentlich in der Berechnung zu berücksichtigende unterschiedlich hohe Anteil, der von jungen Menschen bzw. Familien im Transferleistungsbezug in der Grundgesamtheit der jungen Menschen in den Jugendamtsbezirken dabei nicht berücksichtigt; dennoch zeigt sich die bemerkenswerte Tendenz, dass Familien bzw. junge Menschen, die die Gemeinsamkeit haben, nicht in (wie ausgeführt operationalisierten) gravierenden sozioökonomische Mängellagen zu leben, in jenen städtischen Jugendamtsbezirke mit hohen Belastungsraten, die vermeintlich dramatisch hohe Fallzahlen aufweisen (insbesondere im ambulanten Bereich), unterdurchschnittliche Wahrscheinlichkeit haben, eine HzE in Anspruch zu nehmen. 55 Insbesondere die impliziten Armutsgrenzen nach dem SGB II [liegen] unter dem Niveau der offiziellen Armutsgefährdungsquoten (Seils/Meyer 2012: 3). Basierend auf dem Mikrozensus 2011 berechnen Seils und Meyer (2012: 3) z. B. einen Armutschwellenwert für Alleinstehende von 848 Euro. Die Schwelle zum SGB II-Leistungsbedarf liegt aber bei lediglich 658 Euro. Dies ist eine Differenz von fast 29 %, die bei Paaren und Familien in der Regel nicht kleiner wird. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Armutsrate und den Familien die HzE in Anspruch nehmen eher höher ist, dies die statistisch vorhandenen Daten zum Transferleistungsbezug nahe legen. Darüber hinaus sind z. B. zwischen 2005 und 2012 die Regelsätze von SGB II Leistungen um 8,4 % gestiegen (und mit diesem Wert korrespondieren die Bedarfswerte) während die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum um 13,3 % gestiegen sind (vgl. Klaus-Schelletter/Kolf 2013:15). Dies führt ggf. dazu, dass einige Haushalte, die 2005 berechtigt waren Transferleistungen in Anspruch zu nehmen dies 2012 bei gleicher sozioökonomischer Situation ggf. nicht mehr sind. Darüber hinaus ist das reale Bruttoerwerbseinkommen der Beschäftigten zwischen teilweise erheblich gesunken. In den unteren drei Dezilen im Schnitt um fast 20 %. Im 5. Dezil ist das Bruttoerwerbseinkommen um 8,2 % gesunken (Brenke/Grabka 2011: 12). Dies ist alleine deswegen relevant weil sich Armutschwellenwerte nicht am arithmetischen Mittelwert, sondern am Medianwert der Äquivalenzeinkommen berechnet. Sinken die Realeinkommen im Median, gilt eine Person deren Realeinkommen zuvor bei unter 60 % des Medianeinkommens lag ggf. nicht mehr als arm obwohl sich ihr Realeinkommen und ihre damit verbundene Lebenslage nicht verändert hat. Abb. 26: HzE in Familien ohne Transferbezug nach Belastungsklasse der Jugendamtsbezirke Vor dem Hintergrund, dass die Kosten einer Maßnahme pro Fall entscheidend durch die Dauer der jeweiligen Hilfe bestimmt sind (vgl. Menne 2008: 12) ist ein weiterer Befund bemerkenswert: Je höher der Anteil der jungen Menschen pro ihrer Altersgruppe ist, die eine Heimerziehung bekommen, desto kürzer ist die Heimerziehung 56. Dieser Zusammenhang ist mit r = nicht sonderlich stark ausgeprägt, aber statistisch signifikant 57. Dieser Wert variiert in den unterschiedlichen Belastungsklassen. Nimmt man die 25 städtischen Jugendamtsbezirke, die im HzE Bericht 2013 in der Belastungsklasse 1 ausgewiesen sind, so korreliert die Heimerziehungsquote mit r = mit der Dauer der Heimerziehung. Für die städtischen Jugendamtsbezirke lässt sich darüber hinaus, der Indikator kommunale Schulden je EinwohnerIn als Hinweis für die Finanzlage der Städte heranziehen 58. Im Ergebnis korreliert das Ausmaß an Schulden negativ mit der Dauer der Heimerziehung 59 (r = -.223). Im Falle von kreisfreien Städten, in denen der Jugendamtsbezirk der Kommune entspricht, lässt sich darüber hinaus die Teilnahme am Stärkungspaket Stadtfinanzen - ein zweistufiges Programm, mit dem das Land überschuldeten Städten und Gemeinden mit Finanzspritzen unter die Arme 60 greift als einen Indikator für die Finanzlage der Städte (und damit tendenziell auch der Jugendamtsbezirke) heranziehen. Auf dieser Grundlage zeigt sich, dass in besonders überschuldeten Städten in NRW (Stufe 1, 3 Stärkungspaketgesetz) die Durchschnittsdauer der Heimunterbringung um fast 25 % kürzer als die Unterbringungsdauer in nicht überschuldeten Städten ist. In den Städten die freiwillig am 56 Dies erklärt auch den Befund, dass der Mittelwert der Dauer einer Heimunterbringung in Nordrhein-Westfalen in Jugendamtsbezirken kreisfreier (Groß-)Städte geringer ist als in anderen Jugendamtsbezirken. 57 Nimmt man (um Verzerrungen zu vermeiden) alle Jugendämter aus, in denen sich weniger als 20 begonnene oder laufende Heimunterbringen im Jahr finden korreliert die Dauer der Heimunterbringung signifikant negativ mit der Unterbringungsrate (r = -.232). 58 In diesem Fall stimmt die Gebietskörperschaft in der die Schulden statistisch erhoben werden mit dem JA-Bezirk überein. 59 In einem geringeren Ausmaß gilt dies auch für die Fachleistungsstunden bei ambulanten Hilfen (Zugriff: November 2014)

37 37 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Stärkungspaket (Stufe 2, 4 Stärkungspaketgesetz) teilnehmen ist die Durchschnittsdauer gut 9 % kürzer als in den nicht überschuldeten Städten. Auch der Befund, dass der Anteil von Familien im Transferbezug in den HzE mit den Belastungsklassen der Jugendamtsbezirke korreliert, verdichtet sich, wenn man den Indikator Schulden je EinwohnerIn hinzuzieht. Das Ausmaß an Schulden der Städte bzw. Jugendamtsbezirke in der Belastungsklasse 1 korreliert mit r =.428 Anteil von Familien im Transferbezug in den HzE. Während in Jugendamtsbezirken der Belastungsklasse 1 die im Jahr 2011 eine öffentliche Pro-Kopf-Verschuldung von mehr als 2200 Euro aufwiesen und der Anteil der Familien im Transferbezug in den HzE bei 73,7 % lag (variierend zwischen knapp 67 % und gut 82 %), lag dieser Anteil in Jugendamtsbezirken derselben Belastungsklasse, bei einer öffentlichen Verschuldung von weniger als Pro-Kopf-2200 Euro bei 66, 2 %. Insofern spricht statistisch durchaus einiges für die Tendenz, dass sich Hilfen zur Erziehung entlang der ökonomischen Lage der Kommunen und der sozioökonomischen Lage der potenziellen AdressatInnen zum einen auf die am stärksten Benachteiligten konzentrieren und zum anderen in der Leistungsdichte pro Fall abnehmen. Dies deckt sich mit der in einer Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft ASD/KSD (2013: 2f) monierten Tendenz, dass die knappen Finanzen der Kommunen und der davon ausgehende Spardruck [ ] ein Klima im ASD [erzeugen], bei dem die Fachkräfte verstärkten Legitimationsanforderungen ausgesetzt sind in ihrem Bemühen, die fachlich angemessene Hilfe zu installieren bzw. diese mit den Budgetvorgaben Übereinstimmung zu bringen [ ]. Aufgrund des wachsenden Finanzdrucks gerät die Qualität von Hilfen massiv unter Druck. Dies zeigt sich in unterschiedlichen (formalen und informellen) Modalitäten, in denen in den ASD eine Bewältigung der Hilfe-Anforderungen bei insgesamt knappen Budgets versucht wird: Reduktion von strukturqualitativen Standards bei der Auswahl von Hilfen (Unterlaufen bzw. flexible Handhabung des Fachkräfte-Gebots u. A. m.), Stundenreduktion bzw. massive. Stundenbegrenzung bei der Gewährung ambulanter Hilfen, [ ] etc. Exkurs: Gefährdungseinschätzungen und die überschätzte Relevanz des medizinischen Feldes Bezüglich der Steigerungen der Fallzahlen wird im fachlichen Diskurs häufig der Umstand zunehmender Gefährdungseinschätzungen nach 8a Absatz 1 SGB VIII für die Steigerungsraten mit verantwortlich gemacht. Für dieses Argument spricht einiges. Man kann sicher sein, dass eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber einer problematischen Situation zu einem erhöhten Erkennen und schließlich zu einer erhöhten Bearbeitung dieser Situationen führt oder, anders formuliert, zu erhöhten Fallzahlen. Anderseits weiß man nicht, ob die wie auch immer gemeldeten Fälle, die eine 8a-Einschätzung nach sich zogen, nicht auch ohne Gefährdungseinschätzungen nach 8a Fälle erzieherischer Hilfen gewesen wären. Für Nordrhein-Westfalen ist zunächst relevant, dass NRW bei der Anzahl der Gefährdungseinschätzungen im Jahr 2012 mit Verfahren oder 94 Gefährdungseinschätzungen pro der unter 18-Jährigen (gemeinsam mit dem Saarland) an der Spitze der westdeutschen Flächenländer lag. Auch der relative Fokus auf unter 3-Jährige war in NRW (geringfügig) stärker ausgeprägt als in den anderen Bundesländern. Gut 27 % aller bundesweiten Gefährdungseinschätzungen mit Blick auf unter 3-Jährige und 26 % aller bundesweiten Gefährdungseinschätzungen mit Blick auf 3- bis 18-Jährige fanden in NRW statt. Zunächst sind Gefährdungseinschätzungen einerseits selbst Jugendhilfemaßnahmen. Anderseits ist davon auszugehen, dass solche Gefährdungseinschätzungen zumindest potenziell in HzE-Fälle münden. In den bundesweit insgesamt Verfahren der Gefährdungseinschätzungen nach 8a Absatz 1 SGB VIII im Jahr 2012 wurde beispielsweise in Fällen eine akute und in Fällen (= 15,8 %) eine latente Kindeswohlgefährdung (= 20,1 %) ausgemacht Fälle oder 6,9 % aller Gefährdungseinschätzungsverfahren wiesen im Ergebnis auf akute Kindeswohlgefährdung bei jungen Menschen hin, die nicht bereits zum Zeitpunkt des Verfahrens Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nahmen. Im Falle von latenten Kindeswohlgefährdungen waren dies Fälle. Dies entspricht 10 % aller Gefährdungseinschätzungsverfahren. Knapp 37 % aller Gefährdungseinschätzungsverfahren nach 8a Abs. 1 SGB VIII bezogen sich auf junge Menschen, die zum Zeitpunkt des Verfahrens bereits durch eine wie auch immer geartete Maßnahme der Kinderund Jugendhilfe adressiert wurden. Insbesondere Gefährdungseinschätzungsverfahren, die im Ergebnis einen Unterstützungsbedarf feststellten bezogen sich überproportional häufig auf junge Menschen, die schon zum Zeitpunkt des Verfahrens AdressatInnen der Kinder- und Jugendhilfe waren. Bei Verfahren, die im Ergebnis keine Kindeswohlgefährdung aber einen Unterstützungsbedarf feststellten (2012 bundesweit Verfahren), traf dies für 42,7 % der jungen Menschen zu, bei Verfahren, die im Ergebnis eine latente Kindeswohlgefährdung feststellten (2012 bundesweit Verfahren) für etwa 50 % der jungen Menschen und bei Verfahren, die im Ergebnis eine akute Kindeswohlgefährdung feststellten (2012 bundesweit Verfahren), traf dies für 56 % der jungen Menschen zu.

38 38 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Demgegenüber waren nur gut 13 % der jungen Menschen, bei denen im Ergebnis des Verfahrens keine Kindeswohlgefährdung und kein (weiterer) Hilfe- oder Unterstützungsbedarf festgestellt wurde, zum Zeitpunkt des Verfahrens AdressatInnen der Kinder- und Jugendhilfe. Bundesweit führten die Verfahren der Gefährdungseinschätzungen nach 8a 2012 zu neuen ambulanten oder teilstationären HzE (= 18,1 %), zu familienersetzenden HzE (= 4,3 %) sowie zu neuen Beratungen nach SGB VIII und Erziehungsberatungen nach 28 SGB VIII (insgesamt 18,3 %). Hinzu kamen vorläufige Schutzmaßnahmen nach 42 SGB VIII (= 5,6 %) und kinder- und jugendpsychiatrische Maßnahmen (= 1,6 %). Nimmt man alle Maßnahmen zusammen, die in der Kinder- und Jugendhilfestatistik aufgeführt (inklusive Eingliederungshilfen nach 35a SGB VIII) sind, so führten die 2012 durchgeführten Gefährdungseinschätzungen nach 8a Absatz 1 SGB VIII zu bundesweit neu eingereichten, überwiegend ambulanten HzE. Anders formuliert zogen knapp 27,5 % aller Gefährdungseinschätzungen nach 8a Absatz 1 SGB VIII neue HzE inklusive Erziehungsberatungen, und 22,7 % aller Gefährdungseinschätzungen neu eingerichtete HzE ohne Erziehungsberatung mit sich. Den HzE, die als Folge von Gefährdungseinschätzungen nach 8a beschrieben werden können, stehen im Jahr 2012 bundesweit insgesamt erzieherische Hilfen gegenüber. In diesem Sinne sind rechnerisch 6,2 % der HzE möglicherweise eine Folge von Gefährdungseinschätzungen. Die Einschränkung, dass diese Fälle nur möglicherweise eine Folge von Gefährdungseinschätzungen sind, ist deshalb wichtig, weil die Verfahren der Gefährdungseinschätzungen zugleich Verfahren sind, bei denen ein möglicher Hilfebedarf angezeigt wird. Man kann darüber spekulieren, ob die Anzahl der Fälle in denen ein möglicher Hilfebedarf angezeigt wird, ohne das Instrument der Gefährdungseinschätzungen niedriger gewesen wäre. Es ist durchaus anzunehmen, dass dies der Fall ist. Es ist aber absolut nicht anzunehmen, dass ohne dieses neue Instrument keiner der jungen Menschen eine HzE in Anspruch genommen hätte. 8a-Verfahren sind sicherlich zusätzliche Arbeitsaufgaben für die Kinder- und Jugendhilfe, das Ausmaß in dem sie zu Fallsteigerungen beitragen ist nicht zu unterschätzen, es ist aber auch nicht zu überschätzen. Realistischerweise dürfte sich das zusätzliche Fallaufkommen, das im engeren Sinne ursächlich auf den Einsatz von Instrument der Gefährdungseinschätzung in Folge von 8a Absatz 1 SGB VIII zurückgeführt werden kann, im niedrigen einstelligen Prozentbereich anzusiedeln sein. Hinzukommt, dass sich das Verhältnis der stationären zu den ambulanten oder teilstationären HzE (ohne Erziehungsberatung), die in Folge der Gefährdungseinschätzungen neu eingerichtet wurden, so darstellt, dass auf eine stationäre Maßnahme 4,21 ambulante oder teilstationäre HzE kommen. Zum Vergleich: Mit Blick auf alle HzE (ohne Erziehungsberatung) im Jahr 2012 kommen auf 1 stationäre Maßnahme 2,59 ambulante oder teilstationäre HzE. Der Anteil von stationären Maßnahme an den HzE infolge von Gefährdungseinschätzungen ist demnach deutlich (um fast 40 %) geringer, als der Anteil von stationären Maßnahmen an den HzE insgesamt (sofern Erziehungsberatungen nicht mitgerechnet werden). Für die im Jahr 2012 erstmals statistisch erfassten Gefährdungseinschätzungen ist ein weiterer Befund interessant, der die Rolle des Gesundheitswesens betrifft. Im Kontext von Debatten zum Kinderschutz und zu Kindeswohlgefährdung sind die Akteure des Gesundheitswesens zu dem zentralen Partner der Kinder- und Jugendhilfe aufgestiegen. Teilweise ist die Forderung zu hören, Kindeswohlgefährdung insgesamt in Kategorien der ICD-10 als medizinisches Phänomen zu verstehen. Insbesondere Medizinern wird eine besondere Kompetenz und Bedeutung bei der Feststellung von Kindeswohlgefährdung zugeschrieben (eine Zuschreibung, die sich nicht selten auch im Fachdiskurs der Kinder- und Jugendhilfe selbst findet). Vor diesem Hintergrund ist es durchaus bemerkenswert, was sich aus der Statistik zu Gefährdungseinschätzungen 2012 zum qualitativen und quantitativen Beitrag des Gesundheitswesens entnehmen lässt. Zunächst macht der Anteil des Gesundheitswesens (aggregiert sind hier Hebammen, Ärzte, Kliniken, Gesundheitsämter und ähnliche Dienste) an den Institutionen/Personen, die die Gefährdungseinschätzungen bekannt machen, mit Blick auf alle unter 18-Jährigen, nicht mehr als 7,5 % aus. Selbst bei den Gefährdungseinschätzungen der 0-3 Jährigen, bei denen dem Gesundheitswesen eine besondere Rolle für die Erfassung von Gefährdungen zugeschrieben wird, liegt der Anteil des Gesundheitswesens unter den bekannt machenden Institutionen oder Personen bei knapp 13,2 %. In methodischer Hinsicht ist es bedauerlich, dass der Anteil der Bekanntmachungen z. B. durch Hebammen oder PädiaterInnen nicht einzeln ausgewiesen ist. Darüber, wie hoch der Anteil der ÄrztInnen an diesen Bekanntmachungen ist, kann nur spekuliert werden. Dass die Zahl der Bekanntmachungen aus dem Gesundheitsbereich im ersten Lebensjahr der Kinder etwa 3,4 mal höher ist als die Anzahl Bekanntmachungen im zweiten und dritten Lebensjahr, spricht tendenziell dafür, dass zumindest ein Teil der Bekanntmachungen von AkteurInnen kommt, die im ersten Lebensjahr Kontakt mit der Familie haben und in den weiteren Lebensjahren

39 39 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen nicht mehr. Dies trifft vor allem für Hebammen (und Geburtskliniken) zu. Unabhängig davon sprechen die Zahlen dafür, dass alleine der quantitative Anteil der PädiaterInnen an den Bekanntmachungen von Kindeswohlgefährdungen nicht so außerordentlich hoch ist, dass er ihre überaus einflussreiche und exponierte Stellung im Diskurs über Kindeswohlgefährdung rechtfertigen würde. Doch möglicherweise ist die Rolle der AkteurInnen des Gesundheitswesens gar nicht so sehr in ihrem quantitativen, sondern vielmehr in ihrem qualitativen Beitrag zu sehen. Geht man davon aus, dass die Ergebnisse von Gefährdungseinschätzungen nach 8a Absatz 1 SGB VIII einigermaßen stimmig sind, lassen sich aus der Statistik zumindest grobe Hinweise über die Qualität der Bekanntmachungen von Kindeswohlgefährdungen entnehmen. Denn es lässt sich berechnen, wie hoch der Anteil an Bekanntmachungen ist, die sich im Ergebnis als akute oder latente Kindeswohlgefährdungen darstellen. Von den Bekanntmachungen aus den Feldern des Gesundheitswesens für bis 3-Jährige, stellten sich knapp 41,5 % im Ergebnis als akute oder latente Kindeswohlgefährdungen heraus. Dafür, dass z. T. argumentiert wird, die Verschwiegenheitsverpflichtung lege den MedizinerInnen enge Fesseln an und der besondere medizinische Ethos würde ÄrztInnnen in Gegensatz zu pädagogischen Institutionen dazu verpflichten, Bekanntmachungen von Kindeswohlgefährdungen nicht leichtfertig zu unternehmen, ist dies ein bemerkenswerter Wert. Zum Vergleich: Von den Bekanntmachungen für dieselbe Altersgruppe aus Kindertageseinrichtungen fanden sich in 40,2 % akute oder latente Kindeswohlgefährdungen, von denen aus Beratungsstellen in 41,4 % von denen des Sozialen Dienstes in 51,5 %, von denen anderer Dienste und Einrichtungen der Erziehungshilfen 64,9 %. Eine besondere Qualität der Bekanntmachungen durch AkteurInnen aus dem Gesundheitswesen ist zumindest den Daten der Bundesstatistik nicht zu entnehmen. Mit Blick auf alle jungen Menschen unter 18-Jahren lag der Anteil von Gefährdungsmeldungen aus dem Gesundheitswesen, die sich im Ergebnis tatsächlich als akute oder latente Kindeswohlgefährdungen herausstellten, bei 37,5 %. Das ist deutlich weniger als der Anteil von akuten oder latenten Kindeswohlgefährdungen der Bekanntmachungen aus der Schule (45,8 %, wobei auch die Summe der Meldungen der Schule die des Gesundheitswesens deutlich übersteigt), aus Kindestageseinrichtungen (45,2 %), aus dem ASD (53,2 %) oder aus anderen Diensten und Einrichtungen der Erziehungshilfen (62,2 %). Die Trefferquote aus dem Gesundheitswesen gehört insgesamt zu den niedrigsten aller Institutionen, sie liegt etwa auf dem Niveau der Bekanntmachungen der justiznahen Dienste (34,2 %). Ein verbreitetes Argument lautet, dass PädiaterInnen eine besondere Kompetenz hätten, um körperliche Merkmale von Kindeswohlgefährdung festzustellen, die andere Institutionen nicht erfassen könnten. Dieses Argument ist zunächst durchaus plausibel. Bemerkenswerterweise liegt bei jungen Menschen, bei denen als Ergebnis einer Gefährdungseinschätzung eine akuten Kindeswohlgefährdung festgestellt wurde, der Anteil von Bekanntmachungen aus dem Gesundheitswesen, der sich auf Anzeichen körperlicher Misshandlung bezog, bei knapp 30,3 %. Bei allen Gefährdungsmeldung im Falle von jungen Menschen mit einer akuten Kindeswohlgefährdung lag der Anteil der Bekanntmachungen, der sich auf Anzeichen körperlicher Misshandlung gründete, mit 29,6 % nur unwesentlich niedriger. Dies legt gleichermaßen nahe, dass sich AkteurInnen aus dem Gesundheitswesen offensichtlich nicht häufiger oder seltener auf psychosoziale Aspekte der Vernachlässigung beziehen als andere bekanntmachende Institutionen. Anders formuliert: Die quantitative Bedeutung des Gesundheitswesens ist insgesamt überschaubar - zumindest nicht außerordentlich hoch und die oft unterstellte besondere Expertise mit Blick auf somatische Formen der Kindeswohlgefährdung im Gesundheitsbereich findet zumindest in den statistischen Befunden keinen erkennbaren Niederschlag. 2. Sozialraumorientierung Als eine nicht zuletzt vor Hintergrund steigenden Fallzahlen viel diskutierte Möglichkeit eine fachliche Fixierung auf den einzelnen Fall zu vermeiden und vorhandene Personalressourcen dadurch effizienter einzusetzen, dass man versucht zu Lebensbedingungen [zu] gestalten statt Menschen [zu] verändern (Hinte/ Treeß 2007: 34), wird in der sog. Sozialraumorientierung gesehen. Verbunden mit einem Fokus auf das Feld statt auf den Fall ist ein umfassendes Präventionsversprechen, das nahezu paradigmatisch z. B. durch das National Advisory Board (NAB 2014) zum Social Impact Investment ausgeführt wird. Prävention, so die Grundannahme im Abschlussbericht des NAB (2014: 15) erfolge insbesondere durch sogenannte fallunspezifische Arbeit. Durch Prävention werden einzelne Leistungen oder auch das gesamte System von Leistungen und Maßnahmen so angelegt, dass eine Verschlimmerung von Problemlagen vermieden und somit die Inanspruchnahme weiterer Leistungen überflüssig wird, beziehungsweise ein Übergang in aufwendigere Versorgungsformen vermieden oder hinausgezögert werden kann. Hierzu gehören beispielsweise Leistungen/ Maßnahmen für mehrere Personenkategorien im Sozialraum, Maßnahmen der Koordination, Moderation und

40 40 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Steuerung von Netzwerken oder Maßnahmen, die unterschiedliche Rechtsbereiche und Budgets tangieren. Prävention kann in vielen Fällen jedoch nur durch neuartige Leistungserbringung erfolgen, die sich über die Grenzen historisch gewachsener Trennlinien zwischen Kostenträgern, Ministerien und Verwaltungsebenen hinwegsetzt. [ Allerdings sei] die Weiterentwicklung der Sozialwirtschaft hin zu einem auf Prävention ausgerichteten System durch die Unterfinanzierung dieser fallunspezifischen Maßnahmen/Leistungen eingeengt. Eine Sozialraumorientierung verspricht dieses tatsächliche oder vermeintliche Präventionsdefizit auszugleichen. Die Versprechungen einer Sozialraumraumorientierung werden in den folgenden Kapiteln einer kritischen Prüfung unterzogen. Es ist per se weder zu bestreiten, dass in soziale Räumen ein Potenzial liegen kann, dass zur Verbesserung der Lebenslagen von jungen Menschen und ihren Familien genutzt werden kann, noch, dass dieses Potenzial ggf. wenig genutzt wird. Gleichwohl ist eine Sozialraumphilosophie, die weniger den einzelnen Fall (im Feld) in den Blick nimmt, sondern gemäß der Prämisse vom Fall zum Feld im Sinne eines zielgruppen- und bereichsübergreifender Ansatz[es] (Hinte et al. 2003: 30), den Sozialraum als Fall fokussiert in vielerlei Hinsicht problematisch. Die Alternative, statt den Einzelfall zu bearbeiten, die Lebensbedingungen [im Sozialraum] so zu gestalten, dass Menschen dort entsprechend ihren Bedürfnissen zufriedener leben können (Hinte/Treeß: 2007: 3) überzeugt bereits mit Blick auf die Zielgröße, die subjektive Zufriedenheit der BewohnerInnen des Sozialraums, nicht. Wie es Reinhard Wiesner (2012) formuliert, zielt die Kinder- und Jugendhilfe nicht auf die Zufriedenheit ihrer Kunden, sondern auf die verantwortliche Ausübung der Elternschaft. Ihnen, nicht dem Sozialraum ist nach unserer Verfassung die Verantwortung für das Wohl des Kindes aufgetragen. Nichtsdestoweniger stellt sich die Frage, inwiefern der Sozialraum eine sinnvolle Einheit ist, um dem gesetzlichen Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe zu entsprechen. Sieht man von Erfahrungsberichten und Wirkungsversprechungen jener AkteurInnen ab, die Sozialraumkonzepte entwickeln und vermarkten, finden sich in Deutschland keine belastbaren Studien, die eine fachliche oder wirkungsbezogene Überlegenheit oder Unterlegenheit einer am Sozialraum statt am Einzelfall ansetzenden Strategie belegen würden. Sofern es bei der Sozialraumorientierung nicht um Prozesse der Raumeinteilung für die Sozial- und Jugendhilfeplanung und nicht um die (rechtlich problematische) Einführung von Sozialraumbugets und (quasi-monopolitischen) Schwerpunktträgern in einer definierten gebietsförmigen Einheit geht, ist nicht einfach zu bestimmen, was Sozialraumorientierung in fachlicher Hinsicht sein soll. Der Befund von Johannes Münder (2001: 12), dass die Tatsache, dass keinerlei grundliegenden Einwände gegen die fachliche Bedeutung der Sozialraumorientierung vorgebracht werden [ ] möglicherweise damit zu tun hat, dass der Begriff so breit ist, dass er unterschiedliche Theoriekonzepte und aktuelle Diskussionen aufnehmen kann, scheint nach wie vor gültig. Tatsächlich ist der Begriff der Sozialraumorientierung in einem hohen Maße ein polyvalenter Catch-All-Begriff, in dem unterschiedlichste Vorstellungen Raum finden, die vom Aufgreifen alter Ansätze der Gemeinwesenarbeit bis zu KGSt konzipierten Sozialraumbudgetierung [ ] reichen (Grohs 2007: 250) Das Versprechen durch eine Sozialraumorientierung die Spezialisierung und Versäulung der erzieherischen Hilfen aufzubrechen und die Hilfebewilligung einfacher und flexibler vor Ort zu organisieren, ist ein erhoffter Effekt einer sozialräumlichen Steuerung (der mit der Einführung von Sozialraumbudgets und lokaler Schwerpunktträgern verbunden wird). Allerdings ist weder die Kritik der Versäulung, noch das Bemühen um flexibilisierte Hilfeformate notwendig mit einer solchen sozialräumlichen Orientierung verknüpft (dazu Dahme/Wohlfahrt 2015). Doch worin besteht der spezifische fachliche Aspekt einer Sozialraumorientierung, oder anders formuliert, was zeichnet sozialraumorientiere Ansätze gegenüber Ansätzen aus, die wie auch immer nicht sozialräumlich orientiert sind? Elemente wie eine Orientierung am Willen der Menschen oder Unterstützung von Eigeninitiative und Selbsthilfe sind mehr oder weniger überzeugende 61 fachliche Selbstbeschreibungen, die sich so (oder ähnlich) keinesfalls nur in sozialräumlichen Konzepten, sondern auch in anderen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und selbst in psychiatrischen Anstalten finden davon, dass diese Elemente mit traditionellen professionellen Selbstverständnissen in der Kinder- und Jugendhilfe im allgemeinen korrespondieren, ganz zu schweigen. Analytisch überzeugt es daher wenig, in dieser Weise eine Differenz zwischen einer Kinder- und Jugendhilfe zu ziehen, die (wie auch immer) sozialräumlich orientiert und einer Kinder- und Jugendhilfe, die (wie auch immer) nicht sozialräumlich orientiert ist. Auch Prinzipien der Netzwerkarbeit, Versuche einer bedarfsgerechten Verzahnung von Angeboten und Kategorien wie Empowerment, Hilfe zur Selbsthilfe, Prävention und Aktivierung von lebensweltlichen Ressourcen spielen in sozialräumlichen Konzeptionen sicherlich eine bedeutsame Rolle. Aber auch sie sind keinesfalls auf eine sozialräumliche Orientierung in der Kinder- und Jugendhilfe beschränkt, sondern Merkmale einer Vielzahl von Ansätzen. Klar konturiert finden sie sich in jener 61 Zur problematischen Frage der Orientierung am Willen der Menschen vgl. z. B. Oelkers/Schrödter 2007, Ziegler 2013

41 41 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Lebensweltorientierung wieder, die die Entwicklung des SGB VIII fachlich maßgeblich strukturiert hat. Es ist daher folgerichtig, dass sich einige Formen der Sozialraumorientierung, wie sie z. B. von Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGFH) befürwortet werden, konzeptionell explizit als eine Variante lebensweltorientierter Hilfen verstehen. Sie heben hervor, dass es darum ginge den (Einzel-)Fall im Feld [zu] kontextualisier[en und] eine systematische Berücksichtigung der Ressourcen, Potenziale und Belastungen der Herkunftsmilieus in der Fallrekonstruktion und Hilfeplanung (IGFH 2013: 32) voranzutreiben. Damit wird eine Sozialraumorientierung beschrieben, die im Wesentlichen ein zentrales Moment des fachlichen (wenngleich auch nicht immer des praktischen) State of the Art einer qualitativ hochwertigen Einzelfallarbeit hervorhebt. Allerdings scheint eine sozialräumliche Orientierung in der Regel etwas anderes zu beschreiben als eine praktische-konzeptionelle Anwendung des im Wesentlichen pädagogischen Programms einer lebenswelt- und d. h. einer einzelfall- bzw. subjektorientierten Kinder- und Jugendhilfe (zur Subjektorientierung vgl. Scherr 1997). In fachlicher Hinsicht scheint es ein Spezifikum zu geben, dass die sozialräumliche Orientierung (vielleicht zusammen mit der Gemeinwesenarbeit) von Formen der Kinder- und Jugendhilfe unterscheidet, die nicht sozialräumlich sind. Dieses Spezifikum besteht in der Konstruktion dessen, was der Fall ist. Der sozialräumliche Fallbezug ist keinesfalls ein Gegenstück zu einer reaktiv-kompensatorisch[en] Einzelfallorientierung (Müller et al. 1983: 143) bzw. einer Perspektive, die Problemlagen als Ausdruck individuellen Versagens interpretiert. Eine atomistische, soziale Problemlagen individualisierende Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe ist spätestens seit den 1960er Jahren Gegenstand einer umfassenden fachlichen Kritik gewesen und wird z. B. in 27 Abs. 2 SGB VIII explizit thematisiert, wenn es heißt, dass die am erzieherischen Bedarf im Einzelfall orientierten und auf sozialpädagogische Zielsetzungen gerichteten HzE das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbeziehen sollen. Man kann darüber streiten, ob dieser Absatz im SGB VIII ein Verdienst der Sozialraumorientierung ist, kaum zu bestreiten ist es aber, dass es kaum eine professionelle, sozialpädagogisch fundierte und durch das SGB VIII in bestehender Form sanktionierte Form der Einzelfallhilfe gibt, zu deren methodischen Prämissen es gehören würde, die sozialen Kontexte, in die ihre KlientInnen eingebunden sind, nicht zu berücksichtigen. Wie Idit Weiss-Gal nachzeichnet, ist eine der wenigen Fall- und Problemdeutungen, die in verschiedensten internationalen Kontexten und Wohlfahrtsregimen unabhängig von konzeptionellen community- oder area-approaches als gemeinsame konzeptionelle Perspektive der Sozialen Arbeit rekonstruiert werden kann, eine person in environment perspective (vgl. Weiss 2003; Weiss-Gal/Gal 2008): Die moderne Soziale Arbeit scheint sich generell als eine Profession zu verstehen, die ihre KlientInnen in ihren lebensweltlichen Bezügen adressiert. Mit der Frage, ob sich die Unterstützungsleistungen als einzelfallbezogene oder sozialräumlich orientierte Hilfen konzeptualisiert sind, hat dies systematisch wenig zu tun. Der Unterschied zwischen sozialräumlichen und einzelfallorientierten Ansätzen besteht auch nicht in dem Ausmaß, in dem jene Problemlagen, Ungleichheiten oder Formen von Leid, die sie bearbeitet methodologisch individualistisch interpretiert werden oder nicht. In einer Untersuchung von Mohr und Ziegler (2013) mit mehr als 2000 MitarbeiterInnen in über 50 Einrichtungen fanden sich individualisierende Verantwortungszuschreibungen an AdressatInnen in Einrichtungen, die sich als sozialräumlich orientiert beschreiben nicht seltener, als in Einrichtungen die sich nicht als sozialräumlich orientiert beschreiben. Es geht also nicht darum, dass einzelfallorientierte Hilfen die soziale Kontexte von AdressatInnen ignorieren, sondern darum, dass sich sozialräumliche Strategien ihrem Anspruch nach ganzheitlich auf den Stadtteil und nicht pädagogisch auf einzelne Individuen richtet (Oelschlägel 2001: 653). Entsprechend ist es überzeugend, wenn der 14. Kinder- und Jugendbericht (BMFSFJ 2013: 357) argumentiert, dass die Diskussion um sozialräumliches Handeln [ ] eine Kritik an vermeintlich weniger effektiven und/oder weniger effizienten auf den Einzelfall bezogenen Hilfen enthalte. Sozialraumorientierung steht im Wesentlichen für den Versuch, lokale Lebensbedingungen [zu] gestalten statt Menschen [zu] verändern (Hinte/Treeß 2007: 34). Dabei soll der Einzelfall seine zentrale Bedeutung zugunsten des ihn tragenden sozialen Raums (Hinte 2004: 59) verlieren. Die AdressatIn sozialräumlicher Strategien ist nicht die einzelne hilfebedürftige AkteurIn, die ziel- oder problemgruppenspezifisch bearbeitet werden soll, sondern der zielgruppenübergreifende lokale Raum. Im Anschluss an politisch-ökonomische und gesellschaftstheoretische Perspektiven haben einige TheoretikerInnen der Sozialen Arbeit erörtert, wie dieser Raum jenseits von territorialen Fixierungen zu konzeptualisieren wäre. Dass Räume materielle und symbolische Einheiten sind, die für einzelne und Gruppen als Handlungs- und für politische Programmatiken als Regulationssystem fungieren, die je nach Akteursgruppen sehr verschiedene Bedeutungen aufweisen und die als anzueignende Räume (in denen unterschiedliche Bedürfnisse potenziell befriedigt werden können) diffuse und im Wesentlichen subjektiv bestimmte Grenzen haben, kann in raumtheoretischen Debatten als Common-Sense gelten. Für die Mehrzahl der Konzepte einer Sozialraumorientierung in der derzeitigen Form scheinen diese Überlegungen aber eher zweitrangig zu sein. Der

42 42 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Sozialraumorientierung in der Kinder- und Jugendhilfe geht es in der Regel um etwas anderes. Es geht explizit um geografisch bzw. territorial fixierte Einheiten, nämlich um einzelne Stadtteile, Kieze oder Quartiere. Das Englische kann diese Differenz verdeutlichen: Die dominante Form Sozialraumorientierung hat wenig mit dem tun, was die komplexen interdisziplinären Debatten um einen social space nahelegen, sondern entsprechen in einem hohen Maße dem was international als area approaches thematisiert wird. Eine Gemeinsamkeit dieser area approaches in Westeuropa und Nordamerika besteht in der Regel darin, bessere Leistungen zu niedrigeren Kosten zu erbringen. Es kann nun nicht unterstellt werden, dass sich Ansätze, die das Spannungsverhältnis zwischen sozialraumorientierten und subjektbezogenen Ansätzen so auflösen, dass sie sich auf den Stadtteil statt auf einzelne Individuen richten, in der Kinder- und Jugendhilfe in nennenswerten Umfang praktisch durchgesetzt haben (zu den Problemen bereits: Böllert et al. 2004). Denn es überzeugt durchaus, wenn Reinhard Wieser (2012: 3) betont dass eine Arbeit, die sich von dem Ziel verabschiedet, die Handlungskompetenzen von Menschen zu verbessern und ihr Verhalten zu ändern [ ] den basalen Zielen der Kinder-und Jugendhilfe nicht gerecht wird. Ein Vorrang des (Stadtteil-)Raums vor dem Einzelfall würde aber nicht nur nahe legen, dass Kinder- und Jugendhilfe nunmehr auf nahräumlicher Ebene verhältnis- statt verhaltensverändernd (Sandermann/Urban 2007) agiert. Vielmehr legt dieser Vorrang eine veränderte Zielorientierung der Kinder- und Jugendhilfe nahe. Denn selbst wenn Verbesserungen in einem Stadtteil, der Lebenssituation der BewohnerInnen dieses Stadtteils zu Gute kommen können, ist die Stabilisierung eines Sozialraums gemeint ist in der Regel ein benachteiligter Stadtteil etwas anderes, als soziale Ungleichheit abzubauen oder Handlungschancen für benachteiligte Menschen zu eröffnen (vgl. Cheshire 2007, Landhäußer 2009). Auf der Basis des derzeitigen Standes der internationalen empirischen Forschung wird, pointiert formuliert, davon ausgegangen, dass die so genannten area approaches zwar angemessene für gebietsbezogene Probleme sind, es bestehen aber Zweifel daran, ob die zentralen Problemlagen der individuellen KlientInnen der Kinder- und Jugendhilfe typischerweise zu diesen gebietsspezifischen Problemen gehören. Zu klären wäre, was Problemlagen von Adressatinnen der Kinder- und Jugendhilfe, bzw. von BewohnerInnen eines Stadtteils ursächlich mit dem Stadtteil zu tun haben (könnten). Dass dies der Fall sei, wird in der Regel insbesondere bei sog. benachteiligten Stadtteilen vermutet. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass z. B. in den 15 größten Großstädten in Deutschland zwischen 1990 und 2005 die Zahl der Stadtteile mit mehr als 10 % Armen um 23 % zugenommen hat (vgl. Friedrichs 2013: 15), wird argumentiert, dass sich marginalisierte oder sozial entkoppelte Bevölkerungsgruppen zunehmend in spezifischen kleinräumigen Arealen (Stadtteilen, Quartieren, Nachbarschaften oder Straßenzügen) wieder finden würden. Diese Areale seien durch die Kumulierung sozialer Ungleichheitsfaktoren gekennzeichnet und drohen sich in ghettoartige Milieus der Armut zu wandeln. Entsprechend gehe es wie etwa im Kontext des Programms Soziale Stadt argumentiert wurde darum, das Entstehen oder die Verfestigung von Belastungen und Benachteiligungen [ ] verhindern, die aus einer spezifischen Stadtstruktur resultieren, aus einem gebietlichen Substandard, der mit Verwahrlosung, Stigmatisierung und Unsicherheit gekoppelt ist (Becker/Löhr 2000: 25). Entscheidend ist, ob und in welchem Ausmaß es zutrifft, dass das Leben in benachteiligten Stadtteilen zu zusätzlichen Belastungen von benachteiligter Menschen führt. Dabei ist eine sozialräumliche Orientierung von der gleichen Kernfrage berührt, wie die Quartierspolitik insgesamt. Quartierspolitik, so führt etwa Hartmut Häußermann (2003: 153f) aus, beruht auf der Annahme, dass es Schwellenwerte im Zustand von Quartieren gibt, deren Überschreitung eine Rechtfertigung für Intervention liefert sonst müsste man überall eingreifen, wo es überhaupt Armut gibt. Eine Politik zur Verbesserung der Situation von Quartieren würde, wenn diese Annahme stimmt, tatsächlich einen Weg darstellen, die Benachteiligung von Individuen zu verringern. Dies könnte vom Augenschein her bezweifelt werden, wenn man die große Zahl von Armen betrachtet, die in nicht besonders benachteiligten Quartieren leben. Um gebietsbezogene Interventionen rechtfertigen zu können, muss es also eine Evidenz dafür geben, dass individuelle soziale und ökonomische Chancen (z. B. im Bildungswesen, auf dem Arbeitsmarkt oder in der Armut) durch das Leben in einem bestimmten Quartier beeinflusst werden, d. h. dass Quartierspolitik auch Verbesserungen der individuellen Lage bewirken kann. Obwohl es derzeit in Deutschland an empirischen Untersuchungen benachteiligter Gebiete anhand von Panel-Daten, die z. B. den Gebietseinfluss auf die Entwicklung von Armut auf der individuellen Ebene valide beschreiben könnten, mangelt (dazu Friedrichs 2013), ist diese Frage in einigen nationalen und zahlreichen internationalen Untersuchungen durchaus Gegenstand gewesen. Etwa im Bereich der medizinischen Versorgungsforschung finden sich international eine Reihe von Forschungen, die insgesamt einen moderaten Effekt von sozialräumlichen (insbesondere infrastrukturellen) Charakteristika auf den Gesundheitsstatus bzw. das gesundheitsbezogene Verhalten der BewohnerInnen nahelegen (vgl. Auchincloss et al. 2008, Bissonnette et al. 2012, Monnet et al. 2008, Rodríguez, et al. 2008, Witten et al. 2003). Kirby und Kaneda (2006: 147) weisen

43 43 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen diesbezüglich für die USA einen in der Effektstärke moderaten räumlichen Moderatoreneffekt nach: [ L] iving in disadvantaged neighborhoods reduces the likelihood of having an usual source of care and of obtaining recommended preventive services, while it increases the likelihood of having unmet medical need. Bemerkenswerterweise gilt dieser benachteiligende Ortseffekt in erster Line aber nicht für benachteiligte, sondern vor allem für relativ privilegierte AkteurInnen. So präzisiert Kirby (2008: 325) seine Ergebnisse in der Form, that the negative relationship between the prevalence of poverty in communities and access to health care is much stronger for middle- and high-income individuals than for those in lower-income groups 62. Insgesamt legen v. a. US-amerikanische Studien nahe, dass der statistisch eher geringe benachteiligende Ortseffekt auf Gesundheitssituationen und -verhalten vor allem auf infrastrukturelle Faktoren sowie Stigmatisierungsprozesse zurückführen sei. Ob diese Ergebnisse auch auf Deutschland zu übertragen sind ist jedoch gerade mit Blick auf die vermuteten Wirkmechanismen fraglich. Relativ verbreitet sind Analysen zu Gebietseffekten im Kontext von kriminologischen Studien (dazu z. B. Oberwittler et al. 2011, Oberwittler et al. 2013, Sampson et al. 2002). Diese Studien legen insgesamt nahe, dass der sozialökologische Kontext einen erkennbaren, eigenständigen Erklärungswert für Begründungen von Delinquenz aufweist, der über eine Addition sozioökonomischer und inkorporierter Merkmale der einzelnen Bewohner hinausweist. In Bezug auf die Delinquenz von Jugendlichen und Heranwachsenden bewegt sich die zusätzliche Varianzaufklärung bei einer Einbeziehung der Stadtteilebene allerdings in der Regel im einstelligen Prozentbereich (für die von Erwachsenen ist sie noch geringer). Gerade mit Blick auf das für die Kinder- und Jugendhilfe primäre Interesse des Aufwachsens junger Menschen sollte der sozialökologische Effekt des Wohnquartiers demnach nicht unter- aber eben auch nicht überschätzt werden. Allerdings weisen die Studien darauf hin, dass eine Gleichsetzung von Wohnquartier und Lebenswelt in die Irre führe. So steht etwa bereits die Annahme, dass Jugendliche ihre Peers (aber auch Freizeitorte) ausschließlich oder auch nur überwiegend innerhalb des eigenen Wohnquartiers hätten auch in benachteiligten Stadtteilen auf empirisch wackeligen Beinen (vgl. Harding 2010, Oberwittler 2004). Dass der geografische Ort eines Stadtteils zugleich die maßgebliche Lebens- und Beziehungswelt von (jungen) Menschen beschreibt, ist zwar nicht ausgeschlossen, scheint aber empirisch eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Realitätsgerechter ist die Annahme, dass 62 Zu Ortseffekten für privilegierte AkteurInnen in benachteiligten Sozialräumen vgl. auch Landhäußer (2009). sich die Lebenswelt junger Menschen auf deutlich mehr als einen territorialen Sozialraum verteilt. So fasst z. B. Volkmann (2012: 78) die Ergebnisse zentraler Studien zu Quartierseffekten so zusammen, dass die Netzwerke und Freundeskreise der BewohnerInnen benachteiligter Quartiere [ ] für die meisten Bewohnergruppen nicht vorwiegend im eigenen Wohnquartier verortet [ sind]. Von einer generellen Übereinstimmung von Sozialraum und Quartier kann aufgrund der analysierten Studien jedenfalls nicht ausgegangen werden. Damit sind zentrale Annahmen der Quartierspolitik über die Wirkung, Struktur und Potenziale von sozialräumlicher Nachbarschaft stark infrage gestellt 63. Für die Kinder- und Jugendhilfe stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob für den Auftrag, bei den HzE das (engere) soziale Umfeld der jungen Menschen und ihrer Familien einzubeziehen, ein Rekurs auf einen territorial definierten Stadtteil zielführend ist. Damit verbunden ist die Frage, warum ein Fokus auf Ressourcen in der Debatte um eine Sozialraumorientierung nahezu mantraförmig eingefordert aber häufig ohne erkennbare fachlich-rationale Begründung zugleich dadurch beschränkt wird, dass es um die Ressourcen gehen soll, die sich im Sozialraum finden 64. Einer ressourcenorientierten (Einzel-)Fallarbeit geht es der programmatischen Logik nach darum, ob Ressourcen und Unterstützungen für den jeweiligen jungen Menschen bzw. dessen Personensorgeberechtigten angemessen, zugänglich und nutzbar sind, während sich in den programmatischen Logiken der Sozialraumorientierung ein unverkennbarer Fokus darauf findet, wo diese Ressourcen sind, bzw. ob sich im Sozialraum (= Stadtteil) solcherlei Ressourcen finden. Dies mag im Einzelnen ggf. praktisch deckungsgleich sein, programmatisch handelt es sich jedoch um unterschiedliche Logiken, wobei 63 Auch Friedrichs (1998) fasst die internationalen Forschungen mit dem Ergebnis zusammen, dass die Nachbarschaft Allgemeinen keinen besonderen Einfluss auf die Reichweite und die Komposition von sozialen Verkehrskreisen, sprich Freunde, Bekannte, Kollegen und Verwandte hat. 64 In diesem Kontext kritisieren Dahme und Wohlfahrt (2015: 113) den Fokus auf die verstärkte Nutzung vorhandener Regeleinrichtungen [und] die Aktivierung vorhandener Ressourcen und der Hilfe zur Selbsthilfe, die im Gegensatz zu einem Fokus auf die Beseitigung von Defiziten der verfügbaren sozialen Infrastruktur, zu einer Programmatik zu passen scheint, die primär dem Zweck der Eindämmung steigender Kosten in den Einzelfallhilfen dient.

44 44 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen zumindest strittig ist, ob die sozialräumliche Logik hier eine höhere fachliche Rationalität aufweist 65. Hinsichtlich der sozialökologischen Effekte des Wohnquartiers wird kaum bestritten, dass Wohnquartiere nicht der einzige (außerfamiliale) sozialräumliche Kontext sind. Es finden sich aber gewichtige empirische Zweifel daran, ob Wohnquartiere einen prioritären sozialökologischen Kontext darstellen. So hat insbesondere in europäischen Studien der gerade in Deutschland nicht unter den Kontext des Wohnquartiers subsumierbare sozialräumliche Kontext Schule (moderate) Effekte auf der Verhaltensebene. Sogenannte kreuzklassifizierte Mehrebenenanalysen, die es erlauben die Einflüsse von Wohnquartieren und Schulen (gemeint sind nicht Schulformen, sondern schulische Einrichtungen als Sozialräume ) gleichzeitig zu erfassen und gegeneinander zu berechnen, legen nahe, dass Schulkontexteffekte in der Regel stärker sind als Quartierseffekte, bzw. die Schulkontexte z. T. alleine die Effekte hervorbringen, während die vermeintlichen Quartierseffekte regressionsanalytisch völlig verschwinden. In einer Studie von Oberwittler (2007) in Köln und Freiburg war z. B. der Effekt der Konzentration sozialer Benachteiligungen auf schwere Delinquenz auf der Schulebene ca. doppelt so stark wie der simultan berücksichtigte entsprechende Effekt auf der Wohnquartiersebene (Oberwittler 2013: 70). Bezüglich der Frage, welche Mechanismen den Quartierseffekte auf abweichendes Verhalten zugrunde liegen, sprechen insbesondere die Studien von Robert Sampson und seinen Kollegen dafür, dass das Ausmaß an collective efficacy (d. h. die auf Vertrauen und Verbundenheit basierende Bereitschaft zum kollektiven Handeln) ein entscheidendes Element sei, das gebietsspezifische Einflüsse erklärt (für eine breite sozialpädagogische Debatte vgl. Ziegler 2003). Die gebietsbezogene Varianz der kollektiven Wirksamkeit erklärt sich in den US-amerikanischen Studien zu etwa 70 % aus drei wesentlichen strukturellen Stratifikationscharakteristika städtischer Nachbarschaften: concentrated disadvantages, immigration concentration and residental stability (Sampson et al 1997: 923, vgl. Forrest/Kearns 2001, 65 Für sozialräumliche Strategien dürfte darüber hinaus der Befund einer vergleichsweise groß angelegten Studie von Oberwittler (2004) irritierend sein, dass ein Effekt des Wohngebiets auf Gewalt und abweichendes Verhalten (in der Form, dass das Leben in einem benachteiligten Gebiet ceteris paribus die Wahrscheinlichkeit von Kriminalität erhöht) faktisch nur für Jugendliche festgestellt werden kann, deren Freundeskreise und Freizeitorte innerhalb des Wohnquartiers lokalisiert sind. Ob dies so ist, steht empirisch in einem hohen Maße damit im Zusammenhang [ ], ob sie sich in ihrem Stadtviertel wohl fühlten oder nicht (Oberwittler 2013: 65, vgl. Arum 2000). Es ist ohne Zweifel begrüßenswert, wenn sich junge Menschen in ihrem Stadtteil wohlfühlen, gleichwohl stellt sich die Frage, ob eine sozialräumliche Soziale Arbeit, die genau hierzu einen Beitrag leisten möchte, nicht als negative Externalität dazu beitragen könnte, dass sich dass der Kontexteffekt eines benachteiligten Quartiers auf die Verhaltensebene eher stärker auswirkt. Ein solcher Zusammenhäng lässt sich auf Basis vorliegender Studien nicht belegen die Studien legen aber nahe, dass es sich lohnen könnte, dieser Frage nachzugehen. Peterson et al. 2000, South/Baumer 2000). Forrest und Kearns (2001) zeigen ferner, dass das Ausmaß an home ownership einen eigenständigen Einfluss auf die collective efficacy 66 hat. Sampson selbst verweist darauf, dass die kollektive Wirksamkeit vor allem durch socioeconomic and housing factors linked with the wider political economy strukturiert (Sampson et al 1997: 923, vgl. Sampson et al 2002) und lokalen area approaches mithin weitgehend entzogen sei. Dies deckt sich im Wesentlichen mit den im sog. Sherman-Report dokumentierten Ergebnissen, die bezüglich sozialarbeiterischer Area-Ansätze oder Strategien der Gemeinwesenmobilisierung in benachteiligten Gebieten von virtually no evidence berichten, that the programs attempted to date have achieved an impact on crime (Sherman 1997: 3). Robuste Nachweise von Gebietseffekten sind in Studien zu Armut und sozialer Benachteiligung (noch) seltener zu finden als in kriminologischen Studien. Die internationalen Befunde zu Gebietseffekten auf Armut sind heterogen und widersprüchlich. Sie variieren mit unterschiedlichen methodischen Anlagen der Studien, der Frage wie kleinräumig sie angelegt sind und mit der Spezifität der Zielgruppen, die die Studien in den Blick nehmen. So scheinen sich bei einigen Subgruppen vergleichsweise klare Gebietseffekte zu finden, bei anderen ist dies kaum oder gar nicht der Fall (dazu Oberwittler 2013). Generell zeichnet z. B. McCulloch (2001) nach, dass sich tatsächlich nennenswerte Gebietseffekte vor allem in methodisch relativ schwachen Studien finden, die es versäumen, gebietsunabhängige individuelle Charakteristika oder institutionelle Einflüsse methodisch angemessen zu erfassen und zu kontrollieren. Lässt man diese gewichtigen Einwände bei Seite, finden sich in der Gesamtschau zwar tendenziell Hinweise darauf, dass arme Gebiete die Armen ärmer machen (Friedrich 2013: 36), sich diese Effekte aber keinesfalls durchgängig finden und insgesamt verglichen mit den starken Effekten der individuellen Merkmale der Bewohner und deren früheren Erfahrungen von Armut (Friedrich 2013: 36) sehr gering sind. Wie Jürgen Friedrichs den State of the Art der entsprechenden internationalen Forschungen resümiert: The general evidence presented on neighbourhood effects indicates low or negligible effects; most context effects can be explained by either individual or institutional effects (Friedrichs 1998: 93, vgl. Brannstrom 2004, Musterd 2006) Local organizations und voluntary associations haben demgenüber nahe keine Verbindung zu Kriminalität und Gewalt (vgl. Forrest und Kearns 2001). 67 Eine von der Joseph Rowntree Foundation geförderte Überblicksarbeit der London School of Economics unterstreicht dieses Ergebnis: Evidence of any significant [ ] negative effects of living in deprived neighbourhoods (compared to the fact of poverty and the features which tend to make someone poor in the first place) is very elusive (Cheshire 2007: 34)

45 45 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Darüber hinaus sind Gebietseffekte in Studien zu europäischen Städten in der Regel deutlich weniger ausgeprägt als in US amerikanischen Studien. Dies wird auf die wesentlich schärfer[e] sozial[e] Ungleichheit, d[ie] Ghettoisierung von benachteiligten Bevölkerungsgruppen und d[as] niedrigeren Niveau des Wohlfahrtsstaates in den USA (Oberwittler 2013: 59) zurückgeführt. Im US-amerikanischen Kontext konnte eine quasi-experimentelle Feldstudie mit Familien im Kontext der Evaluation des Programms Moving to Opportunity for Fair Housing Demonstration Program Gebietseffekte mit Blick auf Viktimisierungen durch Devianz und unterschiedliche Aspekte psychischer Gesundheit nachweisen. Effekte mit Blick auf Beschäftigung, Einkommen und Abhängigkeit von staatlichen Leistungen fanden sich jedoch nur in einem Ausmaß unterhalb der statistischen Bedeutsamkeit (vgl. Goering et al. 2002). Ferner ist das Programm selbst ein Programm das Armen in Ghettos ermöglicht in mixed neighborhoods umzuziehen wenig positiv evaluiert worden. The impacts were quite modest and costs were considerable (Cheshire 2007: 10, ähnlich für,mixing policies in Europa: Galster 2007). In methodisch annähernd vergleichbaren Studien europäischer Städte fielen die genannten Gebietseffekte insgesamt in allen Bereichen noch geringer aus oder zeigten sich gar nicht (vgl. Bolster et al. 2007, für Kanada vgl. Oreopoulos 2003). Eine Untersuchung von Andreas Farwick (2000) zu den Auswirkungen räumlicher Segregation auf den Sozialhilfebezug gehört zu den wenigen deutschen Studien, die in einer methodisch zulässigen Weise Gebietseffekte ausmachen. Farwick argumentiert vergleichsweise vorsichtig, wenn er auf eine mehrdimensionale Benachteiligung der Armutsbevölkerung verweist, zu der möglicherweise auch ein Effekt des Wohnumfelds zu rechnen ist (Farwick 2000: 131). Als wesentlichen erklärenden Faktor für gebietsspezifisch unterschiedliche Sozialhilfebezugsdauern führt Farwick vor allem Stigmatisierungseffekte an (vgl. Farwick 2000: 171). Der Befund, dass das Leben in einem als Brennpunkt diskreditierten Wohngebiet wenn etwa von Kolonien der Ausgeschlossenen (Herriger 2006: 67) die Rede ist, oder Protagonisten sozialräumlicher Politikansätze verkünden, Kinder und Jugendliche [in sozialen Brennpunkten ] entwickeln eine,abweichende Kultur, da sie in einem Umfeld mit nur wenigen positiven Vorbildern und Repräsentanten eines,normalen Lebens den Sinn von Schule, Ausbildung und Beruf nicht mehr ausreichend vermittelt bekommen (Becker et al. 2003: 11) zu einer Stigmatisierung der BewohnerInnen beitragen kann, ist plausibel. Dieser Zusammenhang wurde z. B. in Studien von Atkinson und Kintrea (2001) in Edinburgh und Glasgow belegt. Allerdings ist fraglich, ob nun Ansätze, die städtische Areale als Problemgebiete markieren, tatsächlich zu einer Ent-Stigmatisierung des Stadtteil beitragen (dazu skeptisch: Dean/Hastings 2000, Forrest/Kearns 1999, Parry et al. 2004). Demgegenüber gibt es Hinweise darauf, dass sich Stigmatisierungen, als raumbezogene Effekte auf einer primär symbolischen Ebene, einer sozialraumorientierten Arbeit innerhalb der Stadtteile eher entziehen. Dies gilt zumal die Stigmatisierung weniger durch Prozesse innerhalb des Stadtteils hervorgebracht wird, sondern von außen kommt. So haben etwa Permentier et al. (2008) in Utrecht nachgezeichnet, dass benachteiligte Wohngebiete von ihren BewohnerInnen besser beurteilt werden, als von UtrechterInnen, die nicht in diesen Gebieten wohnen. Unbenommen solcher Stigmatisierungseffekte spricht empirisch mit Blick auf Gebietseffekte einiges für das pointierte Argument von Ton van der Pennen (1999: 83), der darauf verweist, dass Menschen in der Regel nicht arbeitslos oder arm [sind], weil sie in einem bestimmten Stadtviertel leben, sondern [ umgekehrt] in einem bestimmten Stadtviertel [leben], weil sie arbeitslos und arm sind. Wenn diese Bürger in ein anderes, besseres Viertel umziehen würden, wären sie immer noch arbeitslos und arm. Auf einer breiten Datengrundlage kommt der Ökonom Paul Cheshire (2007: 35) zu ähnlichen Ergebnissen: [T]hat the disadvantaged are concentrated in poor neighbourhoods does not demonstrate that poor neighbourhoods are a cause of disadvantage. Die Perspektive von Cheshire und van der Pennen wird auch die Ergebnisse einer schwedischen Untersuchung von Lars Brannstrom gestützt. Auf der längsschnittlichen Basis einer registerdatenbasierten Kohortenstudie von StockholmerInnen mit Blick auf das Aufwachsen von Kindern, kommt Brannstrom (2004: 2515, 2532) zu dem Befund, dass: [w]hen two groups of children who are identical according to observed factors before age 10 (including household income, family structure and welfare receipt) live in different types of neighbourhood in adolescence, the outcome for those who grow up in a poor neighbourhood is not more likely to be worse than for those who grow up in a more affluent neighbourhood [. Furthermore], growing up in a disadvantaged neighbourhood does not seem to influence individuals beliefs, desires and action opportunities to the extent that theories about neighbourhood effects suggests. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Ausmaß von Quartierseffekten von Effekten der generellen wohlfahrtsstaatlichen Politik in den unterschiedlichen Ländern abhängt. Dass insbesondere skandinavische Studien kaum einen Quartierseffekt finden, während in US amerikanischen Studien häufig ein zumindest moderater Gebietseffekt ausgemacht wird, ist ein Indiz für diese These 68. Für die meisten europäischen Gesellschaften gilt jedoch, 68 Allerdings können insbesondere schwedische Studien auf Registerdaten zurückgreifen, so dass Selektions- und andere methodische Verzerrungseffekte in diesen Studien eher kleiner sind.

46 46 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen dass Quartierseffekte eher klein sind viel kleiner als Area-Approaches dies in der Regel nahe legen. Dies impliziert aber auch, dass selbst Ansätze denen es erfolgreich gelingt, auf Sozialräume im Sinne von Stadtteilen einzuwirken, nur einen kleinen Beitrag zu einer substanziellen Veränderung der Probleme und Lebenslagen der betroffenen AkteurInnen leisten können. Ob Area-Approaches seitens sozialer Dienste einen substanziellen Beitrag zur Veränderungen jener räumlichen Charakteristika leisten, die mit Gebietseffekten zusammenhängen, ist ebenfalls eine weitgehend offene Frage. Insbesondere in den USA konnte gezeigt werden, dass defizitäre Infrastrukturen zur Benachteiligung der (armen) BewohnerInnen in armen Stadtteilen einen Beitrag leisten (vgl. Sampson et al. 2002) 69. Auch hier ist zu betonen, dass sich die soziale Infrastrukturpolitik in den USA nicht mit der in Deutschland (trotz aller Defizite im Einzelnen) vergleichen lässt. Dennoch ist die Frage der sozialen Infrastruktur in benachteiligten Gebieten eine wichtige Frage mit Blick auf sozialräumliche Strategien. In einer primär sozialpädagogisch angelegten Untersuchung mit knapp 300 Ein-Elternfamilien und Bedarfsgemeinschaften mit Kindern unter 15 Jahren im ALG II Bezug haben Ziegler et al. (2010) einer Gruppe von etwa 60 % der Befragten als BewohnerInnen eines benachteiligten statistischen Bezirks in Bielefeld, mit einer Gruppe von 40 % der Befragten verglichen, die BewohnerInnen im ALG II-Bezug eines nicht-benachteiligten statistischen Bezirks waren. Nach Kontrolle demographischer Merkmale fanden sich zunächst keine statistisch signifikanten Zusammenhänge zwischen dem Wohnort und wesentlichen Dimensionen wie positives Selbstbild, subjektives Wohlergehen, Selbstwirksamkeit, Dauer der Arbeitslosigkeit, subjektive Exklusionserfahrung, Problemlagen der Kinder etc. Auch das Ausmaß an Freundschaften und Kontakten zu Nachbarn war in den Gebieten vergleichbar, bzw. in armen Wohngebieten etwas höher. Gleichwohl hatten die Befragten in beiden Wohngebieten ihre Freunde und Bekannte mehrheitlich außerhalb ihres Wohngebiets. Aspekte der Ordnung, Sicherheit und Ruhe wurden von BewohnerInnen armer statistischer Bezirke deutlich negativer beurteilt. Demgegenüber wurde jedoch die Versorgung mit erreichbarer und als angemessen empfundener institutioneller Infrastruktur von Familien im ALG II Bezug in benachteiligten Gebieten etwas besser bewertet als in nicht-benachteiligten Gebieten dies galt insbesondere für die Bewertung der Freizeit- und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder in den jeweiligen Wohngebieten. Es ist insofern nicht ausgeschlossen, dass sich insbesondere unterstützende institutionelle Angebote, die von AkteurInnen in prekären Lebenslagen in Anspruch genommen werden, in mittleren oder gehobenen Wohngebieten eher seltener finden, als in benachteiligten Wohngebieten. Anders formuliert: Möglicherweise verfügen Arme außerhalb benachteiligter Wohngebieten über ein geringeres Ausmaß zugänglicher sozialer Infrastruktur als Arme innerhalb benachteiligter Wohngebiete 70. Hierfür spricht etwa der Befund einer britischen Studie von Cheshire (2007: 35), ein Risiko z. B. von Armen, die aus benachteiligten Gebieten wegziehen u. A. darin ausmacht, dass sie den Zugang zu local services tailored to the needs of poorer people rather than the rich verlieren. Ein weiterer Mechanismus der herangezogen wird, um zu erklären, inwiefern ein benachteiligter Sozialraum benachteiligend wirkt, sind die Netzwerkstrukturen der BewohnerInnen. Die These lautet, dass sich in diesen Gebieten ein Armutskonzentrationseffekt fände, der darin begründet liege, dass die BewohnerInnen benachteiligter Stadtteile Netzwerke mit anderen marginalisierten AkteurInnen hätten. Dieses mangelnde bzw. negative soziale Kapital sei ein eigenständiger benachteiligender Einfluss, der soziale Abwärtsspiralen in Gang setze. Auch hier legen Studien nahe, dass die Annahme, das soziale Kapital sozial benachteiligter BewohnerInnen sei in nicht benachteiligten Stadtteilen alleine deshalb größer, weil sie in solchen Stadtteilen leben, bestenfalls schwach begründet ist. Van Kempen und Bolt (2012: 449) fassen den diesbezüglichen internationalen Stand der Forschung wie folgt zusammen: A large number of researches have indicated that there is not much interaction between different income groups in mixed neighborhoods. In einem DFG geförderten Forschungsprojekt an der Universität Bielefeld zu sozialem Kapital in benachteiligten Gebieten wurde u. A. der Zusammenhang von sozialen Kapital und Strukturcharakteristika von Wohnquartieren untersucht (dazu umfassend Landhäußer 2009). U. A. wurde die These einer Netzwerkkonzentration im Stadtteil geprüft. Dabei zeigte sich zunächst in der Tat, dass Menschen in benachteiligten Stadtteilen ihre Netzwerke eher innerhalb ihres Stadtteils haben und dass ihre Netzwerke deutlich häufiger aus armen bzw. marginalisierten AkteurInnen bestehen als im Falle von BewohnerInnen nicht-benachteiligter Stadtteile. Allerdings zeigte sich bei einer genaueren Analyse, dass es weniger BewohnerInnen benachteiligter Stadtteile perse, 69 Cheshire (2007: 25) führt für Großbritannien aus, dass educational policy in Britain has created a situation in which it is not the most gifted or the most deserving who benefit from the best, supposedly free, state schools but those who can afford to buy access to them through the housing market. Diese Tendenz dürfte auch für Deutschland nicht völlig zu bestreiten sein. 70 Bemerkenswert ist dabei auch der Befund, dass sich vor allem innerhalb der sozial benachteiligten Gebiete ein statistischer Zusammenhang zwischen der Qualität und Quantität der Beziehungen zu den NachbarInnen und der Einschätzung der Sicherheit und Ordnung sowie der Freizeit- und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder im Wohngebiet findet. Dieser Zusammenhang findet sich außerhalb sozial benachteiligter Gebiete nicht.

47 47 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen sondern sozial deprivierte AkteurInnen und (tendenziell) auch Menschen mit Migrationshintergrund waren, die relativ viele Freunde und Bekannte haben, die in ihren Stadtteilen bzw. Nachbarschaften leben. Dieser Befund gilt allerdings unabhängig von den Quartieren und Gebieten, in denen die Menschen leben. D. h. deprivierte AkteurInnen, die in einem nicht-benachteiligten Gebiet leben, wiesen ebenso sehr eine Netzwerkkonzentration im Nahraum auf, wie deprivierte AkteurInnen, die in einem benachteiligten Gebiet leben. Die Zusammenhänge im Vergleich benachteiligter und nicht-benachteiligten Gebiete ließen sich auf die Tatsache zurückführen, dass in benachteiligten Gebieten mehr benachteiligte AkteurInnen leben. Die Netzwerkstrukturen dieser AkteurInnen unterscheiden sich jedoch statistisch nicht bzw. nur unerheblich von denen benachteiligter AkteurInnen, die in nicht-benachteiligten Gebieten wohnen. Anders formuliert: Ein originärer Gebietseffekt mit Blick auf die räumliche Netzwerkkonzentration von deprivierten AkteurInnen fand sich nicht. Stattdessen scheinen Wohngebiete (in ihrem Ausmaß gleichwohl eher moderate) Auswirkungen auf die Netzwerke von vergleichsweise privilegierten AkteurInnen zu haben. Darüber hinaus wurde das aus der Netzwerkforschung bekannte Instrument des Positionsgenerators eingesetzt (dazu: van der Gaag et al. 2008). Der Positionsgenerator basiert darauf, den Befragten eine Liste unterschiedlicher Berufe vorzulegen. Die Befragten sollen angeben, ob sie persönlich mit Menschen bekannt sind, die diese Berufe haben. Den Berufen werden auf Basis des International Socio-Economic Index of Occupational Status (ISEI, vgl. Ganzeboom et al. 1992) metrische Berufsprestigewerte zugewiesen. Eine HilfsarbeiterIn in der Fertigung hat z. B. einen ISEI Wert von 20, eine SekretärIn einen ISEI Wert von 51, eine RichterIn einen ISEI Wert von 85 usw. Mit dem Positionsgenerator kann erhoben werden, in welchem Ausmaß die Befragten Zugang zu Menschen mit bestimmten Berufs- und darüber vermittelt auch Sozialpositionen haben. Auch diesbezüglich zeigte sich bei der Kontrolle von Geschlecht, Migrationshintergrund sowie der eigenen Klassenlage der Befragten, weder mit Blick auf die Menge noch auf die Bandbreite der Bekannten mit unterschiedlichen Berufspositionen, noch hinsichtlich der Durchschnittshöhe des ISEI Wertes ein Zusammenhang mit dem Ort, an dem die Befragten leben. Auch das Ausmaß der lokalen Eingebundenheit, des von den BewohnerInnen berichteten lokalen Zusammenhalts oder der berichteten Konflikte im Quartier wies keinen statistisch bedeutsamen Zusammenhang mit den durch den Positionsgenerator ermittelten Werten auf. Was sich allerdings zeigte war ein hoher, gebietsunspezifischer Zusammenhang (r =.528) zwischen der eigenen Klassenlage und dem Sozialstatus von Freunden, Bekannten und Verwandten im Netzwerk. Weitere Analysen wurden auf der Basis einer Reihe anderer netzwerkanalytischer Instrumente durchgeführt, wie z. B. dem sogenannten Ressourcengenerator (vgl. Snijders 1999, van der Gaag/Snijders 2005), der nicht die bloße Existenz von Netzwerken erfasst, sondern das Ausmaß der darüber mobilisierbaren Ressourcen bzw. der Hilfen und Unterstützungen, die über soziale Beziehungen zur Verfügung gestellt werden. Im Ergebnis zeigt sich letztlich dasselbe Bild: Bei einer Kontrolle der sozialen Klassenlagen der Befragten fand sich praktisch kein Quartierseffekt. Offensichtlich ist die Struktur der sozialen Netzwerke der AkteurInnen weitgehend unabhängig von ihren stadtteilspezifischen Verortungen. Sofern dies zutrifft, besteht die Gefahr, dass aus einer sozialräumlichen Perspektive Ungleichheits- bzw. Klasseneffekte irrigerweise als Raum- oder Gebietseffekte in den Blick genommen werden (zum Problem fehlerhafter räumlicher Aggregationen und ökologischer Fehlschlüsse im allgemeinen vgl. Wakefield/Lyons 2010). Diese Verwechslung wäre eher von akademischem Interesse als praktisch relevant, wenn ein Fokus auf benachteiligte Gebiete zugleich auch deprivierte AkteurInnen in den Blick nehmen würde. Zumindest für Westeuropa ist dies allerdings nicht anzunehmen. Denn, wie Friedrichs (2013: 37) zusammenfasst, ist das vermeintlich deutlich erkennbare Armutsgebiet [ ] keineswegs nur arm, und ebenso wenig haben alle Bewohner/innen die gleichen Bewältigungsstrategien. Tatsächlich können auch in sogenannten sozialen Brennpunkten, die jeweils meisten Bewohner eher der Mittelschicht als benachteiligten oder Problemgruppen zugerechnet werden (Bien 2003: 25, vgl. Friedrichs/Triemer 2009). In Deutschland findet sich empirisch weitgehend jene Situation, die Peter Townsend (1979) für Großbritannien beschrieben hat: However we care to define economically or socially deprived areas, unless we target less than 5 % of all areas, more than half of the people contained in them close to three quarters will not be deprived. Zwar gibt es an der Existenz des Phänomens einer räumlichen Konzentration von Armut und Benachteiligung wenig Zweifel. Dies bedeutet aber nicht, dass benachteiligte Gebiete und benachteiligte Menschen gleichzusetzen sind. Dies gilt umso mehr, weil die absolute Mehrheit der benachteiligten Menschen nicht in, sondern außerhalb benachteiligter Gebiete wohnt. Dies belegen etwa Friedrichs und Triemer (2009) am Beispiel Köln. Alleine die SGB II Quote in der Gesamtstadt Köln lag zu diesen Zeitpunkt bei 14 %. Friedrichs und Triemer teilten die 85 Stadtteile von Köln in zwei Gruppen ein: Stadtteile mit weniger als 20 % BezieherInnen von Leistungen nach SGB II und SGB XII und Stadtteile mit 20 und mehr Prozent. Ferner teilten sie die BewohnerInnen aller Stadtteile in Hartz IV-BezieherInnen und Nicht-BezieherInnen ein. Im Ergebnis wohnte eine Mehrheit von knapp 60 % der Hartz IV-BezieherInnen außerhalb von armen

48 48 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Wohngebieten. Zugleich waren gut 70 % der Bewohner- Innen der armen Wohngebiete in dem Sinne nicht arm, so dass sie nicht zu den Bezieherinnen von Hartz vier Leistungen gehören. Dies gilt obwohl Köln zu den verhältnismäßig stark segregierten Städten zählt. Für Hannover zeigt etwa eine Studie von Schwarzer, dass 70 % der Bezieher von Transferleistungen außerhalb der stadtbekannten benachteiligten Stadtbezirke wohnen (Schwarzer 2005: 138). Entsprechend besteht zumindest die Gefahr, dass ein Fokus auf den Raum statt auf Personen dazu beiträgt, dass der größte Teil von Deprivations- und Unterdrückungsverhältnissen sowie der größte Teil der Deprivierten aus dem Blick gerät (dazu: Tunstall/Lupton 2003, McLoone 2001, Thomson 2008). Darüber hinaus ist auch in den benachteiligten Gebieten keinesfalls gesagt, dass zielgruppenübergreifende Maßnahmen vor allem benachteiligte Menschen bzw. Menschen mit hohen kinder- und jugendhilferelevanten Bedarfen erreichen. In Deutschland hat z. B. Thomas Schwarzer (2004) nachgezeichnet, wie innerhalb eines (benachteiligten) Raums BewohnerInnen aus unterschiedlichen sozialen (Klassen-) Milieus in sehr unterschiedlicher Weise auf scheinbar offene und zielgruppenübergreifende Angebote zurückgreifen und diese dann faktisch dominieren (für offene Familienbildungsmaßnahmen, die sich de facto als Einrichtungen der Mittelschicht zeigen, vgl. eindrücklich Lösel et al. 2006, zu Präventionsprojekten im Sozialraum vgl. Seelmeyer/Ziegler i. E., zum Milieudilemma der Sozialraumorientierung Kessl/Reutlinger 2009). Dieses Dilemma offener Angebote wird im weiteren Verlauf dieser Expertise vertiefend diskutiert. Während sich Wirkungsforschungen (im engeren Sinne) zu sozialraumorientierten Ansätzen in Deutschland kaum finden, findet sich eine umfassende Review-Studie von Rebecca Tunstall und Ruth Lupton zu sozialräumlich orientierten Maßnahmen zur Reduktion von Armut und Deprivation in Großbritannien. Diese Studie betont ebenfalls den Unterschied zwischen benachteiligten Menschen und benachteiligten Gebieten : If the interventions benefit large groups of people or everyone in the area [ ] then our evidence on the spatial patterning of low-income individuals shows that even in the most deprived areas, a great many more non-poor than poor will benefit (Tunstall/Lupton 2003: 27). Von den positiven Effekten von Area Programmen in benachteiligten Städten scheinen demnach vor allem MittelschichtsakteurInnen zu profitieren. Allerdings waren auch diese Effekte moderat: All of the measures we looked at, so resümieren Rebecca Tunstall und Ruth Lupton (2003: 26) are relatively inefficient. Ähnliche Befunden zeigen sich letztlich auch in den Evaluationen zum Programm Soziale Stadt 71 sowie bei Wirkungsanalysen zu area-based programmes im europäischen Ausland (vgl. z. B. Thomson et al. 2006, Stafford et al. 2008). Ausgehend von dem plausiblen Argument, dass aus der Tatsache, dass sich Problemlagen in einem bestimmten Maße räumlich ballen, nicht automatisch geschlossen werden kann, dass ein spezifischer Stadtteil ein zentraler ursächlicher Grund für die Entstehung dieser Probleme oder eine angemessene Ebene der Bearbeitung dieser Probleme sei, argumentieren z. B. die Armutsforscher Brian Nolan und Christopher Whelan, dass von lokalen sozialräumlichen Initiativen kaum ein substanzieller Beitrag zur Lösung von armuts- und deprivationsbezogenen Problemen zu erwarten sei. Der empirisch recht eindeutige Befund, so führen sie aus, dass location is not itself an independent factor clearly implies that [ ] area-based intervention cannot be the cardinal means of dealing with poverty [ ]. A failure to acknowledge the limits of what can be achieved by area-based initiatives is likely to be counterproductive in that it is likely to encourage entirely inappropriate forms of evaluation that fail to distinguish between outcomes within and outside the control of local agents (Nolan/Whelan 2000: 19 vgl. auch Alcock 2006). Ganz ähnlich argumentiert auch John Mollenkopf (2013: 324), wenn er die US-amerikanischen Erfahrungen so zusammenfasst, dass unsere Bemühungen, die Lebenschancen der armen Familien in den Städten dadurch zu verbessern, dass man ihre Nachbarschaften verändert, nicht funktioniert haben. [ D]ie Befunde legen [ ] nahe, dass am Quartier ausgerichtete Ansätze zur Armutsüberwindung nicht annähernd so wichtig sein mögen, wie stärker systemische Bemühungen, wie zum Beispiel das Anheben der Niedriglöhne und des Beschäftigungsniveaus der städtischen Armen sowie des Bildungs- und Qualifikationsniveaus ihrer Kinder Aus diesen Einsichten sind international zumindest der Tendenz nach Konsequenzen gezogen worden. So konstatiert etwa Anderson (2010: 33), dass the trajectory of area-based policies has reached a zenith and is falling in favour of alternative approaches. Wenn VertreterInnen einer Sozialraumorientierung bzw. von Sozialraumbudgets etwa argumentieren, dass Inanspruchnahmen von Erziehungshilfen [ ] in einem kausalen Zusammenhang mit Lebenslagen im Stadtteil (Budde/Früchtel 2006: 9, Herv. H.Z) stünden, dann ist 71 Dieses Programm scheint positive Wirkungen auf die (städte-)baulichen Situation der Sozialräume gehabt zu haben. Auch die AnbieterInnen und NutzerInnen der sozialräumlichen Angebote scheinen die im Zuge des Programms etablierten Angebote positiv zu bewerten. Hinsichtlich der Verbesserung der sozioökonomischen oder soziokulturellen Lebenssituationen der BewohnerInnen aber auch dann, wenn man die Indikatoren auf deren Basis die Programmgebiete ausgewählt worden sind als evaluative Endpunkte heranzieht, wird in den unterschiedlichen Evaluationsberichten doch insgesamt jenseits verklausulierender Rhetoriken eine weitgehende Wirkungslosigkeit der Ansätze sichtbar.

49 49 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen dies empirisch zumindest fragwürdig, wenn nicht gänzlich irreführend. Inanspruchnahmen von Erziehungshilfen stehen in einem kausalen Zusammenhang mit den Lebenslagen der Personen, die diese Hilfen in Anspruch nehmen. Da Personen in deprivierten Lebenslagen statistisch überproportional in belasteten Stadtteilen leben, findet sich zwar in der Regel zweifelsohne ein bivariater statistischer Zusammenhang zwischen den Lebenslagen im Stadtteil und den Inanspruchnahmen von Erziehungshilfen. Dieser Zusammenhang ist aber in der Regel nicht, oder nur zu einem sehr geringen Anteil ein kausaler Effekt des Stadtteils, in dem die Wohnung der betroffenen Menschen steht. Ein weiteres Problem der Verschiebung der Perspektive weg von individuellen AkteurInnen hin auf den Stadtteil, besteht in der Gefahr der Annahme einer territorialen Homogenisierung von BewohnerInnen und deren Problemlagen. Diese kann nicht nur stigmatisierend wirken, sondern sie findet auch keine Korrespondenz in der WirklichkeitIn Deutschland zeichnen sich benachteiligte Wohngebiete zumal nachgerade dadurch aus, dass sie in sich heterogen [sind], obgleich dies dem Image solcher Gebiete widerspricht (Friedrichs 2013: 37). Wie Berthold Vogel (2003: 2005) nachzeichnet, ist nicht die Homogenität sozialen Elends das Kennzeichen benachteiligter oder problembeladener Stadtquartiere, sondern die Heterogenität der Lebensweisen marginalisierter Stadtbewohner. Auch die Problemlagen und Deprivationsformen innerhalb von Stadtteilen sind in der Regel überaus heterogen (vgl. Salmond/Crampton 2002). Wenn nun sozialräumliche Strategien betonen, es gehe weniger um den individuellen Fall, sondern um das Stadtteil als Ganzes, oder um die Interessen der BewohnerInnen als Ganzes, so ist dies schwer mit dem Befund vereinbar, dass sich im Gegensatz zu privilegierten Wohngebieten gerade benachteiligte Stadtteile durch die Heterogenität von Lebens- und Problemlagen und darüber vermittelt auch von Interessen auszeichnen. Wie Kessl und Reutlinger (2009: o. S.) ausführen, existieren die BewohnerInnen als Gruppe bzw. als relativ einheitlicher sozialer Zusammenhang [ ] höchstens in seltenen Fällen und dann auch nur in sehr überschaubaren und zumeist zeitlich begrenzten Zusammenhängen (z. B. in politisch oder religiös motivierten Wohngenossenschaften oder Teilen einzelner ehemaliger Facharbeitersiedlungen). Entscheidend ist aber vor allem, dass die Bewohnerinnen und Bewohner solch eines Wohnareals ein gemeinsames Interesse verbindet. Im Fall so genannter benachteiligter Stadtteile, wie sie im Zentrum sozialraumorientierter Aufmerksamkeit stehen, ist das einzige gemeinsame Interesse aller Bewohner zumeist der günstigere Wohnraum. Neben der administrativen Zuschreibung aufgrund des Wohnorts sind neben einzelnen personalen Bezügen häufig nur wenige weitere soziale Bezüge innerhalb der Mehrheit der Bewohnerinnen und Bewohner auszumachen. Sofern anzunehmen ist, dass (gerade benachteiligte ) Stadtteile keine homogenen Gemeinschaften, sondern eher heterogene und teilweise konfliktuöse Ensembles sind, gibt es zwar durchaus die Möglichkeit, die Arbeit am Gesamtnutzen von Maßnahmen für die jeweiligen territorialen Einheiten auszurichten fraglich ist jedoch, ob eine solche Ausrichtung aus einer sozialpädagogischen Perspektive sonderlich klug wäre. Nimmt man eine solche Ausrichtung konsequent ernst, droht sie unter gegenwärtigen Bedingungen rasch in einen sogenannten Durchschnittsnutzenutilitarismus zu münden (dazu umfassend Sen/Williams 1982). Eine Orientierung am optimalen Durchschnittsnutzen muss sich unter anderem das Argument gefallen lassen, zwar ein hohes Sensibilisierungspotential gegenüber unterschiedlichen Formen von Leiden aufzuweisen, jedoch über kein vernünftiges Kriterium [zu] verfügen, das individuelles Leiden auch einer erheblichen Anzahl von Menschen verbietet, sofern es einer noch größeren Anzahl von Menschen zuträglich ist und damit den Gesamtnutzen einer gegebenen Population hebt (Brumlik 2004: 242). Es würde sicherlich zu weit reichen, sozialraumorientierten Ansätzen eine solche utilitaristische Ausrichtung zu unterstellen. Auf einer konzeptionellen Ebene ist die Rede davon, sich nicht am individuellen Fall und seinen Bedarfen auszurichten, sondern am Nutzen für einen territorial bestimmten, kollektiven Gesamtadressaten Stadtteil oder nicht weit von einer solchen Ausrichtung entfernt. Zumindest birgt die Ausrichtung auf die Probleme des Stadtteils die Gefahr einer Über-Aggregation, die dazu führen kann, dass Probleme von Minderheiten, die für den Gesamtstadtteil eher wenig relevant sind, in den Hintergrund rücken. Noch einmal: Die Mehrheit der Armen wohnt nicht in armen Stadtteilen, in der Regel ist die Mehrheit der BewohnerInnen von armen Stadtteilen nicht arm, und die Armut der armen BewohnerInnen ist in der Regel kein Problem, dass durch den Stadtteil erklärt wird. Die mit der Über-Aggregation verbundene Gefahr des Übersehens stadtteiluntypischer Problemlagen, wird durch die soziologische Binsenweisheit bei der Konstruktion relevanter Probleme verstärkt, dass in der Regel gerade nicht die schwächsten Gruppen bestimmen, wer oder was die (relevanten) Probleme des Stadtteils sind. Wie Sandra Walklate (2001: 65) nachgezeichnet hat, mündet die Unterstellung that all members of a community will share the same concerns and will want to respond the same concerns (Walklate 2001: 65) schnell in eine Konzentration auf die Bedürfnisse und Forderungen der im Sozialraum potentesten, beteiligungsdominanten und durchsetzungsmächtigsten BewohnerInnen. Wenn etwa Wolfgang Früchtel et al. (2007: 161) betonen, dass sich aus einer sozialräumlich orientierten Perspektive

50 50 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, aus dem im sozialen Raum vorgefundenen lebensweltlichen Prinzipien und Praktiken ableiten, drohen faktisch dominante Interessen und Praktiken gleichsam in ethisch maßgebliche Prämissen überführt zu werden. Dies ist eine genaue Umkehrung eines, wenn nicht des Kernaspekts einer sozialpädagogischen Professionsethik, der zufolge die Rechte und Lebensaussichten jedes und jeder Einzelnen den Vorrang vor den bloß traditional bewährten Werten des Gemeinschaftslebens haben (Brunkhorst/Otto 1989: 372). In diesem Sinne wäre zu fragen, ob eine Aufweichung individueller Rechtsansprüche, wie sie Jugendhilfe- und SozialrechtlerInnen mit Blick auf bestimmte Varianten der administrativen Sozialraumsteuerung von Hilfeleistungen monieren, nicht bereits implizit in dominanten fachlichen Konzeptionen einer Sozialraumorientierung angelegt sind. Möglicherweise macht es Sinn, eine sozialräumliche Perspektive nicht als fachliches Fundament für die Kinderund Jugendhilfe als Ganze zu proklamieren, sondern auf die Bearbeitung von Problemen zu fokussieren, von denen man begründet davon ausgehen kann, dass sie sozialräumlich vermittelt sind. Der niederländische Soziologe Jan Willem Duyvendak (2004: 165) hat auf das Potential von Area-Ansätzen verwiesen, wenn es darum geht vor Ort soziale Beziehungen zu verbessern und sozio-kulturelle Spannungen zu beruhigen. Es ist gut belegt, dass sich etwa lokale incivilities, Erfahrungen von Unsicherheit und Formen von gegenseitigem Misstrauen etc. in den spezifischen Beziehungen von Menschen an einem spezifischen Ort niederschlagen. Sie können kollektive Folgen nach sich ziehen, die dann tatsächlich die Lebensqualität der BewohnerInnen des Sozialraums in Mitleidenschaft ziehen. Wenn es darum geht, dass die Qualität der sozialen Beziehungen einen bestimmten Minimalstandard erreicht bzw. dass die Menschen vor Ort miteinander auskommen (Duyvendak 2004: 165), können sozialräumliche bzw. gemeinwesenorientierte Strategien sinnvoll und angemessen sein. Davon abgesehen gerät eine Orientierung der Kinderund Jugendhilfe am Sozialraum jedoch schneller in Widersprüche und in empirische wie argumentationslogische Probleme als subjektorientierte people-targeted policies. Dass in einer deprivierten Nachbarschaft zu leben almost by definition not a life-enhancing experience (Cheshire 2007: 34) ist, sei dabei unbestritten. Im Anschluss an Cheshire (2007), Bolster et al. (2007) und Tunstall/Lupton (2003) wäre darüber nachzudenken, ob unabhängig von den (kaum vorhandenen) Gebietseffekten ein sozialräumlicher Bezug von subjektorientierte people-targeted policies ein pragmatisch angemessener Zugang unter anderen sein könnte. Obwohl die meisten deprivierten AkteurInnen außerhalb benachteiligter Gebiete leben, trifft es durchaus zu, dass sich those who most need the help of people-targeted policies tend to be concentrated [in the most deprived areas] (Cheshire 2007: 36). In diesem Sinne könnte eine sozialräumliche Perspektive einen pragmatischen Zugang für jene people-targeted policies darstellen (Bolster et al. 2007: 34), die durch die am erzieherischen Bedarf im Einzelfall ausgerichteten HzE nahezu prototypisch repräsentiert werden. Sofern jedoch Hartmut Häußermanns (2003: 154) Argument, dass gebietsbezogene Interventionen nur dann und nur insofern gerechtfertigt werden können, wie es Belege dafür gibt dass individuelle soziale und ökonomische Chancen [ ] durch das Leben in einem bestimmten Quartier beeinflusst werden, auch für die Sozialraumorientierung in der Kinder- und Jugendhilfe gilt, dann steht diese sozialräumliche Ausrichtungen auf einem insgesamt eher schwachen empirischen Fundament. Quartierseffekte (für bestimmte Gruppen unter bestimmten Bedingungen) können zwar in einzelnen Studien nachgewiesen werden und haben z. T. auch bei einer Kontrolle von Drittvariablen bestand, allerdings findet sich in der empirischen Stadtforschung weitgehend Einigkeit darüber, dass v. a. mit Blick auf Fragen sozialer Ungleichheit die Bedeutung solcher Quartierseffekten insbesondere gegenüber quartierunabhängigen individuellen bzw. sozialstrukturellen Merkmalen eher gering ausfällt. Doch möglicherweise geht es dem Programm einer Sozialraumorientierung gar nicht primär darum, die Annahme von Gebietseffekten auf die Lebensaussichten ihrer BewohnerInnen in einen sozialraumbezogenen Ansatzsatz zu überführen. Wie Dahme und Wohlfahrt (2015: 115, vgl. auch Hinrichs 2012) ausführen, bilden auf einer programmatischen Ebene weniger stadt- und raumsoziologische Analysen, sondern vielmehr die Infragestellung der etablierten Strukturmerkmale des sozialstaatlichen Hilfesystems den Kern der sozialräumlichen Theorie. [ ] Die Kritik der Protagonisten des sozialraumorientierten Arbeitens bezieht sich vor allem auf die Institutionalisierung und Spezialisierung des vorhandenen Hilfesystems, das dann ins Verhältnis zu den dadurch verursachten Kosten gesetzt als zu teuer beurteilt wird. Letztendlich wird dann die daraus resultierende Qualität der Leistungen generell infrage gestellt. Der dabei angestrebte Umbau des bisherigen Systems sozialer Dienste ist eng mit der Idee von Sozialraumbudgets im Sinne eines neuen Finanzierungsinstruments für die Kinder- und Jugendhilfe verbunden. Sozialraumbudgets Relativ entkoppelt von der fachlichen Debatte um eine sozial-räumliche Orientierung wird eine Steuerungs- und Finanzierungsdebatte, unter der Überschrift Sozialraumbudgets geführt.

51 51 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Die Entkopplung einer fachlich begründeten sozial-räumlichen Orientierung die sich zumindest unter anderem auf die Bearbeitung von Quartierseinflüssen auf das Aufwachsen junger Menschen bezieht von der Frage von Sozialraumbudgets, als ein finanztechnisches Steuerungsverfahren, wird bereits daran sichtbar, dass sich die Budgets, wie sie zur Steuerung eingesetzt werden, alleine aus Praktikabilitätsgründen in der Regel auf Gebietseinheiten beziehen, die EinwohnerInnen (oder mehr) umfassen. Das beinhaltet ggf. auch kleinere Gemeinden zu Versorgungsräumen zusammenzufassen (Schnurr 2005: 50). Nahezu alle Forschungen über Quartierseffekte machen deutlich, dass sich solche Effekte in aller Regel nur dann zeigen, wenn man von möglichst kleinräumigen sozial-geografischen Einheiten ausgeht. Mit kleinräumigen sozial-geografischen Einheiten sind dabei keine städtischen Areale gemeint, die z. B. Größe von Unna, Ahlen, Kleve, Soest oder Rheda-Wiedenbrück haben und dies ist auch sicherlich nicht das, was BewohnerInnen in der Regel als ihren Sozialraum oder ihre Lebenswelt verstehen. Dass, wie es der 11. Kinder- und Jugendbericht formuliert, aus der Praxis nur Beispiele bekannt sind die Finanzmittel für ein (verwaltungstechnisch festgelegtes) Gebiet und nicht für einen (pädagogisch konzipierten) sozialen Raum zur Verfügung stellen (BMFSFJ 2002: 85), verwundet alleine deshalb nicht, weil Sozialräume, die groß genug sind, um für sie handhabbare Leistungsbudgets aufzustellen, [ ] nichts mehr mit den Lebensräumen von Nutzern der Jugendhilfe und damit auch nichts mehr mit den Aktionsräumen von Sozialarbeitern in der Einzelfallhilfe zu tun [haben] (Schnurr 2005: 50). Darüber hinaus besteht das Problem einer Vielzahl von Konzepten von Sozialraumbudgets darin, dass abgesehen von einer Budgetierung sogenannter fallunspezifischer Leistungen zuwendungs- oder förderungsfinanzierte Budgetlösungen bislang fallfinanzierter bzw. entgeltfinanzierter Leistungen im Falle eines individuellen Rechtsanspruchs (der prinzipiell nicht unter Haushaltsvorbehalt stehen darf) rechtlichen Prüfungen durch Verwaltungsgerichte nicht standgehalten haben 72. Für das, was Sozialraumbudgets (bislang) sein soll(t)en, sind (bislang) auch keine konforme Gesetzesgrundlagen ersichtlich (dazu: Gerlach/Hinrichs 2010, 2014). 72 Als entsprechenden Rechtsprechung zur Sozialraumorientierung listet etwa Knut Hinrichs die ablehnenden Entscheidungen des VG Hamburg, Beschluss vom , Az. 13 E 2873/04, des VG Berlin, Beschluss vom , Az. 18 A 404/04, des OVG Hamburg, Beschluss vom , Az. 4 Bs 388/04, des VG Münster, Beschluss vom , Az. 9 L 970/04, des OVG Münster, Beschluss vom , Az. 12 B 1931/04, des OVG Berlin, Beschluss vom , Az.6 S 415/04, des VG Lüneburg, Beschluss vom , Az. 4 B 50/05, des OVG Lüneburg, Beschluss vom , Az. 4 ME 1/06, des VG Osnabrück, Beschluss vom , Az. 4 B 13/09 und des OVG Lüneburg, Beschluss vom , Az. 4 ME 306/09 auf. Die Debatte um Sozialraumbudgets findet sich intensiv seit Mitte der 1990er Jahre. Sozialraumbudgets, so die These, würden die Effektivität und Effizienz der für die Kinder- und Jugendhilfe verausgabten Mittel erhöhen. Allerdings finden sich bislang kaum empirische Bemühungen die untersuchen, ob und inwiefern solche Budgets die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe effektiveren Reinhard Wieser (2014: 225) spricht diesbezüglich von der Blackbox der Sozialraumorientierung. Analysen, die zumindest ansatzweise dieser Frage nachgehen, münden bislang in eher skeptischen Einschätzungen (vgl. z. B. Langer 2012). Die Vorschläge, wie die Budgets einzuführen seien, lassen sich im Wesentlichen als Variationen der Vorschläge und Empfehlungen der KGSt seit Mitte der 1990er Jahre verstehen: Die von der KGSt in verschiedenen Berichten zum Neuen Steuerungsmodell empfohlene Produktlogik ist nur dann mit dem hier vorgestellten Sozialraumbudget zu vereinbaren, wenn die innerhalb eines sozialen Raums erbrachten Leistungen nicht kleinteilig jeweils einzeln als Produkt definiert werden. Denn nicht jede einzelne, im Sinne einer fallübergreifenden oder fallunspezifischen Arbeit erbrachte Leistung, auch nicht die fallspezifische Arbeit stellt ein eigenes Produkt dar, das über einen Leistungsvertrag abzurechnen ist. Die Produktgruppenbeschreibung lautet in diesem Fall vielmehr Hilfen zur Erziehung im sozialen Raum und darf keineswegs, ganz im Sinne des vertretenen fachlichen Ansatzes, weiter ausdifferenziert werden (KGSt-Bericht 12/98: 48). Ein fast paradigmatisches Beispiel für diesen Begründungsstrang zur Einführung von Sozialraumbudgets findet sich im Diskussionspapier für einen Modellversuch Sozialraumbudget in den Jahren 2014 bis 2018 (vom ) 73 vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin. Dort heißt es: Die Unterstützungsbedürfnisse von Menschen werden aus dem normalen Leben ausgegliedert und zu speziellen Hilfeanbietern delegiert, die auf der Basis individueller Bescheide arbeiten. Dies führt dazu, dass viele Menschen von vielen verschiedenen Institutionen und Personen betreut und unterstützt werden. Gleichzeitig führt dies immer stärker zur Aussonderung aus dem gesellschaftlichen Umwelt. Um diese Hilfen zu finanzieren werden fallunspezifische und präventive Angebote immer weiter ausgedünnt. Dies ist nicht nur teuer, sondern im Regelfall auch für die betroffenen Menschen 73 r_einen_modellversuch_sozialraumbudget. pdf?start&ts= &file=diskussionspapier_f r_einen_modellversuch_sozialraumbudget.pdf

52 52 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen unangemessen (S.1). Erwartet wird einer Versäulung der Hilfen entgegen zu wirken und zugleich präventiv wirksamere fallunspezifische Maßnahmen zu forcieren, die perspektivisch u. A. die Fallzahlen in den individuellen HzE reduzieren sollen 74. Budgets würden dabei, so dass Versprechen, die Implementation niedrigschwelliger, präventiver sozialräumliche Angebote forcieren und damit eine soziale Infrastruktur im Sozialraum fördern, die u. A. Regeleinrichtungen einbezieht und stärkt. Darüber hinaus würden sie die Flexibilität der Hilfen erhöhen und für die Träger genauer für den exklusiven Träger in einem Sozialraum Planungssicherheit sowie, darüber vermittelt, ggf. eine erhöhte personelle Kontinuität ermöglichen. Teils unabhängig von solchen Versprechungen, teils als Resultat einer kritischen Analyse dieser Versprechungen, sind eine ganze Reihe rechtlicher und fachlicher Fragen an solche Budgets sowie deren Begründung gestellt worden. Dabei wurde zum einen moniert, das Budgets u. A. mit Argumentationen begründet werden, die in der Fachdiskussion zwar vergleichsweise unstrittig als wünschenswert gelten, jedoch mit Frage von Budget- oder Einzelfallfinanzierungen per se wenig zu tun haben. Dies gilt etwa hinsichtlich der Forderung Einzelfallhilfe und Infrastrukturplanung in einem Sozialraum aufeinander abzustimmen. Man mag mit dem Stand dieser Abstimmung (bzw. Jugendhilfeplanung) in unterschiedlichen Kommunen unterschiedlich zufrieden sein, dass eine gedeihliche Form einer solchen Koordinierungen eine Finanzierung der Leistungen in Form von Sozialraumbudgets voraussetzen würde, ist indes eine reichlich abenteuerliche Behauptung. Ähnliches trifft mit Blick auf die Forderung zu, den Einzelfall nicht an vorhandenen Leistungstypen der Hilfen bzw. kleinteiligen Produktgruppensortierung anzupassen, sondern vom Hilfeziel ausgehend passgenaue Leistungen an den individuellen Bedürfnissen des Einzelfalls auszurichten. Diese Forderung entspricht ziemlich genau den Forderungen des SGB VIII und hat mit Sozialraumbudgets zunächst wenig zu tun. Die Behauptung Sozialraumbudgets würden eine solche einzelfallorientierte Hilfe erst ermöglichen oder zumindest erleichtern, ist eine Behauptung, die oft erhoben aber kaum irgendwo begründet, geschweige denn empirisch fundiert wird. Die wenigen empirischen Analysen zeigen zwar, dass Sozialraumbudgets Veränderungen in der Fallkonstruktion nahelegen, ob diese Veränderungen aber als passgenauere, stärker an den individuellen Bedürfnissen des Einzelfalls auszugerichtete Leistungen betrachten werden können, ist zumindest strittig. Wie Diana Düring (2011: 137) rekonstruiert, bildet bei den Fallproduktionsprozesse in 74 Hierfür wird über Bonus-Systeme in den Sozialraumbudgets nachgedacht: Wenn [ ] nachweisbar wäre, dass in der Modellregion eine geringere als die zu erwartende Steigerung von Fallzahlen bzw. Kosten entstanden ist, könnte dies durch ein Bonusmodell ausgeglichen werden. sozialräumlich budgetierten Hilfeformaten zwar ein konstatierter, personenbezogener Handlungsbedarf den Ausgangspunkt professioneller Aktivitäten [, ] die initiierte professionelle Lösung unterscheidet sich jedoch [von den herkömmlichen Formaten der einzelfallbezogenen Hilfe:] Zur Bearbeitung der Probleme werden keine individuellen Einzelfallhilfen,installiert oder beschlossen, sondern (individuelle) Problemlagen sollen (primär) über die Einbindung der Adressaten und Adressatinnen in bestehende (oder neu zu initiierende) Gruppen im jeweiligen sozialen Nahraum gelöst werden. Damit wird eine Fallkonstitution in der Logik der Hilfen zur Erziehung nach SGB VIII verhindert und/oder unterbrochen, womit vor allem auch auf der Verfahrensebene eine Hilfeplanung nach 36 SGB VIII überflüssig wird. Es bedarf schon ausgeklügelter argumentativer Strategien, um eine Einbindung individueller Problemlagen in bestehende Gruppenangebote im Nahraum unter partieller Aushebelung von 36 SGB VIII als passgenauere maßgeschneiderte Individualhilfe darzustellen 75. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass sich führende ProtagonistInnen einer flexiblen sozialraumorientierten Hilfe, bzw. einer am Einzelfall zu entwickelnden Hilfe [ ] um die sich die zu entwickelnden Settings anschmiegen, und die eingebettet ist in eine sozialräumlich ausgerichtete Angebotsstruktur (IGfH 2013: 25) skeptisch hinsichtlich des enggeführten Diskurs[es] um sozialräumliche Budgets (IGfH 2013: 25) positionieren, zumal dieser Diskurs im Unterschied zum Lebensweltkonzept oder zum Konzept der Integrierten Hilfen [ ] hauptsächlich um Finanzierungs- und Planungsfragen (Dahme/Wohlfahrt 2004, 2015) kreist. Auch Forderungen nach einer fallangemessenen, flexiblen Zusammenarbeit von SPFH und Heimerziehung oder SPFH und ISE haben nur bedingt etwas mit Budgetierung nach Sozialräumen zu tun. Zwar dürften solche Zusammenarbeitsformen im Falle eines monopolistisch privilegierten Trägers oder eines territorial oligopolen Trägerkonsortiums ggf. einfacher zu gestalten sein, als im Falle verschiedener Träger, die unter Umständen in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Wenn der Diskurs um Sozialraumbudgets seinen Sinn aber alleine in der Sicherstellung eines Trägermonopols findet, werden damit letztlich genau die Befürchtungen der Kritiker solcher Budgets bestätigt. Aus einer jugendhilferechtlichen Sicht hat dies insbesondere Johannes Münder (2001: 14) moniert: Ein wesentliches Element der Sozialraumorientierung ist die Tatsache, dass die durch das Sozialraumbudget abzudeckenden Aufgaben im Hinblick auf den 75 Das OVG Berlin hat in einem Urteil bezüglich der Finanzierungsmodelle im Zuge einer Sozialraumorientierung in der Kinder- und Jugendhilfe betont, dass die am Wohl des jeweiligen Kindes oder jungen Menschen auszurichtende Entscheidung [ ] im Einzelfall zu erfolgen [habe und ] einer Kontingentierung entgegen[stehe] (Nickel 2013: 344)

53 53 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen jeweiligen Sozialraum für eine bestimmte Zeit an (einen oder einzelne) bestimmte Träger vergeben werden [ ]. Entscheidend [ ist, das dabei] die Erledigung der Aufgaben mit den Mitteln des Sozialraumbudgets grundsätzlich an einen oder an einige bestimmte Träger erfolgt. Damit sind von der Finanzierung durch das Sozialraumbudget hinsichtlich der Aufgabenerledigung andere Träger grundsätzlich ausgeschlossen, es liegt eine exklusive Leistungserbringung vor 76. Diese exklusive Leistungserbringung ist nicht nur juristisch strittig. Vielmehr ist gerade auch fachlich die Frage zu stellen, ob Budgets im Falle eines Trägers, der das Monopol über die Erbringung der Leistungen in einem territorial umgrenzten Gebiet hat, nicht sui generis den Anreiz entfaltet, möglichst ressourcensparend vorzugehen. Zwar ist ein ressourcensparendes Vorgehen generell begrüßenswert, aber ressourcensparend bedeutet hier letztlich, dass es einen fiskalische Anreiz gibt, nicht nur ggf. fachlich nicht notwendige eingriffsintensive Maßnahmen oder lange Betreuungszeiten zu vermeiden, sondern schlicht auf möglichst schnelle und billige Lösungen zurückzugreifen und auch in der Formulierung von Hilfeplanziele komplexe Zielesetzungen möglichst zu vermeiden. Auch eine Flexibilisierung der Hilfen ist keine logische Folge von Budgets. Selbst wenn Flexibilisierungen und Kooperationen (von unterschiedlichen Arbeitsbereichen eines Trägers) ggf. haushaltstechnisch erleichtert werden, geht von Budgets nur insofern ein Anreiz zur Flexibilisierung aus, wenn diese kostengünstiger sind als die versäulten Ansätze (vgl. Schröder 2003). Hinzu kommt, dass eine Finanzierung über feste Budgets die Finanzierung der Träger nicht nur unabhängig von (variierenden) Fallzahlen macht 77, sondern die Fälle sich als Kosten für die Träger darstellen, die sie nicht hätten, wenn es die Fälle nicht geben würde. Vor diesem Hintergrund ist interessant, was im breiteren Kontext der Debatten um alternative Finanzierungmodelle an der Fallfinanzierung der leistungserbringenden Träger bislang kritisiert worden ist. Zum einen wurde moniert, dass diese Form der Finanzierungen die Kinder- und Jugendhilfe dazu verleiten würde, Hilfen länger als notwendig aufrechtzuerhalten (vgl. Struzyna 2007) zum anderen wird konstatiert, dass immer neue Anleitungen zum Transport enormer Summen [entwickelt würden], die daran gebunden sind, dass es Fälle gibt, die über ein höchst fragwürdiges diagnostisches Vokabular als solche 76 Münder ist von energischen Budget-Befürwortern vorgeworfen worden, den Sinn von Budgets nicht verstanden zu haben. Dieser Vorwurf erstaunt spätestens dann, wenn die Begründung dieses fachlichen Sinns de facto genau auf das hinausläuft, was Münder kritisiert, nämlich eine exklusive Leistungserbringung. 77 Die Budgets sind in sich flexibel, das heißt, es werden nicht für spezielle Hilfeformen jeweils entsprechende Summen festgelegt, sondern aus dem jeweiligen Jahresbudget sind die im Laufe eines Jahres anfallenden Fälle zu übernehmen und zu finanzieren (Münder 2001: 13) zurechtgeschrieben werden. Vom [ ] Fall zum Geld lautet die Devise der geldsichernden Bodentruppen (Hinte 2003: 13). Denn im Rahmen der Einzelfallfinanzierung [ werde] in der Jugendhilfe derzeit genau das bezahlt, was verhindert werden soll [, nämlich] Fälle. Träger benötigen Fälle, um zu überleben, und sie werden sie sich beschaffen (Hinte 2006: 15). In dem Bestreben Fälle zu produzieren, um Geldströme zu sichern (Hinte et al. 2003: 13) seien es subjektiv gefärbte Einschätzungen, lokale Zufälligkeiten, aus Stigmatisierungsprozessen entstandene Definitionen, Konsolidierungsfantasien usw., die die Grundlage für angebliche Bedarfe darstellen (Hinte 2003: 13). Die Vorstellung eines hochproblematischen professionellen Apparats, der auf Basis mittelschichtsgeprägte[r] Zuschreibungsprozesse (Hinte 2003: 13) weniger darauf ziele, Menschen problemangemessen zu unterstützen, sondern für permanenten Problem- und Fallnachschub zu sorgen, um sich so seine finanzielle Grundlage zu sichern, findet sich nicht nur in Deutschland, sondern ist international eine wesentliche Diskursfigur um professionalistische Legitimationen der personenbezogenen sozialer Dienstleistungserbringung durch managerialistische Organisationsformate zu ersetzen (dazu: Dean 2003, Le Grand 1997, 2003, Otto 2007). Empirisch spricht nicht viel für die Gültigkeit dieser Zuschreibung 78 (vgl. Dean 2003). Gleichwohl: Nimmt man gedankenexperimentell an, die Erbringer personenbezogener sozialer Dienstleistungen wären heuchlerische Autokraten ( hypocritical autocrats vgl. Dean 2003, Le Grand 1997), die ihre Deutungsmacht eigeninteressiert ausnutzen um in stigmatisierender Weise Menschen klientifizieren, um sie (unnötigerweise) zu Fällen zu machen, die sie möglichst lange bearbeiten um möglichst viel Geld zu verdienen 79 : Was wäre zu erwarten, wenn solche schurkischen (Le Grand 1997) VertreterInnen der Hilfeindustrie (Wüllenweber 2012) mit fallunabhängigen Sozialraumbudgets finanziert werden? Folgt man den Protagonisten, würden solche Budgets zum einen dazu führen, dass es sich für die Träger lohnen würde, die günstigste Hilfeform zu erbringen, da verbliebene Überschüsse des Budgets im Sozialraum bleiben und somit Anreizfunktionen entfalten würden. Diese Annahme ist in der Tat plausibel, denn Fälle tauchen für die Leistungserbringer dann auf der Kostenseite auf und es ist fiskalisch rational, die Kosten gering zu halten. Zum anderen wird argumentiert, dass Sozialraumbudgets aus dem gleichen Grund offene, präventive, fallunspezifische Maßnahmen für Träger attraktiv werden lassen. Denn die 78 Dass Anbieter sozialpädagogischer Leistungen in einem solchen Maße zynisch wären, dass sie Menschen absichtlich,kaputt gehen lassen, damit sie zu Fällen werden und dass sie Fälle, die fachlich keine Unterstützung mehr brauchen, weiterhin klientifizieren um Gewinne zu machen, ist eine gewagte These (Ziegler 2010b: 57). 79 Im medialen Boulevarddiskurs ist diesbezüglich von der Hilfe- oder Wohlfahrtsindustrie die Rede (vgl. Wüllenweber 2012)

54 54 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen präventive Verhinderung erzieherischer Defizite schone das Budget. Schließlich würden Sozialraumbudgets ein Interesse an höchst möglichster Effizienz erzeugen. Da mit dem Fall auch die Ausgaben verschwinden, werde es durch Budgets belohnt, wenn Hilfen frühzeitig und wirksam erfolgen. Dieses Argument ist wenig plausibel. Geht man davon aus, dass die Maßnahmenträger eigennützige Gewinnmaximierer seien, wäre genau dies nicht der Anreiz, es sei denn man versteht Prävention als eine Maßnahmenausrichtung die, wie es Diana Düring (2011: 135) im Anschluss an Hinte formuliert, darauf gerichtet ist durch findige Lösungen zu verhindern, dass ein Problem ein Fall wird. Ein Fall ist der Logik nach zunächst einmal nichts anderes als ein erkannter und bearbeiteter Bedarf. Die findigste Lösung zu verhindern, dass ein Problem zu einem Fall wird, besteht nun wahlweise darin, ein Problem nicht zu erkennen oder nicht zu bearbeiten. Ein finanzieller Anreiz Bedarfe nicht zu erkennen geht nun durchaus von Budgets aus und sofern es zutreffen würde, dass sich Leistungserbringer sich nicht am KlientInnenwohl, sondern eigennützig am Transport möglichst hoher Summen ausrichten, wäre es allemal rational, Bedarfe möglichst billig, möglichst schnell (dazu: Schnurr 2006) oder im Zweifelsfall möglichst gar nicht zu bearbeiten. Dies gilt auch unabhängig von der generellen Befürchtung, dass zumal sozialräumlichen Alternativen häufig dezidiert mit dem Ziel verbunden werden Kosten reduzieren (dazu: Langer 2012, Weber 2012) Sozialraumbudgets in der Praxis häufig zu einer Deckelung von Ausgaben für die jeweiligen Aufgabenbereiche führen (Münder 2001: 13, vgl. Klawe 2000, Wohlfahrt/Dahme 2002, Bogumil/Holtkamp ) bzw. dazu, dass dass jeder Versorgungsbereich ausgeschrieben wird und der günstigste Träger gedeckelte Budgets erhält (Koch 2000: 612). Dies gilt zumal weder einzelne BürgerInnen 80 Wie Münder (2001: 91) aus jugendhilferechtlicher Sicht argumentiert, verweisen subjektive Rechtsansprüche von Bürgerinnen und Bürgern [ ] Ansprüche auf die entsprechenden Leistungen, unabhängig davon, ob die öffentlichen Träger hierfür in hinreichendem Umfang Finanzmittel zur Verfügung gestellt haben. Dies deckt sich mich der staatsrechtlichen Lehrmeinung, dass Gesetze von Haushaltsplänen weder positiv noch negativ beeinflusst [werden]. Gewähren sie Rechtsansprüche, so müssen diese ohne Rücksicht auf einen Haushaltstitel erfüllt werden. Der Haushaltsplan ist unter das Recht subordiniert (Stern 1980: 1209). Daraus folgt das subjektive Rechtsansprüche [ ] budgetsprengend und damit auch sozialraumbudgetsprengend sind (Münder 2001: 91). Zurecht stellen Bogumil und Holtkamp (2002: 22) in diesem Kontext die Frage: Wofür braucht man denn dann ein Sozialraumbudget, wenn es sowieso nicht bindend ist? Jordan et al. [ ] sprechen in diesem Zusammenhang von einer orientierenden Funktion. Wenn ein Sozialraumbudget ausschließlich diese Funktion hätte, würde sich aber wohl kaum der damit verbundene Aufwand lohnen, zumal es dann von den kommunalen Entscheidungsträgern kaum zur Kenntnis genommen werden würde. Eine zentrale Idee um diesem Problem gerecht zu werden, ist die Möglichkeit von Nachverhandlungen. Allerdings führen diese entweder zu Einzelfallfinanzierungen, d. h. sie verlassen die Sozialraumbudgetlogik oder die Argumentation dreht sich schlicht im Kreis und mündet wieder in der Frage Wofür braucht man [ ] ein Sozialraumbudget, wenn es sowieso nicht bindend ist? noch Leistungsanbieter einen einklagbaren Anspruch auf ein bestimmtes Budget haben. Dass Budgets nicht zwangsläufig Decklungen bedeuten ist ein verbreitetes, aber gegenstandsbezogen wenig überzeugendes Argument. Ein fixiertes Budget ist nichts anderes als ein Synonym für eine Deckelung. Die Möglichkeit einzelfallbegründete Nachschläge zu bekommen ist entweder ein Format, dass die Budgetfinanzierungslogik wieder in eine Einzelfallfinanzierungslogik überführt oder eine Konzilianz-Entscheidung, die eine Deckelung großzügiger handhabt. Ein Problem solcher Deckelungen ist vermutlich gar nicht so sehr, dass sie ggf. wenn ein Budget erschöpft ist in einem Spannungsverhältnis zu formalen Rechtsansprüchen stehen. Wie Bogumil und Holtkamp (2002: 21) ausführen, besteht das praktische Problem eher darin, dass durch die Ausweisungen von Budgets in der Verwaltungspraxis einige Rechtsansprüche [ ] beschnitten werden könnten, weil nur selten die berechtigten Leistungsempfänger ihre Ansprüche einfordern oder gar einklagen, sondern diese häufig erst durch die Beurteilung der Verwaltung und die Beratung der freien Träger offenkundig werden. Ein Budget könnte hier falsche Signale geben und so indirekt zu einer Beschneidung der Rechtsansprüche führen. Da sozialräumlich exklusive Einrichtungen über die Gewährung von Hilfen im Einzelfall der Sozialraumbudgetlogik zu Folge in einem erhöhten Maße (mit-) entscheiden und zugleich die Rechtsstellung der AdressatInnen geschwächt wird 81 (vgl. Schnurr 2006), ist eine eigennutzorientierte Ausrichtung noch deutlich einfacher als bei Einzelfallfinanzierungen, bei denen auf dem Weg vom Fall zum Geld immer noch der öffentliche Jugendhilfeträger steht. Die Privatisierungstendenz, die mit Sozialraumbudgets einhergeht, hat Reinhard Wiesner Anfang der 2000er Jahre auf den Punkt gebracht. Wiesner (2001: 178) argumentiert, dass (Sozialraum-)Budgets nicht nur dazu tendieren, Leistungsanbieter zu monopolisieren und damit Wunsch- und Wahlrechte der Leistungsberechtigten zu begrenzen und gleichzeitig die (europarechtlich gestärkte) Dienstleistungsfreiheit der Leistungserbringer zu gefährden, sondern vor allem auch dazu die Verantwortung für die Leistungsgewährung und Erbringung von den Jugendämtern auf die Leistungserbringer zu verlagern und sie dadurch zu privatisieren (vgl. auch Merchel 2002, Münder 2001, 81 Schnurr (2006) argumentiert wie folgt: Die Finanzierung von HzE-Leistungen über Trägerbudgets führt [ ] de facto zu einer Schwächung der Rechtsstellung der Betroffenen, da sie ihre Rechte nicht mehr beim eigentlich zuständigen öffentlichen Träger durchsetzen können, weil im Grunde der freie Träger über das Ob und Wie einer Hilfe entscheidet. Das Jugendamt sieht seine Gewährleistungsverpflichtung erfüllt, indem es dem freien Träger ein Budget zur Verfügung stellt, mit dem er alle Rechtsansprüche erfüllen muss. Der freie Träger ist aber für den anspruchsberechtigten Bürger kein geeigneter Adressat, wenn es um die Einlösung seiner Rechte geht. Die kann nur der öffentliche Träger erfüllen, weil er durch Gesetz dazu verpflichtet ist.

55 55 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Baltz 2004). Diese Befürchtungen sind bislang nicht ausgeräumt, sondern scheinen sich worauf im Einzelnen nicht zuletzt die Urteilsbegründungen einer Reihe von Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten verweisen als praktisch relevant zu erweisen. Zumindest ist die Frage, warum es sinnträchtig sein soll, die Koordinierung und Organisation von unterschiedlichen und ausdifferenzierten Arbeitsfelder in territorialen Gebietskörperschaften von in der Regel bis Einwohnern einem Träger oder wie auch immer kooperativen Trägerkonsortium weitgehend unabhängig von dem Steuerungszugriff des öffentlichen Trägers zu überlassen, nach wie vor nicht befriedigend beantwortet (dazu: Schnurr 2005). Jenseits empirischer Hinweise darauf, dass das Sozialraumbudget bisher nicht dazu führt, dass die Träger stark in den Sozialraum investieren, um Einzelfälle zu vermeiden (Bogumil/Holtkamp 2002: 28), kann die Behauptung, dass Sozialraumbudgets Anreize für eine niedrigschwellige, offene und sozialraumorientierte präventive Ausrichtung der Erziehungshilfe beinhalten, auch argumentativ nur wenig überzeugen. Zwar sehen Sozialraumbudgets in der Regel einen Anteil für fallunspezifische Arbeit und d. h. im wesentlichen Präventionsarbeit im weitesten Sinne 82 vor und gibt es im Kontext sozialräumlich orientierter Neuausrichtungen der HzE die Hoffnung, dass durch eine Implementierung sozialraumorientierter (Gruppen-)Angebote die Entstehung oder Zuspitzung von Einzelfällen verhindert werden könne (Düring 2011:136, vgl. Wohlgemuth 2009). Das Problem besteht aber darin, dass niedrigschwellige, offene und zugängliche Präventionsangebote sofern sie funktionieren mehr Menschen mit Unterstützungsbedarfen in den Blick nehmen als bisher. Entsprechend werden zusätzliche Wege für potenzielle AdressatInnen in das Hilfesystem eröffnet bzw. deren bislang unentdeckten und unbearbeiteten Bedarfe an HzE sichtbar gemacht. Wenn Fälle erkannte und bearbeitete Bedarfe sind, dann ist jedoch erwartbar, dass Fallzahlen parallel zu niedrigschwelligen und präventiven Angeboten steigen. Diana Düring (2011: 138) hat dies in ihrer empirischen Analyse verdeutlicht: Durch zugängliche, niedrigschwellige Präventionsangebote erhöhen sich [ ] einerseits die Optionen des,einblicknehmens in die Lebenswelten der Adressaten und Adressatinnen und andererseits auch die professionellen Zugriffsmöglichkeiten auf diese Lebenswelten. Dabei wird eine professionelle Perspektive oder Problemsicht deutlich, nach der (zunehmend) mehr Menschen professioneller Unterstützung bedürfen, deren Problemlagen ohne die 82 Dies gilt auch dann, wenn fallunspezifische Arbeit in der Literatur ein opaker Begriff bleibt, der von der Prävention über den Aufbau sozialer Unterstützungsnetzwerke, Ressourcenmobilisierung bis hin zum Stadtteilmanagement alles umfassen kann (Dahme/Wohlfahrt 2004:9). Sozialraumarbeit und die stetige Präsenz der Fachkräfte vor Ort den professionellen Blicken verborgen blieben (Düring 2011: 138). Wenn überhaupt, ist genau dies der zentrale fachliche Sinn von Sozialraumarbeit. Der fachliche Zweck von fallunspezifischen, niedrigschwelligen, präventiven Maßnahmen besteht gerade darin, den Zugang zu bedarfsangemessenen Unterstützungen zu erweitern. Der fiskalische Anreiz von Budgets besteht jedoch darin, Fallzahlen zu reduzieren. Entsprechend ist nicht zu erwarten, dass Sozialraumbudgets einen fiskalischen Anreiz zu einer Implementierung infrastruktureller Präventionsangebote geben. Anreize zur Implementierung solcher Angebote hätten ggf. Budgetformate, die fallunspezifische Leistungen in einem Budget zusammenfassen, während fallspezifische Leistungen davon unberührt bleiben. Damit wäre zugleich der fachliche Irrweg vermieden, Infrastrukturangebote und einzelfallbezogene HzE gegeneinander auszuspielen. Auch jugendhilferechtliche Problematiken der Sozialraumbudgets wären so vermeidbar, weil die auf Einzelfallfinanzierung angelegte Finanzierung der individuellen Hilfen dann nicht in Frage gestellt wird. Zentrale rechtliche Probleme, die dazu geführt haben, dass insbesondere in den Jahren 2004 und 2005 eine ganze Reihe von Verwaltungsgerichten Budgetverträge verworfen haben, speisten sich nicht nur aus jugendhilferechtlichen Erwägungen, sondern z. B. auch aus Fragen der Vereinbarkeit sozialräumlicher Budgetverträge mit 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit). Durch Budgetverträge werden Leistungen nicht im Sinne von einzelfallbezogen geprüften, erbrachten und bezahlten Rechtsanspruchsleistungen finanziert, sondern Träger der freien Jugendhilfe werden (durch Zuwendungsfinanzierung, Leistungsverträge oder raumbezogene Kontingentvereinbarungen) gefördert. Damit wird der Zugang anderer geeigneter Bewerber zu dem Jugendhilfemarkt beschränkt. Genau dieser Ausschluss stellt nach gängiger Rechtsinterpretation einen Verstoß gegen 12 GG dar. Folgt man den gängigen juristischen Interpretationen sind solche Verträge lediglich im Falle von Leistungen zulässig, die nicht durch einen individuellen Rechtsanspruch begründet sind. Genau dies trifft für die fallunspezifischen Leistungen zu zu denken wäre im Einzelnen an infrastrukturelle Angebote gemäß 11, 13 und 16 SGB VIII, die sich durchaus in einem budgetieren Format finanzieren ließen. Kooperation und Netzwerke Forderungen nach Kooperation und der Netzwerke nehmen zwar im Kontext der Debatten um eine sozialräumliche Orientierung einen hohen Stellenwert ein, sind aber sui generis weder mit einer sozialräumlichen Orientierung identisch, noch beschränken sich Kooperationen in der Kinder- und Jugendhilfe auf Kooperationen

56 56 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen mit sozialräumlichen PartnerInnen 83. Gleichwohl gibt es eine deutliche Überschneidung zwischen Sozialraumund Kooperationsdebatten. Ressortübergreifende Partnerschaften, so formuliert etwa Dave Anderson (2010) eine insbesondere in westeuropäischen Wohlfahrtsstaaten verbreitete Hoffnung, liefern einen zentralen Ansatzpunkt um die komplexen Muster sozialer Exklusion effektiv zu bearbeiten. Die Herausforderung bestehe darin, alle zentralen Leistungsanbieter zusammenzubringen, um besser integrierte Lösungen für die vielen Problemlagen zu finden, die sich z. B. in benachteiligten Gebieten kumulieren. Entsprechend sind in Deutschland wie international hohe normative Erwartungen an inter- wie intrainstitutionelle Kooperationen geknüpft (vgl. van Santen/Seckinger 2003). Die Tatsache, dass Kooperationen an sich als eine gute Sache gelten (vgl. Duggan/Corrigan 2009) und es nahezu unmöglich ist, gegen Kooperationen zu sein (vgl. Pollitt/Hupe 2011), erschwert jedoch eine rationale Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen solcher Kooperationen. Vor diesem Hintergrund überrascht es wenig, dass die Mehrzahl der inzwischen vielfältigen Evaluationen zu Kooperationen und Netzwerken vor allem danach fragt, ob und wie Kooperation gelingt. Demgegenüber scheint die Frage danach, ob und inwieweit Kooperationen angemessen, wirksam und zielführend sind, in den Hintergrund gerückt. Abgesehen davon, dass viele der derzeitigen Evaluationen zu Kooperationen und Netzwerken dazu tendieren, [ to] dilute, obscure or even deny the traditional social science concerns with conflicting interests and logics (Pollit/Hupe 2011: 643) haben sie dazu beigetragen, dass viel Zeit, Wissen und Geld investiert wird, um Anbieter und Dienste in (teilweise sehr umfassende) Kooperationsnetzwerke zu integrieren, während das Wissen darüber, ob solche Netzwerke tatsächlich Synergien erzeugen, die eine effektive Arbeit mit und an den NutzerInnen der Dienste erleichtern oder ob sie ggf. Friktionen, fragwürdige Verantwortungsdeligierungen oder schlicht additive Mehrarbeit erzeugen, noch sehr gering ist. Generell bezeichnet Kooperation eine inhaltlich zunächst unbestimmte verfahrensbezogene Problemlösungsstrategie, die darauf zielt, durch Abstimmungen von AkteurInnen mit komplementären oder sich überschneidenden Zielsetzungen Lösungskompetenzen bezüglich komplexer Aufgaben zu erhöhen (dazu: van Santen/Seckinger 2003) 84. Die erhöhte Notwenigkeit von kooperativen Problemlösungsverfahren wird zum einen mit der Expansion und Ausdifferenzierung der Kinder- und Jugendhilfe begründet, zum anderen mit der Tatsache, dass die Lebenslagen und Lebensaussichten junger Menschen durch eine Reihe von (Regel-) Institutionen jenseits der Kinder- und Jugendhilfe wie z. B. Kitas, Schulen, Maßnahmeträger der Ausbildungsund Arbeitsförderung, dem Gesundheitswesen, den (Gemeinde-)Psychiatrien, den Migrationsdiensten, der Polizei und Justiz etc. prozessiert und strukturiert werden. Kinder- und Jugendhilfe in einer nachhaltig wirksamen Weise leisten zu können, die Passung von Angeboten und Bedarfen (bzw. Nachfrage ) zu verbessern und Brüche in Entwicklungsverläufen und Bildungsbiographien die von einer Reihe sozialer, psychologischer und medizinischer Dimensionen beeinflusst werden können, für die unterschiedliche Institutionen und Fachdisziplinen (sowie ggf. Spezialdienste ) mit unterschiedlichen, selektiven zuständig sind (vgl. Seckinger 2001: 291) zu vermeiden, setzt ein Minimum an Absprachen und ggf. Verzahnungen mit den entsprechenden Organisationen und AkteurInnen voraus. Wenn AkteurInnen komplexe und vielschichtige Formen sozialer Problemlagen aufweisen, besteht die Gefahr, dass sie nicht in die Schemata sich ausdifferenzierender und spezialisierender sozialer Dienstleistungsangebote passen. Da Problemlagen nicht vor institutionellen Zuständigkeits- und Ressortgrenzen halt machen, erscheint es sinnvoll, diese Problemlagen bereichsübergreifend zu lösen. Im Interesse einer optimalen Hilfe für die betroffenen Kinder und Familien gehe es, wie es Karin Böllert et al. (2004: 67) formulieren, bei Kooperation vor allem darum, die vielfältigen Kräfte zu koordinieren und die möglichen Synergieeffekte zu fördern. Das heißt, es ist notwendig, sich über die jeweilige Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenze, über die vorhandenen Schnittstellen, über sinnvolle Abgrenzungen, aber auch über die Fallverantwortung zu verständigen (vgl. auch: Kardorff 1998). Allerdings sagt die bloße Existenz von Zusammenarbeitsformaten noch wenig darüber aus, ob komplexe Prozesse einer Koordinierung und Arbeitsteilung in einer zielführenden Weise gelingen. Die institutionelle Ratlosigkeit karikierende Weisheit Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis dürfte diesbezüglich ebenso wenig zielführend sein, wie der Irrglaube, dass 83 Eine Beschränkung auf von Kooperationen auf Einrichtungen und AkteurInnen an einem klar definierten territorialen Ort wäre eher schwer begründbar. 84 Kooperation in diesem Sinne meint dann wenig anderes als die Hervorbringung einer veränderten Organisation. Denn ein solcher Kooperationsbegriff ist nahezu deckungsgleich mit der klassischen Organisationsdefinition von Werner Sombart. Organisieren schreibt Sombart (1923: 71), heißt viele Menschen zu einem glücklichen, erfolgreichen Schaffen zusammenzufügen; heißt Menschen und Dinge so zu disponieren, dass die gewünschte Auswirkung uneingeschränkt zutage tritt.

57 57 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen die Existenz einer Multiplizität unterschiedlicher Gremien oder die Vielfalt der beteiligten AkteurInnen Qualitätsmerkmale von Kooperationen seien. Ein fünfminütiges Telefonat zwischen verantwortlichen AkteurInnen kann ggf. eine effektivere Form der Abstimmungen und Koordinierung sein, als regelmäßige Netzwerktreffen, in der alle möglicherweise relevanten AkteurInnen und Organisationen auf Augenhöhe um substanzielle Beiträge bemüht sind. Zwar überzeugt es, wenn z. B. Reinhold Schone et al. (1997: ) Kennenlernen, Kommunikation, Konfliktfähigkeit, Kooperation, Koordination, Kontinuität und Kleinräumigkeit als die sieben K gelingenden Zusammenarbeit formuliert. Jedoch ist damit ein primär ein Gelingen gemeint, das die Qualität eines Kooperationsoder Vernetzungsprozesses beschreibt und weniger ein Gelingen, dass sich an der Frage entscheidet, ob der instrumentelle Zweck der Zusammenarbeit in einer optimalen Weise erreicht wird. Dennoch: Der Verdacht, dass eine tatsächliche oder vermeintliche inner- und interinstitutionelle Versäulung verschiedener Hilfeangebote Effizienzverluste mit sich bringt, ist per se ebenso gut begründet wie die Hoffnung, dass Kooperationen, vor dem Hintergrund einer nicht zu bestreitenden Multidimensionalität der Lebens- und Problemlagen, wichtige Synergieeffekte mit sich bringen können. Auch wenn es, allgemein formuliert, keinen überzeugenden Grund gibt den Sinn und die Notwenigkeit von Kooperationen zu bestreiten, findet sich ein eklatanter Mangel an Wirkungsevaluationen zu Kooperationen. Um dies präzisieren: Es findet sich kein Mangel an wissenschaftlichen Arbeiten, formativen Evaluationen und wissenschaftlichen Begleitungen zu Netzwerken, die in der Regel in überaus positiv eingeschätzten Wirkungserwartungen an Kooperationen münden. Das Problem besteht methodologisch darin, dass es sich um abgeleitete Wirkungsaussagen auf dem Fundament evaluativer Endpunkten handelt, die häufig eine fragwürdige Surrogatebene von Wirkungen beschreiben. Es geht häufig darum, ob die KooperationsteilnehmerInnen mit der Kooperation zufrieden waren, ob sie Vertrauen zueinander hatten, ob sie einbringen konnten, was ihnen wichtig war, ob man offen und auf Augenhöhe kommunizieren konnte, ob man regelmäßig an den Sitzungen teilnahm, ob diese gut und transparent moderiert wurden, ob Konflikte eingefangen werden konnten, ob man zu einem Einverständnis kam, ob man ein gemeinsames Selbstverständnis entwickeln konnte, ob Absprechen verbindlich und die Kooperationspartner verlässlich waren, ob man den Eindruck hatte das Kooperation etwas gebracht hat etc. In der Regel werden diese Fragen von den längerfristig teilnehmenden KooperationspartnerInnen bejaht. Dies ist im Übrigen recht wenig verwunderlich, da anzunehmen ist, dass die AkteurInnen und Organisationen andernfalls nur wenig geneigt sein dürften, längerfristig als KooperationspartnerInnen aufzutreten. Es ist nicht zu bestreiten, dass die genannten Dimensionen von Kooperation in der einen oder anderen Weise relevant sind. Dass diese Dimensionen jedoch einen substanziellen Beitrag dazu leisten, komplexe Problemlagen effektiver zu lösen können, ist bislang eher eine axiomatische Unterstellung, als eine empirisch belegbare Tatsache. Für die deutsche Situation gilt nach wie vor, dass Untersuchungen zur Wirksamkeit [ ] von Kooperation und Vernetzung bislang weitgehend fehlen (van Santen/ Seckinger 2003: 119). Dies gilt im Wesentlichen auch international. Entsprechende Reports konstatieren zwar vielfältige attempts to assess inter-agency working, but these have focused on qualitative process evaluation, rather than seeking to assess the impact of models of co-operation on the outcomes achieved for and by clients (McQuaid et al. 2007: 18 vgl. Atkinson et al. 2007, Duggan/Corrigan 2009). In einer Wirkungsevaluation zu Frühen Hilfen in NRW und Schleswig-Holstein durch die Universität Münster sind die verschiedensten lokalen Formate von Kooperationen im Bereich Früher Hilfen mit Verfahren der Social Network Analysis sowie mit egozentrierten Netzwerkanalysen beschrieben und typisiert worden (vgl. Lohmann 2013). Während nicht zu bestreiten ist, dass die Kooperationsformate für die praktische Arbeit aus Perspektive der Fachkräfte durchaus relevant war, fand sich mit Blick auf die kardinale Frage, ob bestimmte Kooperationsweisen effektiver sind, um Eltern bei der Versorgung und Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen, kein statistisch bedeutsamer Befund. Keiner der evaluativen Endpunkte hinsichtlich der Veränderungen in Erziehungs- und Versorgungspraktiken der Eltern oder Lebenssituationen der Familie war systematisch mit der Struktur der Vernetzung, der Quantität der Netzwerkpartner oder der durch die vernetzen AkteurInnen attribuierten Qualität der Kooperationen verknüpft 85. Eine Vielzahl von Kooperationsformaten scheint sich dadurch auszuzeichnen, dass sie mehr oder weniger intensive Koordinationsbemühungen vorauszusetzen, die auf einen gegenstands- wie personenbezogen möglichst reibungslosen Prozessablauf sowie auf eine Harmonisierung der unterschiedlichen Partner (bzw. organisationstheoretisch formuliert, der unterschiedlichen Teile einer Organisation) zielen (vgl. Grunwald/Lilge 1981). Damit ist verbunden, dass kooperative Entscheidungsfindungen 85 Ein weiterer Befund dieser Studie bestand darin, dass die Art der Kooperation ist nur vage mit dem Bedarf der Fälle verknüpft war. In ihrer Dissertation fasst Anne Lohmann (2013: 247) dieses Ergebnis wie folgt zusammen: Die [Kooperations-]Handlungen unterliegen [ ] einem Maximum an Zufälligkeit und nicht, wie es dem Ideal der Entscheidungsfindung entsprechen würde, einer zweckrationalen Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten zur Problemlösung. Dies münde in der Gefahr, dass Kooperationen um des Kooperationswillens inszeniert werden.

58 58 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen zu konsensuellen Lösungen tendieren (dazu: Davies 2009, Düring 2011, Hansbauer 1995). Die häufig gewünschten flachen Hierarchien und ein zu erarbeitendes gemeinsames Selbstverständnis, das sowohl in der Literatur als auch in praktischen Kooperationsprogrammatiken immer wieder betont wird, birgt jedoch die Gefahr, bei Entscheidungsfindungsprozesse die Herstellung einer konsensuellen Lösungen und die Schaffung einer gemeinsamen Rahmens in den Mittelpunkt zu rücken, während eine realistische Auseinandersetzung mit der eigentlichen Problemlage in den Hintergrund rückt (vgl. Klatetzki 2001). In dieser Hinsicht tendieren Kooperationen zu Entscheidungsfindung, die Cohen et al. (1972) als organisierte Anarchie bezeichnen. Damit sind Entscheidungen gemeint, die aus dem arbiträren Zusammentreffen von spezifischen Problemen und unterschiedlichen Beteiligten und Lösungsimputs entstehen, während institutionalisierte Entscheidungskriterien fehlen. Sofern eine diskursive Anbindung an den (häufig breiten) thematischen Rahmen der Kooperationsformate gelingt, können Entscheidungen Projektthemen und -lösungen letztlich von allem Möglichen abhängen (Groenemeyer/Berner 2000: 102). Anschaulich beschreibt W. Richard Scott diese Situation in seinem klassischen Werk zu zur Organisationstheorie: Welche Lösungen welchen Problemen zugewiesen werden, hängt weitgehend vom Zufall ab, d. h. davon, welche Beteiligten mit welchen Zielen wann auf welche Lösungen und Probleme treffen usw. [ Diese Organisationsform produziert] unter Bedingungen hoher Unsicherheit Entscheidungen: das heißt, irgendwelche Beteiligten ordnen irgendwelchen Problemen irgendwelche Lösungen zu. (Scott 1986: 363). Folgt man der sozialwissenschaftlichen Organisationstheorie und -forschung, ist davon auszugehen, dass sich solche Entscheidungsformen vor allem dann finden, wenn formal festgelegte Zuständigkeiten entlang fest organisierter Verwaltungseinheiten fehlen, wenn Entscheidungskriterien und Ergebnispräferenzen wenig institutionalisiert sind, wenn ein Fokus auf den persönlichen Erfahrungsaustausch und die gleiche Augenhöhe gelegt wird d. h. wenn Rollendifferenzierung und Statusunterschiede nivelliert werden, wenn Arbeitsweisen und Mittel zur Zielerreichung nicht ex ante in einer konsistenten Weise festgelegt sind und vor allem, wenn die Grenzen der Organisation verschwimmen (bzw. Mitgliedschaften fluide sind). Diese Merkmale sind in Kooperations- und Netzwerksetting zwar nicht notwendig aber eben auch nicht untypisch. Teilweise werden sie als Grundlage für flexible und innovative Strategien explizit hervorgehoben. Allerdings besteht in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass die Erwartung an Kooperationen, sie würden durch synergetische Abstimmungen für ein gebendes, komplexes Problem optimierte Lösungen erzeugen, eine einseitig optimistische Erwartung ist. Es wäre zumindest zu prüfen, ob Kooperationen nicht dazu tendieren, einen breit geteilten Konsens über das, was das Problem ist herzustellen und dann genau dies zu bearbeiten. Anders formuliert, Kooperationen bearbeiten das, worüber sie einen internen Konsens erzeugen. Möglicherweise wird diese Tendenz durch normative Erwartung an Kooperationen und Vernetzungen forciert, ihren Erfolg nicht aus den fachlichen Perspektiven der jeweiligen Einzelinstitutionen, sondern als überinstitutionelle gemeinsame Aufgabe zu formulieren. An diese Erwartung ist zumindest die Frage zu stellen, ob eine Ausdifferenzierung nicht sinnvoll ist, damit die jeweiligen Dienste jeweils angemessen auf spezifische Aspekte von Problemlagen reagieren können. So formulieren die eher selten kritischen Arbeiten zu Institutionen übergreifenden Präventionsformaten Bedenken, ob verbindliche überinstitutionelle Handlungsansätze und Präventionsziele nicht letztlich auf Ent-Differenzierungen hinauslaufen. Zugleich wird damit die Frage verbunden, ob Forderung nach einer Entwicklung von allgemeinverbindlichen Handlungsansätzen 86, die für alle Institutionen gleichermaßen gültig seien sollen, nicht in einem Spannungsverhältnis stünden zu Forderungen nach individuell passgenauen Unterstützungen. Ferner stellt sich die Frage, ob sich moderne Gesellschaften nicht nachgerade durch funktionale Differenzierungen auszeichnen. Diese Differenzierungen zeigen sich gerade auf der Ebene der Organisationen etwa darin, dass z. B. die Polizei polizeiliche und die Schule schulische Aufgaben erfüllt. Uneinheitliche oder gar konfligierende Situations- und Problemdefinitionen unterschiedlicher (und unterschiedlich deutungsmächtiger) AkteurInnen und Institutionen in Netzwerken und Partnerschaften sind daher eher die Regel als die Ausnahme (vgl. Blagg et al. 1988). Die Tatsache, dass unterschiedliche Organisationen unterschiedliche Aufgaben und damit auch unterschiedliche Situations- und Problemdefinitionen aufweisen, ist vor dem Hintergrund von funktionalen Differenzierungen nicht ein Problem, sondern ein wesentlicher Sinn von Organisationen. In diesem Zusammenhang wird die bislang noch unzureichend beantwortete Frage gestellt, ob eine Zusammenführung unterschiedlicher Organisationen nicht notwendig zu einer Reihe kontraproduktiver Effekte führen würde, zumal letztlich die Frage relevant wird, welcher institutionelle Blick die Partnerschaft 86 In diesem Kontext wird auch die Frage gestellt, ob die Forderung nach verbindlichen Handlungsansätzen nicht in einem Spannungsverhältnis zu Forderungen nach Partizipation stände. Denn wenn Partizipation meint, dass die Betroffenen auf die Inhalte und Ziele der Maßnahmen aktiv und effektiv Einfluss nehmen können, dürfte es schwer sein, auf vorab bestimmten, verbindlichen Handlungsansätze und Präventionsziele zu bestehen. So sprechen etwa Gwynedd Lloyd und Joan Stead (2001) in ihrer Studie Inter-Agency Working to Prevent School Exclusion davon, dass eine weit reichende Einbeziehung von jungen Menschen und ihren Familien für den Erfolg kooperativer Präventionsprojekte sei. Dafür sei es jedoch eine Voraussetzung, dass die LeistungserbringerInnen (bzw. ihre Institutionen) flexible [and] imaginative seien.

59 59 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen symbolisch und material dominiert (zusammenfassend: Crawford 1997). All diese Einwände sind keinesfalls als eine fundamentale Kritik an Institutionen übergreifenden Kooperationen zu verstehen. Dass solche Kooperationen geboten, sinnvoll und effektiv sein können, lässt sich nicht sinnvoll bestreiten. Bestritten werden kann aber, dass es sachdienlich und zielführend ist, die Forderung nach mehr Kooperation (und zwar am besten innerhalb eines Sozialraums ), als nahezu reflexhafte Antwort auf letztlich beliebige Planungs- und Gestaltungsfragen sowie tatsächliche oder vermeintliche Effektivitäts- und Effizienzfragen zu geben. Diese Ambivalenz spiegelt sich auch in den uneinheitlichen Ergebnissen der wenigen (internationalen) Wirkungsstudien wieder, die nicht nur danach fragen, ob eine Zusammenarbeit zwischen Institutionen gelingt, sondern danach, was die Wirkungen einer dieser Zusammenarbeit sind. Diese Studien können als Warnung verstanden werden, Kooperationen per se als eine besonders effektive Form der Leistungserbringung zu verstehen zumal Kooperation zunächst einmal mehr Arbeit bedeutet (empirisch: Atkinson et al. 2007, Brandon et al. 2006). Folgt man vorliegenden Studien ist zwar in der Regel evident, dass PraktikerInnen ressortübergreifende Kooperationen häufig als erfolgreiche Formen der Arbeit erleben (oder dies zumindest in Evaluationen berichten). Auch gilt es als wenig strittig, dass ein hohes Ausmaß an Commitment der Beteiligten, klar definierte Ziele, Verantwortlichkeiten, Aufgabenbereiche und vor allem auch Zuständigkeitsgrenzen (diffuse Allzuständigkeiten Aller gelten als ein Kardinalproblem von Netzwerken) ebenso wie eindeutige Kommunikationsformen wesentliche Voraussetzungen wirksamer Kooperation sind 87. Allerdings lautet der zentrale Befund von Wirkungsstudien, dass eine eindeutig höhere Wirksamkeit von,multi-agency Kooperationen gegenüber Maßnahmen, die alleine von der primär zuständigen Fachbehörden durchgeführt werden unter der Bedingung eines bona fide treatments d. h. unter der Bedingung, dass es sich auch hier um Formen der Maßnahmeerbringung handelt, bei denen die Erbringenden auf Basis des fachlichen State of the Art handeln 88 insgesamt bislang nicht belegt ist. 87 Auch die Hürden effektiver Kooperationen sind bekannt und unterscheiden sich international kaum von deutschen Befunden: Problems arising from conflicting organisational goals; costs of additional work arising from partnering; organisational constraints (often related to actors working in narrowly defined policy silos ); gaps in capacity and organisational resources; and the uneven distribution of decision of power between stakeholders (McQuaid et al 2007: 8). 88 Diese Bedingung ist deshalb wichtig, weil häufig Einrichtungen mit z. B. sehr motivierten MitarbeiterInnen eine höhere Neigung haben sich an Kooperationen zu beteiligen. Wenn kooperierende Einrichtungen statistisch erfolgreicher sind als nicht-kooperierende Einrichtungen, könnt dies ggf. weniger an der Kooperation selbst, sondern z. B. daran liegen, dass die MitarbeiterInnen motivierter sind. Diesen Befund fassen etwa Iram und John Siraj-Blatchford (2009: 44) in ihrem Research Review zu Effective Practice in Integrating Early Years Services wie folgt zusammenfassen: There is currently no direct and definitive evidence of the effectiveness of service integration on outcomes for children and families at a systemic, organisational or service coordination level. What evidence there is also provides contradictory messages 89. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen die Studien und Reviews von Atkinson et al. (2007), Brown/White (2006), Duggan/Corrigan (2009), Hunter et al. (2011), Glasby/ Dickinson (2008), Oliver/Mooney (2010) Percy-Smith (2006), Perkins et al. (2010), Presdee/Walters (1994), Smith et al. (2009) sowie von Statham (2011). Zieht man die Gesamtheit der Studien bzw. systematische Reviewstudien heran gibt insgesamt keine empirische Evidenz, dass intitutionenübergreifende Kooperationen oder Partnerschaften im Durchschnitt zu einer wirkungsvolleren Bearbeitung von Care-, Health- oder sozialen Lebensführungsproblemen führen. In ihrem Review of international evidence on interagency working im Falle von Child and Youth services führt Stratham (2011: vi) aus, dass most evaluations of the outcomes of interagency working do not report substantial measurable impact for service users themselves (i.e. for children and families) [ as] for example, measurably improved child health and well-being, reduced behavioural and emotional problems, better parenting, reduced child abuse and neglect. Auch bezüglich der Ausgabeneffizienz durch Kooperation finden sich bestenfalls widersprüchliche Ergebnisse. Insgesamt gilt die These einer Erhöhung der Effizienz durch Kooperation als empirisch nicht belegt (im Überblick: Oliver/Mooney 2010). Allerdings sehen eine Reihe von Analysen (v. a. Atkinson et al. 2007, Stratham 2011) einen wichtigen Nutzen von multi-agency working in dem Potential, NutzerInnen den Zugang zu angemessenen Leistungen zu erleichtern. Tatsächlich finden sich in einigen Wirkungsevaluationen zumindest ansatzweise positive changes in the accessibility of services to users (Stratham (2011: vi). Dieser Befund dürfte für die Gestaltungen von Kooperationsformaten durchaus interessant sein. Er erlaubt es die Frage der systematischen Zusammenarbeit von möglicherweise problematischen normativen Erwartungen etwas zu entschlacken und Kooperationsarrangements vor allem als Möglichkeit zur Sicherstellung eines effektiven Zugangs zu angemessenen Unterstützungen zu konzeptualisieren. Aus dieser Perspektive wären interinstitutionelle Kooperationen vor allem ein Element der Gestaltung eines 89 Wie Mike Presdee und Reece Walters nahezu bösartig zusammenfassen: We all know about the dream of inter-agency collaboration, lots of promises but no-one ever carries anything through (Presdee/ Walters 1994:175)

60 60 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Unterstützungsarrangements, dessen primäre Aufgabe darin besteht, das Non-Take-Up -Problem zu bearbeiten, d. h. dafür Sorge zu tragen, dass potenzielle KlientInnen einen möglichst einfachen und aus ihrer Sicht attraktiven oder zumindest akzeptablen Zugang zu den fallangemessenen Leistungen und Angeboten erhalten 90. Aufbau sozialräumlicher Infrastrukturen Sieht man von virtuellen Infrastrukturen wie etwa der Bereitstellung von Beratungssettings im WWW ab, ist ein Aufbau von Infrastrukturen immer eine sozialräumliche bzw. wie es Franz-Xaver Kaufmann (2005, 2010) in seinem klassischen Modell sozialpolitischer Interventionen nennt eine ökologische Intervention. Kaufmanns Modell erweitert den klassischen sozialpolitischen Fokus auf rechtliche und ökonomische Regulations- oder Interventionsformen um pädagogische und ökologische Interventionsformen. Unter pädagogischen Interventionsformen versteht er Interventionen, die auf die Entwicklung oder Wiederherstellung von Kompetenzen und Handlungsfähigkeiten gerichtet sind. Bemerkenswert sind seine Ausführungen zu ökologischen Interventionsformen. Dabei geht es um die Verteilung räumlich gebundener Teilhabemöglichkeiten durch Planung von Raumnutzungen und Schaffung von Infrastruktur (Kaufmann 2010: 1300), die den Spielraum, den die äußeren Umstände den Menschen für die Erfüllung ihrer Grundanliegen bieten über die Schaffung zugänglicher Gelegenheiten erweitern sollen. Anders formuliert: Die ökologische Interventionsform bearbeitet Gelegenheiten über die Gestaltung der Zugänglichkeit zu Einrichtungen und materialisiert [damit] die Teilhabe an öffentlich bereitgestellten Sach- und Dienstleistungen (Kaufmann 2010: 1297). Für soziale Dienstleistungen ist die Unterscheidung von ökologischen und pädagogischen Intervention zunächst 90 Angesichts der (politisch durchaus gewollten) Trägerkonkurrenz könnte sich eine solche nur scheinbar pragmatische Variante von Kooperation nichtsdestoweniger als eine große Herausforderung darstellen. Die Herausforderung bestünde darin, eine in Bezug auf die anderen LeistungserbringerInnen vergleichsweise neutrale und mit Blick auf die AdressatInnen advokatorische Zugangsvermittlungsinstanz zu schaffen. Diese Perspektive ließe sich auch als Broker-Perspektive auf Kooperationen verstehen. Erforderlich für diese Broker-Perspektive wäre weniger die operativ schwierige und auch konzeptionell im Einzelnen nicht unproblematische Schaffung eines übergreifenden und generell verbindlichen Handlungsansatzes sowie eines einheitlichen von allen Institutionen gemeinsam getragenen Präventionsziels, sondern eine öffentliche Stelle, die eine ressortübergreifenden Broker-Funktion besitzt. In der sozialwissenschaftlichen Netzwerktheorie (vgl. Boissevain 1974, Burt 1992) sind Broker AkteurInnen, die über eine zentrale Position in einem Netzwerkgefüge verfügen. Diese besteht darin, dass sie eine Lücke zwischen AkteurInnen und Gruppen füllen, die nicht miteinander verbunden sind bzw. nur im Falle des Brokers überlappen. Der Broker verbindet nicht redundante Kontakte, Informationen und Leistungen, auf die er zugreifen und die er an Dritte (in dem Fall die AdressatInnen) weiterleiten kann. Wer dieser Broker sein könnte ist derzeit nicht ersichtlich, es scheint aber sinnträchtig, dass der öffentliche Träger diese Funktion ausfüllt. wenig trennscharf, da sie regelmäßig beides enthalten: die Bereitstellung von Gelegenheiten und die personbezogenen Leistungen selbst (Kaufmann 2010: 1297). Ohne Zweifel gibt es einen Unterschied zwischen ökologischen und pädagogischen Interventionen. So lässt sich z. B. die Schaffung von Spielplätzen, Skater-Anlagen, selbstverwalteten Jugendhäusern aber auch von Parks oder Sportstätten etc., die Kaufmann (2005: 96) als räumlichen Angebote zur Selbstbedienung beschreibt, als ökologische Intervention ohne pädagogische Intervention verstehen. Im Falle der sozialen Dienstleistungsarbeit, besteht diese Differenz aber letztlich vor allem als analytische Unterscheidung zwischen dem Vorhalten von personenbezogenen Dienstleistungen (= ökologische Intervention) und der face-to-face basierten Durchführung der konkreten Dienstleistungsarbeit (= pädagogische Intervention). Gelegenheitsstrukturen im Sinne von Zugängen zu personenbezogenen Leistungen existieren nur insofern und in dem Ausmaß, wie die personenbezogenen pädagogischen Interventionen stattfinden. Praktisch relevant wird die Unterscheidung von ökologischen und pädagogischen Intervention etwa mit Blick auf Finanzierungsfragen, etwa wenn es z. B. (wie bei Sozialraumbugets) darum geht, ob Angebote im Sinne von fallunabhängigen ökologischen Interventionen oder Leistungen im Sinne von fallbezogenen Einzelhilfen finanziert werden. Der wesentliche Unterschied zwischen Infrastrukturmaßnahmen und Einzelfallhilfen in der gegenwärtigen Debatte scheint darin zu bestehen, ob die zugänglichen Maßnahmen zumindest innerhalb eines ökologischen Feldes prinzipiell offen und quasi-universalistisch oder anlass- bzw. problemspezifisch und bedarfsprüfend ausgerichtet sind. So sind etwa alle HzE (jenseits der Erziehungsberatung) anlass- bzw. problemspezifisch und werden nur auf Basis einer spezifischen Bedarfsprüfung implementiert. Es ist nun durchaus denkbar, dass eine erhöhte Teilnahme an offen und quasi-universalistischen Infrastruktur- oder Regelangeboten den Bedarf an indizierten und bedarfsgeprüften Einzelfallhilfen reduziert. Dieser Frage wird nach einem knappen Exkurs über Gruppenangebote im Folgenden nachgegangen. Exkurs Gruppenangebote in Regeleinrichtungen Ein kleinerer Strang der gegenwärtiger Debatte um die Entwicklung der HzE, argumentiert dass eine Stärkung der sog. Regelinstitutionen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten könnte, die Notwenigkeit von HzE zu reduzieren. Zwar spricht generell viel für eine Stärkung von Regeleinrichtungen insbesondere im Bereich der Kindertagesbetreuung sowie dafür, dass eine qualitativ hochwertige professionelle Kindertagesbetreuung

61 61 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen (insbesondere für sozioökonomisch benachteiligte Kinder) entwicklungsförderlich ist (vgl. Holodynski 2007, Glüer 20014). Allerdings scheint die empirische Stärke dieser Einrichtungen nicht in einer Vermeidung von HzE-Fällen zu liegen. Dies legen zumindest die wenigen Studien nahe, die sich mit dieser Fragestellung auseinandergesetzt haben. Man muss dabei nicht den Studien folgen, die Hinweise darauf geben, dass Regelkindertagesstätten für entwicklungs- und verhaltensauffällige Kinder ggf. ein nur bedingt geeignetes Setting seien (vgl. z. B. Mayr 1997), um zu konstatieren, dass kompensatorische Effekte von Regelkindergärten auf das Entwicklungsniveau von Kindern gegenwärtig zwar vorhanden sind, aber im Falle von deutlich entwicklungsauffälliger Kinder bzw. von Kindern aus sog. Risikolebensverhältnissen eher moderat ausfallen (vgl. Tietze et al. 1998, Tietze 2001 siehe auch Roßbach et al. 2008) was u. A. darauf zurückgeführt wird, dass die Unterstützungsmöglichkeiten für diese Bedarfe beschränkt sind (vgl. Lude 2000). Um solchen Bedarfen gerecht zu werden dürften intensivere und auf die spezielle Zielgruppe hin abgestimmte pädagogische Programme oder zumindest eine hohe Qualität des besuchten Kindergartens erforderlich sein (Roßbach et al. 2008: 153). Allerdings gibt es solide Hinweise darauf, dass sich nicht nur die Inanspruchnahme, sondern auch z. B. die Qualität der professionellen und räumlichen Ausstattung von Kitas (wie zuletzt z. B. Becker 2012 auf Basis der ESKOM-V Studie gezeigt hat) sozial selektiv darstellt. Je niedriger der soziale Status der InanspruchnehmerInnen der Angebote desto geringer fällt die Ausstattungsqualität der Einrichtungen aus. Reinhard Wiesner (2012: o.s.) hat argumentiert, dass die Erwartung, eine Stärkung von Regelinstitutionen wie Kitas oder Schulen, könne Hilfen zur Erziehung reduzieren oder gar partiell ersetzen, alleine deshalb kaum erfüllt werden kann, weil die Aufgaben der Regelsysteme Kita und Schule nicht kongruent mit den Aufgaben der Hilfen zur Erziehung sind und sich damit die Frage einer Leistungskonkurrenz von vornherein nicht stellt. Der Auftrag der Kindertagestätten konzentriert sich auf die Förderung der Entwicklung des Kindes (in einem spezifischen Lebensalter) und ergänzt auf diese Weise die Erziehung in der Familie ( 22 SGB VIII). Die Verbesserung der Eltern- Kind Interaktion bzw. die Arbeit mit Familien in Multiproblemsituationen gehört demgegenüber nicht zum Auftrag der Kindertagesstätte und würde auch die Kompetenzen der dort tätigen Fachkräfte übersteigen. In ähnlicher Weise richtet sich der Auftrag der Schule auf die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen ab dem Zeitpunkt der Schulreife. Der systemische Blick auf das Eltern- Kind Verhältnis ist dem Auftrag der Schule fremd und ist auch nicht Auftrag der Sozialarbeit an der Schule. Damit sind neue Organisationsformen, die Hilfe zur Erziehung näher an die Kindertagesstätte bzw. an die Schule heranrücken nicht ausgeschlossen, die Hilfen selbst werden aber damit nicht zur Aufgabe der Schule oder Kindertagesstätte, sondern bleiben Hilfe zur Erziehung im Sinne der 27 ff. SGB VIII mit den dortigen Leistungsvoraussetzungen und den dortigen Verfahrensregelungen. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass der bedeutendere Strang der Debatte um die Möglichkeiten einer Stärkung der Infrastruktur weniger die Erwartung formuliert, dass die Regelinstitutionen HzE-Aufgaben übernehmen, sondern vielmehr, dass Einzelfallhilfen und Hilfen in Familien von der Regel zur Ausnahme werden sollen und stattdessen Gruppenangebote zu implementieren seien, die in Regelangeboten wie z. B. Kitas oder Schulen eingebunden sind. Mit einem Infrastrukturausbau im weiten Sinne hat dieser Gedanke zunächst eher wenig zu tun. Die Maßnahmen selbst bleiben in der Regel indiziert und bedarfsgeprüft. Auch der Bezug zur Regelinstitution ergibt sich hier primär über den Ort an dem sie stattfinden. Dies ist für Gruppenangebote aber auch bislang 1. nicht sonderlich außergewöhnlich nach Daten des Statistischen Bundesamtes (Berichtsjahr 2012) finden bereits derzeit mehr als 27 % aller Maßnahmen sozialer Gruppenarbeit für unter 18Jährige in Schulen statt und 2. ist der Unterschied, ob solche Angebote in der Kita, der Schule, den Räumlichkeiten einer Beratungsstelle oder in Räumlichkeiten eines freien oder öffentlichen Trägers stattfinden der Sache nach eher unerheblich. Die räumliche Einbindung an Schulen oder Kitas kann u.u. gewisse Vorteile hinsichtlich des Zugangs von jungen Menschen, die die Einrichtung besuchen (bzw. deren Eltern) haben. In entsprechenden Modellprojekten findet sich darüber hinaus die Tendenz, dass diese Einrichtungen bei der Entscheidung welche junge Menschen an den Maßnahmen teilnehmen sollen und u.u. auch auf die Gestaltung der Maßnahme - einen erhöhten Einfluss haben. Auch dies kann ggf. von Vorteil sein, da das pädagogische Personal dieser Einrichtungen häufig über einen mehr oder weniger großen Einblick in die Probleme und Bedarfe der jungen Menschen und ihrer Familien verfügt 91. Aus Modellprojekten ist aber die Gefahr bekannt, dass die Regelinstitutionen dazu tendieren die Angebote voll zu bekommen gemäß der Devise in einem Gruppenangebot können 10 junge Menschen teilnehmen und wir finden auch 10 junge Menschen denen die Teilnahme entsprechend nahegelegt wird (können 15 junge Menschen teilnehmen, finden sich auch 15). Darüber hinaus tendieren Regelinstitutionen dazu, ihre Problemgruppen zu 91 Diese Einrichtungen spielen bei Bedarfs- oder Gefährdungsmeldungen jedoch auch bisher eine nicht unerhebliche Rolle.

62 62 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen bearbeiten insbesondere im Falle von Schulen geht es überproportional häufig um männliche junge Menschen, deren Problembelastung sich insbesondere in Störungen des Unterrichts manifestiert. Gerade seitens schulischer AkteurInnen werden diese Formate tendenziell auch als Entlastungen für die Schule sowie als Möglichkeit gesehen, sich eher auf den Unterricht und weniger auf Erziehungsprobleme konzentrieren zu können. Dies können durchaus gewünschte Effekte sein, allerdings besteht hierin kaum der originäre Auftrag der HzE. Aus Jugendhilfeperspektive besteht der wesentliche Kern der genannten Forderung in der weit möglichen Überführung von Einzelfallhilfen und Hilfen in Familien in Gruppenangebote. Unabhängig von der potenziellen Angemessenheit von Gruppenangeboten ist diese Forderung aus einer fachlichen Perspektive zumindest irritierend. Bezüglich der Gruppenangebote wird i.d.r. zwischen Gruppenangeboten, die sich primär an junge Menschen richten (d. h. insbesondere Maßnahmen im Sinne der sozialen Gruppenarbeit gem. 29 SGB VIII) und Gruppenangeboten im Sinne der Familienförderung und Elternbildung differenziert. Dabei ist der empirische Forschungsstand zu den Wirkungen von Familienförderung und Elternbildung substanzieller, als der zur sozialen Gruppenarbeit mit jungen Menschen. Auch energische Befürworter der sozialen Gruppenarbeit konstatieren, dass diese in den letzten Jahrzehnten kaum Gegenstand einer (vor allem empiriegestützten) Forschung und Theorieentwicklung (Behnisch 2014) gewesen sei. De facto findet sich keine methodisch überzeugende Wirkungsanalyse der sozialen Gruppenarbeit mit jungen Menschen 92. Die Wissenslücke über die Effekte von Gruppenarbeitssettings betrifft nicht nur die Kinder- und Jugendhilfe. Auch in der Psychotherapieforschung sind Effektivitätsanalysen zu Gruppentherapien eher selten und methodisch robuste Wirkungsforschungen stellen auch international eine Ausnahme dar. Die wenigen Ergebnisse sind im Falle von Kindern vergleichsweise enttäuschend (vgl. Abramowitz 1976), für Adoleszente insgesamt etwas vielversprechender zumindest sofern es um verhaltenstherapeutische Behandlungen geht (vgl. Dagley et al. 1994). Aber selbst dort wo Effekte berichtet werden, wird generell die typische Behandlungsdosis von etwa 10 Sitzungen skeptisch beurteilt, zumal 92 Eine Ausnahme stellen Antiaggressivitäts- und konfrontative Trainings dar, denen Wirkungsevaluationen sofern sie nicht von den Maßnahmebetreibern selbst durchgeführt werden ein bestenfalls wohlwollend neutrales Zeugnis ausstellen (vgl. Ohlemacher et al. 2001, Eggert./Feuerhelm 2007, Graebsch 2010). In der internationalen (kriminologischen) Wirkungsforschung werden Ansätze, die auf Gruppensettings (insbesondere bei Jugendlichen) aufbauen, in der Regel skeptisch hinsichtlich ihrer kriminalpräventiven Wirkungen betrachtet (vgl. Sherman et al. 1997). dieser Umfang der üblichen klinischen Praxis von Therapien nicht entspricht. Vor diesem Hintergrund ist nicht überraschend, dass sich z. B. in bei der Übersichtsanalyse von (Dagley et al. 1994) keine einzige Studie findet, die sich mit einer typischen klinischen Klientel befasst hatte. Insofern lässt sich sagen, dass Gruppentherapien ggf. bei Adoleszenten günstigere Effekte aufweisen als Nicht-Behandlungen ein Vergleich zu Einzeltherapien mit dem typischen klinischen Klientel psychotherapeutischer Maßnahmen ist jedoch nur bedingt möglich. Für die Kinder- und Jugendhilfe nur wenig ermutigend dürfte darüber hinaus der Befund sein, dass die Effekte von Therapien in Gruppensettings in der Regel bei jungen Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status (und mithin dem wesentlichen Klientel der Kinder- und Jugendhilfe) erheblich schwächer ausfallen sind als bei jungen Menschen aus der Mittelschicht (vgl. Hoag/Burlingame 1997) Bemerkenswerterweise konstatieren Hoag und Burlingame (1997: 238) in ihrer Meta-Analyse die sozialarbeiterische Maßnahmen mit einschloss, dass studies in the school setting [ ] were significantly less effective than studies in clinical settings. Dies stellte sich in Hoags und Burlingames Analyse zugleich als die einzige signifikante Treatment-Variable dar (wobei es kein gesichertes Wissen darüber gibt, warum Maßnahmen in schulischen Settings weniger effektiv sind) 93 (vgl. auch: Burlingame et al. 2003). Sowohl in therapeutischen Settings als auch in der Kinder- und Jugendhilfe gelten Gruppenansätze dann als sinnvoll, wenn es darum geht, systematisch die gruppendynamischen Prozesse der Peer-Group in die Bearbeitung der Problemlagen einzubeziehen. In dieser Hinsicht sind Gruppenansätze häufig kein ein sinnvoller Ersatz für einzelfallorientierte oder familienbezogene Maßnahmen. Gruppenansätzen geht es in der Regel um etwas anderes als den individuellen oder familienbezogenen HzE, nämlich um die Unterstützung von Konflikt- und Beziehungsfähigkeit sowie von Identitätsbildungsprozessen in Gruppenkontexten oder um die Vermittlung spezifischer Kompetenzen in Form von Trainings. Darüber hinaus ist in Gruppenangebote in der Kinder- und Jugendhilfe, die sich in der Regel im Sinne der sozialen Gruppenarbeit gem. 29 SGB VIII auf jungen Menschen selbst richten, und dabei in der Regel individuelle Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensprobleme sowie Selbstwert- und Ablösungsund Außenseiterproblematiken von älteren Kindern 93 Zwar sollten Einsichten aus der Therapieforschung nicht unmittelbar auf die Kinder- und Jugendhilfe übertragen werden, gleichwohl ist es angemessen, robuste empirische Hinweise aus verwandten Feldern ernst zu nehmen, statt die politisch möglicherweise opportune Forderung nach einer Einbindung in Regelinstitutionen mit Erwartungen an eine erhöhte Effektivität zu begründen, die nachgewiesene Evidenzen eher in der Phantasie von Programmentwicklern als in einer wie auch immer nachprüfbaren empirischen Wirklichkeit finden.

63 63 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen und Jugendlichen in den Blick nehmen, eine Arbeit in den Lebensfeldern der einzelnen AdressatInnen in der Regel nicht vorgesehen 94. Folgt man den Daten des Statistischen Bundesamtes wurden bundesweit wurden am Stichtag Maßnahmen sozialer Gruppenarbeit durchgeführt. Dies sind deutlich weniger als 2 % aller HzE (in NRW sind es weniger als 1,4 % aller HzE). Die finanziellen Aufwendungen für diese Maßnahmen sind (insbesondere wenn von den Erziehungsberatungen abgesehen wird) pro Maßnahme und erst recht pro erreichtem jungen Menschen unterdurchschnittlich hoch. Insgesamt sind die Maßnahmen sozialer Gruppenarbeit eher wenig intensiv. Deutlich mehr als die Hälfte der Fälle erhielt weniger als 5 Leistungsstunden pro Woche, fast 54 % der Maßnahmen hatte einer Dauer von weniger als 9 Monaten. Inhaltlich verstehen sich Maßnahmen der sozialen Gruppenarbeit als Angebote zum sozialen Lernen in Gruppen. In aller Regel stehen Verhaltensprobleme und Entwicklungsschwierigkeiten (in deutlich über 70 % der Fälle geht es dabei um männlichen jungen Menschen) im Mittelpunkt dieser Maßnahmen in fast der Hälfte der Fälle ist dissoziales Verhalten der Hauptgrund der Maßnahme. Damit liegt der Fokus dieser Maßnahmen auf einem bestimmten, primär in personalen Dispositionen verorteten Aspekt jener Lebenssituation von Minderjährigen, in der die vorhandenen Sozialisationsbedingungen nicht ausreichen, um eine angemessene Entwicklung und Entfaltung zur eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu gewährleisten (Seithe 2007: 573), die den sozialrechtlichen Grundtatbestand von erzieherischen Hilfen kennzeichnen. Der Anteil von jungen Menschen aus Ein-Elternfamilien und aus Familien mit Transferleistungsbezug ist in den Maßnahmen der sozialen Gruppenarbeit deutlich geringer als im Durchschnitt der HzE (jenseits der Erziehungsberatung), der Anteil junger Menschen mit Migrationshintergrund ist indes überproportional hoch. Unversorgtheit des jungen Menschen, unzureichende Förderung/Betreuung/Versorgung des jungen Menschen, Gefährdung des Kindeswohls sowie eingeschränkte Erziehungskompetenz der Eltern/Personensorgeberechtigten machen zusammengenommen in etwas weniger als 21,4 % der Fälle den Hauptgrund für diese Maßnahme aus. Janssen et al. (1993) sehen ein Manko dieser Hilfeform darin, dass sie vergleichsweise wenig Möglichkeit 94 Bemerkenswert daran ist auch, dass sich eine solche Ausrichtung zumindest prima facie an der fachlichen bzw. gemeinwesenarbeiterischen Philosophie einer Sozialraumorientierung reibt, zumal an den bestehen Formaten der Gruppenarbeit gerade kritisiert wird, dass diese auf eine hochschwellige Spezialmaßnahme (für bestimmte Klientengruppen) (Behnisch 2014) reduziert worden sei, zumal in der Tat zunehmend störungs- bzw. themenspezifische Gruppenangebote entwickelt werden. bietet, problematische Lebens- bzw. familiären Verhältnisse zu bearbeiten. Bei einer Kumulierung mehrerer krisenhafter Problemlagen und bei einem Ausfall des das Lern- und Unterstützungsangebot mittragenden sozialen (familiären) Milieus haben sich, wie z. B. Friske (2012) argumentiert, Formate der sozialen Gruppenarbeit erfahrungsgemäß nicht bewährt. Die typische Kursform, die in der Regel für alle TeilnehmerInnen gleichzeitig beginnt, bringt neben erhöhten Wartezeiten häufig Probleme mit sich, auf individuelle Hilfebedarfe zeitnah und flexibel zu reagieren (Macsenaere/Esser 2012: 133). Die in der derzeitigen Debatte um die Wiedererlangung von kommunaler Handlungsfähigkeit in der Steuerung erzieherischer Hilfen an verschiedenen Stellen eingeforderte Vorrangstellung von Gruppenhilfen ist angesichts der typischen Problemkonstellation die Anlass für HzE liefern vergleichsweise erstaunlich. Die mit dieser Forderung teilweise verbundene Behauptung einer prinzipiellen Überlegenheit von Gruppenhilfen hinsichtlich ihrer Effektivität ist empirisch nicht belegt. Im Fachdiskurs wird die Stärke der Gruppenarbeit darin gesehen, dass sie das Gefühl der Zugehörigkeit [ stärkt,] die Erfahrung von Solidarität [ unterstützt und] zur gemeinsamen Normentwicklung bei[rägt] (Behnisch 2014). In dieser Hinsicht gibt es sicherlich keinen Grund soziale Gruppenarbeit als solche zu kritisieren. Nur ein genereller Ersatz für individuelle HzE oder zu familienorientierten Hilfen ist diese Maßnahmenform in der Regel nicht. Förderung von sozialen Infrastrukturen Im Gegensatz zu den individuellen Einzelfallhilfen beschreiben Infrastrukturangebote i.d.r. förderfinanzierte Einrichtungen und Dienste, die den Adressaten und Adressatinnen im Sozialraum zur Verfügung stehen und niedrigschwellig, also ohne vorherige Einbeziehung des Jugendamts und dessen Entscheidung über die Leistungsgewährung, direkt in Anspruch genommen werden können (AGJ 2013a: 2). Die Förderung solcher Angebote die vorausschauend, fördernd und problemvermeidend wirken soll[en] (AGJ 2013a: 6) ist eng mit einem Konzept von Prävention verbunden, das in fachlicher Hinsicht primär auf die Verbesserung der Lebenssituation im Allgemeinen sowie auf die Förderung der sozialen Gerechtigkeit und somit auf die strukturellen Bedingungen gerichtet ist und die Verpflichtung öffentlicher Institutionen beinhaltet, frühzeitig und auf breiter Ebene

64 64 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Verantwortung für junge Menschen zu übernehmen 95 (AGJ 2013b: 3 f). Der Sinn solcher Angebotsstrukturen gilt als weitgehend unstrittig, zumal davon auszugehen ist, dass im Einzelfall (niedrigschwellige) Hilfen zur Erziehung auch deshalb implementiert werden, weil es an zuverlässigen infrastrukturellen Alternativangeboten mangelt. Fraglich ist jedoch, ob solche Infrastrukturangebote tatsächlich in einem quantitativ erheblichen Ausmaß als ein funktionales Äquivalent zu individuellen HzE darstellen können, oder ob sie als eine Verbreiterung und Flankierung der Angebotspalette individueller und familienorientierter Hilfen zu verstehen sind. Wie die AGJ in einem Positionspapier formuliert vor diesem Hintergrund bei den Debatten um eine stärkere Förderung von Infrastrukturangeboten der Kinder- und Jugendhilfe im Sozialraum um den Zugang von Adressatinnen und Adressaten, die bisher nicht erreicht werden, um eine verlässliche Sicherung von niedrigschwelligen Angeboten, um eine Alternative zur Hilfe durch Einzelfallentscheidung des Jugendamts, um die Zusammenarbeit von Einrichtungen und Diensten, die mit jungen Menschen und Familien arbeiten sowie um Kostendruck (AGJ 2013: 1). Diese Zielsetzungen sind widersprüchlich. Denn ein erhöhter Zugang von Adressatinnen und Adressaten, die bisher nicht erreicht wurden 96 legt eher eine Erhöhung von Fallzahlen, eine Erweiterung des AdessatInnenkreises der HzE und mithin auch höhere Kosten nahe. Demgegenüber scheint die Idee einer Förderung sozialräumlicher Infrastrukturangeboten als Alternative zur Hilfe durch Einzelfallentscheidung des Jugendamts nicht zuletzt auf finanzielle Problematiken durch soziale Folgekosten und Ausgabensteigerungen insbesondere im Bereich der Hilfen zur Erziehung zu reagieren. Dabei geht es weniger um eine Erweiterung AdessatInnenkreises nahe, sondern impliziert eine Verschiebung von einzelfall- bzw. einzelfamilienbezogenen Maßnahmen zugunsten allgemein bereitgestellter, gruppenförmiger 95 Der Reiz solcher Präventionsprogramme liegt auf der Hand: Sie versprechen potenzielle Problementwicklungen frühzeitig und niedrigschwellig zu verhindern, bevor sie als Problemlagen manifest werden, die mit höherem Aufwand zu bearbeiten sind und höhere Folgekosten nach sich ziehen. Sofern dies die Annahme sein sollte, liegt der Präventionsidee ein zeitliches Verlaufsmodell steigender Intensitäts- und Verfestigungsgrade von Problemlagen zu Grunde. Diese Annahme mag zunächst plausibel klingen. Man tut gut daran, einen Zahn zu behandeln, wenn sich die ersten Zeichen von Karies zeigen, die sich nur auf den Schmelz begrenzen, als zu warten bis die Zahnpulpa in Mitleidenschaft gezogen wird. Gleichwohl sind mit Blick auf Prozesse des Aufwachsens Zweifel am Modell eines kummulativ aufwachsenden Problemverlaufs angebracht. Trifft es eigentlich zu, dass Probleme und Belastungen klein anfangen und langsam und kontinuierlich anwachsen? Würde daraus nicht folgen, dass Kinder ceteris peribus deutlich weniger und geringere Probleme aufweisen als Jugendliche? Empirisch zeigt sich dies nur ansatzweise. Auch bezüglich der Interventionen zeigen einige Studien zwar tendenziell, dass Maßnahmen bei jüngeren Kindern etwas erfolgreicher sind als bei älteren, allerdings sind die Unterschiede eher graduell. 96 Die AGJ (2013: 6) spricht davon weiteren Adressatinnen und Adressaten den Zugang zu den benötigten Hilfen zu eröffnen und neue Zugänge zu bisher nicht befriedigten Bedarfen zu schaffen. Maßnahmen, die anstelle von Einzelfallhilfen greifen und entsprechend Kosten sparen (sollen). Die Frage ist demnach ob Infrastrukturangebote als Alternative zu Einzelfallleistung oder als Erweiterung und Ergänzung gedacht werden. Zwar wird in der Regel konstatiert, dass die Wirkungen von Infrastrukturleistungen nur schwer messbar und belegbar (AGJ 2013a: 3) seien, aber insbesondere mit Blick auf die Unterstützung von Familien bei Fragen der Erziehung, die Gestaltung von Übergängen bei Kindern und Jugendlichen und hinsichtlich Hilfen bei Entwicklungsproblemen besteht die Hoffnung, dass infrastrukturell bereitgestellte Gruppenangebote die im Vergleich zur Einzelfallhilfe regelhaft die angemessenere und potenziell wirksamere Form der Leistungsgestaltung darstellen könnte. Argumentativ-fachlich ist diese Hoffnung bislang aber nur ansatzweise begründet worden, empirische Befunde, die für diese Hoffnung sprechen würden finden sich bislang kaum. Eine Ausnahme stellt eine qualitative Fallstudie von Timm Kunstreich in Hamburg dar, die legt nahe, dass offene, nachfrageorientierte und eher (Themen-) unspezifische Angebote sinnvoller seien, als Angebote mit themenzentriertem Programm und klarer Zielgruppenorientierung (Kunstreich 2012: 3). Der wesentliche Grund dafür sei es, dass die offenen, nachfrageorientierten und eher (Themen-) unspezifischen Angebote [ ] es möglichen Nutzerinnen und Nutzern leicht machen, die Schwelle in die Einrichtungen zu überschreiten. Ist dieser Schritt getan, fällt es relativ leicht, sich im Netz der unterschiedlichen Infrastrukturangebote zurechtzufinden (Kunstreich 2013: 28). Für Kunstreichs, bezüglich des Zugangs zu Unterstützungsangeboten plausibles Argument spricht, dass solche Angebotsgestaltungen dazu beitragen dürften, die Motivation der Teilnehmer sicherzustellen und dabei zugleich das Problem der Bevormundung und Entmündigung der AdressatInnen zu begrenzen. Es ist unstrittig, dass dem Ausmaß, in dem die NutzerInnen sich Maßnahmen zu eigen machen, aktiv (mit-)gestalten und ihnen mit Blick auf ihre eigenen Bedürfnisse und Lebenspraktiken Sinnhaftigkeit zuschreiben, eine entscheidende Bedeutung bei der Wirkung von Maßnahmen zukommt. Ein hohes Maß an Selbstbestimmung ist insofern ohne Zweifel vorteilhaft. Allerdings finden sich auch Hinweise darauf, dass dieses Prinzip dazu tendiert die Problemdefinitionen in einem hohen Maße den Betroffenen zu überlassen und dabei Selbstselektionsprozessen Vorschub zu leisten, die sich praktisch in allen Evaluationsstudien zeigen. Solche Selbstselektionsprozesse können im Ergebnis ein wesentliches Ungleichheitsmoment darstellen. Hinzu kommt das klassische Wirkungsstudien, wie etwa eine Studie zu Maßnahmen der Elternbildung von Lösel et al. (2006), zu dem Befund kommen, dass offene, universelle Angebote gerade im Falle von sozial benachteiligten AkteurInnen mit ausgeprägten

65 65 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Problemlagen, vergleichsweise ineffektiver sind und insgesamt weniger geeignet scheinen, als spezifische, indizierte Einzelmaßnahmen, die sich stärker an der spezifischen Bedarfen und Problemlagen der Betroffenen orientieren. Die Befunde von Lösel decken sich mit den Ergebnissen weiterer nationaler wie internationaler Wirkungsstudien (vgl. Sweet/Applebaum 2004, Beelmann 2006). Dem Befund, dass indizierte bzw. selektive Programme größere Effekte für die einzelnen Teilnehmer haben, steht gegenüber, dass universale Programme eine Vielzahl kleiner Effekte auf eine potenziell jedoch größere Anzahl von TeilnehmerInnen haben können (vgl. Offord 2000, Hurrelmann/Settertobulte 2000) 97. Insgesamt kann angenommen werden, dass es hinsichtlich der Offenheit oder Selektivität bzw. Indiziertheit von Maßnahmen einen pay-off zwischen der effektiven Zugänglichkeit der Angebote und der effektiven Wirksamkeit der Angebote für die AkteurInnen gibt, die von den Angeboten Gebrauch machen. Unstrittig ist, dass ein Angebot von dem kein Gebrauch gemacht wird, den Betroffenen wenig nützt. Eine Strategie, die den Fokus alleine darauf legt wirksame Angebote flächendeckend zu implementieren, könnte insgesamt ins Leere laufen, wenn diese Angeboten deutlich weniger in Anspruch genommen werden. Gedenkenexperimentell: Geht man davon aus, dass die Angebote nicht schädlich sind, könnte es sein, dass ein Angebot dass sich in 30 % der Fälle als hilfreich erweist aber von 300 Familien in Anspruch genommen wird eine effektivere Unterstützung darstellt als ein Angebot das sich ceteris paribus in 70 % Fälle als hilfreich erweist, aber nur von 100 Familien in Anspruch genommen wird. Die bisherigen Wirkungsanalysen haben in der Regel nur die Veränderungen von teilnehmenden AkteurInnen an Maßnahmen untersucht. Die Frage der Non-Take-Ups ist jedoch zumindest für präventive Maßnahmen ebenso wichtig. Hier findet sich eine eklatante Forschungslücke, die u. A. einem Mangel an systematischer Implementationsforschung geschuldet ist (vgl. Nutley et al. 2007; Bellamy et al. 2010). Es finden sich nur vereinzelte Studien, die eine solide Grundlage für die Beantwortung so fundamentale Frage wie z. B. 1. wie viele und welche potenziellen AdressatInnen mit welchen Angeboten erreicht werden, 2. unter welchen Bedingungen Angebote von TeilnehmerInnen effektiv genutzt werden und 3. unter welchen Bedingungen Angebote direkt oder mittelbar Entwicklungs- und Kompetenzfortschritte bei Kindern und Jugendlichen induzieren bzw. ob und inwiefern unterschiedliche Angebote interferieren, kumulative Effekte erzeugen und intendierte Ausstrahleffekte wie nichtintendierte Wirkungen (z. B. wachsende Disparitäten zwischen teilnahmebereiten und anderen Adres- 97 Im Sinne eines gesellschaftlichen Gesamtnutzens favorisieren einige AutorInnen daher durchaus offene universelle Maßnahmen bzw. Infrastrukturformate (vgl. Hurrelmann/Settertobulte 2000). satinnen) zeitigen. Mit Blick auf die (selektive) Inanspruchnahme von Unterstützungs- und Fördermaßnahmen liegen international einige mehr oder weniger systematische Untersuchungen vor (vgl. z. B. Bailey-Smith 2001). Diese weisen darauf hin, dass Bedarfe und Interessen an Angeboten in der Regel deutlich, teilweise um ein Vielfaches, höher liegen, als tatsächliche Inanspruchnahmen. Es gilt empirisch als gesichert, dass solche Angebote nicht von all jenen in Anspruch genommen werden, die hierzu berechtigt sind und dass diese Inanspruchnahme oftmals sozial hoch selektiv erfolgt (van Santen/Prein 2013: 86). Im Verbund mit theoretischen Arbeiten weisen empirische Studien darauf hin, dass finanzielle (inklusive Opportunitätskosten ) (vgl. Lösel et al. 2006), physisch-geografische (vgl. Smith 1996), zeitliche (vgl. Johnson, 2003), motivationale, kompetenzbezogene, informationale und sozio-emotionale Hemmschwellen (zusf. Katz et al. 2007) sowie ggf. auch bürokratische Hürden bzw. administrative Komplexität (Corden 1999) die individuelle Inanspruchnahme verringern. Die räumliche Erreichbarkeit der Angebote spielt zwar für die Inanspruchnahme eine Rolle, scheint aber weniger entscheidend als andere Hemmschwellen (vgl. Bröring et al. 2012). Ebenfalls scheinen sprachliche Probleme (vgl. National Centre for Education Statistics 1998), Kontrollüberzeugungen und sowie das Ausmaß an Stigmatisierungsbefürchtungen (vgl. Gibbons/Thorpe 1989) zu Unterschieden in der Inanspruchnahme beizutragen. Mit Stigmatisierungsbefürchtungen zusammenhängend, findet sich generell bei groups in society who are the subject of negative valuation (Evans et al. 2007: 18, vgl. van Oorschot 1991) eine geringere Inanspruchnahmewahrscheinlichkeit. Ferner legen Studien nahe, dass potenzielle NutzerInnen mit weniger guten Voraussetzungen dazu tendieren, ihre Problemlösungskompetenzen zu überschätzen und trotz objektiver Problembelastung Förder- und Unterstützungsangebote nicht bzw. wenig motiviert in Anspruch zu nehmen (vgl. z. B. Berthold/Renkl 2010). Auch soziokulturelle Einstellungen gegenüber den Angeboten (vgl. van Santen/Rein 2013) sowie das Vertrauen in die Kompetenz und Angemessenheit der Fachkräfte scheinen für die Inanspruchnahme bedeutsam zu sein (vgl. Barlow et al. 2005; Barruch et al. 2006; Cleaver/Freeman 2003). Dabei spielt es auch eine Rolle, ob die Maßnahmen als Unterstützungsangebote oder als Kontrollinstrumente bzw. als Bedrohungen wahrgenommen werden. Darüber hinaus finden sich Hinweise darauf, dass die wahrgenommene Passgenauigkeit (vgl. Bröring et al. 2012, Bauer/Bittlingmayer 2005) der Angebote sowie (antizipierte) Partizipationsmöglichkeiten aber auch vorgehende Partizipationserfahrungen Inanspruchnahmewahrscheinlichkeiten beeinflussen (vgl. Gillies 2008). Mit Blick auf die subjektiv erwarteten (sozialen, psychologischen und

66 66 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen ökonomischen) Kosten und Nutzen einer Inanspruchnahme von Maßnahmen (expected subjective utility) scheint ferner der lebensweltliche Einfluss von Familie und Peers sowie anderen relevanten nicht zuletzt institutionellen AkteurInnen eine bedeutsame Rolle zu spielen. Darüber hinaus gibt es solide Hinweise darauf, dass alle Programme that leave the initiative to start the claiming process fully to the applicant (Evans et al. 2007: 18, vgl. Van Oorschot 1991) und dies ist bei offenen Infrastrukturmaßnahmen der Fall eine vergleichsweise geringe Inanspruchnahmerate aufweisen. Anderseits und dies spricht deutlich für einen Ausbau von Infrastrukturmaßnahmen scheint die Inanspruchnahmewahrscheinlichkeit von Maßnahmen mit der Angebotsdichte zu zunehmen (vgl. van Santen/Prein 2013) Die genannten Zugangshürden tragen zu einer vergleichsweisen hohen sozialen Selektivität der Inanspruchnahme, insbesondere von mehr oder weniger freiwillig in Anspruch genommenen Unterstützungsmaßnahmen bei. Vor allen mit Blick auf die Inanspruchnahme von Kindertagesbetreuung ist die Selektivität entlang des Beschäftigungs-, Bildungs- und Einkommensniveaus in den Familien inzwischen vielfach diskutiert und empirisch belegt. Die Studien, die sich der Selektivität der Inanspruchnahme widmen, machen auf einige Probleme einer Programmatik aufmerksam, die darauf zielt vermehrt offene gruppenbezogene Infrastrukturangebote an die Stelle indizierter Einzelfallhilfen zu setzen. So gilt es als evident, dass im Gegensatz zu den HzE (vgl. Rauschenbach et al., 2009) Familien in sozioökonomisch prekären Lebenslagen im weiten Feld jener Maßnahmen, die sich im weitesten als psychoedukativen Programmen beschreiben lassen deutlich unterrepräsentiert sind (zu Elterntrainings vgl. Heinrichs et al. 2006; zu Familienbildungsprogrammen vgl. Lösel et al. 2006, zu Elterntrainings und Elternbildung vgl. Bauer/Bittlingmayer 2005, zu Eltern-Kind-Gruppen und Familienbüros vgl. Bröring et al. 2012). Zwar ist dies bei einer Reihe von Angeboten, die auf konkrete, i.d.r. mit sozioökomischen Mängellagen kovariierenden Problem- und Bedarfslagen zielen (d. h. bei Angeboten mit klaren Zielgruppenbezug) weniger bzw. nicht der Fall (vgl. Bröring et al. 2012, dagegen aber Lösel et al. 2006) und bei Angeboten von Jugendzentren bzw. der offen Kinder- und Jugendarbeit ist es evident, dass diese Angebote von jungen Menschen aus niedrigeren Klassenlagen häufiger genutzt werden (vgl. van Santen/Prein 2013, Schmidt 2011). Wird jedoch die Inanspruchnahme von Unterstützungs-, Förderungsund Hilfeangeboten ceteris paribus, d. h. in Abhängigkeit von Problem- und Bedarfslagen analysiert, zeigt sich in nationalen wie internationalen Studien ein deutlicher je nach Art des Angebots jedoch variierender sozialer (und kultureller) Gradient der Inanspruchnahme (dazu: Seelmeyer/Ziegler 2014, auf Basis einer Fallstudie vgl. Kutscher et al. 2013). Van Santen und Seckinger (2008) resümieren im Rekurs auf Daten des Familiensurveys, dass das aus der medizinischen Versorgungsforschung bekannte Inverse Care Law (vgl. Tudor Hart 1971, Kirby/Kaneda 2006), das einen tendenziell inversen Zusammenhang von Bedarf und Inanspruchnahme medizinischer Versorgung beschreibt, auch für den Zugang zu personenbezogenen, sozialen Unterstützungs- und Fördermaßnahmen gilt (vgl. auch Bauer 2005, Prein/ van Santen 2012): Arme Familien weisen unter ansonsten gleichen Bedingungen die geringste Wahrscheinlichkeit auf, offene freiwillige Gruppenangebote im Sozialraum wahrzunehmen. Geht man davon aus, dass die intendierte Hauptwirkung sozial-ökologischer Infrastrukturmaßnahmen in der Verbesserung von Umweltsegmenten im Sinne größerer Nutzungschancen durch sozial schwache Gruppen (Kaufmann 2009: 127) besteht weisen diese Befunde auf ein zentrales Dilemma hin: Der von Wolfgang Wirth bereits zu Beginn der 1980er konstatierte Befund, dass es unter den berechtigten Gruppen in der Regel die am wenigsten bedürftigen AkteurInnen sind, die über die höchsten Handlungsressourcen und -kompetenz verfügen, sich die Angebote anzueignen und die Vorteile der Angebote zunutze zu machen (vgl. Wirth 1982) scheint immer noch Gültigkeit zu haben. Damit geht eine Dynamik einher, die sich gerade in offenen, präventiven, partizipativ ausgerichteten und an den NutzerInneninteressen orientierten Gruppenangeboten darin niederschlägt, dass bestimmte NutzerInnen besser als andere in der Lage sind, ihre Interessen und Anliegen zu artikulieren und ihnen Geltung zu verschaffen. Da nun gerade im Falle einer heterogenen NutzerInnschaft im Falle von Gruppenangeboten, davon ausgegangen werden kann, dass sowohl die Nutzungspräferenzen als auch der Unterstützungsbedarf jeweils unterschiedlich und damit nicht jede Angebotsform für alle TeilnehmerInnen passend [sind] (Kutscher 2008: 40) liegt die Vermutung liegt nahe, dass der konstatierte Befund, dass Eltern aus unteren Klassenlagen in offenen Angeboten unterrepräsentiert sind, auch damit zusammenhängt, dass diese Angebote nicht nur überproportional von Mittelschichtseltern in Anspruch genommen, sondern von diesen auch inhaltlich wie strukturell dominiert werden. Es spricht einiges dafür, dass die Attraktivität offener, öffentlich bereit gestellter Unterstützungs- und Förderangebote für ein HzE-atypisches Klientel eher zunimmt. So findet sich gegenwärtig die empirische Tendenz, dass insbesondere Eltern aus aufstiegs- oder an Statuserhalt orientierten Milieus zunehmend mehr Energien und Geld in die (außerschulische) Kompetenzentwicklung und Bildung ihrer Kinder investieren (vgl. Wild/Lorenz 2010). Dies mag zum einen mit einer familiensoziologisch rekonstruierbaren gleichwohl in unterschiedlichen sozialen Milieus variierenden (vgl. Holz 2004) Tendenz zu einem kindzentrierten Familienleben (vgl. Nave-Herz 1994, 1997) zusammenhängen, zum anderen gibt es

67 67 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen deutliche Hinweise auf einem zumindest gefühlt wachsenden Bildungsdruck, auf den Eltern tendenziell so reagieren, dass sie beträchtliche materielle und immaterielle Anstrengungen unternehmen, um ihrem Kind so früh wie möglich Wettbewerbsvorteile zu sichern (dazu: Henry-Huthmacher et al. 2008). Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass das Angebot an pädagogischen und psychologischen Fördermaßnahmen in den letzten Jahren massiv angestiegen ist 98. Dabei werden nicht nur die kostenpflichtigen, sondern auch die kostenlosen Programme, dieser freiwillig in Anspruch genommener Angeboten überproportional NutzerInnen aus den genannten Milieus abgerufen werden (vgl. Wild/Ziegler 2014). Vor diesem Hintergrund überzeugt es, wenn auch in der internationalen Debatte eine Fokusverschiebung von einem engen Begriff von child protection zu einem weiten Begriff von family support auf der Basis breiter, niedrigschwelliger und zugänglicher Unterstützungsinfrastrukturen begrüßt wird (vgl. Featherstone et al. 2013) zugleich aber davor gewarnt wird, dass in the absence of a clear commitment to understand and reduce inequalities, an emphasis on support can mean that families with fewer needs receive more services a child welfare version of health s inverse care law (Bywaters 2013: 13, vgl. auch Hayes/Spratt 2009). Der 14. Kinder- und Jugendbericht hat diese Tendenz in einer bemerkenswerten Deutlichkeit auch für die deutsche Situation hervorgehoben. Auf dem Fundament der empirisch unstrittigen Einsicht, dass sich Kinder und Jugendliche aus Familien mit Migrationshintergrund, geringen Einkommen und niedrigen Bildungsabschlüssen [ ] seltener unter den Nutzern öffentlicher Angebote als andere Kinder und Jugendliche (BMFSFJ 2013: 342) finden was im übrigen auch für die Eltern dieser Kinder gilt argumentieren die AutorInnen des Berichts, dass sich die Hoffnung, dass die Ausweitung der Inanspruchnahme öffentlicher Angebote fast automatisch zu einem Ausgleich herkunftsbedingter Benachteiligungen und einer Verbesserung der Teilhabechancen von Kindern aus weniger privilegierten Verhältnissen führt, bislang nicht erfüllt [ hat. Stattdessen]scheint das Gegenteil der Fall zu sein. [ ] Ungleichheiten [wurden] nicht verringert, sondern [ ] tendenziell verstärkt, da die wohlfahrtsstaatlichen Angebote von verschiedenen Gruppen unterschiedlich genutzt werden (BMFSFJ 2013: 342). Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass breit angelegte präventive Infrastrukturmaßnahmen wie etwa Sure Start oder Homestart in Großbritannien unabhängig von einer Reihe durchaus positiver Effekte nicht in der Lage waren Bedarfe und Problemlagen in einer Weise abzubauen, dass die Inanspruchnahme von 98 Das auch die 35a Hilfen als kostenfreie Fördermaßnahme insbesondere für Kinder im Übergang zur Sek. I von ansonsten für die HzE durchaus atypischen Klientel in Anspruch genommen wird, dürfte ein offenen Geheimnis sein. (insbesondere stationären) Care und Youth Welfare Maßnahmen in einer messbaren Weise reduziert worden wäre (vgl. McAuley et al. 2006; National Evaluation of Sure Start 2005). Ähnlich enttäuschend sind die Befunde von vergleichbaren Initiativen im Kontext der No-child-leftbehind Programme in den USA, die eines ihrer zentralen Ziel politisches Ziele, nämlich reducing the need for care (Forrester et al. 2009: 452), gerade im Falle vulnerabler Familien nicht ansatzweise erreicht haben. Selbst wenn man annimmt, dass präventive Infrastrukturmaßnahmen auch in Deutschland nur wenig Effekt auf die Fallzahlen im HzE-Bereich haben, bedeutet dies nicht, dass sie präventiv unwirksam sind. Durch funktionierende präventive Angebote werden im fachlichen Idealfall Wege für AdressatInnen mit entsprechendem Bedarf in das Hilfesystem eröffnet, deren Bedarfe bislang nicht versorgt worden sind. In aller Regel kommen im Zuge von Präventionsmaßnahmen - sofern diese funktionieren - mehr Familien und junge Menschen mit Unterstützungsbedarfen in den Blick als dann, wenn sich keine präventiven Angebote finden. Sofern ist zutrifft ist davon ausgehen, dass bei gegenwärtigem Unterstützungsbedarf HzE-Raten parallel zu niedrigschwelligen Angeboten steigen werden. Das Feld der Frühen Hilfen stellt hierfür ein gutes Beispiel dar. Die Tatsache, dass parallel zur Implementation einer ganzen Reihe von Maßnahmen, die im Vorfeld von HzE Familien unterstützen sollen auch die HzE für bis 6-jährige gestiegen sind, ist möglicherweise kein Hinweis darauf, dass Frühe Hilfen nicht funktionieren, sondern im Gegenteil, dafür, dass sie funktionieren, sofern sie es als Aufgabe betrachten, Sorge dafür zu tragen ihren AdressatInnen eine bedarfsangemessene Hilfe zukommen zu lassen. Zwar besteht die Hoffnung durch präventive Infrastrukturmaßnahmen Probleme bereits im Sozialraum aufzugreifen und mindestens perspektivisch an Stelle von Einzelfallhilfen zu bearbeiten (AGJ 2013: 6) aber um einen reduzierenden Effekt auf HzE-Zahlen zu haben, müssten präventive Maßnahmen im Vorfeld von HzE eine sehr (de facto unrealistisch) hohe Effektrate haben. Wenn präventive Maßnahmen nicht mindestens so viele Problemlagen verhindern, wie durch die Maßnahmen zusätzlich in das Blickfeld von HzE kommen, werden HzE-Raten durch solche Maßnahmen eher steigen als sinken. Neben der Frage der selektiven Inanspruchnahme von offenen Gruppenangeboten und neben der Frage wie realistisch die Erwartung ist, dass durch solche Maßnahmen ein Präventionseffekt in dem Sinne erwartet werden kann, dass die HzE-Raten sinken, besteht ein Problem in der Frage, wie effektiv solche Maßnahmen für die typischen Problemlagen der typischen AdressatInnen von HzE sind. Gemeinhin wird es als ein generelles Manko von gruppenbezogenen Maßnahmen darin gesehen, dass sie zwar etwa im Sinne von Gruppentrainings zur Kompetenzvermittlung eingesetzt werden können, aber nur

68 68 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen vergleichsweise wenig Möglichkeit bieten, problematische Lebens- bzw. familiären Verhältnisse zu bearbeiten. Empirisch ist es evident, dass gerade bei sozioökonomisch belasten Familien Erziehungsproblematiken systemtisch und in einer komplexen Weise mit einer Reihe weiterer familialer und sozialer Belastungen verbunden. Vor diesem Hintergrund scheint die Logik der ambulanten und insbesondere familienorientierten HzE die in der Regel darauf gerichtet sind, ihre AdressatInnen vor dem Hintergrund ihrer lebensweltlichen Einbindungen und der damit verbundenen Problemkonstellationen in den Blick zu nehmen eher gegenstandsangemessen zu sein, als die Logik von Gruppenangeboten. Dies ist möglicherweise auch ein Hintergrund für den Befund einer ganzen Reihe von Wirkungsanalysen, die aufzeigen, dass offene und universelle Formen von psycho-edukative Präventionsmaßnahmen häufig gerade bei dem sozial am stärksten benachteiligten Klientel die geringsten Effekte aufweisen (vgl. Lösel et al. 2006). Dies gilt insbesondere für Maßnahmen, die in Gruppen stattfinden (vgl. Hoag/Burlingame 1997). Vor dem Hintergrund der Einsicht, dass gezielte Einzelmaßnahmen, die sich auf ein spezifisches Klientel richten und sich entsprechend stärker an der spezifischen Situation der Betroffenen orientieren können, für sozial benachteiligte AkteurInnen in der Regel deutlich bessere Wirksamkeitsraten aufweisen, wird mit einigem Recht eine zielgruppenorientierte Zugangsweise gefordert, die sich an der Lebenswelt spezifischer AdressatInnen orientiert und in diesem Sinne individualisiert ist. Insbesondere mit Blick auf schwer erreichbare Populationen legen Studien ferner nahe, dass eine Gehstruktur ein deutlich vorteilhafteres Format darstellt, als die für Infrastrukturangebote übliche Kommstruktur. Als besonders vorteilhaft gelten Formate, die den Charakter einer Langzeitbegleitung aufweisen und in einem möglichst geschützten Rahmen stattfinden. Im Idealfall wird dieser individuell bzw. in Kleinstgruppen gestaltet. Dies gilt insbesondere als vorteilhaft für den Aufbau von Vertrauensbeziehungen. Nimmt man diese Befunde zusammen, dann scheint es so, als seien gruppenbezogene offene infrastrukturelle Präventionsangebote Maßnahmen, die vor allem von Mittelschichtseltern mit vergleichsweise geringen Problemlagen frequentiert werden und bei diesem Klientel auch relativ erfolgreich sind. Mit Blick auf sozial eher benachteiligte AkteurInnen mit stärker ausgeprägten Problemlagen, scheinen offene universelle Präventionsmaßnahmen weniger geeignet als spezifische indizierte Maßnahmen, die sich stark an der individuellen Situation der Betroffenen orientieren. Dies ist faktisch der Charakter, der die ja durchaus präventiv ausgerichteten individuellen HzE auszeichnet. All dies spricht nicht gegen einen (deutlichen und systematischen) Ausbau sozialer Infrastrukturmaßnahmen. Dies gilt zumal erwartet werden kann, dass eine Erhöhung der Angebotsdichte die Selektivität der Inanspruchnahme reduzieren wird. Wesentlich ist, dass bei einem Aufbau an offenen und universellen Angeboten, die sich auf alle Familien bzw. junge Menschen richten, die am stärksten Benachteiligten nicht aus dem Blick geraten, sondern eine bedarfsgerechte Angebotsstruktur entwickelt wird, die insbesondere auch für das schwächste Fünftel der Bevölkerung zugänglich ist. Sofern solche Infrastrukturmaßnahmen funktionieren, ist erwartbar, dass mehr Bedarfe von Familien und jungen Menschen in den Blick geraten als bislang. Darunter dürften sich auch Bedarfe finden, für deren Bearbeitung selektive bzw. indizierte Maßnahmen d. h. einzelfallorientierte HzE angemessen sind. Wie es die AGJ (2013a: 6f) formuliert, kann es bei dem notwendigen Ausbau einer tragfähigen, zugänglichen und bedarfsgerechten Infrastruktur also nicht um eine Konkurrenz oder gar um ein Ausspielen von Infrastruktur gegen Leistungsgewährung qua Jugendamtsentscheidung im Einzelfall gehen. Beide Steuerungslogiken beim Entstehen von Hilfe werden auch zukünftig im Nebeneinander und Miteinander ihre Berechtigung haben. Vor dem Hintergrund, dass Infrastruktur nicht das Bestehen von Rechtsansprüchen auf individuelle Leistungen ersetzt und ersetzen kann, müssen Adressatinnen und Adressaten weiterhin die Möglichkeit haben, ihre Ansprüche auf Hilfe gegenüber dem zuständigen Sozialleistungsträger geltend zu machen. Demgegenüber besteht die Gefahr, dass Versuche, die indizierten und spezifischen HzE durch Formate einer offenen, universellen Prävention zu reduzieren, oft alleine deswegen fachlich unangemessen sind, weil sie ihr Klientel nicht erreichen bzw. bei den typischen Klientel der HzE die geringsten Effekte versprechen. Sofern es also nicht um einen Aufbau von Infrastrukturleistungen parallel zu einer Bereitstellung von HzE im Sinne selektiver und indizierter Einzelfallmaßnahmen, sondern um eine Ressourcenverschiebung weg von individuellen HzE und hin zu gruppenbezogenden Präventionsmaßnahmen im Sozialraum geht, besteht das Problem, das eigentliche Klientel aus dem Auge zu verlieren und stattdessen eine Politik der Mittelschichtsförderung zu betreiben (dazu auch: Althammer 2000). 3. Wirkungen der HzE Während lange Zeit ein erhebliches Wissensdefizit bezüglich der Wirkungen der HzE zu konstatieren war, hat insbesondere in den letzten 15 Jahren die Anzahl von Wirkungsstudien deutlich zugenommen. Ein Großteil der Wirkungsstudien richtet sich auf die Heimerziehung, während Wissen über die Effektivität von teilstationären und ambulante Maßnahmen, des Pflegekinderwesens

69 69 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen und beratenden Hilfen zwar vorhanden, aber insgesamt weniger ausgeprägt und differenziert ist. Ein zentrales Wissensdefizit besteht jedoch nach wie vor darin, dass es keine epidemiologischen Studien über die Verbreitung jener Problemlagen und Bedarfe, die die Kinderund Jugendhilfe bearbeitet, in der Gesamtheit junger Menschen und ihrer Familien gibt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind daher sind Aussagen über die Höhe des realen Bedarfs an Programmen zur Förderung von Kindern und Familien weitgehend spekulativ. Dies bedeutet auch, dass es zwar Einsichten über die relative Wirksamkeit einzelner Maßnahmen, aber keine verlässliche Daten darüber gibt, in welchem Ausmaß und mit welcher Wirkung das gesamte HzE-System gesellschaftlich vorherrschende Bedarfe und Problemlagen junger Menschen und ihrer Familien insgesamt bearbeitet. Zugleich ist damit ein Mangel an verlässlichen Erkenntnissen zu der Frage verbunden, wie sich die Entwicklung junger Menschen und Familien, die entsprechende Hilfen und Unterstützung in Anspruch nehmen (mittel- und langfristig) von den Entwicklungen jener junger Menschen und Familien unterscheidet, die diese Unterstützung unter ansonsten vergleichbaren Umständen nicht erhalten. Zwar finden sich Studien, die ein feldexperimentelles Design aufweisen und dabei ansatzweise Kontextfaktoren und hilfebezogene Wirkungsfaktoren bei der Analyse des Outcomes unterscheiden können, im engeren Sinne empirisch gesichertes Wissen findet sich jedoch eher darüber, ob es einem jungen Menschen bzw. seiner Familie nach der Maßnahme besser geht als vorher, aber weniger darüber, wie sich ein junger Menschen bzw. seine Familie entwickelt hätten, wenn er/sie keine Maßnahme erhalten hätte 99. Aufgrund der typischen Altersstruktur der jungen Menschen in den HzE, könnte es durchaus sein, dass vor diesem Hintergrund die Effekte der Hilfen unzureichend erfasst werden. Insbesondere ist es wahrscheinlich, dass Effekte unterschätzt werden. Diese liegt daran, dass für eine Reihe von Problemlagen eine Zunahme im Prozess des Auswachsens anzunehmen ist 100. Dies lässt sich am Beispiel der sog. Age-Crime-Curve 101 (siehe Abb. 27) veranschaulichen. Abb. 27: Age- Crime - Curve der Jahrgänge 1970, 1973, 1975 und 1978 in Baden-Württemberg (Quelle Grundies 2000 auf der Basis der Freiburg Cohort Study) Die Age-Crime-Curve zeigt die polizeiliche Kriminalitätsregistrierungsrate im Altersverlauf an. Dabei wird z. B. deutlich, dass die so bemessene Kriminalitätsrate von 18-Jährigen statistisch gesehen fast viermal höher ist als die von 13 Jährigen. Die Age-Crime-Curve gilt im Wesentlichen auch für junge Menschen, die bereits relativ frühzeitig hoch delinquenzbelastet sind (dazu: Sampson/Laub 1993). Wenn z. B Jährige eine HzE Maßnahme mit einer Dauer von zwei Jahren erhalten und nach diesen zwei Jahren ist die Delinquenzbelastung im Durchschnitt genauso hoch wie vorher, würden Wirkungsforschungen im Sinne von Outcome-Forschungen eher keinen Effekt feststellen. Allerdings ist anzunehmen, dass sich in dieser Gruppe ceteris paribus die Delinquenzbelastung statistisch deutlich erhöht hätte. Das Ausbleiben einer statistisch erwartbaren höheren Delinquenzbelastung könnte demnach durchaus ein Effekt der Maßnahme sein, die jedoch bei Outcome-Forschungen ohne Kontrollgruppe nicht in den Blick gerät. Gegebenenfalls kann demnach eine Stabilisierung der Situation oder eine Verhinderung einer Problemverschärfung durchaus ein Erfolg einer Maßnahme sein. Es kann selbstverständlich nicht darum gehen, prinzipiell allen Maßnahmen mit dem Argument Erfolg zuzuschreiben, dass sich ohne die Maßnahmen alles noch ungünstiger entwickelt hätte. Gleichwohl bleiben die Ergebnisse 99 Notwendig wären problem-epidemiologische Studien, die Fragen zur Inanspruchnahme von Maßnahmen beinhalten und diese mit Wirkungsanalysen der in Anspruch genommenen Maßnahmen verkoppeln. Solche Studien finden sich jedoch nicht einmal ansatzweise. 100 Es ist durchaus aber auch möglich, dass Problemlagen im Zuge von Entwicklungen abnehmen. Bei einigen akuten Problemlagen sind selbstregulatorische oder salutogenitische Entwicklungen durchaus nicht selten. 101 Das Problem, dass es sich hierbei um polizeilich registrierte Kriminalität und nicht reale Devianzraten handelt, ist für dieses Beispiel wenig relevant.

70 70 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen der Wirkungsforschungen zum gegenwärtigen Stand noch häufig interpretationsoffenen und solange sich keine Studien finden, die die Entwicklung von jungen Menschen, die ceteris paribus keine HzE erhalten als Vergleichsgruppe in den Blick nehmen bis zu einem gewissen Grad spekulativ bzw. auf Plausibilitätsargumente angewiesen. Jenseits solcher grundsätzlichen Überlegungen konstatieren eine beträchtliche Zahl deutscher aber auch internationaler Studien den Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe eine insgesamt durchaus bemerkenswerte Wirksamkeit (vgl. Schrödter/Ziegler 2007, Macsenaere 2013). Zwar gibt es in internationalen Studien den Befund, dass insbesondere Menschen nach der Heimerziehung im Durchschnitt immer noch deutlich stärkere Problemlagen aufweisen als der Populationsdurchschnitt (vgl. im Überblick: Forrester et al. 2009) und auch in Deutschland weisen Studien darauf hin, dass junge Menschen und ihre Familien auch nach Beendigung intensiver Maßnahmen keinesfalls frei von Entwicklungs- und Erziehungsproblematiken sind. Dennoch konstatieren (auch und insbesondere deutschsprachige) Wirkungsstudien abhängig vom Design der Studie und der untersuchten Hilfeart eine Quote von 60 bis 90 Prozent positiver Entwicklungsverläufe bei mittleren bis hohen Effektraten (vgl. Esser/Macsenaere 2012). Zum Teil finden sich kleine Studien zu sehr spezifischen Ansätzen, die von außergewöhnlich hohen Effektraten berichten. Es sei an dieser Stelle empfohlen diese Studien zur Kenntnis und auch durchaus ernst zu nehmen. Abgeraten sei aber davon, diese Ansätze zu Leuchttürmen und Blue-Prints für eine flächendeckende Implementierung zu stilisieren. Dabei geht es um eine Reihe von methodischen Problemen (wie etwa die Proximität der evaluativen Endpunkte zu den Maßnahmeinhalten), sowie um das generelle Problem, dass 1. eine geringe methodische Qualität von Studien häufig mit hohen Effektraten einhergeht, 2. kleine Stichproben häufig mit hoher Effektivität einhergehen (hierzu Lösel et al. 2006), 3. ein Verzicht auf die systematische Berücksichtigung von Moderatoren- und Mediatorenvariablen häufig mit einer überproportionalen Wirkungszuschreibung an die Maßnahme einhergeht (Typ I error) und 4. gerade bei solchen kleinen Wirkungsevaluationen Follow-Up-Messungen häufig deutlich geringere Effektraten aufzeigen 102. Darüber hinaus gilt in der Regel, dass die Effektstärke einer Maßnahme abhängig von der Ausgangslage der Problemdichte der MaßnahmeteilnehmerInnen ist. So finden sich z. B. im Falle von vergleichsweise wenig be- 102 Dies hängt nicht selten mit dem gerade bei kleinen Fallzahlen virulenten Reliabilitätsproblem, der Skalen zur Wirkungsmessung zusammen. Diese Skalen sind in der Regel häufiger als durch die AutorInnen solcher Studien nahegelegt wird, eher in populationsstatistischer Hinsicht bedeutsam als im engeren Sinne individualdiagnostisch aussagekräftig. lasteten Kindern und Familien sog. Deckeneffekte: Der Spielraum für positive Veränderungen ist eher gering und die Wahrscheinlichkeit hoher Effekte entsprechend reduziert. Dies sorgt u. A. dafür dass z. B. die Wirkung offener, universeller Programme häufig niedriger ist, als in gezielten Ansätzen. Auch im Kontext Früher Hilfen, wenn es darum geht, Problemlagen zu bearbeiten bevor sie manifest werden, finden Wirkungsstudien oft nur sehr geringe Effekte. Wenn die Familien vor der Maßnahme nur geringe manifeste Probleme aufweisen und nach der Maßnahme wie erhofft auch keine oder nur geringe Probleme aufweisen, ist dies aus der Perspektive der Wirkungsforschung kein Effekt dies sollte aber nicht mit einem Mangel oder einem Scheitern der Maßnahmen verwechselt werden. Die Wirkungen der Maßnahmen sind davon abhängig, was als Wirkungsindikator gewählt wird. Das Problem entspricht dabei dem, was Armatya Sen (1980) in seinem Aufsatz Deskription als Choice herausgearbeitet hat: Wissenschaftliche bzw. evaluative Beschreibungen basieren nicht auf neutralen Beobachtungen, sondern Beschreibungen enthalten notwendigerweise Selektionen. Anders formuliert, sind Deskriptionen nicht einfach als das Tätigen wahrer Aussagen (mit dem Bemühen sich an die Beobachtung objektiver Fakten zu halten). Vielmehr verlangen Beschreibungen aus einer Vielfalt von Aussagen oder Fakten, diejenigen auszuwählen, denen für den Zweck der Beschreibung die meiste Relevanz zugesprochen wird. Das heißt nicht, dass die Aussagen nicht objektiv sein können, sondern das Aussagen bestenfalls eine positionale Objektivität eine Selektion aus einer Pluralität möglicher Wahrheiten aufweisen. Die Frage ist daher, was als Informationsbasis für Wirkungsaussagen ausgewählt wird. Erst diese Auswahl erlaubt es auf der praktischen Ebene, Zielsetzungen zu definieren, Mittel und Ressourcen auf deren Erreichen zu konzentrieren und auf der evaluativen Ebene zu prüfen, ob und in welchem Ausmaß Zielsetzungen erreicht wurden bzw. ob die eingesetzten Mittel und Ressourcen für das Erreichen der Zielsetzungen zweckdienlich und adäquat waren (vgl. Bonvin/Rosenstein 2010). Wissenschaftlich lassen sich zwar mögliche Grenzen und Beschränkungen der Informationsbasen erörtern sowie Aussagen über die Reliabilität und einige wesentliche Validitätsaussagen über die verwendeten Indikatoren begründen (dazu: Farrington 2003). Es ist aber nicht möglich wissenschaftlich zu entscheiden, welche der verschiedenen Informationsbasen praktisch und fallspezifisch richtig und angemessenen sind. Die Entscheidung für eine bestimmte Informationsbasis und damit zugleich gegen andere Informationsbasen bleibt im Wesentlichen eine normative (teils normativ-fachliche, teils normativ politische) Entscheidung. Die gewählte Informationsbasis von Wirkungsstudien im Feld der HzE variiert erheblich. So sind einige

71 71 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Wirkungsanalysen de facto als Zufriedenheitsstudien der NutzerInnen angelegt (so z. B. Böhnisch et al. 2002, oder katamnestische Befragungen von ehemaligen HeimbewohnerInnen vgl. Landeswohlfahrtsverband Baden 2000, Esser 2010). Diese Studien werden im Folgenden nur am Rande berücksichtigt. Zwar ist die Zufriedenheit der NutzerInnen oder deren subjektive Einschätzung, ob die Maßnahme hilfreich war, sicherlich bedeutsamer Befund, der teilweise als zentrales Kriterium für einen wirksamen Hilfeverlauf betont wird (vgl. Böhnisch et al. 2002, Ben-Arieh 2005). Allerdings ist diese Zufriedenheit durch eine Vielzahl von Einflüssen geprägt, die nur bedingt mit der Wirksamkeit der Maßnahme zu tun haben. Darüber hinaus sind Zufriedenheitsbefragungen überaus anfällig für kaum kontrollierbare Selektionseffekte. Gemeinhin ist die Zufriedenheit mit den Maßnahmen hoch. Regelmäßig sind zwischen 80 % und weit über 90 % der NutzerInnen mit den Maßnahmen zufrieden und empfinden diese als hilfreich. Dies gilt auch für intensive Maßnahmen wie etwa Heimerziehungen, die von den NutzerInnen in vielen Fällen nur bedingt gewünscht waren. Selbst im Falle von Abbrüchen ist eine Mehrheit der jungen Menschen und ihrer Familien mit der Maßnahme noch einigermaßen zufrieden. In Fällen, in denen die Hilfen wie geplant zu Ende geführt werden, ist die subjektive Zufriedenheit mit der Maßnahme der absolute Regelfall. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die wenigen katamnestischen Befragungen von ehemaligen HeimbewohnerInnen. Diese liefen trotz aller notwendigen methodologischen Nachfragen, die sich an solche Studien stellen den bemerkenswerten Befund, dass die Betroffen selbst auch auf lange Sicht ihre eigene Entwicklung während und nach der Heimerziehung überwiegend als positiv beschreiben. Dabei schreiben sie der Heimerziehung einen signifikanten Beitrag für diese Entwicklung zu (vgl. Landeswohlfahrtsverband Baden 2000, Esser 2010). Mit messbaren Veränderungen der Zustände und Praktiken der AdressatInnen der Maßnahmen korrelieren die Ergebnisse von Studien, die ihren Fokus auf die subjektiven Aussagen und Bewertungen der AdressatInnen richten, jedoch häufig nur moderat. Andere Wirkungsstudien bemessen das Ausmaß an Zielerreichung gemäß der Vereinbarungen im Jugendhilfeplan. Auch dies stellt zunächst eine relevante Informationsbasis dar. Allerdings besteht das Problem 1. darin, dass anspruchsvolle Ziele schwerer zu erreichen sind als weniger anspruchsvolle, 2. darin, dass man für eine aussagekräftige Messung beurteilen müsste, ob die Ziele selbst angemessen und sinnvoll sind (hierfür fehlen valide externe Kriterien), 3. dass unterschiedliche Zielformulierungen bei unterschiedlichen Fällen kaum miteinander zu vergleichen sind und 4. dass es ggf. schwierig ist, Ziele so zu formulieren, dass ihr Erreichen in einer sinnvollen Weise (quantitativ) geprüft und nicht nur ex post gerechtfertigt werden kann. Der Abschlussbericht der Evaluation des Bundesmodellprogramms Wirkungsorientierte Jugendhilfe führt hierzu aus: Ziele werden als überprüfbare Vorhaben formuliert. Eindeutig und überprüfbar ist jedoch allein die Aktivität, im Gegensatz zu den dahinterliegenden pädagogischen Intentionen. Der Sinn, den diese Aktivität möglicherweise hat, lässt sich daher nicht unvermittelt überprüfen. [ Dies führt häufig dazu] dass Leitziele unbenannt bleiben, während überprüfbare Aktivitäten in den Vordergrund treten, womit die Zielformulierung in die Nähe der Banalisierung gerät. Die Bearbeitung scheinbar erreichbarer Ziele vermittelt zuweilen den Eindruck der Irrelevanz. [ ] Mit der Produktion von Kennzahlen für das operative Controlling ist für die Beteiligten das Problem verbunden, anhand einer quantitativen Einschätzung der Zielerreichung den Hilfeerfolg messbar zu machen. Damit geraten alle Beteiligten unter Druck. Die Kinder und Jugendlichen bewerten implizit ihre eigenen Aktivitäten unter dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit, gleichzeitig fällt das Ergebnis auch auf die Arbeit der Fachkräfte zurück. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass das Ergebnis der Zielüberprüfung eine fachlich begründete Entscheidung für eine Weiterführung bzw. Beendigung der Hilfe nicht in Frage stellt (Albus et al. 2010: ). Andere Studien greifen auf Indikatoren zurück, die vor dem Hintergrund verhaltenstherapeutischer Überlegungen entwickelt wurden. Hierzu zählt etwa die Child Behaviour Checklist (CBCL), die zur Erfassung von Kompetenzen und klinisch relevanten Verhaltensauffälligkeiten dient (und die es ggf. erlaubt DSM-orientierte Skalen zu bilden). Die CBCL hat u. A. den Vorteil auf statistisch reliable, normierte Skalen (sieben Problemskalen, die sich zu drei übergeordneten Skalen und einer Gesamtauffälligkeitsskala zusammenfassen lassen) und auf standardisierte Instruktion zurückzugreifen. Hierzu liegt eine deutsche Normierung der CBCL auf Basis einer repräsentativen Stichprobe vor. Die CBCL ist eine wesentliche Basis für die JES-Studie und die EVAS-Studien. Damit verwandt sind die Instrumente des Projekts PädZi (die zugleich Zielerreichungsdimensionen erfassen) oder das Strengh and Difficulties Questionaire, das in einigen Evaluationen eingesetzt wird (vgl. z. B. die Forschungen von Rücker et al. 2009) und sich faktisch als eine Art ökonomische Kurzform der CBCL verstehen lässt. Die Erfassung der Wirkung von HzE mit diesen Indikatoren weist einen kinder- und jugendpsychiatrischen Fokus auf. Andere Wirkungsindikatoren (z. B. von WIMES) sind globaler, versuchen aber im Falle von WIMES etwa auf der Basis von neun Dimensionen, die im Sinne einer Single-Item Bewertung ausgefüllt werden eher sozialarbeitstypische Problemlagen abzubilden. Andere Studien fokussieren mit unterschiedlichen Schwerpunkten spezifische Aspekte von Bedarfen wie z. B. Legalverhalten,

72 72 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen die Entwicklung der Schul- und Ausbildungssituation, die Alltagsbewältigung, die Persönlichkeitsentwicklung oder soziale und familiale Beziehungskonstellationen. Die Operationalisierungen dieser Dimensionen sind teilweise überzeugend, teilweise mäßig gut gelungen. Häufig geht es eher darum, mehr oder weniger praxisrelevante Informationen mit möglichst überschaubarem Aufwand zu gewinnen und weniger darum, Reliabilitäts- und Validitätskriterien zu entsprechen. Theoretisch ambitioniert ist die Effektivitätsforschung des Projekts Wirkungsorientierte Jugendhilfe. Die Idee besteht darin, weniger nach dem Ausmaß von Symptomreduzierungen in vermeintlich oder tatsächlich wesentlichen Problembereichen zu fragen, sondern relativ nahe der Philosophie des KJHG und des sozialarbeiterischen Professionsdiskurses folgend Wirkungen im Sinne der Erweiterung des Ausmaßes und Spektrums effektiv realisierbarer und hinreichend voneinander unterscheidbarer Möglichkeiten und Handlungsbefähigungen zu erfassen, die als relevant betrachtet werden, um es jungen Menschen zu erlauben ein Leben in einer Weise zu führen, die sie vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lebensziele wertschätzen können. Hierbei geht es dann um Dimensionen wie z. B. Gesundheit, Wohnen und Leben, Körperliche Integrität, Bildung, Fähigkeit zu Emotionen, Vernunft und Reflexion, Zugehörigkeit, Zusammenleben, Kreativität und Kontrolle über die eigene Umgebung. Erfasst wurden vor diesem Hintergrund etwa die Qualität von soziale Beziehungen, Dimensionen wie Selbstwert, Selbstwirksamkeit, Optimismus, Selbstbestimmung und Selbstsorgefähigkeiten aber auch das Ausmaß an Sicherheit und Obhut oder an Ausstattungen (insbesondere im Bereich Ernährung, Körperpflege, Ausbildung und Schule, Taschengeld und Medien), die den jungen Menschen zur Verfügung gestellt werden. Der Gedanke dabei ist, dass Maßnahmen, wie z. B. die Heimerziehung aber auch die SPFH, nicht nur vorhandene Defizite an einem Individuum bearbeiten, sondern auch Sozialisationsbedingungen so gestalten sollen, dass ein gutes Aufwachsen möglich wird. Mit dieser Perspektive wenngleich auf einer stärker individualistischen Ebene verwandt, ist der insbesondere von Lerner et al. (2005) vorangetriebene Positive Youth Development -Ansatz (PYD) (dazu: Roth/Brooks-Gunn 2000, Silbereisen/Lerner 2007, Keupp 2012), der vor allem den Gedanken stark macht, dass eine Entwicklung ohne psychosoziale Anpassungsstörungen noch lange nicht dem entspricht (Weichhold/Silbereisen 2007: 103), was man als ein gelingendes Aufwachsen verstehen kann. Der PYD-Ansatz lenkt den Blick auf jene Entwicklungsressourcen, die eine wirksame Jugendhilfe ermöglichen oder bereit stellen sollte. Allerdings haben die PYD-Skalen bislang in der Evaluation der Kinder- und Jugendhilfe noch keine Anwendung gefunden. Der evaluative Ansatz von Albus et al. (2010) und tendenziell auch der Positive Youth Development-Ansatz scheint für die Wirkungsevaluation von HzE eine vielversprechendere Informationsbasis bereit zu stellen, als Effektstudien, die z. T. im impliziten oder expliziten Rekurs auf Psychopathologiemodelle primär Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen der jungen Menschen fokussieren. Dies ist alleine deshalb der Fall, weil diese Persönlichkeits- und Verhaltensdimension zwar in der Regel durchaus relevant sind, aber bei den HzE nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen (siehe Abb. 28) Abb. 28: Hauptgründe für die Hilfegewährung in den Hilfen zur Erziehung (Quelle: Monitor Hilfen zur Erziehung 2014, Datenbasis 2012) Insgesamt ist gegenwärtig davon auszugehen, dass Verhaltens- und Entwicklungsauffälligkeiten junger Menschen bei nicht mehr als einem Drittel aller Fälle als primärer Grund für die Gewährung einer HzE angeben werden. Demgegenüber werden zwei Fünftel der Hilfeentscheidungen durch elterliche oder familiale Problemlagen und Konflikte oder eingeschränkte Erziehungskompetenzen der Eltern begründet und ein weiteres Viertel durch Un- oder Unterversorgungen, Betreuungsoder Förderungsmängel oder eine Gefährdung des Kindeswohls (vgl. Fendrich et al. 2009). Bemerkenswerterweise sind gerade in der Heimerziehung individuelle Problemlagen häufig nicht der Hauptgrund für die Maßnahme. Zwar nimmt die Relevanz individuelle Problemlagen mit zunehmendem Alter der jungen Menschen tendenziell zu, aber selbst in der Gruppe in der sie die größte Bedeutung haben (bei den 18- bis 21-jährigen) sind sie in

73 73 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen rund drei von fünf Fällen nicht der zentrale Grund der Unterbringung (siehe Abb. 29, Abb. 30). Abb. 29: Anteil von individuellen Problemlagen als Hauptgrund der Heimerziehung (Zusammenfassung der Gründe: Auffälligkeiten im sozialen Verhalten oder Entwicklungsauffälligkeiten/seelische Probleme oder schulische/berufliche Probleme des jungen Menschen (eigene Berechnung, Statistisches Bundesamt Datenbasis 2012) Entwicklungschancen und Teilhabemöglichkeiten massiv bedroht sind. Diese Dimension der Heimerziehung wird in Wirkungsanalysen regelmäßig nicht (oder nur unzureichend) erfasst. Angesichts der heterogenen Informationsbasis der Wirkungsbemessung ist es durchaus bemerkenswert, dass faktisch alle Wirkungsstudien den HzE insgesamt mittlere bis hohe, teilweise auch sehr hohe Effektraten bescheinigen. Auch wenn sich sehr hohe Effektraten insbesondere bei kleineren Studien mit teilweise recht speziellen Maßnahmen oder Modellprojekten fanden 103 (in denen die Wirkungsindikatoren z. T. sehr stark an die Maßnahmen oder die Maßnahmen an die Indikatoren angepasst waren und es nicht erwartbar ist, dass solche Effektstärken bei einer Implementierung dieser Spezialmaßnahmen in die Fläche reproduziert werden (dazu generell: Fries/Souvignier 2009; Beelmann 2000) lässt sich doch davon sprechen, dass sich in sämtlichen Wirkungsstudien deutlich mehr positive als neutrale oder gar negative Entwicklungsverläufe finden. Anders formuliert, wird die Wirksamkeit von Jugendhilfemaßnahmen in den inzwischen vielfältigen Outcome-, Wirkungs- und Effektstudien insgesamt eindrucksvoll bestätigt: Den jungen Menschen geht es nach einer HzE in der Regel besser als vor der HzE und in dieser Allgemeinheit gilt dies relativ unabhängig davon wie dieses Besser in den einzelnen Studien konzeptualisiert und operationalisiert wird. Vereinzelt vorliegende Studien legen darüber hinaus eine Abb. 30: Anteil von familialen bzw. kontextuellen Problemlagen als Hauptgrund der Heimerziehung (Zusammenfassung der Gründe: Unversorgtheit des jungen Menschen, unzureichende Förderung/Betreuung/Versorgung des jungen Menschen in der Familie, Gefährdung des Kindeswohls, eingeschränkte Erziehungskompetenz der Personensorgeberechtigten, Belastungen des jungen Menschen durch Problemlagen der Personensorgeberechtigten, Belastungen des jungen Menschen durch familiäre Konflikte (eigene Berechnung, Statistisches Bundesamt Datenbasis 2012) Sofern (sub-)klinische Verhaltensstörungen der jungen Menschen selbst als primäre evaluative Zielgrößen herangezogen werden, ist vor diesem Hintergrund erwartbar, dass Effekte der Kinder- und Jugendhilfe (gerade im Bereich der Heimerziehung) unterschätzt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn es der Kinder- und Jugendhilfe nicht primär um die Therapie von Verhaltensproblemen geht, sondern um die Sicherstellung der Möglichkeitsbedingungen eines guten Aufwachens. Aus dieser Perspektive macht es durchaus Sinn, wenn als Wirkungsindikator etwa bei der Fremdunterbringung die Frage in den Mittelpunkt gerückt wird, ob es den Hilfen gelingt, Sozialisationsbedingungen in einer Qualität sicherzustellen, die z. B. den gesellschaftlich erwartbaren familiären Sozialisationsbedingungen entsprechen. Wie es Hamberger (2014: 243) formuliert, geht es dann darum, Verlässliche und sichere Orte, stabile Rahmenbedingungen und Kontinuität in Beziehungen für jene Kinder und Jugendlichen zu bieten, deren 103 In einem Prä-Post-Vergleich der Belastungen und Probleme einer speziellen Maßnahmen mit verhaltenstherapeutischen Elementen fanden Rücker et al. (2009) Effektstärken der Maßnahmen die im Bereich psychischer Belastungen zwischen d = 1.55 für Lern- und Leistungsprobleme bis d =.57 für oppositionelles Problemverhalten lagen, für aggressiv-dissoziales Verhalten d =.99, für Selbstwertproblematiken d = 1.07 und für unterschiedliche Dimensionen des Erziehungsverhaltens der Eltern Effektstärken zwischen d = 1.35 und d =.66. Was immer man von Berechnungen auf Basis von Cohens d halten mag, signalisieren solche Ergebnisse exorbitant starke und in dieser Form nicht erwartbare Effektivitätsraten. Auch wenn man verhältnismäßig strenge Kriterien anlegt, entsprechen d-werte ab ca. d = 0,2 einen kleinen, Werte um d = 0,5 einem mittleren und spätestens ab d = 0,8 einem starken Effekt. Effektstärken wie in der Studie von Rücker et al. sind insgesamt so nicht zu erwarten.

74 74 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen relative Stabilität der Wirkungen nahe (vgl. Rücker et al 2010a) 104. Die Höhe der Effekte bzw. die Wirksamkeit der HzE ist insgesamt von einer Reihe von Merkmalen abhängig, die im Folgenden beschrieben werden. Interessant dürfe aber zunächst sein, dass die Effekte entgegen der Befunde von Einzeluntersuchungen 105 in aller Regel nicht von einer spezifischen Handlungsmethode abhängen. Selbst bei vergleichsweise individualzentrieren Psychotherapien, klären spezifische Therapieverfahren in der Regel ceteris paribus zwischen maximal 15 % und 1 % der Varianz der Ergebnisse auf (vgl. Lambert/ Ogles 2004, Wampold 2001, Tschuschke et al. 1994). Wie es Martin Seeligman (2005) - aus einer anderen weniger auf Labor-Wirksamkeit als auf klinische Brauchbarkeit und Bewährtheit fokussierenden Perspektive, auf der beeindruckenden Datenbasis des US-amerikanischen Consumer Reports formuliert: Keine spezifische (bona fide) Therapieform kann generell oder auch nur mit Hinblick auf bestimmte Problemlagen eine höhere Wirkung als andere nachweisen 106. Aufgrund der vergleichsweise starken Einbettung in intersubjektive und lebensweltliche Bedingungskonstellationen und aufgrund ihrer hohen Abhängigkeit von Fallverstehen und kontextadäquaten Vorgehensweisen ist kaum 104 Die auf langfristige Wirkung von ambulanten und teilstationären Jugendhilfe-Maßnahmen zielende Untersuchung von Rücker et al (2010a) legt wenn auch auf der Basis einer eher kleinen Fallzahl (N = 59) eine bemerkenswert starke Wirkung nahe, die sich auch nach drei Jahren als überwiegend stabil erwies. Rücker et al (2010a) fassen wie folgt zusammen: In der Zusammenschau lässt sich für Jugendliche, die eine erzieherische Hilfe erhalten hatten, langfristig ein unauffälliges [!] Maß an Verhaltensproblemen beobachten. Es kann angenommen werden, dass die Jugendhilfe-Maßnahme zu dieser Entwicklung beigetragen hat. Denn inzwischen ist gut belegt, dass mehrfach belastete Jugendliche, die keine Hilfen in Anspruch nehmen können, besonders hochrisikohafte Entwicklungsverläufe aufweisen [ ]. Bei der starken Verbreitung psychischer Auffälligkeiten und Störungen in der Stichprobe wäre eine solch positive Entwicklung, wie die hier beschriebene, ohne entsprechende Hilfe nicht zu erwarten gewesen. Schließlich stellen psychische Störungen in der Regel stabile Entwicklungsbeeinträchtigungen dar [ ] speziell im Kindesalter auftretende Belastungen erweisen sich unbehandelt über die (Lebens-) Zeit als stabil [. Auch] der Anteil der Kinder mit psychischen Auffälligkeiten [liegt drei Jahre nach der Beendigung der Maßnahme] im Normbereich. Die Jugendlichen befinden sich sowohl auf den Problemskalen als auch auf der Skala prosoziales Verhalten des SDQ durchschnittlich im unauffälligen Bereich. Dies könnte bedeuten, dass Jugendliche selbst bei Fortbestehen familiärer Belastungen überdauernd von Jugendhilfe-Maßnahmen profitieren [ ]. Der beschriebene Trend wird durch die Antworten der Jugendlichen im Inventar zur Erfassung der Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen gestützt. Auch hier weist die Stichprobe im Mittel unauffällige Werte für Problembelastungen auf. Selbst wenn Zweifel hinsichtlich der Repräsentativität der untersuchten Maßnahmen und ihrer Übertragbarkeit auf ambulante und teilstationäre Maßnahmen insgesamt bestehen, ist dieser dauerhafte Effekt bemerkenswert. 105 Damit ist der Befund einer Überlegenheit kognitiv-behaviouraler Maßnahmen gemeint. Dieser wird teilweise in experimentelle Wirkungsforschungsdesigns festgestellt. Hier findet sich jedoch ein gewisses methodologisches Problem. Die experimentelle Wirkungsforschung sofern man sie wirklich ernst nimmt (was an dieser Stelle ausdrücklich angeraten sei) ist darauf ausgerichtet standardisierbare Maßnahmen in kontrollierten Kontexten zu überprüfen. Dabei ist sicher zu stellen, dass keine maßnahmeexternen Ereignisse und Kontexte die Wirkungsaussagen konfundieren. Die experimentelle Wirkungsmessung setzt hierzu methodische Verfahren ein, die letztlich dem Versuch gleichkommen, einen bestimmten Wirkzusammenhang von breiteren sozialen und institutionellen Kontexten zu isolieren was von einigen sozialwissenschaftlichen ForscherInnen mit einigem Recht als absurde Anstrengung beschrieben wird to write out what is essential to a program: social conditions favourable to it (Pawson,/Tilley 1997: 52). Das Bestreben, die Wirkungen von Kontextprozessen und anderen Störvariablen zu eliminieren, kommt im Feld der HzE zugleich einem anti-sozialen Bias nahe (vgl. Hope 2005). Denn die Kontrolle dieser Einflüsse ist letztlich unmöglich, wenn die Interventionen überwiegend fallspezifisch unterschiedlich gestaltete, soziale Prozesse sind, die in vielfältigen Kontexten stattfinden, die von den Planungs- und Administrationsstellen nicht vollständig zu kontrollieren sind (Hammersley 2009). Während kognitiv-behaviourale Trainingsmaßnahmen auch bei einer Eliminierung von Kontexten Wirkung entfalten können, sind typische Vorgehensweisen der Kinder- und Jugendhilfe auf kaum standardisierbare soziale Prozesse, Kontexte und Konstellationen verwiesen. Werden diese als programmexterne Bedingungen durch Randomisierungen eliminiert und die Vorgehensweisen in manualisierter Form standardisiert, dann können solche Maßnahmen gar nicht mehr funktionieren. Der anti-soziale Bias ließe sich insofern auch im Sinne einer methodisch induzierten fehlerhaften Setzung der Nullhypothese verstehen, genauer, als Type II error with regard to desirability of social interventions (Hope 2005: 275). Methodologisch weniger kompliziert ist darüber hinaus die Tatsache, dass bei verhaltenstherapeutischen Maßnahmen vor allem verhaltensbezogene Erfolgskriterien herangezogen werden, sehr nahe an der Maßnahme selbst sind. Abgesehen davon das solche proximalen Erfolgskriterien, d. h. Kriterien die sich direkt auf die in den Maßnahmen thematisierten Inhalte beziehen, logischerweise relativ hohe Effektstärken bei der Evaluation aufweisen (vgl. Lösel/Runkel 2012: 275), ist es fast schon banal das verhaltenstherapeutische Maßnahmen erfolgreicher als andere Maßnahmen sind, wenn die Erfolgskriterien proximale Erfolgskriterien der Verhaltenstherapie und nicht proximale Erfolgskriterien der anderen Maßnahmen sind. 106 Was im Hinblick auf therapeutische Maßnahmen interessant ist, ist ferner der Befund, dass von Psychologen oder Psychiatern durchgeführte Maßnahmen nicht effektiver waren, als von Sozialarbeitern durchgeführte Psychotherapien (Seeligman 2005).

75 75 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen zu erwarten, dass der Effekt spezifischer Verfahren im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe stärker ausfallen wird als in der Psychotherapie. In aller Regel zeigen Analysen, dass professionalitätsbezogene Aspekte wie z. B. die Qualifikation der Fachkräfte, das Ausmaß ihrer Arbeitsautonomie, die Mitbestimmung der Fachkräfte in den Organisationen, die Qualität des Teamklima, das Vorhandensein von fachlich-reflexiv begründeten und zugleich verbindlichen Ziel- und Handlungskonzeptionen, die Organisationsverbundenheit der Fachkräfte aber auch das Ausmaß an Fallbearbeitungszeit und Ausgewogenheit von Aufgaben- und Ressourcen-Planungen Einfluss auf die Wirksamkeit der Maßnahmen haben. Darüber hinaus erklären klare, aber als sinnvoll akzeptierbare und (auch in normativer Hinsicht) Orientierung gebende Regeln und Strukturen, partizipative Kontexte, die Beziehungsgestaltungen und die Qualität der Arbeitsbündnisse die Wirkungsvarianzen von Maßnahmen (vgl. Albus et al. 2010) Dies ist eine Tatsache, die auch seit Jahrzenten durch Einzel- und Metaanalysen der Psychotherapieforschung bestätigt wird (im Überblick: Schrödter/Ziegler 2007). Dassjunge Menschen die Erfahrung von Wertschätzung, Unterstützung, Fairness, Verständnis, Verlässlichkeit sowie Vertrauenswürdigkeit seitens der Betreuenden als positiv und wichtig für ihre eigene Entwicklung ein[schätzen],,wie Hoops und Permien (2008: 106) am Beispiel freiheitsentziehender Maßnahmen zeigen, (Hoops/Permien 2008: 106), ist hoch plausibel und gilt nicht nur für freiheitsentziehende Maßnahmen und nicht nur hinsichtlich der Selbsteinschätzung junger Menschen, sondern kann generell als Wirkfaktor in den HzE gelten (vgl. Albus et al. 2010, ISA/Uni Bielefeld 2009). Befunde aus den EVAS-Studien sprechen darüber hinaus dafür, dass Hilfeplanungen und Jugendhilfemaßnahmen, die über einen rein auf Symptomreduktionen von Defiziten und Problematiken gerichteten Fokus hinausgehen, sondern darüber hinaus die Förderungen von Ressourcen und Stärken betonen, in der Regel günstigere Wirkungen erreichen (vgl. Macsenaere/Esser 2012) 107. Wirkungen und Verweildauern Der wohl wesentliche Befund nahezu sämtlicher deutscher wie internationaler Studien lautet, dass die Wirkung bzw. der Erfolg einer Maßnahme in einem hohen Maße mit der Dauer der Maßnahme korreliert. Dieser Befund ist u. A. auch aus der US-amerikanischen Consumer Reports Study bekannt (vgl. Seeligman 2005). Zu den fundamentalen und gesicherten Einsichten der 107 Dies gilt freilich nur, falls sich die Wirkungsindikatoren der Studien selbst nicht nur auf das Ausmaß der Reduktion eines spezifischen Symptoms richten. Wirkungsforschung gehört der (durchaus in dieser Allgemeinheit konstatierte) Befund, dass sich insgesamt (und mehr oder weniger durchweg) für längere Behandlungen ein höherer Besserungsgrad als für kurze Behandlungen belegen lässt. Von der JULE, über die JES-Studie, EVAS- und WIMES-Daten, das Projekt Wirkungsorientierte Jugendhilfe bis hin zur Mehrzahl methodisch tauglicher Lokal- und Regionalstudien findet sich ggf. in den Prozentzahlen und Effektstärken geringfügig variierend genau dieser Befund. Bereits die JuLe-Studie berichtet, dass 61,1 % der stationären Erziehungshilfen von unter einem Jahr eher negative Entwicklungen zeigen, während 77,6 % der stationären Erziehungshilfen von über einem Jahr deutlich positive Entwicklungen der jungen Menschen ermöglichen (BMFSFJ 1998: 231). Auch in der Studie von Kurz-Adam und Frick (2000) ist die Dauer der stationären Hilfe [ ] der stabilste Indikator [...] für den Erfolg oder mit der Evaluationsstudie zum Projekt Wirkungsorientierte Jugendhilfe formuliert: Je länger die Hilfe dauert, umso wahrscheinlicher ist eine positive Wirkung (Albus et al. 2010: 159). Dabei ist noch einmal hervorzuheben, dass sich dieser Befund nahezu gleichlautend in Studien findet, die mit sehr unterschiedlichen Wirkungs- und Erfolgsmaßen arbeiten. Dieser Befund gilt nicht nur für die Heimerziehung. Die Befunde JES-Studie legen nahe, dass sich auch bei der Erziehungsberatung, der SPFH, und Erziehung in Tagesgruppen eine fast lineare Zunahme der Effektivität mit der Dauer der Hilfen findet (Schmidt et al. 2003). Wie es Thomas Gabriel et al. (2007) in ihrer Übersichtsarbeit formulierten: Die Dauer der Hilfegewährung beeinflusst den Effekt der Hilfen zur Erziehung maßnahmeübergreifend. Eine längere Maßnahmedauer wirkt sich auf Persönlichkeitsentwicklung, Familiendynamik (SPFH), Legalbewährung, soziale Integration und subjektive Zufriedenheit positiv aus. Umgekehrt weisen die EVAS-Daten auf, dass z. B. bei HzE nach den 31, 32 und 34 SGB VIII im ersten Jahr typischerweise de facto keine Effekte zu verzeichnen sind. Für die SPFH errechnen Blüml et al eine optimale Hilfedauer von zwei bis drei Jahren ein Befund der neuerdings durch EVAS-Daten bestätigt wird. In der Heimerziehung finden sich die höchsten Wirkungsraten nach drei Jahren, in Tagesgruppen, sowie flexiblen ambulanten Hilfen nach gut zwei Jahren. Lediglich bei den Erziehungsbeistandschaften und im Kontext der ISE ( 35 SGB VIII) finden sich bereits bei Maßnahmedauern von unter einem Jahr erkennbare Effektraten, die jedoch mit der Dauer der Maßnahmen bis in das zweite (Erziehungsbeistandschaft) bzw. dritte Jahr (ISE) weiter zunehmen. Sofern man die Beendigung der Hilfen gemäß der vereinbaren Hilfeplanziele ebenfalls als zumindest groben Erfolgsindikator akzeptiert, wird der Zusammenhang von Hilfedauer und Erfolg auch die Daten des statistischen Bundesamts bestätigt. Dies wird im Folgenden am Beispiel der Heimerziehung verdeutlicht. Nach Daten des

76 76 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen statistischen Bundesamtes wurden ,3 % der insgesamt beendeten Heimerziehungen gemäß der vereinbarten Hilfeplanziele beendet. Der Medianwert der Verweildauer der gemäß vereinbarter Hilfeplanziele beendeten Hilfen (d. h. die Dauer der Heimerziehung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem 50 % diese Fälle beendet wurden) lag bei Monaten. Demgegenüber lag der Medianwert der Verweildauer der nicht gemäß vereinbarter Hilfeplanziele beendeten Hilfen bei lediglich 6-9 Monaten. Von den Heimerziehungen, mit einer Verweildauer von mehr als 12 Monaten wurden 63,3 % gemäß der Hilfeplanziele beendet; von den Heimerziehungen mit einer Verweildauer von mehr als 18 Monaten waren es 65,8 % von denen mit mehr als 24 Monaten 67,6 %.Von den Heimerziehungen mit einer Verweildauer von weniger als 12 Monaten wurden demgegenüber lediglich 43,9 % gemäß der Hilfeplanziele beendet 108. Umgekehrt gerechnet: Von allen Heimerziehungen die gemäß der Hilfeplanziele beendet wurden hatten 57,8 % eine Verweildauer von mehr als 12 Monaten, von allem Hilfen, die nicht gemäß der Hilfeplanziele beendet wurden hatten lediglich 38,4 % eine Verweildauer von mehr als 12 Monaten. Rechnet man den Beendigungsgrund Zuständigkeitswechsel heraus, hatten lediglich 34,5 % aller Hilfen, die nicht gemäß den Hilfeplanzielen beendet wurden, eine Verweildauer von mehr als 12 Monaten. Betrachtet man sich die Hilfedauern in der Heimerziehung differenziert, fällt auf, dass insbesondere Maßnahmen deren Hauptgrund in familialen Problemen besteht kurze Hilfen sind (vgl. Abb. 31). Dies ist auch fachlicher Perspektive kontra-intuitiv, denn sofern der Hauptgrund individuelle Problemlagen des jungen Menschen sind, könnte es Sinn machen, die jungen Menschen nach einer vergleichsweise kurzen Zeit wieder in der Familie zu versorgen. Wenn den Hauptgrund aber in Problemlagen und Defiziten in der Familie besteht, ist es kaum nachvollziehbar, warum es rational sein soll, die jungen Menschen rasch in die Familien zurückzuführen. Dies gilt zumal nationale wie internationale Wirkungsforschungen darauf hinweisen, dass durch zu rasche Rückführungen in die Familien häufig auch die bisherigen Erfolge der Fremdunterbringung in Mitleidenschaft gezogen werden (vgl. Schmidt et al. 2002, Biehal 2006). 109 Abb. 31: Anteil einer Heimunterbringungsdauer von weniger als 12 Monaten, nach Hauptgrund der Hilfegewährung (beendete Hilfen 2011) Vor dem Hintergrund des engen Zusammenhangs von Hilfedauer und Hilfewirkung ist es wie bereits an verschiedenen Stellen angesprochen ein massives Wirkungsproblem, dass im Verlauf der 2000er Jahre allen Hilfen zur Erziehung (die quantitativ eher wenig bedeutsame soziale Gruppenarbeit ist die einzige Ausnahme) die Verweildauern deutlich gesunken sind. Politische Steuerungen, die darauf ausgerichtet sind, Verweildauern in den HzE möglichst gering zu halten, mögen mit allerlei Gründen legitimiert werden Ergebnisse aktueller Wirkungsforschungen haben sie jedoch nicht auf ihrer Seite. Es kann eingewendet werden, dass die deutlich reduzierten Verweildauern in den HzE nicht unbedingt ein Resultat gegenwärtiger Steuerungstendenzen sind, sondern das Resultat von Maßnahmeabbrüchen. Es ist in der Tat richtig, dass die Verweildauer in Maßnahmen im Falle von Maßnahmeabbrüchen deutlich kürzer sind, als bei den planmäßig beendeten Hilfen. Allerdings scheinen die Abbruchraten in den HzE sofern man etwa EVAS-Daten folgt im Verlauf der 2000er Jahre nicht gestiegen, sondern gesunken zu sein (vgl. Abb. 32). Die reduzierten Verweildauern scheinen also nicht dadurch begründet zu sein, dass die AdressatInnen früher aus der Maßnahme aussteigen. Sie sind im Wesentlichen das Produkt von institutionellen Entscheidungen, die aus einer Wirkungs- wie aus fachlicher Perspektive insgesamt nur schwer zu begründen sind. Nichtsdestoweniger ist in der Fachdebatte weitgehend unstrittig, dass Maßnahmeabbrüche mit Blick auf die Wirkung von Maßnahmen von hoher Bedeutung sind. Abbrüche 108 Dabei spielt der Beendigungsgrund Zuständigkeitswechsel (der Grund etwas mehr als 18 % aller abweichend vom Hilfeplan beendeten Heimerziehungen ist) eine untergeordnete Rolle. Denn von den Heimerziehungen die aufgrund eines Zuständigkeitswechsel des Jugendamtes nicht gemäß der vereinbarten Hilfeplanziele beendet wurden hatten lediglich 44 % eine Verweildauer von weniger als 12 Monaten. Demgegenüber wiesen 76,8 % der Heimerziehungen, die aus einem anderen Grund als einem Zuständigkeitswechsel nicht gemäß der vereinbarten Hilfeplanziele beendet wurden eine Verweildauer von weniger als 12 Monaten auf. Abbrüche, im Sinne von vorzeitigen und abweichend von Hilfeplan beendeten Hilfen, dürften insgesamt zu den größten Hemmnissen einer effektiven Form der Hilfeerbringung gehören. Zwar kann es für solche Hilfebeendigungen im Einzelnen gute Gründe geben und Abbrüche 109 Hinzukommen Hilfen die durch einen Zuständigkeitswechsel beendet wurden. Von diesen dauerten 38,9 % kürzer als 12 Monate.

77 77 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Abb. 32: Abbruchraten in den 2000er Jahren in den EVAS-Daten per se müssen nicht immer problematisch sein. Empirisch gehen solchen Abbrüchen jedoch in der Regel problematische Entwicklungen und teilweise auch durchaus dramatische Erfahrungen voraus (dazu: Sewing 2012). Die Rate von Abbrüchen kann nach Erfassung variieren. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes hier werden unplanmäßig beendete Leistungen erfasst liegt die Abbruchquote bei stationären Hilfen bei deutlich über 50 % bei ambulanten Hilfen bei etwas unter 40 %. Andere Erfassungen von Abbrüche, die z. B. unplanmäßig beendeten Leistungen, die in fachlich indizierte andere erzieherische Hilfe überführt werden nicht als Abbrüche werten, oder die Abbrüche als Leistungserbringungsverläufe erfassen, bei denen bei dem mindestens ein Akteur aus dem Leistungsdreieck Adressaten öffentlicher Träger Leistungserbringer, aus dem verabredeten Hilfeplan aussteigt, kommen zu anderen, in der Regel etwas geringeren Abbruchraten. Auch wenn Maßnahmen sehr früh z. B. in den ersten Wochen einer stationären Maßnahme beendet werden, ist es fraglich, ob hier Abbruch der richtige Begriff ist oder ob man eher davon sprechen muss, dass eine Maßnahme im engeren fachlichen Sinne gar nicht erst stattgefunden hat. Unabhängig von den verschiedenen Bestimmungsversuchen ist davon auszugehen, dass im derzeit diesbezüglich am besten erforschten Segment der HzE, d. h. der Heimerziehung, mindestens zwei von fünf Maßnahmen mit einem Abbruch enden. Ebenfalls unabhängig von der Bestimmung von Abbrüchen kommen sämtliche Effektstudien zu dem Befund, dass abgebrochene Maßnahmen zwar nicht notwendigerweise völlig unwirksam sind, aber im Durchschnitt mit deutlichen Effekteinbußen einhergehen (vgl. z. B. Herrmann et al. 2012). Es wird mit einigem Recht davon ausgegangen, dass eine Vermeidung unnötiger Abbrüche als eine zentrale Möglichkeit einer signifikanten Effektivitätssteigerung der HzE betrachtet werden kann. Systematisch ist die sog. ABIE (Abbrüche in Erziehungshilfen) Studie der Frage nach Abbrüchen und ihren Hintergründen nachgegen. Bei Studien wie ABIE sind wie bei allen Studien, die den Charakter von Fallstudien haben die prozentualen Werte nicht unbedingt mit denen von Vollerhebungen zu vergleichen. Dennoch haben die ermittelten Zusammenhänge in der Regel auch dann Gültigkeit, wenn die Stichprobe der teilnehmenden Einrichtungen durch Selbstselektionsprozesse verzerrt ist. Bezüglich der Zusammenhänge eines Abbruchs ist zum einen evident, dass die Abbruchwahrscheinlichkeit zunächst deutlich und signifikant mit dem Alter der jungen Menschen bei der Aufnahme in die Heimerziehung steigt und für die über 17 bzw. 18 Jährigen wieder sinkt. Dies zeigt nicht nur die ABIE-Studie. Auch in den Daten der Bundesstatistik zur Heimerziehung werden diese Zusammenhänge klar ersichtlich (vgl. Abb. 33). Abb. 33: Anteil von Abbrüchen in der Heimerziehung nach Alter und Geschlecht Während die Abbruchrate von weiblichen jungen Menschen in der Heimerziehung insgesamt marginal höher liegt als bei männlichen, zeigen sich deutliche altersspezifische Unterschiede. Insbesondere bei den Jährigen liegt die Abbruchrate bei Mädchen deutlich höher als bei Jungen. Ebenfalls evident ist, dass die Abbruchwahrscheinlichkeit mit der diagnostizierten Schwere der Probleme der

78 78 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen jungen Menschen steigt 110 (Tornow et al. 2012, vgl. auch Schmid et al ) (siehe Abb. 34) Abb. 34: Abbruchwahrscheinlichkeiten nach Problemschwere (Basis: Daten des ABIE-Projekts) Das Ausmaß der auf die jungen Menschen bezogenen Problemdichte lässt sich in einem Faktor (Cronbachs Alpha =.823) zusammenfassen. Die auf den jungen Menschen selbst bezogene Gesamtproblemdichte korreliert signifikant und mit der Abbruchwahrscheinlichkeit: Bei dem Drittel junger Menschen mit dem geringsten Ausmaß an personalen Problemlagen lag die 110 Allerdings zeigen die Daten das ABIE Projekts dass junge Menschen, die bereits im Vorfeld der Heimerziehung eine Heimerziehung in Anspruch genommen haben, keine höhere Abbruchwahrscheinlichkeit aufweisen, als junge Menschen die zum ersten Mal eine Heimerziehung in Anspruch genommen haben. Die verbreitete These dass die Abbruchwahrscheinlichkeit mit der Menge an Heimerziehungserfahrungen zunimmt lässt, sich auf Basis der ABIE Daten nicht bestätigen. 111 Wobei der Befund von Schmid et al. (2014: 161), dass vor allem psychopathische Persönlichkeitseigenschaften der zentrale Prädiktor für einen Abbruch der stationären Maßnahme sind, weder durch die ABIE Studie noch durch andere internationale sozialpädagogische bzw. sozialwissenschaftliche Studien gedeckt wird. Dass solche Befunde in psychiatrisch angelegten Studien insbesondere dann zu finden sind, wenn man sich nicht einmal ansatzweise die Mühe macht, Organisationsmuster, Interaktionsbeziehungen, institutionelle Kontexte etc. in die Untersuchung einzubeziehen, sondern den regressionsanalytischen Effekt von YPI-Skalen (mit einem doch eher mageren Exponent-B Wert von 1,25) und anderen Skalen auf die abhängige Variable Abbruch zum Erklärungsmodell erhebt, verwundert ebenso wenig, wie die Lösung des Problems mehr Kinderund Jugendpsychiatrie und gezielteres psychiatrisches Screening in die Heimerziehung. Es spricht viel dafür, kinder- und jugendpsychiatrisch angelegte Wirkungsstudien solange sie in der in Deutschland offensichtlich typischen Form durchgeführt werden mit einer gewissen fachlich-reflexiven Distanz zur Kenntnis zu nehmen. Denn die Vorhersagekraft im Sinne der Bestimmung des relativen Risikos von Abbrüchen auf Basis einer schlichten gedrittelten Unterteilung der AdressatInnen (ohne Cut-Off-Werte ) nach vergleichsweise einfachen sozialpädagogischen Problem- und Bedarfskriterien, die von den BezugsbetreuerInnen ausgefüllt werden, erweist sich auch bemessen an den Odd-ratios als mindestens genauso trennscharf wie die Skala nach Psychopathie-Werten, bei der die zentral fokussierte Gruppe mehr als 13 mal kleiner ist als die Referenzgruppe. Bildet man die Gruppen nach den genannten sozialpädagogischen Problem- und Bedarfskriterien mit einer ähnlichen Verteilung, d. h. einer Extremgruppe an Problemschwere, die kleiner ist als 10 % der Betroffenen, kommt man nicht nur auf eine 3,2 fach höhere Wahrscheinlichkeit eines Abbruchs wie dies die YPI-Skalen nahelegen sondern auf einen deutlich Odds-Ratio Wert von deutlich über 5. Auch wenn man schlicht die Bezugsbetreuer zu Beginn der fragt, ob die Hilfe funktionieren wird (Hauptkomponente aus: Betreuer ist überzeugt dass er die Hilfeziele erreicht, dass er dem jungen Mensch hilft, dass die Einrichtung für ihn passen wird, dass der mit den Problemen des jungen Menschen gut umgehen kann und dass er ein gutes Vertrauensverhältnis ausbauen kann) ist der Vorhersagewert eines Abbruchs höher als der YPI-Skala. Abbruchwahrscheinlichkeit bei etwa 20 % bei dem Drittel mit den höchsten Problemlagen bei etwas über 50 %. Die Abbruchwahrscheinlichkeit wird durch eine Reihe von professions- und organisationsbezogenen Einflüssen vermittelt. Auf Einrichtungsebene spielt hier u. A. die Qualifikation aber auch Fluktuation und die Einrichtungsbindung des Personals eine Rolle. Auch Aspekte der Einrichtungskultur, wie z. B. das Ausmaß an sachlich orientierter und demokratisch-professionelle Entscheidungsfindung in den Einrichtungen, die Arbeitsautonomie, die Unterstützung der MitarbeiterInnen durch die Teamleitung, die zielführende Organisation von Arbeitsabläufen sowie insgesamt die Einschätzung der Qualität der Arbeitsbedingungen durch die MitarbeiterInnen etc. spielen eine kaum zu unterschätzende Rolle mit Blick auf die unterschiedlichen Abbruchquoten von Einrichtungen. Dass insbesondere die Passung der Einrichtung für den jungen Menschen (aus Mitarbeitersicht) und die Qualität der fachlichen Beziehungsgestaltung (Arbeitsbündnis) die Abbruchquote in einem hohen Maße beeinflusst ist ebenfalls wenig überraschend. Auch Einrichtungen, die einen besonderen Fokus weniger darauf legen, dass die jungen Menschen vorgegebenen Erwartungen entsprechen, sondern darauf, sie zu unterstützen eine eigene Vorstellung von einem guten Leben zu entwickeln und umzusetzen, weisen verhältnismäßig geringe Abbruchraten auf. In Konstellationen, wo eine relativ hohe Rigidität der Institution auf ein starkes Autonomiebedürfnis der jungen Menschen trifft, scheinen Abbruchraten indes verhältnismäßig hoch zu sein (dies gilt für Jugendliche stärker als im Falle jüngerer Kinder). Dem steht nicht entgegen, dass Einrichtungen mit klaren, gleichwohl aber verlässlichen Regeln und Einrichtungen, die Sicherheit vermitteln und sich durch ein hohes Ausmaß an Zuverlässigkeit auszeichnen, insgesamt geringere Abbruchraten aufweisen. In der Gesamtschau gibt es wenig Zweifel daran, dass das Ausmaß in dem die Leistungserbringung in den Einrichtungen dem State of the Art professioneller sozial-pädagogischer Qualitätskriterien entspricht, die Abbruchquote reduziert. Mit Blick auf die Perspektiven junger Menschen bestätigt die ABIE-Studie andere nationale und internationale Studien dahingehend, dass das Ausmaß der Informiertheit des jungen Menschen über den Grund der Heimerziehung, das persönliche Verhältnis von jungen Menschen und BetreuerInnen, das Ausmaß in dem sich die jungen Menschen ernst genommen fühlen, die Einschätzung über die Gerechtigkeit der BetreuerInnen, ihre Selbstund Mitbestimmungsmöglichkeiten, die Anzahl und Qualität der Hilfeplangespräche (mit Beteiligung der jungen Menschen und Eltern) aber auch die Einschätzung der Ausstattungsqualität ihrer Unterbringung die Wahrscheinlichkeit eines Abbruchs moderiert.

79 79 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Vor allem die Akzeptanz der Heimsituation, in der Form, dass der junge Menschen und seine/ihre Eltern Sinn in der Maßnahme sehen, ist ein wesentlicher Einflussfaktor der die Wahrscheinlichkeit erhöht, die Hilfe bis zu ihrem geplanten in Anspruch zu nehmen. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass bei Maßnahmen sofern sie wie geplant zu Ende geführt wurden, die Hilfeziele (aus Perspektive der Einrichtung) erreicht werden. Dies war in der ABIE Studie bei fast 55 % nicht abgebrochenen Maßnahmen im Wesentlichen oder gar vollständig der Fall. In fast 95 % der geplant beendeten Maßnahmen wurden die Ziele zumindest teilweise erreicht (vgl. Abb. 35). Abb. 35: Zielerreichung aus Perspektive der Einrichtung bei planmäßiger Beendigung (Basis: Daten des ABIE-Projekts) Sofern die Maßnahme abgebrochen wurde, wurden die Ziele aus Perspektive der Einrichtung zu lediglich 16,5 % vollständig oder zumindest im Wesentlichen erreicht. In fast 30 % der Fälle wurden die Ziele noch nicht einmal in Teilen erreicht (vgl. Abb. 36). Abb. 36: Zielerreichung aus Perspektive der Einrichtung bei Abbruch (Basis: Daten des ABIE-Projekts) Der ABIE-Studie zu Folge attestierten die Einrichtungen den jungen Menschen im Falle einer geplanten Beendigung der Heimerziehung zu über 70 % eine gute oder sehr gute Prognose für ihre künftige Entwicklung. Eine eher schlechte Prognose wurde im Falle einer geplanten Beendigung bei 7,5 % der jungen Menschen gestellt. Im Falle eines Abbruchs der Heimerziehung wurde demgegenüber lediglich für 40 % der jungen Menschen eine gute oder sehr gute Prognose für ihre künftige Entwicklung gestellt. Demgegenüber wurden 22 % der jungen Menschen eine eher schlechte und 10,5 % gar eine sehr schlechte Prognose über ihre künftige Entwicklung attestiert. Auch wenn man die Problemdiagnose zum Anfang und zum Ende der Heimerziehung vergleicht, zeigt sich in allen erhobenen Dimensionen (d. h. Versorgung und Schutz; Erziehungskompetenz der Eltern; Familienkommunikation und Beziehung; Psychische und emotionale Stabilität des jungen Menschen; Sozialverhalten, Lernen und Leistung; Eigenverantwortung; Teilhabe, Bildung und Freizeit sowie Lebens und Entwicklungsbedingungen) sowohl aus der Perspektive des jeweiligen Jugendamtes als auch aus Perspektive der Einrichtung im Schnitt eine recht eindeutige Verbesserung (unabhängig von der Hilferelevanz der Dimensionen) bei den jungen Menschen, die die Heimerziehung wie geplant zu Ende geführt haben. Bei den jungen Menschen, bei denen die Heimerziehung abgebrochen wurde, fielen diese Veränderungen insgesamt deutlich schwächer aus. Problemverschärfungen im Laufe der Maßnahme waren aber auch in diesem Fall insgesamt eher die Ausnahme. Sofern die Heimerziehung eine Laufzeit von mindestens 6 Monaten hatte und bei der Ausgangsdiagnose mit Blick auf die jeweilige Problemlage zumindest eine moderatere Problemintensität vorhanden war, sprechen die Daten der ABIE-Studie dafür, dass es sich bei der Heimerziehung um eine insgesamt wirksame Maßnahme handelt. Unabhängig davon ob die Hilfe fortdauerte, planmäßig beendet oder abgebrochen wurde, fanden sich zumindest mäßige positive Effekte (Cohens d = ) hinsichtlich des Ausmaßes von Schutz und Versorgung, Erziehungskompetenzen der Eltern, der Kommunikation in der Familie, der emotionalen und psychischen Stabilität der jungen Menschen und dem Ausmaß ihrer Eigenverantwortung. Hohe bis sehr hohe Effekte fanden sich im Bereich Lernen und Leistung (d=.64); Teilhabe, Bildung und Freizeit

80 80 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen (d =.85) sowie Lebens- und Entwicklungsbedingungen (d =.95). Sofern Maßnahmen nicht abgebrochen wurden sind diese Effekte deutlich höher. Sie lagen insgesamt im Bereich mittlerer bis sehr hoher Effektstärken. In dieser Hinsicht bestätigt ABIE die Befunde der JES-Studie. Wie die Autoren der JES-Studie feststellen, leidet die Effektivität [ der Heimerziehung] an der hohen Abbrecherrate. Betrachtet man nur die beendeten Verläufe, dann handelt es sich um die leistungsstärkste Hilfeform. Sie erbringt überdurchschnittliche Symptomreduktion und mittlere Steigerung des Funktionsniveaus (BMFSFJ 2002: 545). Hilfekarrieren und Nachsorge Der Datenbasis des statistischen Bundesamtes sind der Heimerziehung vorausgehende Hilfen nicht mehr zu entnehmen. Daher ist eine tatsächliche Vollerhebung oder auch nur eine repräsentative Erfassung der vorausgehenden Hilfen faktisch nicht vorhanden. Zurückgegriffen werden kann jedoch auf alternative Datenbasen wie z. B. den Hilfeartspezifischen Gesamtbericht 34 KJHG des EVAS Datenberichts. Diesem Bericht zu Folge nahmen in den 2000er Jahren weit über 90 % aller jungen Menschen in der Heimerziehung eine vorangegangene Hilfe in Anspruch. Vor 2008 traf dies auf gut 91 % der so erfassten der jungen Menschen in der Heimerziehung zu, nach 2008 auf praktisch alle jungen Menschen in der Heimerziehung. Insgesamt ist davon auszugehen, dass jenseits von atypischen Heimunterbringungen etwa den sehr kurzen Heimunterbringungen von sehr jungen Kindern im Zuge von Inobhutnahmen oder den quantitativ seltenen Fällen, in denen Personensorgeberechtigte unvorsehbarerweise und kurzfristigerweise vollständig ausfallen de facto alle jungen Menschen in der Heimerziehung bereits im Vorfeld durch HzE adressiert wurden. Diese Hilfen scheinen sich jedoch als unzureichend erwiesen oder zumindest nicht den erhofften Effekt gezeigt zu haben. Ende der 1990er Jahre schien dies nicht in demselben Maße der Fall gewesen zu sein. So findet sich z. B. in einer Studie von Ulrich Bürger (1998) in immerhin 20 % der Fälle von Heimerziehung keine vorhergehende (ambulante) Hilfe. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Heimunterbringung inzwischen nicht nur eine potentiell traumatische Erfahrung ist, sondern auch eine Erfahrung, der eine gescheitere Jugendhilfekarriere oder, anders formuliert, eine Kaskade von Bearbeitungsversuchen durch die Kinder- und Jugendhilfe vorausging, die die gewünschten Veränderungen in den Sozialisationsbedingungen, Lebenslagen und Lebensführungen offensichtlich nicht (ausreichend) befördert hat. Dieser Befund wäre fachlich begründbar, wenn man davon ausgeht, dass die Maßnahmen im Vorfeld der Heimerziehung zum Zeitpunkt der Fallentscheidung zwar fachlich indiziert waren, sich aber im Nachhinein oder im Laufe der Hilfeerbringung und dies ist realistischerweise immer eine Möglichkeit aus welchen ex ante nicht vorhersehbaren Gründen auch immer, als unzureichend erwiesen haben. Diese Situation wäre grundlegend anders zu beurteilen, als eine implizite oder explizite Programmatik, die eine indizierte Heimerziehung zunächst einmal ambulant (und kostengünstig) zu bearbeiten trachtet. Es ist zwar hypothetisch möglich, realiter aber unwahrscheinlich, dass es tatsächlich (mehr oder weniger) nicht vorkommt, dass auch für junge Menschen eine Heimerziehung angemessen ist, die bislang keine HzE erhalten haben. Insofern spricht vieles dafür, das gegenwärtig nicht nur im Zweifelsfall, sondern im Regelfall ambulante Maßnahmen implementiert werden, bevor Formate der Heimerziehung gewählt werden. Dies erscheint aus einer fachlichen Perspektive als problematisch. Der professionell einzig legitimiere Standpunkt kann nicht Hilfeform x vor Hilfeform y lauten, sondern ist alleine dem Credo verpflichtet die fachlich angemessene Hilfe und nicht die fachlich weniger angemessene Hilfe zu erbringen. Zurecht ist im 3. Landesjugendbericht des Landes Rheinland-Pfalz davon die Rede, dass Vorgaben einer bestimmten Hilfeabfolge (z. B. erst ambulant, dann ) jenseits der individuellen Bedarfslage [ ] letztlich zur Produktion von Hilfekarrieren [führen, die fachlich und ökonomisch wenig effizient sind und die Heimerziehung zur ultima ratio werden lassen (MfASGFF 2010: 12). Unabhängig davon, wie die Entwicklung der Hilfeabfolge vor der Heimerziehung zu bewerten ist, ist die Tatsache, dass (gescheiterte) Hilfen vor der Heimerziehung der Regelfall zu sein scheinen, für die Einschätzung der Wirksamkeit von Heimerziehungsmaßnahmen bedeutsam. In der Heimerziehung finden sich praktisch keine echten randomisierten Kontrollstudien. Dies ist deshalb der Fall, weil eine Randomisierung, die junge Menschen bei gleicher Problemschwere und vergleichbarer persönlicher und sozialer Situation nach dem Zufallsprinzip der Heimerziehung oder ambulanten Maßnahmen zuteilt, aus fachlichen wie ethischen Gründen kaum zulässig ist. Daher wird man sich damit abfinden müssen, dass sich insbesondere in der Heimerziehung eine selektive Population findet, die mit der Population in anderen HzE in unterschiedlichen Aspekten schwer vergleichbar ist: In der Heimerziehung finden sich i. d. R. junge Menschen, die deutlich wahrscheinlicher als in anderen Maßnahmen mit

81 81 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen multiplen Problem belastet sind 112, die eine gewisse Hilfekarriere aufweisen und bei denen alternative Maßnahmen nicht den gewünschten Effekt gezeigt haben. Dieser Konstellation dürfte zu einem bedeutsamen Ausmaß auch die Tatsache geschuldet sein, dass der Anteil planmäßig beendeter Hilfen im Bereich der Heimerziehung in der Regel deutlich niedriger liegt als im ambulanten Bereich. Darüber hinaus weisen die durch ambulante Maßnahmen erreichten jungen Menschen in aller Regel ein signifikant jüngeres Durchschnittsalter als in der Heimerziehung auf (der Anteil der 14- bis 17-Jährigen in der Heimerziehung hat in den letzten Jahren sukzessive zugenommen). Dies ist für die Analyse von Wirkungen schon alleine deswegen bedeutsam, weil in nahezu allen nationalen wie internationalen Wirkungsstudien, das Alter der adressierten jungen Menschen mit zumindest modera ten Effektstärken die Wirkungswahrscheinlichkeiten der Maßnahmen moderiert bzw. mediiert. Harald Tornow (2009: 67, ähnlich: Hamberger , Macsenaere 2013) kritisiert vor diesem Hintergrund die Strategien mancher Leistungsträger, zunächst einmal aus Prinzip ambulante Hilfen zu versuchen, bevor eine teure stationäre Hilfe eingesetzt wird [ ]. Wenn Hilfen früh genug mit der notwendigen Intensität erbracht werden, dann kann die Wirksamkeit um bis zu 20 Prozent gesteigert werden. Wirksamkeit heißt in diesem Fall nicht nur die Lösung von Problemen, sondern auch die Vermeidung von Folgekosten. Die Vermeidung von Heimerziehung, um in einem späteren Alter diese als letztes Mittel einzusetzen, ist eine teure Sparmaßnahme. Diese Einschätzung wird auch durch internationale Wirkungsstudien gestützt, die zwar auf die Wirksamkeitspotentiale (fachlich angemessener, indizierter) ambulanter Hilfen aufmerksam machen, aber darauf verweisen, dass das Ziel durch ambulante Maßnahmen (indizierte) Fremdunterbringungen zu vermeiden gerade bei Klientengruppen mit lang anhaltenden und umfangreichen Problemen häufig nicht erreicht [wird] und die Hilfen unzureichend wirksam sind (Knorth et al. 2009: 333). In ähnlicher Weise konstatiert auch Hamberger (2014: 235) 112 Aus einer entwicklungspsychopathologischen Perspektive sprechen Rücker et al. (2009: 553) von einem sehr hohen Anteil junger Menschen, die Problemlagen bzw. Störungen auf einem klinisch relevanten Niveau aufweisen. Insbesondere seien auf Seiten der jungen Menschen oppositionelles Problemverhalten, aggressiv-dissoziales Verhalten, Hyperaktivität, soziale Isolation, Lern- und Leistungsprobleme sowie Selbstwertproblematiken und auf Seiten der Eltern mangelnde Erziehungskonsequenz, divergierende Erziehungsmethoden und Erziehungspraktiken, die eine unzureichende Erfahrung vermittelt verbreitet. dass die Chancen und die Reichweite sozialräumlicher und ambulanter Hilfekonzepte möglicherweise überschätzt werden (vgl. Hamberger 2008). Verwandt mit Strategien einer Vermeidung von Heimerziehungen sind Strategien einer Verkürzung von Fremdunterbringungen. Wirksamkeitsstudien kommen auch diesbezüglich zu skeptischen Einschätzungen. Insbesondere eine Review-Studie von Nina Biehal (2006) macht darauf aufmerksam, dass eine zu rasche Beendigung von Fremdunterbringung massive Problemverschärfung nach sich ziehen kann, insbesondere wenn sich während der Fremdunterbringung wenig verändert hat auf diesen Umstand macht auch die JES-Studie zurecht aufmerksam (Schmidt et al. 2002). Empfohlen wird diesbezüglich, neben einer fachlich angemessenen Dauer der Heimunterbringung einen starken Fokus auf sorgsame und adäquat implementierte Nachsorgepläne (vgl. Biehal 2006) zu legen, sowie sofern die Heimunterbringung nicht ohnehin auf eine langfristige Beheimatung bzw. Verselbstständigung ausgerichtet ist eine weitere ambulante Unterstützung für die Familie in einem möglichst nicht reduzierten Umfang (Schmidt et al. 2002) in Betracht zu ziehen. Sofern solche Maßnahmen nicht getroffen werden, findet sich die Gefahr, dass bereits nach einem kurzen Zeitraum die durch die Hilfe erreichten Verbesserungen verschwunden, und die Belastungen, die durch das nähere soziale Umfeld eines Kindes hervorgerufen werden, [ ] ähnlich hoch [sind] wie zum Zeitpunkt des Beginns der Hilfe (Schmidt et al. 2002: 515). Bezüglich der Nachsorge scheinen sich im Kontext der HzE deutliche Defizite zu finden, die sich insbesondere am Beispiel der Heimerziehung anschaulich verdeutlichen lassen. Während die Kinder und Jugendlichen in der Heimerziehung typischerweise (in der Regel mehrere) HzE vor der Heimerziehung erhalten haben, findet sich eine bemerkenswert große Zahl von Kindern und Jugendlichen, die (unmittelbar) nach der Heimerziehung keine weitere HzE bzw. keine weitere sozialarbeiterische oder gesundheitsbezogene Maßnahme (im weitesten Sinne) erhält bzw. in Anspruch nimmt. Dieser Befund ist altersabhängig. Während die Mehrheit junger Menschen, die zum Zeitpunkt der Beendigung der Heimerziehung bis 12 Jahre alt waren unmittelbar nach der Heimerziehung eine HzE in Anspruch nehmen, trifft dies von den jungen Menschen ab 12 Jahren nur noch für eine Minderheit und bei den 15- bis 18-Jährigen nur noch ein Drittel zu(vgl. Abb. 37). 113 Mathias Hamberger argumentiert etwas moderater: Bevor es heute zu einer stationären Unterbringung eines Kindes oder Jugendlichen kommt, wird im Vorfeld einer solch weitreichenden Unterbringungsentscheidung in Jugendämtern nicht selten und zunächst auf familienunterstützende Maßnahmen gesetzt. Dies geschieht [ ] auch aus fiskalischen Motiven. Familienstabilisierende Hilfen im Vorfeld der Heimerziehung sind notwendig, können aber nicht alles leisten.

82 82 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Abb. 37: Unmittelbar nachfolgende HzE gemäß 27ff & 41 SGB VIII und keine weitere Maßnahme nach Heimerziehung in Prozent (nach: Statistisches Bundesamt 2012) Die Gründe für diese Inanspruchnahmequoten mögen vielfältig sein. Ein Grund der (nahezu) sämtlichen Studien zu Folge jedoch weitgehend ausscheiden dürfte, ist die Bedarfs- und Problemfreiheit der jungen Menschen. Es ist zwar richtig, dass die Heimerziehung (insbesondere bei einer Dauer von deutlich über einem Jahren) eine insgesamt effektive Maßnahme ist, dass mit der Beendigung der Heimerziehung allerdings ein Zustand von Bedarf- und Problemfreiheit erreicht wird, ist jedoch eher die Ausnahme als die Regel (dazu international: Forrester 2009, Fox et al. 2005, Richardson/Lelliott 2003, Southerland et al. 2009). Darüber hinaus sind Maßnahmen der Heimerziehung bei jüngeren Kindern tendenziell erfolgreicher als bei älteren Jugendlichen. Mit Blick auf eine Bedarf- und Problemfreiheit wäre insofern eher von einer stärkeren Betreuung von älteren als von jüngeren Menschen nach der Heimerziehung auszugehen es zeigt sich aber in den Daten das genaue Gegenteil. Auch bezüglich der Nachhaltigkeit der Effekte der Heimerziehung sprechen (nahezu) alle Studien dafür, dass ambulante Betreuungen, Begleitungen oder zumindest Beratungen von hoher Bedeutung für die Stabilisierung der Wirkungen sind, aber empirisch nur bedingt belegbar sind. Auch wenn über die Gründe für die Nicht-Inanspruchnahme von HzE nach einer Heimerziehung an dieser Stelle nur spekuliert werden kann 114, sprechen die Daten des Statistischen Bundesamtes für ein deutliches Nachbetreuungsdefizit (zumal Studien darauf verweisen, dass sich auch während der Heimerziehung nach wie vor Defizite in der Arbeit mit Eltern und Familien finden vgl. Gabriel et al. 2007). Indiziertheit der Hilfen Von hoher Bedeutung für die Effektivität von HzE scheint zu sein, dass eine zu den Bedarfen und Problemlagen der jungen Menschen und ihrer Familien passende Leistung 114 Es ist durchaus gut möglich, dass insbesondere die Jugendlichen weitere Maßnahmen ablehnen, es mag auch sein, dass keine angemessenen Angebote implementiert werden. Gleichwohl findet sich bei beiden Gründen ein Qualitätsproblem der Kinder- und Jugendhilfe. ausgewählt wird 115. Baur et.al. (1998: 48f) machen darauf aufmerksam, dass bei tendenziell scheiternden Jugendhilfeprozessen auffällig selten eine fachlich angemessene Diagnose im Vorfeld der Entscheidung für die eine oder andere Hilfe gestellt wurde 116. Vieles spricht dafür, bei den Entscheidungen über Hilfen weniger auf die Hilfeart, sondern vielmehr auf die Hilfeinhalte und deren Begründungen zu fokussieren. Heimerziehungen oder SPFH können (zumal gerade die SPFH nicht selten als eine Art Allzweckwaffe eingesetzt wird vgl. Schone/Wagenblass 2002) sehr unterschiedlich ausgerichtet sein, auf unterschiedlichen Methoden basieren und unterschiedliche Ziele verfolgen. Entsprechend ist die Hilfeart gemäß jugendhilferechtlicher Verortungen nur ein vager Indikator für die Angemessenheit der Hilfe. Bezüglich empirischer Forschungen besteht hinsichtlich der Evaluation der Angemessenheit von Hilfeinhalten nach wie vor eine deutliche Wissenslücke. Die wenigen systematischen Forschungen zur Angemessenheit bzw. fachlichen Indiziertheit von Hilfeentscheidungen sind überwiegend auf die Hilfeart gerichtet. Dies ist beispielsweise ein Thema in der Evaluation von Macsenaere et al. (2009) zu den Sozialpädagogischen Diagnose-Tabellen. Folgt man den Kriterien von Macsenaere und seinen MitarbeiterInnen sind etwa 70 % der Hilfearten indiziert. Demgegenüber wird etwa ein Viertel der Entscheidungen bescheinigt, zu nicht geeigneten bzw. kontraindizierten Hilfen geführt zu haben. Bemerkenswert erscheint in diesem Kontext die Tendenz, dass bei den weniger geeigneten bzw. kontraindizierten Hilfen tendenziell eher intensivere Maßnahmen (insbesondere die SPFH, die sehr selten gewählte intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung ( 35 SGB VIII) oder die Heimerziehung) die empfehlenswerten HzE gewesen wären. Bei hochschwelligen intensiven Hilfen, wie etwa der Heimerziehung, kommt es zwar durchaus vor, dass eine andere Hilfe geeigneter gewesen wäre, dabei handelt es 115 Damit ist ein praktisch virulentes Problem angesprochen. Im Zuge der allein auf die Heimerziehung fokussierten ABIE Studie stimmten z. B. gut 36 % der befragten Fachkräfte völlig oder eher zu, zumindest manchmal Fälle aufzunehmen, die nicht der Zielgruppe der Arbeit ihrer Einrichtung entsprechen. Demgegenüber stimmten nur etwas weniger als 17 % dieser Aussage gar nicht zu. Auch umgekehrt waren als 40 % der Fachkräfte waren eher oder gar nicht der Auffassung dass in ihrer Einrichtung nur Fälle aufgenommen werden, die optimal zum Konzept der Einrichtung passen. Dieser Aussage stimmten nur 3 % der befragten Fachkräfte völlig zu. Vor dem Hintergrund des fachlichen Anspruchs, jungen Menschen und ihren Familien die optimale und bedarfsangemessene Hilfe zukommen zu lassen, deuten diese Zahlen auf einen erheblichen Entwicklungsbedarf hin. 116 Wie eine qualitative Analyse von Pothmann und Wilk (2009: 41) aufzeigt, ist jedoch der häufig geäußerte Vorwurf, dass Fallentscheidungen im Feld der HzE subjektive Bauchentscheidungen seien, insgesamt nicht haltbar. Entscheidungen über den Hilfebedarf fallen nicht willkürlich, sondern in der Regel auf der Basis von fachlichen Bewertungen und Einschätzungen und darauf aufbauenden Argumentationen. Studien wie EVAS aber auch die ABIE-Studie liefern Hinweise darauf, dass die MitarbeiterInnen in der Jugendhilfe das, was sie leisten können, insgesamt durchaus realistisch einschätzen.

83 83 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen sich jedoch in der Regel um ebenfalls hochschwellige intensive Hilfen, wie z. B. die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung 117. Insgesamt sind die wenig intensiven Hilfen häufiger in dem Sinne kontrainduziert, dass intensivere Hilfen angemessen wären, als umgekehrt. Anders formuliert: Geeignete Hilfen scheinen häufig im statistischen Sinne eher teurere Hilfen zu sein. Es ist aus einer finanzpolitischen Perspektive zwar durchaus nachvollziehbar, wenn Kommunen teure Hilfen, wie z. B. die Heimerziehung, intensiv auf den Prüfstand stellen und nach ambulanten (und d. h. in der Regel auch weniger kostenintensiven) Alternativen suchen aus einer fachlichen Perspektive muss jedoch die Frage im Mittelpunkt stehen, ob die Hilfe problem- und bedarfsangemessen ist. Die Vorgabe einer bestimmten Hilfeabfolge ist auf fachlicher Perspektive nicht sinnvoll. Vor diesem Hintergrund scheint es dringlich, nicht nur die Heimerziehung, sondern auch die wenig kostenintensiven Maßnahmen mit Blick auf ihre fachliche Angemessenheit auf den Prüfstand zu stellen. Der Befund, dass inzwischen nahezu alle jungen Menschen in der Heimerziehung im Vorfeld bereits durch in der Regel mehrere - HzE adressiert worden sind, verweist ebenfalls auf diese Notwendigkeit. Für die Heimerziehung scheint es typisch zu sein, dass für die betroffenen jungen Menschen in der Regel zunächst eine andere Hilfe implementiert worden ist, die sich jedoch als zumindest langfristig nicht ausreichend erwiesen hat. Aus der Tatsache, dass der Heimerziehung andere Hilfen vorausgegangen sind, kann zwar nicht geschlossen werden, dass diese Hilfen, zum Zeitpunkt ihrer Gewährung kontrainduziert waren. Allerdings sind Tendenzen, Heimerziehungen zu vermeiden und die Priorität auf ambulante Hilfen zu legen die zunächst scheitern, bevor eine intensivere Maßnahme implementiert wird kaum zu bestreiten. So notwendig und begrüßenswert der Aufbau einer Angebotspalette bedarfsgerechter ambulanter und niedrigschwelliger Hilfen ohne Zweifel ist, sind gegenwärtige Debatten und Tendenzen ambulante Hilfsformen insbesondere deswegen zu fördern, weil Heimunterbringungen vermieden werden sollen, nicht nur insofern problematisch, wie sie die Gefahr in sich bergen, dass eine ggf. aufwendige aber indizierte Maßnahme (zunächst) nicht implementiert wird, sondern auch deshalb weil diese Tendenzen auch auf die Struktur und auf die Wirkungsaussichten der Heimerziehung Einfluss nimmt. Wenn die Heimerziehung den Status einer Ultima Ratio Maßnahme bekommt, d. h. man implementiert eine Heimerziehung wenn und weil alles andere scheitert, so ist dies 117 Darüber hinaus scheinen sich (insbesondere in kleineren Jugendamtsbezirken) Fälle von Heimerziehung zu finden, die deshalb in der Heimerziehung sind, weil angemessene und d. h. in diesen Fällen durchaus nicht selten spezialisierte ambulante Angebote fehlen. eine fachlich zumindest fragwürdige Begründung der Heimerziehung 118. Hinzukommt, dass sich vor diesem Hintergrund auch die Komposition der jungen Menschen in der Heimerziehung verändert. Es sind junge Menschen die, pointiert formuliert, die Erfahrung haben, an ihren Lebensumständen, in ihrer Lebensführung und im Hilfesystem zunächst zu scheitern. Es lässt sich begründet annehmen, dass dies sich auf die Wirkungsaussichten der Heimerziehung auswirkt. Wie Michael Macsenaere (o.j.: 1) auf Basis von EVAS-Daten ausführt: Je mehr Hilfen in Anspruch genommen wurden, desto höher ist die Änderungsresistenz des jungen Menschen, d. h. desto geringer ist die zu erwartende Effektivität. Es gilt daher, die durchaus nicht unüblichen Jugendhilfekarrieren zu vermeiden, indem frühzeitig eine adäquate Hilfe gewährt wird. Während es in einem quantitativ relevanten Umfang vorzukommen scheint, dass AdressatInnen mit erheblichen Problemlagen niedrigschwellige Maßnahmen erhalten, ist auf der Basis der derzeitigen Stands des empirischen Wissens die AdressatIn, die trotz geringer Problemlagen oder familialer Care-Defizite eine intensive oder gar Heimerziehung erhält, eine seltene Ausnahme. In der ABIE-Untersuchung fand z. B. sich mit einer einzigen Ausnahme keiner der untersuchten 406 Fälle, der nicht entweder in mindestens einem der erhobenen Problembereiche (d. h. Versorgung und Schutz; Erziehungskompetenz der Eltern; Familienkommunikation und Beziehung; Psychische und emotionale Stabilität des jungen Menschen; Sozialverhalten, Lernen und Leistung; Eigenverantwortung; Teilhabe, Bildung und Freizeit sowie Lebens und Entwicklungsbedingungen) aus Perspektive des Jugendamtes wie der Einrichtung) eine deutliche oder in mindestens fünf der neun Bereiche eine mittelschwere Problembelastung aufwies 119. Mehr als ein Viertel der Fälle wies in drei oder mehr dieser Bereiche eine massive Einschränkung bzw. Belastung auf. Auffällig war, dass die Gruppe von jungen Menschen mit vergleichsweise eher geringen Problembelastungen und Schwierigkeiten in ihrer Lebenssituation, deutlich häufiger als statistisch erwartbar, aus dem ländlichen Raum kamen (bzw. der Zuständigkeit von Landkreisjugendämtern). Es spricht viel dafür, dass hier ggf. alternative, an- 118 Die Kompositionsveränderungen der jungen Menschen in der Heimerziehung lassen sich wenn auch sehr oberflächlich auch an den Daten des Statistischen Bundesamtes ablesen. Im Jahr 2007 haben gut 71 % der jungen Menschen, die eine Heimerziehung begonnen haben unmittelbar zuvor im Haushalt ihrer Eltern oder Personensorgeberechtigten gelebt traf dies auf knapp 67 % und im Jahr 2012 nur noch auf knapp 61 % der jungen Menschen zu. Dies deutet auf durchaus signifikante Verschiebungen in der Ausgangssituation der jungen Menschen von der Heimerziehung hin. 119 Auch kinder- und jugendpsychiatrisch angelegte Studien machen auf überaus hohe Prävalenzraten von z. B. psychischen Auffälligen und Störungen von klinischer Relevanz (bemessen an den Kriterien einer ICD-10-Diagnose) aufmerksam (vgl. Schmid et al. 2008, Rücker et al. 2009)

84 84 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen gemessene (z. B. intensive ambulante) Hilfeangebote in einem geringeren Ausmaß vorhanden waren als im großstädtischen Raum. Heimerziehungen gehören ohne Zweifel zu jenen HzE, die von jungen Menschen und ihren Familien häufig als belastend wahrgenommen werden. Zumindest eine signifikante Minderheit der betroffenen Kinder und Jugendlichen in der Heimerziehung, würde es vorziehen, nicht in der Heimerziehung zu sein. Entgegen der mit unter zu vernehmenden generellen Kritik an der Heimerziehung aus einer, die (vermeintliche) Perspektive der jungen Menschen selbst für sich reklamierenden Sichtweise, sprechen die Daten der ABIE-Studie jedoch dafür, dass sich die jungen Menschen in der Regel in einem hohen Maße Probleme und Schwierigkeiten zuschreiben und überwiegend der Überzeugung sind, dass die Heimerziehung zu Verbesserungen ihrer Situation beiträgt bzw. beitragen wird (vgl. Abb. 38). Abb. 38: Problemselbstattributierung der jungen Menschen zu Beginn der Heimerziehung Zwar hatten etwa 42 % der jungen Menschen das Gefühl, dass bei der Entscheidung darüber ob sie ins Heim kommen oder nicht eigentlich andere alles bestimmt hätten, nichtsdestoweniger hält die überwiegende Mehrheit der jungen Menschen ihren Heimaufenthalt für notwendig, richtig und nützlich (vgl. Abb. 39). Einrichtungen scheinen sowohl hinsichtlich der Einschätzung der Zielerreichung als auch hinsichtlich der Differenz der Diagnose der Problemintensität zu Beginn und im Verlauf bzw. zum Ende der Hilfe bessere Ergebnisse zu erzielen, wenn Q sie davon berichten, dass Zielvereinbarungen mit dem öffentlichen Träger in der Regel realistisch formuliert und praktisch erreichbar sind, Q sie dem öffentlichen Träger ein hohes Interesse an Qualitätsfragen zuschreiben, Q sie dem öffentlichen Träger ein hohes Interesse an einem Nachweis der Wirksamkeit der Maßnahme zuschreiben, Q sie dem öffentlichen Träger zuschreiben, an einer gemeinsamen Verhandlungsstrategien interessiert zu sein, Q sie dem öffentlichen Träger transparente Verhandlungsinteressen zuschreiben, Q die MitarbeiterInnen angeben, dass die Gründe und Ziele der jeweiligen Maßnahmen von Anfang an eindeutig und klar für die MitarbeiterInnen sind, Q die MitarbeiterInnen angeben, in der Einrichtung zu kritischen Meinungsäußerungen angehalten zu sein, Q die MitarbeiterInnen angeben, dass Entscheidungen nicht von Vorgesetzen ohne Rücksprache gefällt werden, Q die MitarbeiterInnen angeben, dass Entscheidungen vor allem auf Basis sachlicher und fachlicher Argumente getroffen werden. Unterschiede zwischen den Einrichtungen im Ausmaß der Zielerreichung aus Perspektive der Fachkräfte hängen darüber hinaus in einem hohen Maße mit (von den Einrichtungsleitungen berichteten) Unterschieden in der Verhandlungskultur mit dem öffentlichen Träger sowie mit Unterschiede in der Qualitätsorientierung bei diesen Verhandlungen zusammen (vgl. Abb. 40). Abb. 39: Zustimmungsraten junger Menschen zur Heimerziehung (stimmt völlig/ stimmt eher in Prozent) Steuerungskontexte und Einrichtungskulturen Bislang sind die Einflüsse von Steuerungskontexten und Einrichtungskulturen auf die Wirkungen von HzE nur wenig systematisch empirisch untersucht worden. Ergebnisse des Projekts Wirkungsorientierte Jugendhilfe (vgl. Albus et al. 2010) sowie Daten der ABIE Studie liefern jedoch Hinweise darauf, den Einfluss von solchen Kontexte mit Blick auf die Wirkungen der Maßnahme (auf Einrichtungsebene) nicht zu unterschätzen. Abb. 40: Zusammenhänge zwischen Merkmalen der Verhandlung der Einrichtungen mit den öffentlichen Trägern und dem Ausmaß der Zielerreichung in der Heimerziehung (Quelle: Daten des Projekts ABIE) 1 Aussagen der Einrichtungsleitung auf Einrichtungsebene aggregiert, 2 Aussagen der Mittarbeiter auf Einrichtungsebene aggregiert Eine kooperative Verhandlungskultur und eine an fachlichen Qualitätskriterien orientierte Zusammenarbeit zwischen öffentlichem Träger und der

85 85 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen leistungserbringenden Einrichtung scheint demnach für die Effektivität der Leistungen der Einrichtungen bedeutsam zu sein. Zugleich finden sich Hinweise darauf, dass managerialistische Formen der Einrichtungs- und Auftragssteuerung diese Qualitätsmerkmale in Mitleidenschaft ziehen (vgl. EREV 2012). Wirkungen der unterschiedlichen Hilfen (jenseits der Heimerziehung) Die Hilfewirkungen der unterschiedlichen Hilfearten zu vergleichen, ist insgesamt nur bedingt sinnvoll. Es sind (in der Regel) unterschiedliche junge Menschen und Familien, mit unterschiedlichen Problemlagen und Bedarfen, die in den unterschiedlichen Hilfen bearbeitet werden. Welcher Fall unter welchen Bedingungen in welche Maßnahme kommt ist (insgesamt) keine zufällige Entscheidung. Da entsprechend keine Ceteris-Paribus-Bedingungen unterstellt werden können, lassen sich aus unterschiedlichen Effektraten nur sehr bedingt Aussagen über die Leistungsfähigkeiten der Maßnahmen ableiten (zumal Effektraten teilweise auch von der Problemschwere der Ausgangslage abhängen, die zwischen den Hilfen erheblich variiert). Darüber hinaus erklären sich Wirkungen weniger aus der Hilfeart als solcher, sondern daraus, was genau in dieser Maßnahme geschieht. Darüber gibt die formale Hilfeart falls überhaupt nur bedingt Aufschluss. Sieht man von diesen generellen Einwände ab, sprechen z. B. die Befunde der JES Studie dafür, dass (insbesondere starken Belastungen ausgesetzte) Kinder und Jugendliche, relativ gesehen, von stationären Hilfen insgesamt stärker profitieren als von ambulanten Hilfen (vgl. Schmidt et al. 2002). Internationale Studien, insbesondere aus den Niederlanden, in denen die Fremdunterbringungsformate mit den deutschen in vielerlei Hinsicht vergleichbar sind, kommen zu ähnlichen Ergebnissen (zusammenfassend Knorth et al. 2009, vgl. Knot-Dickscheit/Blommert, 2008; Slot et al. 2004). Hinsichtlich der z. B. durch die JES-Studie ermittelten Veränderungsquoten schneidet die Heimerziehung am besten ab, mit geringem Abstand gefolgt von der Erziehungsberatung, den Tagesgruppen und der Sozialpädagogischer Familienhilfe, die sich unter den gängigen ambulanten Maßnahmen als die insgesamt Erfolg -versprechenste darstellt. Wie ausgeführt, ist aus solchen Befunden aber nicht zu schließen, dass man z. B. auf die SPFH verzichten könne, weil die Erziehungsberatung genauso gut abschneidet. Die Maßnahmen adressieren ein unterschiedliches Klientel mit unterschiedlichen Bedarfen und Problemlagen. Bemerkenswert ist jedoch, dass die zuletzt viel kritisierte Sozialpädagogischer Familienhilfe keinesfalls den anderen Maßnahmen unterlegen ist, sondern vielmehr zu den wirksamsten ambulanten Maßnahmen gehört. Demgegenüber sind die Effekte der insgesamt niedrigschwelligeren und v. a. in der Regel kostengünstigeren Erziehungsbeistandschaften deutlich geringer. In der JES-Studie zeigt sich diese Differenz nicht nur in den ermittelten Veränderungsquoten, sondern auch in den Einschätzungen der Fachkräfte zur Zielerreichung in der die Erziehungsbeistandschaften [ ] deutlich nach unten ab[fallen] (Schmidt et al. 2002: 396). Wirkungsforschungen zur SPFH ( 31 SGB VIII) Wie ausgeführt legt eine Reihe von Evaluationen insgesamt eine durchaus hohe (potenzielle) Leistungsfähigkeit sowie recht eindeutige positive Wirkungen der SPFH nahe (vgl. Schmidt et al. 2002, Freigang et al. 2008, Frindt/Wolf 2009, Frindt 2010). Die SPFH gehört insbesondere wenn die zuständigen Institutionen ermächtigendes, professionelles Handeln stützende Arbeitsbedingungen sicher stellen (vgl. Beckmann et al. 2007) zu den wirksamsten ambulanten Maßnahmen. Die Stärke der SPFH besteht in der Möglichkeit familiendynamische Themen zu bearbeiten und neben kindbezogenen Problematiken zu einer Reduktion der die Familie belastenden Umweltbedingungen beizutragen. Entsprechend verspricht die SPFH insbesondere bei verstärkten familiären Problematiken und Defiziten eine geeignete Maßnahme darzustellen. Insgesamt wenig überraschend ist es, dass (neben der Hilfedauer) die Qualität der Kooperation mit den Eltern einen entscheidenden Faktor für die Wirksamkeit der SPFH darstellt. Die Effekte der SPFH sind besonders deutlich auf Veränderungsbereitschaften und Veränderungsaussichten auf Seiten der Eltern angewiesen. Die Bereitschaft bei allen Familienmitgliedern die HelferIn in den Binnenraum der Familie hinein zu lassen, eigenes Verhalten und eigene Gefühle infrage zu stellen und bestimmte Vereinbarungen einzuhalten (Seithe 2007: 578) gilt als wesentliche Bedingung für die Wirksamkeit der SPFH. Im Gegensatz zu der Studie Macsenaere et al. (2009) spricht die JES-Studie davon, dass die SPFH häufig für ungeeignete Fälle angewendet wird. Sicherlich richtig ist, dass die SPFH nicht in allen Fällen die geeinte Maßnahme darstellt, und häufig als eine Art Allzweckwaffe eingesetzt wird (vgl. Schone/Wagenblass 2002). Neben den spezifischen Voraussetzungen in der familialen Situation, die für den Erfolg einer SPFH maßgeblich sind, ist hervorzuheben, dass die SPFH eine vergleichsweise intensive ambulante Hilfe ist. Angemessene Zeitkontingente, sowie eine vergleichsweise hohe fachliche Qualität der Leistung und Qualifikation der Fachkräfte gelten für die Wirksamkeit der SPFH als zentral (vgl. Helming et al. 1997). So zeigen etwa Blüml et al.(1994), dass die

86 86 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen Qualifikation der Fachkräfte und die Qualität der Supervision einen entscheidenden Beitrag für die Wirksamkeit der SPFH leisten. Der Einsatz von ABM-Kräften, reduzierte Stundenzahlen sowie die Tendenz die SPFH zunächst als eine Art Versuchsballon einzusetzen (vgl. Seithe 2007), stellt die Leistungsfähigkeit der SPFH indes deutlich in Frage. Die Befunde zur SPFH können im Wesentlichen auch auf die familienorientierten 27er-Hilfen übertragen werden. Wirkungsforschungen zu Erziehungsbeistandschaften ( 30 SGB VIII) Noch 1975 konstatierte die KGSt, dass das wesentliche Ziel der Erziehungsbeistandschaft darin bestehe, die Erziehungsfunktion der Familie zu stärken und aufrechtzuerhalten, die Erziehungsbeistandschaft soll vor allem kostspielige Heimunterbringungen und eine Kriminalität verhindern. In einem gewissen Sinne ist die bereits im JWG verankerte Erziehungsbeistandsschaft die Nachfolge der Schutzaufsicht des RJWG, die durch Schutz und Überwachung Verwahrlosung verhüten sollte. Der historisch dominierende individualtherapeutische Fokus mag inzwischen überwunden und der jugendhilferechtliche Auftrag in die Unterstützung der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfelds (SGB VIII 30) überführt worden sein, dennoch ist ein vergleichsweise deutliches Augenmerk auf verhaltensbezogene Problemlagen etwa 45 % der Einzelbetreuungen nach 30 SGB VIII werden durch Auffälligkeiten im sozialen Verhalten (dissoziales Verhalten) des jungen Menschen begründet aber auch ein Fokus auf Kontrollaspekte ist nach wie vor ein Merkmal der Erziehungsbeistandschaften. Ein bedeutsamer Anteil der Maßnahmen nach 30 SGB VIII wird durch Jugendgerichte bzw. Staatsanwaltschaften angeregt (dies gilt insbesondere für die etwa Betreuungshilfen, die für das Jahr 2012 gezählt werden können). Die durchschnittliche Anzahl der Leistungsstunden in den Maßnahmen nach 30 SGB VIII liegt im arithmetischen Mittel bei 5 Stunden pro Woche, wobei mehr als 55 % der Hilfen weniger als 5 Leistungsstunden pro Woche und nur etwa 6 % der Hilfen mehr als 10 Leistungsstunden pro Woche aufweisen. Die empirische Intensität der Hilfen liegt deutlich unter der Intensität, die in der Fachdebatte als zielführend gilt. Die arithmetische Durchschnittsdauer der Hilfen nach 30 SGB VIII liegt bei 12 Monaten, die Mediandauer bei neuen Monaten. Auch dies ist weit entfernt von der fachlichen Forderung, dass Hilfen nach 30 SGB VIII konzeptionell eher längerfristige Hilfe sein sollten, die i. d. R. auf mindestens ein Jahr anzulegen sind (Seithe 2007: 578). In weniger als einem Viertel der Fälle wurde 2012 unmittelbar nach der Beendigung der Hilfen nach 30 SGB VIII eine andere Hilfe zur Erziehung gemäß oder 41 SGB VIII gewährt. Bei den über 15-Jährigen war dies bei deutlich weniger als einem Fünftel der Fall. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass Erziehungsbeistandschaften als vergleichsweise kostengünstige Maßnahmen gelten. Wirkungsforschungen konstatieren für Erziehungsbeistandschaften eher mäßige Effekte. Vor allem angesichts einer insgesamt niedrige[n] Strukturqualität (BM- FSFJ 2002: 39) der Hilfen nach 30 SGB VIII stellt die JES-Studie fest, dass auch bei Berücksichtigung der Voraussetzung, dass die gemessenen Effektstärken vom Ausgangsniveau der Problemlagen abhängig sind 120 die Hilfen in Heimerziehung die besten Effekte [erzielten], die in Erziehungsbeistandschaften die schwächsten (BMFSFJ 2002: 30). Dies bedeutet nun nicht, dass Maßnahmen nach 30 SGB VIII per se problematisch sind. Allerdings sind Erziehungsbeistandschaften nur für bestimmte Bedarfe (potenziell) geeignet. Mechthild Seithe (2007: 578) macht darauf aufmerksam, dass die Erziehungsbeistandschaft mit ihren spezifischen Möglichkeiten einer intensiven Arbeit mit dem Minderjährigen eine ernst zu nehmende, durchaus Erfolg versprechende sozialpädagogische Hilfe zur Erziehung [sei], die allerdings hinreichend mit Zeitkontingenten auszustatten ist und wie jede andere Hilfe zur Erziehung durch sozialpädagogisch qualifizierte Erziehungshelfer geleistet werden sollte. Es gibt Hinweise darauf, dass dies gegenwärtig häufig nur ansatzweise sichergestellt ist. Wie Seithe weiter ausführt macht ein Erziehungsbeistand dann keinen Sinn, wenn im konkreten Fall eigentlich systemische Familienarbeit notwendig wäre, d. h. wenn die erzieherischen Probleme nur über eine Arbeit mit dem Familiensystem langfristig zu beheben sind (Seithe 2007: 578). Hierauf verweist auch die JES-Studie, deren Autoren konstatieren, dass die Erziehungsbeistandschaft die geringsten Werte bezüglich der Kooperation mit den Eltern aufweist deutlich geringere Werte noch als stationäre und teilstationäre Maßnahmen 121. In quantitativer Hinsicht machen die Erziehungsbeistandschaften bundesweit 4 % aller erzieherischen Hilfen aus. Die Inanspruchnahme von Erziehungsbeistandschaften ist in Nordrhein-Westfalen im Bundesländervergleich verhältnismäßig gering. Lediglich in Schleswig Holstein findet sich eine noch geringere Inanspruchnahmequote. Dies gilt obwohl sich die Inanspruchnahme dieser Maßnahmen im letzten Jahrzehnt von einem niedrigen Niveau aus deutlich erhöht hat. Diese Entwicklungstendenz schlägt sich auch in den öf- 120 Die Effekte fielen i. d. R. umso höher aus[ ], je ausgeprägter die Störungen waren (BMFSFJ 2002: 30). 121 Dies gilt obwohl sich die Kooperation mit Eltern bei stationären Maßnahmen der Logik nach schwieriger gestaltet als in ambulanten, tatsächlich oder vermeintlich lebensweltlich orientierten Hilfen.

87 87 Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Herausforderungen, Wirkungen und sozialräumliche Alternativen fentlichen Ausgaben für diese Maßnahmen nieder, die statistisch von 2000 auf 2012 in NRW deutlich überproportional, nämlich um 310 % (ohne Preisbereinigung) angestiegen sind. Dennoch fiel auch 2012 von den öffentlichen Ausgaben für HzE in NRW lediglich ein Anteil von 1,8 % den Maßnahmen nach 30 SGB VIII zu. Wirkungsforschungen zu ISE ( 35 SGB VIII) Obwohl sich die Inanspruchnahme von ISE in den 1990er etwa verdreifacht hat und nach einem vorübergehenden Rückgang die Fallzahlen seit 2005 wieder steigen, ist die ISE eine vergleichbar seltene Maßnahme. Die ISE sind (kosten-)intensive Maßnahmen, die eher auf ältere Jugendliche gerichtet sind. Fast 90 % der Maßnahmen werden von über 15-Jährigen in Anspruch genommen. Über 80 % der ISE sind ambulante Maßnahmen. ISE kommen vergleichbar mit der Heimerziehung in der Regel erst sehr spät in der Abfolge durchlaufener HzE zur Anwendung. In der Regel werden junge Menschen adressiert, die andere Unterstützungsangebote inklusive der Heimerziehung nicht (mehr) annehmen. In einem gewissen Sinne sind ISE die bezüglich ihrer Betreuungsintensität durchaus mit der Heimerziehung vergleichbar und speziell auf Jugendliche in außerordentlich gefährdeten Lebenssituationen ausgerichtet sind hochschwelliger als Heimerziehungsformate und lassen sich in der Regel als familienersetzende Maßnahmen verstehen. Insbesondere für die Inlandsmaßnahmen unter den ISE (die mehr als 95 % der ambulanten ISE ausmachen) liegen nur bedingt Wirkungsstudien vor. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Effekte von In- und Auslandsmaßnahmen insgesamt vergleichbar sein dürften (vgl. Macsenaere/Esser 2012). Bezogen auf ihr sehr spezifisches Klientel, sprechen Wirkungsstudien zu ISE für überwiegend positive Fallverläufe (vgl. Fröhlich-Gildhoff 2003) und überdurchschnittlich hohe Effektraten (vgl. Macsenaere 2008), die sich z. T. bereits nach einem halben Jahr zeigen, jedoch fast proportional zur Hilfedauer gesteigert werden können (vgl. Macsenaere/Esser 2012). nicht günstiger zu kommen als die Ausgaben für erzieherische Hilfen. In ihrer Studie zu Financial Costs of Social Exclusion haben z. B. Scott et al. (2001) nachgezeichnet, dass die gesellschaftlichen Kosten für Kinder mit (nicht wirksam bearbeiteten) Verhaltensstörungen bereits zu dem Zeitpunkt wenn diese jungen Menschen ihr 28. Lebensjahr vollendet haben, um das Zehnfache höher sind, als die Kosten für durchschnittliche, nicht auffällige junge Menschen. So können die volkswirtschaftlichen Kosten bei einer langfristigen und schweren Fehlentwicklung eines Kindes langfristig weit über eine Million Euro betragen (vgl. z. B. Cohen/Piquero 2009). Andere Rechnungen besagen, dass angesichts der mittel- und langfristigen ökonomischen Folgekosten eines nicht bearbeiteten Hilfebedarfs selbst eine kostenintensive Hilfeform wie die Heimerziehung ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1:3 aufweist (vgl. Roos 2005, Roos/Petermann 2006). Bemerkenswerterweise ist die volkswirtschaftliche Effektivität für tendenziell längere (sowie teurere) Hilfen (vermittelt über eine im Durchschnitt höhere Wirkung) in der mittel- bis langfristigen Perspektive höher als die von kurzen (und zunächst kostengünstigen) Hilfen. Unabhängig von einer Reihe methodischer Einwände gegen solche volkswirtschaftlichen Bilanzierungen besteht das Problem dieser Argumentation darin, dass in der gegenwärtigen Finanzierungsform der Kinder- und Jungendhilfe die Kosten für die HzE bei der Kommune anfallen, während ihr volkswirtschaftlicher Nutzen oft nicht (oder zumindest nicht unmittelbar) den Kommunen zu Gute kommt, die die Hilfen finanzieren. Ein ökonomischer Incentive dafür, nicht die kostengünstigste, sondern die angemessene und wirksamste HzE zu implementieren, findet sich insofern für viele Kommunen auch auf Basis von Kosten-Nutzen-Rechnungen eher nicht. Die Frage einer angemessenen Steuerung der Kinderund Jugendhilfe bleibt insofern nicht zuletzt eine politische, fachliche ethische Frage. Die volkswirtschaftliche Bilanzierung der Leistungsfähigkeit der Kinder- und Jugendhilfe ist gegenüber ihrer eigentlichen Aufgabe, den Bedarfen der Anspruchsberechtigten in der fachlich optimalen Weise Rechnung zu tragen, zweitrangig. Wirkungen der HzE Eine knappe Bilanz Insgesamt ist die Leistungsfähigkeit der Kinder- und Jugendhilfe dann durchaus beeindruckend, wenn es ihr gelingt und wenn sie im Sinne einer fachlich orientierten Jugendhilfesteuerung dazu in die Lage versetzt wird fall- und bedarfsangemessene Unterstützungen entsprechend des professionellen State of the Art zu erbringen. Dies steht in keinem Widerspruch zu einer ökonomischen Perspektive. Denn ein nicht (oder nicht angemessen) bearbeiteter Bedarf scheint volkswirtschaftlich betrachtet

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107 Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen Haroldstraße 4, Düsseldorf Telefon: 0211 / info@mfkjks.nrw.de

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