Gesundheitsberichterstattung. ist die Darstellung der gesundheitlichen Situation der Bevölkerung (oder einer Gruppe)
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1 Regionalvergleiche mit altersstandardisierten Kennziffern in der Gesundheitsberichterstattung Joseph Kuhn, Sebastian Rauschert, Miriam Pabst, Rolf Annuß, Manfred Wildner, Rainer Göb Gesundheitsberichterstattung ist die Darstellung der gesundheitlichen Situation der Bevölkerung (oder einer Gruppe) in verständlicher Form, daten-/informationsgestützt, im zeitlichen und regionalen Vergleich, und handlungsorientiert. 1
2 Indikatoren im Regionalvergleich: oft altersstandardisiert Direkte Altersstandardisierung Prinzip: Man abstrahiert vom realen Altersaufbau der Bevölkerung der Vergleichsregionen und unterstellt eine gemeinsame Standardbevölkerung. Rechenweg: Man multipliziert die altersspezifischen Raten des Landkreises mit der Standardbevölkerung in der Altersgruppe, diese gewichteten Fallzahlen addiert man auf und teilt durch die Gesamtstandardbevölkerung. mr i : altersspezifische Sterberate in der Altersgruppe i im Landkreis N i : Standardbevölkerung in der Altersgruppe i 2
3 Der Standard der Standardisierung In der GBE, der amtlichen Statistik und bei den Krebsregistern: Standardbevölkerung für die direkte Altersstandardisierung ist die alte Europa-Standardbevölkerung, eine im Vergleich zur deutschen Bevölkerung heute sehr junge Bevölkerung Indirekte Altersstandardisierung Bei kleinen Fallzahlen sind die altersspezifischen Raten im Landkreis zufallsbedingt. Lösung: Man verzichtet auf die (ja nicht wirklich vorhandene) Information über die Altersgliederung der Fälle und nimmt nur die Gesamtzahl der Fälle im Landkreis. Dieser Zahl stellt man die erwarteten Fälle gegenüber, nämlich die Zahl der Fälle, die der Landkreis haben sollte, wenn er die gleichen altersspezifischen Raten wie das Land hätte. Dazu multipliziert man die altersspezifischen Raten des Landes mit der Bevölkerung des Landkreises. n i Bevölkerung in der Altersgruppe i im Landkreis MR i : Sterberate in der Altersgruppe i im Land Bequem: Die Differenz der SMR gegenüber der 1 lässt sich als altersbereinigte prozentuale Abweichung der Sterblichkeit des Landkreises gegenüber dem Land interpretieren. 3
4 Cave: Indirekte Altersstandardisierung In die Berechnung der SMR geht die Bevölkerung des jeweiligen Landkreises ein. Standardisierungsterm Lege artis: Die SMR sollte man eigentlich nur zum Vergleich Landkreis-Land benutzen. Illustratives Rechenbeispiel z.b. in: Razum et al: Epidemiologie für Dummies. Sie liefert auch nur gegenüber dem Land eine altersbereinigte Information. Praxis: Die SMR wird häufig auch für Vergleiche zwischen Regionen benutzt. Vergleiche der Sterblichkeit zwischen einzelnen Landkreisen anhand der SMR sind aber mit einem gewissen Fehler behaftet, der umso größer ist, je mehr sich die Landkreise im Altersaufbau unterscheiden. Frage: Ist das schlimm? Und die Rangreihen der Landkreise? Durch die Altersstandardisierung ändert sich die Rangreihe der Landkreise gegenüber ihrer Anordnung nach der rohen Rate. Das ist erwünscht: Die neue Rangreihe soll ja frei von Alterseffekten sein. 4
5 und eigentlich ist auch klar, dass die Rangreihen bei direkter Standardisierung (lege artis) und indirekter Standardisierung (nicht lege artis) voneinander abweichen man darf eben nicht Landkreise nach SMR vergleichen Spearmans Rho: 0,96 Aber: Das Problem ist nicht die SMR Die Rangreihe der Landkreise nach SMR stimmt sehr gut mit der Rangreihe der Landkreise bei direkter Standardisierung überein wenn man eine realistische Standardbevölkerung nimmt. Spearmans Rho: 0,996 5
6 Das Problem ist eher die direkte Standardisierung mit der alten Europabevölkerung, also unser Standardisierungsstandard Spearmans Rho: 0,96 (wie SMR und Europa alt) Europa 2020 wäre besser als Europa 1966 Rangkorrelationen : Standardisierung mit Europabevölkerungen versus SMR 2008 Rangvergleich Europa 2020 und SMR
7 Ergo? Hängt die Auskunft unserer Gesundheitsindikatoren, ob ein Landkreis eine Sterblichkeit über oder unter dem Landesdurchschnitt hat, davon ab, welche Standardisierungsmethode man verwendet? Hängt die Auskunft unserer Krebsregister, ob in einem Landkreis mehr oder weniger Krebsfälle auftreten als im Landesdurchschnitt davon ab, welche Standardisierungsmethode man verwendet? Radio Eriwan antwortet: Im Prinzip ja. Tröstliches Rangfolgen nach SMR korrelieren trotz allem recht hoch mit Rangfolgen bei direkter Standardisierung mit Europa alt: Spearmans Rho ~ 0,9 (je nach Datenjahrgang), d.h. für viele Zwecke ist es egal, was man macht. Die Korrelationen fallen aber bei Verwendung realistischer Bevölkerungen deutlich höher aus: Spearmans Rho > 0,99. Die Rangfolgenverschiebungen sind oft nur bedingt durch Ratenunterschiede in Nachkommastellen. Der Übergang zu ordinal skalierten Rängen vergrößert das Problem optisch. Im Einzelfall kann es aber zu erheblichen Rangreihensprüngen kommen, in Bayern z.b. mehrfach um 20 und mehr Rangplätze, auch Verschiebung über und unter den Landesdurchschnitt. Bei vielen epidemiologischen Fragestellungen, bei der Europa alt verwendet wird, geht es nur um statistische Zusammenhangsanalysen, ohne dass die Werte einzelner Landkreise ausgewiesen werden. Hier wirkt sich die Sache nur marginal aus. In der Gesundheitsberichterstattung werden dagegen die numerischen Werte einzelner Landkreise ausgewiesen und in der kommunalen GBE ist oft der Vergleich mit den Nachbarkreisen wichtig hier muss ggf. auf methodische Einflussfaktoren auf Rangreihen geachtet werden. Bei Kartendarstellungen verschwindet ein Teil des Problems, wenn man klassifiziert. Bei Tabellen kann man die Relevanz zumindest einschätzen, wenn die Raten selbst auch angegeben sind. Perspektivisch: Man könnte in der Gesundheitsberichterstattung auf einen Deutschland-2010-Standard umsteigen. Sollte man es auch? 7
8 Literatur Anderson RN, Rosenberg HM (1998) Report of the Second Workshop on Age Adjustment. Vital Health Stat 4 (30): I-VI, Anderson RN, Rosenberg HM (1998 a) Age standardization of death rates: implementation of the year 2000 standard. Natl Vital Stat Rep 47(3): 1-16, 20. Gaffey WR (1976) A critique of the standardized mortality ratio. J Occup Med 18(3): Goldman DA, Brender JD (2000) Are standardized mortality ratios valid for public health data analysis? Stat Med 19(8): Julious SA, Nicholl J, George S (2001) Why do we continue to use standardized mortality ratios for small area comparisons? J Public Health Med 23(1): Rauschert S et al. (2014): Regionalvergleiche mit altersstandardisierten Kennziffern in der kommunalen Gesundheitsberichterstattung. Prävention 37 (1): Göb R, Pabst, M (2014) Statistische Analyse von Rangordnungsproblemen bei altersstandardisierten Kennziffern im Rahmen des Gesundheitsatlas Bayern. Unveröffentlichtes Manuskript des Instituts für Mathematik der Universität Würzburg. 8
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