Schriftliche Stellungnahme für die Anhörung SPD-Fraktion im Hessischen Landtag am 24. Juni 2016 zur Wiedererhebung einer Vermögensteuer
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1 Schriftliche Stellungnahme für die Anhörung SPD-Fraktion im Hessischen Landtag am 24. Juni 2016 zur Wiedererhebung einer Vermögensteuer Dr. Katja Rietzler Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung Düsseldorf, 22. Juni 2016 Auf einen Blick Die jüngste Einigung der großen Koalition auf einer Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer sieht vor, dass das Betriebsvermögen auch in Zukunft weitgehend von der Besteuerung ausgenommen werden soll. Angesichts einer ausgeprägten Vermögensungleichheit ist aber eine stärkere Heranziehung großer Vermögen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben angezeigt. Die Wiedererhebung einer Vermögensteuer könnte daher aktuell eine alternative Lösung darstellen. Mit dem Vorschlag einiger Länder aus dem Jahr 2012 liegt bereits ein Konzept vor, das zu einem deutlichen Steuermehraufkommen für die Länder führen würde. Vorbemerkung Eine höhere Vermögensbesteuerung ist in Deutschland aus zwei Gründen angezeigt: Zum einen bestehen bei der öffentlichen Infrastruktur und bei der Bildung und Kinderbetreuung seit Jahren erhebliche Mehrbedarfe, die zuletzt infolge der Flüchtlingszuwanderung noch einmal deutlich gestiegen sind. Hier müssen auch hohe Vermögen einen angemessenen Beitrag leisten. Zum anderen ist die Ungleichheit bei der Vermögensverteilung in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern besonders stark ausgeprägt (Murtin und Mira d Ercole 2015). Nach Berechnungen von Bach et al. (2016), die die am oberen Ende unvollständige Household Finance and Consumption Survey(HFCS) der EZB durch Daten aus der Reichenliste des Manager Magazins ergänzt haben, verfügen die reichsten 10 % über 63 % des Vermögens, dem reichsten Prozent gehört fast ein Drittel des gesamten Vermögens und das reichste Tausendstel bring es auf gut 16 %.
2 Eine hohe Ungleichheit ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit problematisch. Sie trägt nach neueren Erkenntnissen auch zu größerer makroökonomischer Instabilität bei (Kumhof et al. 2015) und kann das Wirtschaftswachstum hemmen (Ostry und Berg 2014). Zwar befassen sich die meisten Studien zur Ungleichheit explizit mit der Einkommensungleichheit, aber aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen Einkommen und Vermögen dürften die Ergebnisse tendenziell auch für die Vermögensungleichheit gelten. Zudem konterkariert eine hohe Konzentration von Vermögen in den Händen weniger auch die Demokratie, indem sie den Vermögenden insbesondere, wenn diese als Arbeitgeber eine Vielzahl von Beschäftigungsverhältnissen kontrollieren einen übermäßigen politischen Einfluss ermöglicht. Auch für das Sozialstaatsprinzip ist eine hohe und wachsende Vermögenskonzentration als problematisch anzusehen, wie das Sondervotum bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer zeigt. Dort heißt es: Das Grundgesetz hat mit seiner Verpflichtung aller öffentlicher Gewalt auf das Sozialstaatsprinzip die Ausrichtung auf soziale Gerechtigkeit zu einem leitenden Prinzip aller staatlichen Maßnahmen erhoben (vgl. BVerfGE 5, 85 <198>, auch BVerfGE 52, 303 <348>; 134, 1 <14 f. Rn. 41 f.>). Die Erbschaftsteuer dient deshalb nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst. (Bundesverfassungsgericht 2014) Es gibt also sowohl aus ökonomischer als auch aus verfassungsrechtlicher Sicht eine klare Rechtfertigung für eine höhere Vermögensbesteuerung. Ein probates Instrument dafür wäre die Erbschaftsteuer, bei der sich jedoch abzeichnet, dass mit der jüngsten Einigung zur Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer die Chance für eine verfassungsfeste, sozial gerechte und aufkommenstarke Erbschaft- und Schenkungsteuer vertan wird. Dabei hat die Erbschaft- und Schenkungsteuer eine Reihe von Vorzügen: 1) Es wird ein leistungsloser Erwerb besteuert. Die Steuer schafft damit keine negativen Leistungsanreize. 2) Eine Bewertung des Vermögens muss nur einmalig erfolgen. Damit sind die Erhebungs- und Befolgungskosten begrenzt. 3) Eine Besteuerung der Substanz wäre ohne weiteres möglich, während dies bei einer Vermögensteuer häufig als verfassungswidrig angesehen wird und betont wird, dass die Vermögensteuer als Sollertragsteuer auszugestalten sei (z.b. Hey et al. 2016). Noch besteht theoretisch die Möglichkeit, eine so aufgeweichte Reform der Erbschaftund Schenkungsteuer, wie sie aktuell geplant ist, zu verhindern. Einer zu starken Ver- 2
3 schonung von Betriebsvermögen könnten nämlich die Länder im Bundesrat entgegenwirken. Das Aufkommen der Erbschaftsteuer wie auch einer Vermögensteuer steht den Ländern zu. Sollte die Erbschaft- und Schenkungsteuer also längerfristig nicht ausreichend genutzt werden, so liegt die Wiedererhebung einer Vermögensteuer nahe. Die Länder haben dies in einer Stellungnahme im Jahr 2013 bereits gefordert (Bundesrat 2013). Auch in Umfragen wird von den Befragten regelmäßig eine höhere Besteuerung von Vermögen befürwortet, während dieselben Personen sich bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zurückhaltender äußern. So sprechen sich in einer aktuellen Umfrage durch TNS Infratest Politikforschung im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung 68 % der Befragten für eine höhere Steuern auf Vermögen aus, während nur 47 % für eine höhere Erbschaftsteuer sind (Mau und Heuer 2016). Möglicherweise lässt sich eine Wiedererhebung der Vermögenssteuer also politisch durchsetzen. Ein positiver Nebeneffekt einer Vermögensteuer wäre auch, dass damit in der Zukunft auch eine umfassende Datenbasis über die Vermögensverteilung aufgebaut würde, die auch für wissenschaftliche Analysen genutzt werden könnte (Behringer et al. 2014). Anmerkungen zu dem von der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag vorgelegten Entwurf ( Eckpunktepapier ) Der Entwurf orientiert sich an der bisherigen Vermögensteuer, aktualisiert dabei aber nominale Geldbeträge und übernimmt für die Vermögensbewertung Regelungen aus dem Bewertungsgesetz, das bereits bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer angewendet wird. Zentrale Eckpunkte sind: Freibetrag bei natürlichen Personen: Euro (1 Mio. Euro für Verheiratete). Freigrenze bei Körperschaften und beschränkt Steuerpflichtigen Euro Steuersatz: 1% des steuerpflichtigen Vermögens, aber bei natürlichen Personen 0,5 % soweit in dem steuerpflichtigen Vermögen land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen und Wirtschaftsgüter im Sinne des 110 Abs. 1 Nr. 3 des Bewertungsgesetzes enthalten sind. Im Entwurf wird explizit darauf hingewiesen, dass Angaben zur Aufkommenswirkung und zur Verfassungskonformität der Regelungen nicht gemacht werden (können). Der Entwurf wirft einige Fragen auf: 1) Was war das Kriterium zur Festsetzung der Freibeträge? Wären angesichts der hohen Vermögenskonzentration am oberen Ende höhere Freibeträge nicht ausreichend, zumal dies die politische Durchsetzbarkeit erleichtern und mögliche Ängste der Mittelschicht 3
4 abmildern würde? Zudem könnte dann bei vermutlich nur geringen Aufkommensverlusten der Erhebungsaufwand verringert werden. 2) Die Anwendung verschiedener Steuersätze beim Vermögen von Privatpersonen könnte zu Steuergestaltung einladen. Mit dem Vorschlag einiger Länder aus dem Jahr 2012, der nun ebenfalls als Diskussionsgrundlage zur Anhörung verschickt wurde, lag bereits ein Konzept vor, das hinsichtlich der Aufkommenswirkungen für verschiedene Varianten bereits durchgerechnet worden ist (Bach und Beznoska 2012). Jüngst wurden die Berechnungen aktualisiert (Bach et al. 2016). Bei den Berechnungen von Bach et al. (2016) werden insgesamt 16 verschiedene Varianten betrachtet, die in der Mehrzahl Steuereinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich (zwischen 11 und 25 Mrd. Euro) erwarten lassen, wobei Ausweichreaktionen (mit Wirkung auch auf das Aufkommen anderer Steuerarten) und Erhebungskosten zu berücksichtigen sind. Damit existiert bereits eine gute Grundlage für einen erneuten Vorschlag. Beim Entwurf einiger Bundesländer aus dem Jahr 2012 beträgt der persönliche Freibetrag 2 Millionen Euro, wird aber mit zunehmenden Vermögen auf Euro abgeschmolzen; für Betriebsvermögen ist kein Freibetrag vorgesehen. Diese Variante brächte nach Bach et al. (2016) ein Steueraufkommen von 17,6 Mrd. Euro, es müssten aber Erhebungskosten von rund einer Milliarde Euro und die Auswirkungen von Ausweichreaktionen in Höhe von 6,7 Mrd. Euro, die sich zu rund der Hälfte auf die Ertragsteuern auswirken gegengerechnet werden. Man könnte also insgesamt mit einem Mehraufkommen von rund 10 Mrd. Euro jährlich rechnen. Dabei würden kleine Unternehmen nicht belastet und die einheitliche Behandlung von Privat- und Betriebsvermögen würde die Gestaltungsmöglichkeiten begrenzen. Gegen die Wiedererhebung einer Vermögensteuer gibt es zum Teil erhebliche Vorbehalte (Hey et al. 2016). Will man eine Vermögensteuer ernsthaft durchsetzen, so braucht man ein sauber durchgerechnetes, zumindest unter der Mehrheit der Länder konsensfähiges Konzept. Es wäre daher sinnvoll, auf dem Länder-Entwurf von 2012 aufzubauen. Sollte es stichhaltige Gründe für eine Abweichung von diesem Entwurf geben, so sollten in jedem Fall die Aufkommenswirkungen der Steuer ermittelt werden. Die Einführung einer Vermögenssteuer wäre ein Schritt zu einer stärkeren Heranziehung großer Vermögen zur Finanzierung des Gemeinwohls. Sie kann die Vermögenskonzentration am oberen Ende verlangsamen, wird aber an der grundsätzlichen Schieflage bei der Vermögensverteilung nichts ändern. Hierzu wäre die Erbschaftsteuer ein sinnvolles Instrument. Allerdings sind viele Vorschläge zur Reform der Erbschaftsteuer so ausgestaltet, dass auch hier die Steuer aus den Erträgen und nicht aus der Substanz geleistet werden kann. Dies gilt auch für das jüngst vom IMK vorgestellte Modell (Rietzler et al. 2016). Dies zeigt, dass eine wirkliche Umverteilung schwerlich mit ei- 4
5 nem Instrument allein erreicht werden kann. Es ist vielmehr notwendig eine Vielzahl von Maßnahmen miteinander zu kombinieren. Diese betreffen nicht nur die Steuerpolitik sondern auch Arbeits- und Produktmärkte. Die Wirtschaftspolitik muss bei allem Handeln die Verteilungswirkungen wieder stärker in den Blick nehmen. Literatur Bach, S./Beznoska, M, (2012): Aufkommens- und Verteilungswirkungen einer Wiederbelebung der Vermögensteuer, DIW Berlin: Politikberatung kompakt 68. Bach, S./Beznoska, M./Thiemann, A. (2016): Aufkommens- und Verteilungswirkungen einer Wiedererhebung der Vermögensteuer in Deutschland, DIW Politikberatung kompakt 108. Behringer, J./Theobald, T./van Treeck, T. (2014), Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland Eine makroökonomische Sicht, IMK Report Nr. 99. Bundesrat (2013): StellungnahmedesBundesrates: Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz2014), FinanzplandesBundes2013bis2017, Bundesratsdrucksache Nr. 600/13. Bundesverfassungsgericht (2014): Bundesverfassungsgerichtsurteil 1 BvL 21/12 vom 17. Dezember 2014, Karlsruhe. Hey, J./Kube, H./Birk, D./Maiterth, R./Sigloch, J. (2016):Forderungen nach einer Vermögensteuer: Wiegen die zusätzlichen Steuereinnahmen die Nachteile für den Standort Deutschland auf?, in: ifo Schnelldienst 69 (06), 2016, Kumhof, M./Rancière, R./Winant, P. (2015): Inequality, Leverage and Crises, in: American Economic Review 105 (3), S Mau, S./Heuer. J.-O. (2016): Wachsende Ungleichheit als Gefahr für nachhaltiges Wachstum. Wie die Bevölkerung über soziale Unterschiede denkt, Friedrich-Ebert- Stiftung, Bonn. Murtin, F./Mira d Ercole, M. (2015): Household wealth inequality across OECD countries: new OECD evidence, OECD Statistics Brief Nr. 21, Juni. Ostry, J. D./Berg, A. (2014): Redistribution, Inequality, and Growth, in: IMF Staff Discussion Note 14/02. Rietzler, K./Scholz, B./Teichmann, D./Truger, A. (2016): Stabile Einnahmenentwicklung - Erbschaftsteuerreform nur Flickwerk. Reihe: IMK Report, Nr. 114, Mai
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