verträgt Europa? global news wb : Wie viel Armut
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- Nora Geisler
- vor 6 Jahren
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1 . global news wb : Wie viel Armut verträgt Europa? Die Europäische Union, oder EWG nach früherer Bezeichnung, war einmal das Versprechen dauerhaften Wohlstands in Nord und Süd, Ost und West. Die Nivellierung der Unterschiede war ein wichtiges Motiv. Dann kam der Euro mit denselben Versprechungen, nur noch etwas lauter. Tatsächlich wuchsen dann die ärmeren Länder (außer Portugal und Italien) weit schneller als die reicheren (Abb ). Doch das Wachstum der Spitzenreiter war auf Pump gebaut, zumal sich im Schatten des Euro die Zinssätze für Kredite total nach unten angeglichen hatten und die Banken im Norden, vor allem Deutschlands, das dortige Sparkapital nach Süden transferierten, um am Boom zu partizipieren (Abb ). Dennoch sah die Politik das Versprechen gleichmäßigen Wohlstands schon auf dem besten Wege der Einlösung. - wb / 12
2 Was weniger bemerkt wurde: Die ärmeren Länder des Südens, die eine Tradition wiederholter Währungsabwertungen hatten, um ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten zu behaupten, waren nun an den Einheitsaußenkurs des Euros gefesselt und der nahm auf ihre Wettbewerbsschwäche sehr wenig Rücksicht, da er vom exportstarken Norden, - wb / 12
3 besonders von Deutschlands enormen Exportüberschüssen, hochgehalten wurde. Mit der internationalen Finanzkrise verschwand plötzlich das Wachstum auf Pump und drehte sich der Angleichungstrend um. Der Euro macht nun alles schlimmer, weil der Wachstumspfad durch Abwertung für den kriselnden Süden versperrt ist und weil ohne Abwertung eigentlich notwendige Strukturreformen noch weniger durchführbar sind. Das Ergebnis ist eine Dauerkrise im Süden der EU mit unerträglich hoher Arbeitslosigkeit und wenig Aussicht auf Besserung. Damit stellt sich die Frage, wie lange die Krisenländer den Euro aushalten können. Wie viel Armut verträgt Europa und der Euro? Die Perspektiven werden zusätzlich verdunkelt, weil das Wirtschaftswachstum in der gesamten Welt viel schwächer als früher ist (Abb ). Im neuen Weltwirtschaftsausblick warnt der Internationale Währungsfonds (IWF) vor einer dauerhaften Weltwachstumskrise. Die Wachstumsmöglichkeiten hätten sowohl in den reichen Ländern als auch in aufstrebenden Ländern abgenommen und drückten die tatsächlichen Wachstumsraten. Längerfristig rechnet der IWF bei den Industrieländern mit einer nur leichten Zunahme beim Potenzialwachstum von jährlich durchschnittlich 1,3 % im Zeitraum 2008 bis 2014 auf 1,6 % in der Periode 2015 bis Das liegt deutlich unter den 2,25 %, die noch in den Jahren 2001 bis 2007 ermittelt worden waren. In den Schwellenländern soll nach IWF-Prognose das Potenzialwachstum von im Durchschnitt 6,5 % im Jahr in der Periode 2008 bis 2014 auf nur noch 5,2 % in 2015 bis 2020 zurückgehen. - wb / 12
4 Im Auftrag des Europäischen Parlaments haben die Ökonomen Zsolt Darvas und Olga Tschekassin vom Bruegel Institut im vergangenen Herbst in einer Studie untersucht, wie sich das Leben der Menschen in Griechenland und anderen Staaten der Europäischen Union durch die Schuldenkrise verändert hat. Die Zahlen kamen von der Europäischen Statistikbehörde Eurostat. Die untersucht jedes Jahr mit Umfragen, wie viele Menschen in Europa in Armut und sozial ausgegrenzt leben. Nach der Definition von Eurostat trifft das auf Menschen zu, wenn sie mindestens vier von insgesamt neun Armutskriterien erfüllt. Die Kriterien decken Grundbedürfnisse ab, etwa, ob jemand seine Miete bezahlen, seine Wohnung ausreichend heizen und genügend Proteine zu sich nehmen kann, ob er oder sie mindestens eine Woche pro Jahr in den Urlaub fahren kann oder ein Telefon besitzt. Nach dieser Definition leben in der EU 123 Millionen Menschen oder rund 24,5 % in Armut und sozialer - wb / 12
5 Ausgrenzung. Die Quote ist seit fast zehn Jahren nahezu stabil und hat sich auch während der Wirtschaftskrise nur leicht verändert; sie lag 2005 bereits bei 25,7 %. Doch verbirgt der Wert für die EU, wie negativ sich das Bild in Südeuropa - auch als Folge der Einsparungen in den Staatshaushalten - entwickelt hat und wie viel größer dort die Armut geworden ist. In Spanien gelten inzwischen 12,6 Millionen Menschen als arm oder sozial ausgegrenzt, mehr als 2,2 Millionen mehr als noch In Italien ist diese Zahl allein in drei Jahren um 2,7 Millionen auf 17,3 Millionen gestiegen und in Griechenland ist sie in nur drei Jahren Krise um fast eine Million auf 3,9 Millionen hochgesprungen. Über 36 % der Griechen gelten inzwischen als arm oder sozial ausgegrenzt (Abb ). 1. Schlimme Jugendarmut im Süden Vor allem die Zahl der unter-18-jährigen Armen und sozial Ausgegrenzten ist in Griechenland (über 38 %!), Spanien, Italien und Zypern deutlich gestiegen - und parallel dazu - wb / 12
6 die Jugendarbeitslosigkeit (Abb ) - und schafft das Risiko einer "verlorenen Generation" (Abb ). Der Anteil der Kinder, die in Haushalten aufwachsen, in denen kein Elternteil arbeitet, hat sich in Spanien und Italien seit 2008 ungefähr verdoppelt und in Griechenland mehr als verdreifacht (Abb ). Dabei haben Kinder, - wb / 12
7 deren Eltern arbeitslos sind, ein höheres Risiko, später selber arbeitslos zu werden und generell ein niedriges Bildungsniveau erreichen. Zwischen 2008 und 2013 hat die EU schon 3,5 Millionen Arbeitsplätze verloren (Abb ). Die Studie soll in der Intention der politischen - wb / 12
8 Auftraggeber nicht zuletzt die von Deutschland und anderen Nord-Ländern geforderte Sparpolitik für den Aufwuchs an Armut im Süden verantwortlich machen. Doch sie zeigt gerade mit der Situation der Bezahlung im öffentlichen Dienst, wie sehr dieser in den Krisenländern nicht nur überbesetzt (vor allem im Vergleich zu Deutschland, Abb ), sondern verglichen mit der übrigen Wirtschaft des jeweiligen Landes auch überentlohnt ist (Abb ). Eine andere Grafik in der Studie zeigt, wie überbesetzt beispielsweise in Griechenland und Spanien das Apothekergewerbe ist und wie dies die Gesundheitskosten hochtreiben muß (Abb ). Deutlicher hätte man die Einspar- und Reformnotwendigkeiten in diesen Sektoren kaum vorführen können. Auch erwähnt die Studie mit keinem Wort die wegen der Bindung an den Euro fehlende Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer, die hauptverantwortlich für die Arbeitslosigkeit gemacht werden sollte. - wb / 12
9 Es dürfte vermutet werden müssen, daß ein solches Ausmaß an beständiger Armut nicht dauerhaft verkraftbar ist, ohne daß die Kohärenz der Gesellschaften schwer beschädigt wird und Unruhen zu erwarten sind. 2. Mehr Altersarmut im Norden - wb / 12
10 Doch auch der Norden der EU bekommt mit der demographischen Entwicklung zu immer mehr Alten im Verhältnis zur arbeitenden Bevölkerung ein Problem wachsender Armut, weil Renten gekürzt werden und weil die private Altersvorsorge wegen der Niedrigstzinspolitik der EZB die erwarteten Renditen nicht mehr erwirtschaften kann. Das gilt besonders für Deutschland, weil hier der Alterungsprozeß der Gesellschaft besonders stark voranschreitet (Abb ) und weil sehr viel Altersersparnis in besonders niedrig verzinsten Sparbüchern oder Festzinskonten angelegt ist oder wegen der größeren Sicherheit in Bundesanleihen. Der Anteil des Geldvermögens privater Haushalt in Bargeld, Bankeinlagen, Versicherungen und Anleihen beträgt etwa 81 %, wobei dieser Anteil bei alten Menschen sogar noch höher liegen dürfte. Der Zins auf 10-Jahresanleihen des Bundes liegt derzeit nach einem kleinen Anstieg bei 0,75 %. Bei 5- Jahresanleihen sind es 0,12 % und bei 2-Jahresanleihen - wb / 12
11 sogar minus 0,18 % (Abb ). Rund 57 % der ausstehenden deutschen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr werden mit einem Zins im negativen Bereich gehandelt, fast ein Drittel unter minus 0,2 %. Wer in solchen Bundesanleihen anlegt, hat also einen garantierten Verlust, zu dem dann noch die Entwertung durch die heutigen und künftigen Inflationsraten kommt. Auch bei den Niederlanden, Finnland und Österreich gibt es schon Staatsanleihen, die unter minus 0,2 % gehandelt werden (Abb ). - wb / 12
12 Niemand weiß mehr, wie er der "Draghi-Falle" für die Altersversorgung entgehen soll. In den Worten von Christopher Iggo von Axa Investment Managers: "Es ist eine Steuer auf Altersversicherungen, die nicht mehr das erforderliche Einkommen generieren können." Die EZB scheint jedenfalls die vielen mit dem Euro verbundenen Geburtsmängel und anderen Probleme für viele Menschen im Norden Europas noch schlimmer zu machen, ohne daß - jedenfalls bisher - die enormen noch größeren Probleme im Süden von der EZB wirkungsvoll beseitigt werden könnten. - wb / 12
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