«Psychisch krank» Wer definiert die Grenzen: die Psychiatrie, die betroffenen Personen, die Gesellschaft?
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1 «Psychisch krank» Wer definiert die Grenzen: die Psychiatrie, die betroffenen Personen, die Gesellschaft? Paul Hoff 17. Säntis-Psychiatrie-Tagung Was heisst schon psychisch krank? Eine trialogische Herausforderung zwischen Erwartungen und Grenzen Psychiatrie St.Gallen Nord, Wil 2. November 2017
2 In memoriam Christian Scharfetter Seite 2
3 Agenda Psychiatrie, ein Fach der Kontroversen Kritische Fragen sind hilfreich Was ist eine psychische Krankheit? Viele, aber unterschiedlich gute Antworten Wer definiert denn nun die Grenzen? Psychiatrische Diagnostik heute Résumé Seite 3
4 Agenda Psychiatrie, ein Fach der Kontroversen Kritische Fragen sind hilfreich Was ist eine psychische Krankheit? Viele, aber unterschiedlich gute Antworten Wer definiert denn nun die Grenzen? Psychiatrische Diagnostik heute Résumé Seite 4
5 Charakteristika der Psychiatrie Ausgeprägte Verschränkung mit dem gesellschaftlichen und politischen Umfeld Kontroversen, theoretisch wie praktisch - Schulenbildung, -ismen, Antipsychiatrie, Philosophische Fragen sind unabweisbar - Körper Geist Subjekt Objekt Willensfreiheit Determinismus Anderssein Kranksein - Seite 5
6 Seite
7 Ab den 1960er Jahren Antipsychiatrische Kritik Seite 7
8 «Stigma» Umbenennung einer Krankheit Seite 8
9 Agenda Psychiatrie, ein Fach der Kontroversen Kritische Fragen sind hilfreich Was ist eine psychische Krankheit? Viele, aber unterschiedlich gute Antworten Wer definiert denn nun die Grenzen? Psychiatrische Diagnostik heute Résumé Seite 9
10 «Psychisch krank» Hypothesen und Metaphern von 1750 bis heute Krankheit der Vernunft Lebensführung & Verantwortung Erkrankung des Gehirns Natürliche Krankheitseinheiten Psychische Fehlentwicklung Pathogenität des Unbewussten Degeneration ( Entartung ) Folge sozialer Missstände Existentielles Anderssein Repressiver Begriff Kommunikationsstörung Bio-psycho-soziales Modell Seite 10
11 Eine zentrale und komplexe Frage Ist eine psychische Krankheit ein objektiver Gegenstand? - Realdefinition - ein begriffliches Konstrukt? - Nominaldefinition - eine individuelle Reaktionsoder Lebensform? - Biographische Definition - Seite 11
12 Realdefinition [ Reifizierung ] Seite 12
13 Nominaldefinition Seite 13
14 Biographische Definition Seite 14
15 Gehirnpsychiatrie : Ende 19. Jh. Gehirnfunktionen als eigentliche Realität, Psychisches als blosses Epiphänomen Theodor Meynert Seite 15
16 Um 1900 Bedeutende Kliniker Biologische und biographischpsychologische Faktoren Hirnforschung und Psychoanalyse Eugen Bleuler Seite 16
17 Beginn 20. Jh. Psychoanalyse und Behaviorismus Unbewusste Inhalte prägen die Person Lernvorgänge prägen die Person Sigmund Freud Burrhus Frederic Skinner Seite 17
18 Nach 1945 Anthropologische Psychiatrie Die Sinnfrage in Biographie und Krankheit (bei Anerkennung biologischer Faktoren!) Ludwig Binswanger Medard Boss Seite 18
19 Nach 1960 Getrennte Wege Gregory Bateson, Arvid Carlsson, *1923 Paul Watzlawick, Seite 19
20 Ab den 1960er Jahren Soziale Psychiatrie - im weitesten Sinn - Neue Wege in der Versorgung - BRD: Enquete 1975, gemeindenahe Psychiatrie Veränderte Rollenverständnisse - «shared decision making», «recovery» Medizinethische und rechtliche Akzente - Autonomieprinzip, Patientenverfügung Seite 20
21 Nach 1960 Neurowissenschaftliche Psychiatrie Neurochemie (z.b. Dopaminhypothese) Neurophysiologie (z.b. EEG) Genetik / Epigenetik (z.b. Assoziationsstudien) Endophänotypen / Biomarker (z.b. P300, LDAEP) Bildgebung (z.b. CT, fmrt, PET) Seite 21
22 Agenda Psychiatrie, ein Fach der Kontroversen Kritische Fragen sind hilfreich Was ist eine psychische Krankheit? Viele, aber unterschiedlich gute Antworten Wer definiert denn nun die Grenzen? Psychiatrische Diagnostik heute Résumé Seite 22
23 «Burnout» Eine Krankheit? Seite 23
24 Operationale Diagnosesysteme ICD-10 International Classification of Diseases World Health Organization (WHO) DSM-5 Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders American Psychiatric Association (APA) Seite 24
25 World Health Organization (WHO) ICD und 11? Seite 25
26 American Psychiatric Association (APA) DSM-IV... seit Mai 2013: DSM-5 Seite 26
27 Hauptmerkmale operationaler psychiatrischer Diagnostik Klare und nachvollziehbare Kriterien, keine blosse Eindrucksdiagnose Höhere Zuverlässigkeit ( Reliabilität ) Unabhängig von Annahmen zur Entstehung ( ätiologisch neutral, theoriefrei ) Prinzip der Komorbidität Seite 27
28 Franc Schad Ein (nicht nur wissenschaftlich) kontroverses Thema Seite 28
29 NZZaS Seite 29
30 Eine kritische Analyse 2013 Seite 30
31 Seite 31
32 Die Zukunft der psychiatrischen Diagnostik? Seite 32
33 Karl Jaspers Aber eines darf man vor lauter Theorien nicht vergessen: Psychiatrische Diagnostik und Therapie sind nie nur Technik, sondern immer eingebettet in eine interpersonale Beziehung. Seite 33
34 Interpersonalität & Psychiatrie: Verschiedene Kontexte, aber stets zentral (franz. Erstausgabe) Seite 34
35 Medizin als interpersonal konstellierte Handlung We Wissen Fähigkeiten Werte Wi Interpersonale Handlung Fä Seite 35
36 Agenda Psychiatrie, ein Fach der Kontroversen Kritische Fragen sind hilfreich Was ist eine psychische Krankheit? Viele, aber unterschiedlich gute Antworten Wer definiert denn nun die Grenzen? Psychiatrische Diagnostik heute Résumé Seite 36
37 Résumé 1 Psychiatrische Diagnosen sind wichtige Hilfsmittel, weil sie Informationen verdichten und die Kommunikation erleichtern. Psychiatrische Diagnostik ist ein sehr anspruchsvoller Prozess, der sorgfältig erlernt und praktiziert werden muss. Seite 37
38 Résumé 2 Psychiatrische Diagnosen dürfen nicht überschätzt werden. Als Hilfsmittel sind sie kein Selbstzweck. Sie erfassen nie den/die Patienten/-in als ganze Person, erklären nicht die Ursache der Krankheit und beinhalten keine Therapieempfehlung. Seite 38
39 Résumé 3 Eine ernstzunehmende psychiatrische Diagnostik ist nicht denkbar ohne (mindestens) folgende Elemente: Fachwissen auf Untersucherseite Interpersonalbeziehung auf Augenhöhe Einbezug des persönlichen und gesellschaftlichen Wertgefüges Seite 39
40 Résumé 4 Die eigentliche Frage lautet also nicht «Wer definiert psychische Krankheit?», sondern «Was braucht es zwingend, um eine sorgfältige und respektvolle psychiatrische Diagnostik zu garantieren?». Seite 40
41 Zürich Spätsommer 2014 Zürich, im Sommer 2014 Burghölzli Sommer 2012 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Seite 41
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