Informationstext zum Tarifpaket

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1 Informationstext zum Tarifpaket Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) Allgemein Der Bundestag hat den Anfang April beschlossenen Gesetzentwurf am 3. Juli 2014 in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Der Bundesrat befasst sich am 11. Juli mit dem Vorhaben. Das Gesetz entspricht der Verabredung im Koalitionsvertrag, die Tarifautonomie zu stärken. Sichere und gute Arbeit mit einer fairen Bezahlung sind uns wichtige Anliegen. Dies setzt eine starke Sozialpartnerschaft der Tarifparteien voraus. Deshalb wollen wir hierfür die Rahmenbedingungen stärken. Das Tarifautonomiestärkungsgesetz besteht aus drei Teilen: der Öffnung des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) für alle Branchen, der Reform und Erleichterung der Allgemeinverbindlich-Erklärung von Tarifverträgen im Tarifvertragsgesetz (TVG) sowie der Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns (Mindestlohngesetz MiLoG). Allgemeiner Mindestlohn (Mindestlohngesetz) Das Gesetz sieht die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns ab dem 1. Januar 2015 in Höhe von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde vor. Dies haben wir im Koalitionsvertrag verabredet, dies war eine der Hauptbedingungen für den Eintritt der SPD in die Koalition mit der CDU/CSU. Auch die Union hat sich im Regierungsprogramm für die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns ausgesprochen. Dieser sollte aber durch die Tarifpartner vorgegeben werden. Nun bestimmt einmalig der Gesetzgeber die Höhe des Mindestlohns, danach ist es Aufgabe einer Kommission, bestehend aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern, über die Mindestlohn-Höhe zu befinden. Der Mindestlohn soll für alle Arbeitnehmer, die in Deutschland beschäftigt sind, gelten. Nicht vom Mindestlohn umfasst sind: Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung Auszubildende Behinderte in Einrichtungen nach dem SGB IX Seite 1 von 7

2 Ehrenamtlich Tätige, auch ehrenamtliche Übungsleiter in Sportvereinen Praktikanten, die ein verpflichtendes Praktikum im Rahmen von Schule, Ausbildung oder Studium absolvieren oder ein Schnupperbzw. Orientierungspraktikum von maximal 3 Monaten für die Wahl einer Ausbildung oder Studium machen. Gleiches gilt für freiwillige Praktika mit Ausbildungsbezug im Studium oder in der Ausbildung von bis zu 3 Monaten, aber nur wenn das Praktikum nicht mehrfach bei der gleichen Stelle stattfindet. Langzeitarbeitslose, die in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Für sie gilt der Anspruch auf den Mindestlohn für die ersten sechs Monate ihrer Beschäftigung nicht. Die Bundesregierung wird zum 30. Juni 2016 überprüfen, ob diese Ausnahme zu besseren Beschäftigungschancen von Langzeitarbeitslosen geführt hat. Beschäftigte, für die ein Tarifvertrag gilt, werden nach Tariflohn bezahlt. Mindestlohnkommission: Die Mindestlohnkommission besteht aus sechs stimmberechtigten Mitgliedern (drei Arbeitgebervertreter, drei Arbeitnehmervertreter), und je einem von Seiten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgeschlagenen Wissenschaftler ohne Stimmrecht sowie einem Vorsitzenden, den beide Seiten gemeinsam benennen sollen. Die Höhe des Mindestlohns wird alle zwei Jahre, erstmals mit Wirkung zum 1. Januar 2017, überprüft. Von der Mindestlohnkommission vorgeschlagene Anpassungen des Mindestlohns werden durch die Bundesregierung per Rechtsverordnung erlassen. Die Mindestlohnkommission evaluiert laufend die Auswirkungen des Mindestlohns auf bestimmte Branchen und Regionen und auf den Schutz der Arbeitnehmer und legt diesen Bericht alle zwei Jahre vor. Übergangsregelung für laufende Mindestlohntarifverträge: In der Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2017 sind tarifliche Abweichungen nach dem Gesetzentwurf allein auf der Grundlage des Arbeitnehmer- Entsendegesetzes und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (wg. Lohnuntergrenze Leiharbeit) erlaubt. Ab dem 1. Januar 2018 gilt der allgemein verbindliche Mindestlohn ohne jede Einschränkung, spätestens dann müssen überall 8,50 Euro gezahlt werden. Seite 2 von 7

3 Was haben wir in den Beratungen erreicht? Als CDU/CSU haben wir uns im parlamentarischen Verfahren für flexible Übergangsregelungen für vom Mindestlohn besonders betroffene Branchen eingesetzt. Wir freuen uns, dass der Übergangszeitraum um 1 Jahr verlängert wurde. Tarifparteien haben nun bis Ende 2017 die Möglichkeit, Mindestlohntarifverträge abzuschließen, die durch Erstreckung über das Arbeitnehmer- Entsendegesetz allgemeinverbindlich werden und Ausnahmen vom Mindestlohn für bestimmte Branchen zulassen können. Für die Beschäftigung von Saisonarbeitnehmern wird es Erleichterungen geben. Der Bürokratieaufwand kann für jede Branche passgenau im Verordnungswege durch den Bundesfinanzminister geregelt werden. Arbeitszeitkonten können weiterhin durch Tarifparteien geregelt werden, Ausgleichsregelungen betreffen nur den Mindestlohn. Mindestlohn-Kommission Die Mindestlohn-Kommission ist deutlich aufgewertet worden. Sie hat sich nun laufend mit den Auswirkungen des Mindestlohns auf die Wettbewerbsbedingungen und die Produktivität, auf den Schutz der Arbeitnehmer sowie auf bestimmte Branchen und Regionen zu befassen. Sie muss der Bundesregierung berichten. Bei der Anpassung des Mindestlohns hat sie sich im Rahmen einer Gesamtabwägung an Kriterien wie faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen, Nicht-Gefährdung von Beschäftigung, Mindestschutz der Arbeitnehmer sowie auch der nachlaufenden Tarifentwicklung zu orientieren. Bestrebungen, den Mindestlohn nur nach dem Tarifindex anzupassen, haben wir eine Absage erteilt. Praktika Wir haben uns von Anfang an dafür eingesetzt, dass es auch weiterhin möglich sein muss, freiwillige Praktika abzuleisten. Die Einführung eines Mindestlohns auch für diese Praktika hätte praktisch dazu geführt, dass solche Praktikumsplätze nicht mehr angeboten werden. Das ist aber in einigen Bereichen wie zum Beispiel in kultur- und geisteswissenschaftlichen Fachrichtungen sehr problematisch. Wir konnten erreichen, dass solche Praktika auch weiterhin zur Orientierung auf eine Ausbildung oder ein Studium sei es nach einer Ausbildung oder einem Studium oder begleitend hierzu möglich sind. Nach 3 Monaten gilt der Mindestlohn. Praktikumsverträge müssen nun schriftlich abgeschlossen werden. Bei den Pflichtpraktika haben wir für eine Klarstellung gesorgt, diese sind nunmehr aufgrund einer schul- oder hochschulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung oder an einer Berufsakademie weiterhin ohne zeitliche Begrenzung möglich. Seite 3 von 7

4 Arbeitszeitkonten Nach dem Gesetz müssen in ein Arbeitszeitkonto eingestellte Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung eines Mindestlohnes ausgeglichen werden. Zudem dürfen die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen. Diese Regelung sollte für alle Arbeitsverhältnisse in Deutschland gelten. Aufgrund der Vielfalt und Komplexität in der Arbeitswelt konnten wir erreichen, dass nunmehr klargestellt ist, dass nur Mindestlohn- Arbeitsverhältnisse diese Ausgleichsregelungen zu beachten haben. Tarifpartnern steht es damit weiterhin frei, andere Ausgleichslösungen zu finden. Saisonarbeitnehmer Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir mögliche Probleme, z. B. bei der Saisonarbeit, bei der Umsetzung des Mindestlohns berücksichtigen werden. Da diese Branche besondere Probleme bei der Einführung des Mindestlohns hat, haben wir erreicht, dass in einer Übergangszeit bis Ende 2018 Erntehelfer als kurzfristig Beschäftigte nunmehr drei Kalendermonate oder 70 Arbeitstage statt bisher zwei bzw. 50 Arbeitstage beschäftigt werden dürfen. Ebenso wird es ein erleichtertes Verfahren geben, dass auch Entgeltleistungen des Arbeitgebers für Unterkunft und Kost bei der Überprüfung durch den Zoll hinsichtlich der Zahlung des Mindestlohns berücksichtigt werden können. Bei Falschangaben in der sozialversicherungsrechtlichen Entsendebescheinigung (die sogenannte A1 Bescheinigung), wird künftig der redliche Arbeitgeber von der Haftung freigestellt. Dokumentationspflichten Das Mindestlohngesetz weitet die Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten für Arbeitgeber bei geringfügig Beschäftigten sowie in den Branchen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes aus. Wir konnten erreichen, dass nunmehr das Bundesfinanzministerium mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Verordnungswege für jede Branche passgenau klärt, wie diese Aufbewahrungs- und Dokumentationspflichten mit dem Ziel der Vereinfachung und Abwandlung gestaltet werden können. Seite 4 von 7

5 Generalunternehmerhaftung Die Einführung einer Generalunternehmerhaftung für die Zahlung des Mindestlohns hat zu vielen Diskussionen und einigen Befürchtungen nach einer uferlosen Haftung geführt. Wir konnten erreichen, dass wir nunmehr auf die bereits seit Jahrzehnten bestehende und durch die Rechtsprechung eingegrenzte Haftung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz verweisen. Damit greifen wir auf eine bewährte Regelung zurück. Langzeitarbeitslose Wir wollen Menschen, die es besonders schwer auf dem Arbeitsmarkt haben, weiterhin Einstiegschancen geben und diese nicht verbauen. Falls Langzeitarbeitslose einen Job finden, können Arbeitgeber in den ersten sechs Monaten vom Mindestlohn abweichen. Langzeitarbeitslose müssen häufig erst wieder in den Job zurückfinden. Nach 6 Monaten haben sie Anspruch auf den Mindestlohn. Wir wollen hier einen Anreiz schaffen, damit auch Langzeitarbeitslose wieder eine Chance bekommen. Wie diese Regelung wirkt, werden wir bereits zu Mitte 2016 überprüfen. Behinderte und Schwerbehinderte Behinderte, die in Werkstätten für behinderte Menschen tätig sind, sind vom Mindestlohn ausgenommen. Für alle Anderen gilt der Mindestlohn. Es entspricht unserem Menschenbild, dass wir hier keine Ausnahmen zugelassen haben. Wir werden uns aber dafür einsetzen, dass die Integrationsbetriebe, die besonders viele behinderte und schwerbehinderte Menschen beschäftigten, eine bessere Förderung erhalten. Ob die Ausgleichsregelungen beim Minderleistungsausgleich im SGB IX sowie der Eingliederungszuschuss nach dem SGB III ausreichend sind, werden wir prüfen. Altersgrenze Wir halten es für richtig, dass der Mindestlohn erst aber einer bestimmten Altersgrenze wirkt. Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass der Mindestlohn für Arbeitnehmer ab 18 Jahre zu zahlen ist. Es muss verhindert werden, dass Jugendliche lieber eine besser bezahlte Aushilfstätigkeit annehmen und sie von Ausbildung und Studium abgehalten werden. Erfahrungen aus anderen Ländern wie Großbritannien und Niederlande zeigen, dass diese Altersgrenze von enormer Bedeutung für die Jugendlichen ist. Seite 5 von 7

6 Tarifvertragsgesetz Leichtere Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) Mit der Reform der Allgemeinverbindlich-Erklärung von Tarifverträgen soll die Erstreckung eines Tarifvertrags auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber erleichtert werden. Damit wären auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber verpflichtet, sich an die Vorgaben des Tarifvertrages zu halten. Die Erstreckung des Tarifvertrags soll künftig immer dann möglich sein, wenn dies die Sozialpartner auf Branchenebene und auf Ebene der Spitzenverbände gemeinsam für erforderlich erachten und sie im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Das öffentliche Interesse ist im Gesetz genauer beschrieben. Die Verbreitung eines Tarifvertrags spielt im Rahmen der Prüfung des öffentlichen Interesses weiterhin eine wichtige Rolle. Das bislang geltende starre 50-Prozent- Quorum als Voraussetzung der Allgemeinverbindlich-Erklärung wird gestrichen. Es kann in Zeiten abnehmender Tarifbindung immer seltener erfüllt werden. Mit der Reform der Allgemeinverbindlich-Erklärung wird zugleich der Bestand der sozialpolitisch besonders bedeutsamen Sozialkassen (gemeinsame Einrichtungen), etwa im Baugewerbe, gesichert. Diese Regelungen setzen die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag um und werden von uns begrüßt. Arbeitnehmer-Entsendegesetz Die bewährten tariflich vereinbarten Branchen-Mindestlöhne sollen mit einem erweiterten Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes künftig allen Branchen zur Verfügung stehen. Diese Öffnung ist von den Sozialpartnern gewünscht worden. Sie ermöglicht künftig auch den bisher nicht in das Gesetz einbezogenen Branchen, auf die Regelungen des Arbeitnehmer- Entsendegesetzes zurückzugreifen und Mindestarbeitsbedingungen zu vereinbaren, die für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten, auch für aus dem Ausland Entsandte. In der Einführungsphase des gesetzlichen Mindestlohns schafft die Öffnung zudem für die Tarifvertragsparteien aller Branchen die Möglichkeit, das Gesetz zur Gestaltung von tariflichen Anpassungsprozessen zu nutzen. Tarifeinheit Die Regelungen zur Tarifeinheit wurden nicht in das Gesetz aufgenommen. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Komplikationen prüft die Bundesregierung derzeit noch, ob eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit im Ein- Seite 6 von 7

7 klang mit Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz ohne Verfassungsänderung sowie ohne Eingriffe in das Streikrecht möglich ist. Seite 7 von 7