Die Regulation von Stress und die Reifung der Emotionsregulation im frühen Kindesalter
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- Bärbel Althaus
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1 Störungen der Emotionsregulation im Säuglings- und Kleinkindalter N. v. Hofacker 12. Oktober 2016 Die Regulation von Stress und die Reifung der Emotionsregulation im frühen Kindesalter 1
2 In den ersten Lebensjahren entwickeln sich 700 Synapsen pro Sekunde. Ausdünnung durch Pruning zur Erhöhung der Effizienz. Frühe Erfahrung legen fest, welche Schaltkreise verstärkt, welche mangels Nutzung abgeschwächt/abgebaut werden Use it or loose it Das Gehirn ist hierarchisch organisiert auf einfache neuronale Schaltkreise folgen in der Entwicklung komplexere. Das Timing ist genetisch determiniert, aber frühe Erfahrungen entscheiden darüber, welche Schaltkreise stark, welche schwach entwickelt sind. Neue Kompetenzen bauen auf bereits vorhandenen auf. Die Hirnarchitektur entwickelt sich wesentlich in Abhängigkeit von frühen Interaktionserfahrungen. 2
3 Wegen der Vielzahl an Synapsen ist die neuronale Plastizität in den ersten Lebensjahren wesentlich höher wie später. Damit ist der Aufwand, die Hirnarchitektur günstig zu beeinflussen deutlich geringer wie zu späteren Zeitpunkten, in denen bereits eine nutzungsbahängige Ausdünnung neuronaler Schaltkreise stattgefunden hat. Früher Stress kann über Cortisol und andere Stresshormone Gene, die für die Stressvulnerabilität sowie die Entwicklung kognitiver Funktionen, Gedächtnis (Hippocampus) etc. verantwortlich sind, anund abschalten (Epigenetische Marker). Positive Interaktionserfahrungen können solche Folgen zumindest teilweise abschwächen. Sie spielen damit für die frühe Stressregulation und ihre Folgen eine entscheidende Rolle. 3
4 Chronischer, anhaltender Stress in der frühen Kindheit führt ohne elterliche Kompensation zu einer Daueraktivierung des kindlichen Stress-Systems. Damit kommt es in Zentren, die für das Lernen und die Verhaltens-regulation wichtig sind (Hippocampus, Präfontalcortex), zu einer mangelnden Entwicklung neuronaler Synapsen und Schaltkreise. Frühe Risiken bedrohen die kindliche Entwicklung kumulativ: Kinder mit 6 oder mehr Risikofaktoren haben eine %- ige Wahrscheinlichkeit, Entwicklungsverzögerungen oder auffälligkeiten zu zeigen. 4
5 Was für Distress ist im Säuglings- und Kleinkindalter bedeutsam Schwerwiegende Psychopathologie der primären Bezugsperson Mangelnde oder irreguläre emotionale Verfügbarkeit/Reaktivität Deprivation und schwere Vernachlässigung Frühe traumatische Erfahrungen, Misshandlung Lebensbedrohliche Erkrankungen mit Hospitalisierung, physischem Schmerz, vitale Bedrohungen Mangelnde Erfüllung vitaler Grundbedürfnisse, Mangelernährung Mangelnde Erfüllung von Bindungsbedürfnissen, Schutz und Sicherheit, emotionaler Geborgenheit (Trennung, Verlust) Teufelskreis Stress vor und um die Geburt Pränataler und postnataler Distress des Säuglings erhöht die Vulnerabilität der Verhaltensregulation aktuell und in der Folge Vermehrte Regulationsprobleme können die Folge sein Die vermehrte kindliche Verhaltensvulnerabilität erhöht den Stress auf der Beziehungsebene zwischen Eltern und Kind (Teufelskreis) Dieser Teufelskreis kann durch die Qualität der Eltern-Kind-Interaktion verstärkt oder abgeschwächt werden 5
6 Wie wird Distress im Säuglings- und Kleinkindalter untersucht Die Still-Face-Situation (Tronick et al., 1979) Freies Spiel Mutter-Kind-Interaktion Baseline Stressregulation, Speichelcortisol Still-Face vermehrt Versuche, die Mutter für die Interaktion zu gewinnen Frustration, Ärger, negative Emotionen Stressregulation und Cortisol v. a. abhängig von kindlichem Temperament Wie wird Distress im Säuglings- und Kleinkindalter untersucht Die Still-Face-Reaktion (SFR, Tronick et al., 1979) Wiedervereinigung zunächst noch Frustration bei gelingendem interaktivem Repair vermehrt positive Emotionen Stressregulation abhängig vom Gelingen des Repairs (Mutter-Kind-Interaktion) mütterliche psychische Erkrankungen und Stress wirken nicht direkt sondern über Gelingen des Interaktiven Repairs 6
7 Die schützende Wirkung positiver Eltern-Kind- Interaktionen Positives elterliches Interaktionsverhalten (positiver Affekt, feinfühliges Eingehen auf kindlicher Verhaltensmuster, Spiegeln kindlicher Affektzustände) Setzt funktionale Stress-Selbstregulation der Eltern voraus ist assoziiert mit Verbesserter kindlicher Verhaltensregulation nach Stress (Martinez-Tortey et al., 2014, Feldman et al., 2009) Niedrigeren kindlichen Kortisolspiegeln nach Stress (Martinez-Tortey et al., 2014, Tu et al., 2007) Puffert die Wirkung elterlicher traumatischre Erfahrungen und psychischer Störungen ab (Martinez-Tortey et al., 2014) Die moderierende Rolle der Eltern in der kindlichen Stressregulation Dysfunktionale Reaktion der Bezugsperson auf distress Elterliches Stressystem massiv aktiviert Verhindert funktionales coregulatives Verhalten Säugling wird nicht geschützt, eigenes Stressystem bleibt/wird weiter massiv aktiviert Epigenetische Folgen Kein Vertrauen in Funktionalität und Schutz von Beziehungen Säuglinge mit Distresserfahrungen reagieren v. a. in Wiedervereinigung d. SFR dysreguliert 7
8 Unspezifisches Rückzugsverhalten nach Distress (Guedeney et al. 2007) Tiermodell (Dehasse 1994) Nach Trennung/Deprivation von Muttertier Discreet Puppy Syndrome Junge Tiere spielen nicht Langsame Bewegungen, Bevorzugen gekrümmter Haltungen Stereotype, schaukelnde Bewegungen Völliges Fehlen kommunikativer Signale, aktive Kontaktvermeidung, ausdrucksloses Gesicht Wachsen und gedeihen nicht Keinerlei Bindungsverhalten Makro- vs. Mikrostress Makrostress entsteht durch Makrofrustrationen: sie überfordern die kindliche Selbstregulation und führen zu erlernter Hilflosigkeit toxischer Stress! Wäre es daher für eine gelingende Emotionsregulation des Säuglings optimal, Stress in der Interaktion möglichst weitgehend zur vermeiden? 70% normaler Eltern-Kind-Interaktionen sind nicht optimal aufeinander abgestimmt (Tronick 1979) Mikrofrustrationen 8
9 Makro- vs. Mikrostress Mikrofrustrationen Entstehen im Alltag ständig durch kleine interaktive Fehlabstimmungen zwischen Eltern und Kind Sie führen zu Erwartungsverletzungen des Säuglings, kleinen Enttäuschungen, Reibungen, Konflikten entscheidend ist der anschließende interaktive Repair er führt zu erlernter Selbstwirksamkeit und Selbstregulation im Kontext elterlicher Koregulation Die alltäglichen Krisen und Frustrationen Versuche mit Schimpansen: Affenmutter ignoriert während konflikthafter regressiver Episoden in der Entwicklung des Jungtiers denjenigen Teil des Verhaltens, der durch reiferes Muster ersetzt werden kann. Dieses Verhalten fördert den Erwerb neuer Entwicklungsfertigkeiten Regression geht Progression voraus. 9
10 Die alltäglichen Krisen und Frustrationen Was der Säugling braucht, um sie zu überstehen Fähigkeit der Bezugsperson zu mentalisieren Spiegeln von Affekten Koregulation von negativen Affektzuständen Eigenständige Affekt- und Stressregulation der Bezugsperson Die alltäglichen Krisen und Frustrationen Im Rahmen von Fehlabstimmungen und Mikrostress entsteht Raum zum Experimentieren mit Selbstregulation Gelingende Selbstregulation fördert ein stabiles Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl Erlernte Selbstwirksamkeit (Mikrofrustration) statt Hilflosigkeit (Makrofrustration) Nachfolgender gelingender interaktiver Repair fördert das Vertrauen in die Funktionalität von Beziehungen zur Regulation gestresster, unangenehmer Verhaltenszustände 10
11 Die alltäglichen Krisen und Frustrationen Matching : wie optimal sich Eltern auf das Verhalten ihres Kindes einstellen Overmatching und Untermatching erhöht Risiko für unsichere Bindungen. Hinreichend gutes Matching ist am höchsten mit sicherer Bindung assoziiert Winnicott: hinreichend gute Mutter Hinreichend gutes Matching fördert die Emotions- und Selbstregulation des Säugings und Kleinkindes An alle Eltern: Mut zur Lücke! Perfekte Eltern stressen sich, ihre Kinder und andere Eltern und sorgen nicht für eine gesunde Emotionsregulation des Kindes VIELEN DANK! ae4 Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie August-Exter-Straße 4, München hofacker@ae-4.de 11
Was für Distress ist im Säuglings- und Kleinkindalter bedeutsam. Schwerwiegende Psychopathologie der primären Bezugsperson
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