Mag. Dr. Hans Jörg Schelling, Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger
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- Babette Weiß
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1 PROTOKOLL zum 35. Gesundheitspolitisches Forum am Welche Gesundheitsziele braucht das Land? Podiumsgäste: moderiert von SC Doz. Dr. Pamela Rendi-Wagner, Bundesministerium für Gesundheit Mag. Dr. Hans Jörg Schelling, Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger Dr. Gerald Bachinger, NÖ PatientInnen- und Pflegeanwalt Mag. Silvia Jirsa, Medical Tribune Österreich Frau Mag. Jirsa begrüßt die TeilnehmerInnen und Referenten und spricht kurz den Ablauf des heutigen Abends an. Zunächst steigt Frau Doz. Dr. Rendi-Wagner in die Thematik ein. Gesundheitsziele zu formulieren wurde bereits 2009 als Ziel der Regierung festgesetzt. Dazu werden Gremien auf allen Ebenen insgesamt ca. 30 Gremien angesprochen, die maßgeblich für den inhaltlichen Input der Gesundheitsziele verantwortlich sind. Der Startschuss dafür wurde in einer Kick-off-Veranstaltung im Mai 2011 gesetzt. Es wird darauf geachtet, dass der Diskussionsprozess äußerst partizipativ gestaltet ist. Zusätzlich war auch eine Diskussion über die Plattform möglich, die für alle zugänglich war. Das Ziel ist es für Österreich für die nächsten Jahre in etwa 10 Rahmengesundheitsziele zu definieren. Die erste Stufe ist dabei die Ideensammlung, die gerade stattgefunden hat. Im
2 zweiten Schritt kommt das Projekt auf eine operative, konkretere Ebene. Die Ideen sollen also auf eine umsetzbare Stufe gebracht werden und konkrete Schritte gesetzt werden. Die dritte und vierte Phase sind schließlich die Umsetzung und Messung der Ziele. Diese Messbarkeit ist dabei die größte Herausforderung. Der wesentliche Kern liegt darin, dass die Ziele so formuliert werden müssen, dass sie auch tatsächlich messbar sind. Es ist wichtig festzuhalten, dass der gesamte Prozess für sich genommen schon ein Ziel ist, weil der Prozess selbst schon die Aufmerksamkeit auf das Thema mit sich bringen soll. Im Anschluss reagiert Herr Mag. Dr. Schelling auf diese Ausführungen. Generell war eine nationale Gesundheitskonferenz schon länger ein wesentlicher Vorschlag des Hauptverbandes. Bisher wurde er immer ignoriert, jetzt wird der Vorschlag endlich angenommen und umgesetzt. Es ist äußerst schade, dass es bisher keine national definierten Gesundheitsziele gibt, da das jedoch dringend notwendig ist. Herr Mag. Dr. Schelling befürchtet, dass der Prozess selbst jedoch wieder sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Er betont des Weiteren, dass Österreich derzeit ein Krankensystem, aber kein Gesundheitssystem hat. Der Fokus liegt bisher zu stark auf Krankheit, es ist daher ein wichtiger Fortschritt die Gesundheit in den Mittelpunkt zu stellen und Gesundheitsziele zu definieren. Außerdem werden viele Krankheiten in der Zukunft beherrschbar werden, dafür werden neue auftauchen, die dann nicht beherrschbar sind. Im Kern geht es jedoch immer darum, dass Menschen so lange wie möglich selbstbestimmt bei guter Gesundheit leben können. Daher ist es zentral bei der Prävention und Prophylaxe anzusetzen. Der Prozess Gesundheitsziele zu definieren muss daher auch sehr schnell von Statten gehen um nicht weiter anderen Ländern hinterherzuhinken. Auch aus seiner Sicht ist die Messbarkeit der Ziele zentral. Es muss klar
3 ersichtlich sein, ob gesetzte Maßnahmen bei gegebenen Krankheitsbildern auch wirksam sind und dabei helfen die Ziele zu erreichen. Bei jedem einzelnen Menschen muss die Aufmerksamkeit dafür erregt werden, was sie selbst dazu beitragen können um gesund zu sein und welchen Beitrag das System auf der anderen Seite dafür leisten kann. Letztlich geht es auch darum den Menschen Leid zu ersparen, was in den letzten Jahren des Lebens oft eine große Rolle spielt. Derzeit ist das System jedoch einrichtungszentriert und nicht patientenzentriert, auch das muss sich ändern. Ein wichtiges Schlagwort ist außerdem Health in all Policies. Bei jedem Gesetz stellt man sich bisher die Frage nach den Finanzen und nach den Auswirkungen auf die Umwelt. Es ist nur ein kleiner weiterer Schritt sich die Frage nach den Auswirkungen auf die Gesundheit jedes einzelnen Gesetzes zu stellen. Wichtig ist es schließlich auch, dass PatientInnen in ihrer Wohnumgebung ausreichend versorgt werden. Ein Vorschlag für die Machbarkeit dafür ist, dass Aufgaben an Personen entsprechend ihrer Qualifikationen aufgeteilt werden. Herr Dr. Bachinger betont in seinen Ausführungen zunächst, dass es angesichts der starken Teilnahme an der heutigen Diskussion anscheinend ein sehr interessantes Thema ist, was ihn freut. Generell steht fest: Handeln braucht Ziele. Deshalb ist es doch überraschend, dass bisher im Gesundheitssystem vieles so gut funktioniert, obwohl es keine klar definierten Ziele gibt. Bei der Definition von Gesundheitszielen soll man durchaus auch auf andere Länder schauen, da diese ein Vorbild sein können. Drei Kernmotive Gesundheitsziele zu definieren identifizierte Dr. Jürgen Peter Soffried in seiner Masterarbeit ( Die Entwicklung nationaler Gesundheitsziele in Kanada und Schweden): Erstens ist Gesundheitspolitik mehr als reine Krankenversorgung, zweitens ist die ungleiche Gesundheitsversorgung ein starker Motivator und drittens möchte die Politik stärkere
4 Koordinierungsmöglichkeiten in der Hand haben. Die Erfolgsfaktoren für Gesundheitsziele sind: breite, stabile Partnerschaften innerhalb und außerhalb des Gesundheitssystems, Bewusstseinsbildung, Transparenz, Partizipation, Investition in Empowerment, Führungspersönlichkeiten mit Leadership (die nach außen hin die Gesundheitsziele repräsentieren). In fünf von neun Bundesländern haben wir bereits Gesundheitsziele, daher ist es auch sinnvoll diese Länder einzubinden. In Niederösterreich hat sogar bereits zwei Mal eine Evaluierung stattgefunden mit nicht nur positiven Ergebnissen. Wichtig ist, dass die Daten für die Evaluierung vergleichbar sind. Das hat sich bisher als großes Problem herausgestellt. Es gibt von der WHO bereits 21 Gesundheitsziele, wobei es anzustreben ist diese für Österreich zu adaptieren. Gerade beim Thema Tabakkonsum könnte es sehr leicht sein rasche Erfolge zu erzielen. Hier wird es nicht an der Formulierung und auch nicht an der Messbarkeit mangeln, lediglich an der Akzeptanz und der Mithilfe durch den Einzelnen bzw. den fördernden Rahmenbedingungen. Schließlich ist es auch wichtig sich realistische Ziele zu setzen, die man umsetzen und messen kann. Fredmund Malik hat dies mit der Trias: Ziele, Mittel und Maßnahmen umschrieben. "Ziele festzulegen ist keine Kunst; solange man nicht überlegen muss, wie und womit man sie erreichen kann." Aus dem Publikum wird die Website angesprochen, wo nur ein Hinweis auf die in Zukunft dort zu findenden Informationen steht. Auf der deutschen Homepage findet man jedoch alle Informationen auf einen Blick. Ebenfalls aus dem Publikum wird entgegnet, dass Deutschland jedoch bereits seit 10 Jahren an diesen Zielen arbeitet, hinter ihnen liegt also auch bereits ein langer Weg.
5 Herr Mag. Dr. Schelling betont auch, dass man nicht prinzipiell alles neu erfinden muss. Viele Anregungen können aufgenommen werden und für die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Jedes Ziel braucht jedoch in jedem Fall einen Inhalt, Umfang und zeitlichen Bezug um messbar zu sein. Frau Doz. Dr. Rendi-Wagner fügt noch hinzu, dass nicht einfach nur Informationen doziert werden sollen, sondern gezielt Individuen angesprochen werden. Zusätzlich müssen jedoch auch Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es möglich machen sich gesund zu verhalten. Sie betont weiter, dass bereits 2005 Ziele erstellt worden sind. Der Unterschied zu heute ist jedoch, dass der damalige Prozess keine Partizipation vorgesehen hatte und die Ziele nur durch Expertenrunden erstellt wurden. Für Herrn Prof. Fischer ist die zentrale Frage, wie man es schaffen kann dass jeder einzelne sich bewusst wird, dass er selbst der Hauptverantwortliche für seine Gesundheit ist. Eine Idee aus dem Publikum ist es Werbung für die Gesundheitsziele zu machen. Aus dem Publikum kommt außerdem die Anregung bei den Gesundheitszielen nicht auf die psychische Gesundheit zu vergessen, besonders auch bei älteren Menschen. Diese Aufgabe wird jedoch sehr schwierig sein, da dieses Thema sehr kostenintensiv ist. Weiter wird angeregt, dass das Gesundheitssystem die Selbstverantwortlichkeit der Menschen auch bei Alternativmedizin unterstützen müsste, gerade da liegt großes Potenzial in der Prävention. Aus dem Publikum wird auch angesprochen, dass es bei vielen Themen der Gesundheitsziele zu Kompromissen kommen wird. Gerade beim Nichtraucherschutz könnte das aber ein Schuss nach hinten sein, wenn nicht kompromisslos beispielsweise ein Rauchverbot eingeführt wird. Herr Mag. Dr. Schelling betont schließlich, dass ihm ein Wettbewerb der Qualität und nicht ein Wettbewerb der Zahler am Herzen liegt und dieser zentral sein sollte. Im Moment ist es jedoch noch kein Wettbewerb der Qualität, da viele
6 Rahmenbedingungen der Qualitätssicherung noch fehlen. Qualitätssteigerung senkt auf lange Sicht auch die Kosten, auch wenn sie zu Beginn scheinbar mehr kostet. Das Gesundheitspolitische Forum wird unterstützt von: Medienpartner:
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