Fall 3. Zusatzfrage: Besteht in solchen Fällen ein Auskunftsanspruch gegenüber Amazon?
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- Annika Beltz
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1 Fall 3 Autor Orlando B. (B) hat ein Buch über die russische Gesellschaft der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts geschrieben. Als Konkurrent X ein Buch zum gleichen Thema veröffentlicht, schreibt B bei Amazon eine Kritik unter dem Pseudonym Molotow mit folgendem Wortlaut: Gemessen am Referenzwerk zum Thema der wegweisenden Arbeit von B erscheint die Darstellung bei X als ein müder Abklatsch, in dem nur ein Teil der Quellen, und zudem sehr voreingenommen, ausgewertet wird. Nachdem ein Journalist ermittelt hat, dass B hinter dem Pseudonym Molotow steht, schaltet der Verleger des X, nämlich K, der eine Rechtsabteilung unterhält, die auch mir wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten befasst ist, einen externen Rechtsanwalt ein und mahnt B ab. Von B verlangt er vor allem Ersatz der Rechtsanwaltskosten als Abmahnkosten. Zu Recht? Zusatzfrage: Besteht in solchen Fällen ein Auskunftsanspruch gegenüber Amazon? 1
2 Lösungsskizze Fall 3 (1) Anspruch des K gegen B aus 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auf Aufwendungsersatz. Voraussetzungen: 1. Berechtigung der Abmahnung 2. Erforderlichkeit der Aufwendungen 1. Berechtigung der Abmahnung Wenn ein Beseitigungsanspruch des K gegen B aus 8 Abs. 1 Satz 1 ivm. 3, 4 Nr. 3 UWG besteht. a) Aktivlegitimation des K nach 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG Problem: Ist K ein Mitbewerber isd. 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG? Beide Verleger und Autor sind ja nicht direkte Konkurrenten. Vgl. die Definition des 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG: Mitbewerber ist, wer mit einem... Unternehmen als Anbieter von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Es kommt nicht darauf an, dass der nach 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG Aktivlegitimierte Konkurrent des Täters ist. Um den Kreis der nach 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG Aktivlegitimierten nicht zu überdehnen, schränkt die h.m. die Aktivlegitimation analog 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ein. 2
3 Lösungsskizze Fall 3 (2) Einschränkung des 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG durch hm (Fortsetzung) Wie ein Wirtschaftsverband nacn 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nur tätig werden darf, wenn die Zuwiderhandlung ein Interesse seiner Mitglieder berührt, darf auch der Nichtkonkurrent nach Nr. 1 nur vorgehen, wenn die Zuwiderhandlung sein eigenes Interesse berührt (Verhinderung von Popularklagen). Hier: a) Als Verleger steht K mit anderen Verlegern in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Beachte: Das Tatbestandsmerkmal konkret wurzelt in der Geschichte des UG und ist heute in seiner Bedeutung überholt (Köhler/Bornkamm 2 Rn. 94). Heute am ehesten zu verstehen, dass die geschäftliche Handlung tatsächlich Auswirkungen auf die Wettbewerbsverhältnisse hat. b) K als Verleger der Bücher des X ein eigenes Interesse daran, dass B die Vermarktungschancen dieser Bücher nicht beeinträchtigt. b) Geschäftliche Handlung nach 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG Dazu müssten Sie Anbieter von Waren oder Dienstleistungen sein. Problem: Beide sind Historiker, die wissenschaftliche Erkenntnisse befördern. 3
4 Lösungsskizze Fall 3 (3) Aber: Hier geht es nicht um die Ermittlung bzw. Vermittlung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern den Vertrieb der Bücher als Waren auf dem Markt. Insoweit sind K und B Unternehmer und stehen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Problem: Marktbezogenheit oder Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG? B geht es hier nicht um Äußerung seiner Meinung, weil er seine Identität als Autor des Konkurrenzwerks gerade verschweigt. Ihm geht es um die Förderung des Absatzes seines Buches auf Kosten des des K. c) Verstoß gegen 4 Nr. 3 UWG (1) Geschäftliche Handlung liegt vor (vgl. b). (2) Problem: Werbecharakter? (Vgl. noch einmal Fall 2) Ausgangspunkt ist der Zweck des 4 Nr. 3 UWG. Die Norm will eine informierte Entscheidung des Verbrauchers nach 5 Abs. 2 Satz 1 UWG ermöglichen. Bewirkt eine Maßnahme objektiv die Förderung des Absatzes eines Produktes zu Lasten des anderen und wird dabei über den Wert der Informationsquelle getäuscht, liegt verschleierte Werbung vor. 4
5 Lösungsskizze Fall 3 (4) Hier: Die Äußerung des B zielt auf die Förderung des Absatzes des eigenen Buches und ist von Geschäftsinteressen geleitet = Werbung. (3) Verschleierung: Ein durchschnittlicher Leser nach 3 Abs. 2 Satz 2 UWG geht von der Meinungsäußerung eines unbeteiligten Lesers mit Vorkenntnissen aus, nicht aber von der Meinungsäußerung eines mit Geschäftsinteressen handelnden Konkurrenten. Er misst den Sacheinwänden daher größeres Gewicht bei, als er dies tun würde, wenn ihm die Identät des Autors bekannt wäre. d) Fortdauer der Störung, solange Eigenrezension nicht beseitigt. e) Keine Verjährung nach 11 UWG f) Zwischenergebnis: Abmahnung ist berechtigt. 5
6 Lösungsskizze Fall 3 (5) 2. Erforderlichkeit der Aufwendungen Beachte: Es gilt ein an 670 BGB angelehnter Maßstab. In der Sache geht es um den Maßstab der Erforderlichkeit. Beachte: Der Aufwendungsersatzberechtigte hat einen einseitigen Entscheidungsspielraum zu Lasen des Ersatzverpflichteten. Denn als Berechtigter trifft er eine Entscheidung darüber, welche Aufwendungen getätigt weren und damit vom Verpflichteten ersetzt werden müssen. 670 BGB Im Zivilrecht korrespondiert mit solchen einseitigen Enscheidungsspielräumen stets der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Aufwendungen müssen deshalb a) geeignet, b) erforderlich (= das mildeste Mittel) und c) angemessen im engeren Sinne sein. Vgl. den Wortlaut des 670 BGB Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet. a) Eignung = zum Zwecke der Ausführung des Auftrags b) Erforderlichkeit = Wortlaut der Norm c) Angemessenheit im engeren Sinne ( nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen = 242 BGB). 6
7 Lösungsskizze Fall 3 (6) Problem: K hat bereits eine Rechtsabteilung, die auf Wettbewerbsrecht spezialisiert ist. Die dort Angestellten werden von ihm durch feste Gehälter finanziert. Die Einschaltung eines externen RA könnte daher nicht erforderlich isd. 670 BGB sein. HM. zur Erforderlichkeit im Rahmen des 12 Abs. 1 Satz 2 UWG 1. Bei einer Abmahnung darf der Aktivlegitimierte regelmäßig einen RA einschalten (Grenze: Der Aktivlegitimierte ist selbst RA und hat Fachkenntnis). 2. Dies gilt auch, wenn der Aktivlegitimierte eine eigene Rechtsabteilung unterhält, wenn diese nicht mit Wettbewerbssachen befasst ist (BGH GRUR 2008, 928 Abmahnkostenersatz). 3. Gilt dies auch, wenn die Rechtsabteilung auf Wettbewerbsstreitigkeiten spezialisiert ist? Str. Zwei Überlegungen. Einerseits: Der Aktivlegitimierte hält die Rechtsabteilung nicht vor, um dem Täter Abmahnkosten zu ersparen. Wer gegen das UWG verstößt, hat keinen Anspruch darauf, an den Investitionen des Aktivlegitimierten zu partizipieren. Auch lassen sich in diesem Fall die Unkosten leichter beziffern. 7
8 Lösungsskizze Fall 3 (7) Andererseits: Es gilt der Grundsatz neminem laedere und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Man darf dem anderen nicht mutwillig einen Schaden zu fügen. K muss daher den kostengünstigsten Weg wählen. Das ist der über die eigene Rechtsabteilung. Wiegt stärker 4. Zwischenergebnis: Die Aufwendungen sind nicht erforderlich. 3. Ergebnis Der Anspruch besteht nicht. 8
9 Zusatzfrage: Auskunftspflicht des Providers Amazon (A)? Beachte: 8 Abs. 5 UWG. Die Norm verweist auf den allgemeinen Auskunftsanspruch nach 13 UKlaG (Schönfelder Nr. 105, Taschenbuch Nr. 4). Dieser Anspruch steht nach 13 Abs. 1 UKlaG der in 8 Abs. 3 UWG genannten Aktivlegitimierten zu: a) den qualifizierten Einrichtungen ( 8 III Nr. 3 UWG), b) den Verbänden zur Förderung gewerblicher und selbständiger Interessen und ( 8 III Nr. 2 UWG) c) den Industrie- und Handelskammern ( 8 III Nr. 4 UWG). Die Mitbewerber ( 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) sind gerade nicht aktivlegitimiert. Grund: Keine Ausforschung von Konkurrenten; Auskunftsanspruch soll keine Waffe im Wettbewerb sein. Beachte: Auskunftsansprüche stellen seltene Ausnahmefälle dar. Grund: Die Unternehmen sind ihren eigenen Kunden gegenüber zum Datenschutz verpflichtet. Auch würde eine allgemeine Auskunftspflicht ihr Geschäftsmodell gefährden. 9
10 Auskunftsanspruch (2) Folgende Auskunftsansprüche sind ebenfalls praktisch bedeutsam: 13a UKlaG (Nr. 4 TB): Bei der Zusendung unbestellter Ware oder der Erbringung unbestellter Dienstleistungen hat der Betroffene ebenfalls den Auskunftsanspruch nach 13 Abs. 1 UKlaG 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG: Der Inhaber von Urheberrechten kann vom Verbindungsnetzbetreiber (zb. Telekom) Auskunft über die Identität eines Kunden des Providers verlangen, der sein Urheberrecht verletzt hat. Antwort: Im Umkehrschluss aus 8 Abs. 5 UWG folgt, dass K kein Auskunftsanspruch zusteht. 10
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