Arge Medizinrecht Düsseldorf, 07.11.2014. Dr. jur. Ingo Pflugmacher



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Transkript:

Die Stilllegung von Vertragsarztsitzen - Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung - Arge Medizinrecht Düsseldorf, 07.11.2014 Dr. jur. Ingo Pflugmacher Fachanwalt für Medizinrecht Fachanwalt für Verwaltungsrecht Lehrbeauftragter für Medizinrecht der HHU Düsseldorf Agenda: 103 Abs. 3 a SGB: Praktische Bedeutung und mögliche Änderung Die Verwaltungspraxis Das Versorgungsstärkungsgesetz Die Entschädigung Umfang, Folgeschäden und Exspektanzen Praxismietvertrag Praxiskaufvertrag Gemeinschaftspraxisvertrag 1

103 Abs. 3 a SGB V Wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich [ ] endet und die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, entscheidet der Zulassungsausschuss auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben, ob ein Nachbesetzungsverfahren nach Absatz 4 für den Vertragsarztsitz durchgeführt werden soll. Der Zulassungsausschuss kann den Antrag ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist[ ] Hat der Zulassungsausschuss den Antrag abgelehnt, hat die Kassenärztliche Vereinigung dem Vertragsarzt oder seinen zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen. Das Versorgungsstärkungsgesetz Der Zulassungsausschuss kannsollden Antrag ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Begründung: Den Zulassungsausschüssen wurde die Möglichkeit eingeräumt, Nachbesetzungsanträge abzulehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Von dieser Möglichkeit haben die Zulassungsausschüsse kaum Gebrauch gemacht. 2

Die Praxis Im Bereich der KV NO wurden bisher zwei Einziehungen beschlossen, beide betrafen kleine Praxen und wurden bestandskräftig. Die Entschädigung wurde durch Bescheid auf zwei Quartalumsätze festgesetzt. In Bayern stimmen die KK-Vertreter im ZA häufig für eine Nichtausschreibung, werden jedoch von der KV- Vertretern oft überstimmt. SG Nürnberg, S 1 KA 46/13, hat auf die Klage der KV den Nichtausschreibungs-Beschluss des ZA aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurück verwiesen. Die zukünftige Rechtslage Kann-Regelung bedeutet allein die Einräumung von Ermessen. Soll-Regelung bedeutet eine strikte Bindung für den Regelfall und gestattet Abweichungen nur in atypischen Fällen, in denen überwiegende Gründe für ein Abgehen von der Norm sprechen (BVerwGE64, 323). Es wird zukünftig (bei gesetzeskonformer Anwendung durch die Zulassungsausschüsse) also entscheidend auf die Erforderlichkeit aus Versorgungsgründen ankommen. Allein die Überversorgung im Planungsbereich genügt nicht, maßgeblich dürfte sein, ob andere Vertragsärzte zur Weiterversorgung der Patienten bereit und in der Lage sind. 3

Die Entschädigung: 103 Abs. 3 a : die Kassenärztliche Vereinigung hat eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen. 103 Abs. 4 Satz 7: Die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben sind nur insoweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswertes der Praxis nicht übersteigt. Gesetzesbegründung GKV-VStG: In Anlehnung an die in 103 Absatz 4 Satz 7 des geltenden Rechts getroffene Regelung erfolgt die Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis. Verkehrswert: BSG B 6 KA 39/10 R Modifizierte Ertragswertmethode, Substanzwert und immaterieller Wert, letzterer berechnet unter Berücksichtigung der Kosten der Praxis und der Einnahmen auch aus privatärztlicher Tätigkeit, abzüglich des kalkulatorischen Arztlohns in Abhängigkeit vom Umfang der Tätigkeit des bisherigen Praxisinhabers. 4

Verkehrswert: BSG B 6 KA 39/10 R Die Wertermittlungsgrundsätze sind nach BSG v. 14.12.2011 geklärt, wegen des einheitlichen Wortlautes in Abs. 3a und Abs. 4 S. 7 und dem Verweis in der Gesetzesbegründung kann auch nicht argumentiert werden, es sei nur die fehlende Zulassung zu entschädigen oder es müsse eine Ermittlung nach Liquidationswerten nicht aber Fortführungswerten erfolgen. Aber cave: Das BSG fordert auch bei kleinen Praxen den Abzug des kalkulatorischen Arztlohns. Vollzeit-Praxen mit Gewinnen unter 80.000,- können hierdurch schnell einen Verkehrswert von 0,- haben. Grundsätze des Entschädigungsrechts Zu entschädigen ist das volle Äquivalent des Genommenen, BGH III ZR 233/97, Entschädigung ist aber kein Schadensersatz. Neben der Substanzentschädigung sind Folgeschäden auch dann auszugleichen, wenn einfachgesetzliche Regelungen dies nicht ausdrücklich vorsehen, Ossenbühl, StaatshaftungsR, S. 210. Nicht durch Art. 14 GG geschützt sind aber Exspektanzen, also Chancen, Zukunftshoffnungen und Aussichten, die sich noch nicht zu Vermögensbestandteilen verdichtet haben, BVerfGE 28, 119, 142. Es gelten die allgemeinen Grundsätze der Vorteilsausgleichung und der Schadensminderungspflicht, Ossenbühl, StaatshaftungsR, S. 211. 5

Substanz vs. Exspektanz Problemstellung: Miet-, Leasing-, Arbeitsverträge, Aufbewahrung der Kartei und hiermit verbundene Kosten. Mögliche Argumentation: Bei einem Praxisverkauf werden diese Verträge und die Aufbewahrung der Kartei in der Regel vom Nachfolger übernommen. Aber: Die mögliche Übernahme der Dauerschuldverhältnisse ist nur eine Chance, noch keine Rechtsposition, Das Ausschreibungsverfahren kann auch nach 103 Abs. 4 b S. 2 oder Abs. 4 c SGB V beendet werden, also durch Fortführung der Praxis an anderem Ort durch (neue) Angestellte. Es muss dann weder ein Betriebsübergang vorliegen noch eine Vertragsübernahme erfolgen. Substanz vs. Exspektanz Zum bestehenden Unternehmen als Sach-und Rechtsgesamtheit gehört aber die Möglichkeit, die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit und die Kündigung der Dauerschuldverhältnisse zeitlich zu harmonisieren. Wenn die Nichtdurchführung der Ausschreibung also dazu führt, dass die vertragsärztliche Tätigkeit eingestellt werden muss, bevor die Dauerschuldverhältnisse erstmals durch Kündigung beendet werden konnten, sind die Kosten bis zur erstmaligen Beendigungsmöglichkeit entschädigungspflichtiger Folgeschaden. Diesem Aspekt kann durch den ZA (Mitteilung des ZA, dass die Ablehnung des Antrages beabsichtigt ist und Aufforderung zur Mitteilung der Kündigungsfristen) und Festsetzung eines zukünftigen Datums des Wirksamwerdens der Verzichtserklärung Rechnung getragen werden. 6

Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung Der Praxismietvertrag: Außerordentliche Kündigung nach 543 Abs. 1 BGB? Wird die außerordentliche Kündigung eines Mietvertrages mit Tatsachen begründet, die nicht in der Person oder zumindest im Risikobereich des anderen Vertragsteils liegen, so ist die Kündigung nur gerechtfertigt, wenn die Geschäftsgrundlage weggefallen ist oder sich nachträglich verändert hat BGH v. 10.12.1980, VIII ZR 186/79 7

Der Praxismietvertrag: Wegfall der Geschäftsgrundlage? Die Annahme einer Änderung der Geschäftsgrundlage setzt jedoch eine Ausnahmesituation voraus. Umstände, die in den Risikobereich einer Partei fallen, geben dieser in aller Regel nicht das Recht, sich unter Berufung auf 242 BGB vom Vertrag zu lösen, weil die Rechtsfolgen der Änderung der Geschäftsgrundlage nicht zu einer Beseitigung der im Vertrag liegenden Risikoverteilung führen dürfen BGH v. 10.12.1980, VIII ZR 186/79 Praxismietvertrag weitere Hürden: Ist der Vermieter vertraglich überhaupt verpflichtet, einen in Nachfolge zugelassenen Arzt als Mieter (oder Untermieter) aufzunehmen? Der Umstand frustrierter Mietzahlung für die Restlaufzeit beruht auf der Entscheidung des Mieters, seine vertragsärztliche Tätigkeit einzustellen. Dies fällt ersichtlich allein in seine Risikosphäre. Soll die Nachbesetzung aus Gesundheitsgründen erfolgen, so gilt: Eine schwere Erkrankung des Mieters berechtigt ihn nicht zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, OLG Düsseldorf 24 U 186/99. 8

Praxismietvertrag Gestaltung: Vertragliche Regelung analog 580 BGB: Stirbt der Mieter, so ist sowohl der Erbe als auch der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis innerhalb eines Monats, nachdem sie vom Tod des Mieters Kenntnis erlangt haben, außerordentlich mit der gesetzlichen Frist zu kündigen. Praxismietvertrag Gestaltung: Stirbt der Mieter, wird er berufsunfähig oder beantragt er [nach Vollendung seines 64.Lebensjahres] die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach 103 Abs. 3a, 4 SGB V und lehnt der Zulassungsausschuss [bestandskräftig] die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens für den Vertragsarztsitz an der Adresse des Mietobjektes ab, so sind sowohl der Mieter bzw. sein Erbe als auch der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis innerhalb [eines]monats, nachdem sie vom Tod des Mieters, seiner Berufsunfähigkeit oder der Ablehnung der Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens Kenntnis erlangt haben, außerordentlich mit der gesetzlichen Frist zu kündigen. 9

Praxismietvertrag BAG: Reduziert sich die Anzahl der vertragsärztlichen Versorgungsaufträge der Mieterin (derzeit volle Versorgungsaufträge) um % und beruht dies darauf, dass die Durchführung von Nachbesetzungsverfahren nach 103 Abs. 3a, 4 SGB V durch den Zulassungsausschuss [bestandskräftig] abgelehnt wurde, so ist die Mieterin berechtigt, -eine Reduktion der Mietfläche zu verlangen; die Mietfläche reduziert sich in diesem Fall um die aus der Anlage 1 ersichtlichen Räume [oder] - außerordentlich mit der gesetzlichen Frist zu kündigen. Der Praxiskaufvertrag Bisheriges Handwerkszeug des Anwaltes: Aufschiebende Bedingung der bestandskräftigen Nachfolgezulassung Auflösende Bedingung der bestandskräftigen Ablehnung des Antrages auf Nachfolgezulassung Rücktrittsrechte nach gewissen Zeitabläufen. Allein die aufschiebenden / auflösenden Bedingungen dürften zukünftig nicht genügen, da die Praxis - vieler - ZA eine Rücknahme des Antrages auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens ermöglicht. Die dann entstehende Schwebezeit wäre nicht sachgerecht. 10

Der Praxiskaufvertrag Bedingungen Dieser Vertrag steht unter folgenden aufschiebenden Bedingungen, die kumulativ eintreten müssen: a) Der Zulassungsausschuss entspricht dem bis zum zu stellenden Antrag des Verkäufers auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens und b) der Käufer wird bestandskräftig in Nachfolge des Verkäufers zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung am Vertragsarztsitz des Verkäufers zugelassen. Der Praxiskaufvertrag Rücktritt Jede Partei ist zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, wenn der Zulassungssauschuss a) vor einer Entscheidung über die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens zu erkennen gibt, dass er den diesbezüglichen Antrag nach 103 Abs. 3 a Satz 3 SGV ablehnen wird, oder b) der Zulassungsausschuss den Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens nach 103 Abs. 3 a Satz 3 SGB V ablehnt. [Im Fall des lit. b) ist der Käufer nach der Entscheidung des ZA, der Verkäufer erst nach Bestandskraft des ablehnenden Bescheides zum Rücktritt berechtigt, wobei der Verkäufer nicht zur Klageerhebung verpflichtet ist.] 11

BAG,MVZ, Arztstelle 103 Abs. 3 a SGB V gilt trotz des fehlenden Verweises in Abs. 6 auch für die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes eines BAG- Partners. (Argument des privilegierten Personenkreises ) Abs. 3 a dürfte aber nicht gelten, wenn eine Arztstelle nach 95 Abs. 9 b SGB V nachbesetzt werden soll: beantragt der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach 103 Absatz 4, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung. Gesetzeswortlaut schützt aber nicht vor Rechtfortbildung. Nur: Was ist dann zu entschädigen? Die Anstellungsmöglichkeit ist es nicht, es muss also der Wert der Zulassung sein (da anders als in 103 SGB V die zwingende Verbindung zwischen Kauf und Nachfolge fehlt) Das Umgehungsgeschäft Möglichkeiten der Erzwingung des Gewollten: Dreijährige (so Versorgungsstärkungsgesetz) gemeinsame Berufsausübung führt zur Privilegierung, das Nachbesetzungsverfahren ist durchzuführen. Also: Entweder Ausschreibung und Mitteilung, das ein (seit mehr als 3 Jahren) vorhandener BAG-Partner den Vertragsarztsitz übernimmt und als Arztstelle fortführt, oder sogleich Verzicht zugunsten des BAG-Partners mit nachfolgender Anstellung. Dann (Nach)besetzungder Arztstelle mit dem präferierten Nachfolger und Rückumwandlung nebst Aufnahme in die BAG. 12

Der Gesellschaftsvertrag Bei der Praxiseinziehung von Vertragsarztsitzen in Gemeinschaftspraxen öffnen sich tiefgreifende Problemfelder Cramer u.a. in ZMGR 2014, S. 241 Die These der Lösungsansatz: Die Entschädigung steht demjenigen zu, dem ein Vermögenswert genommen wird. Da beim Ausscheiden die Gesellschaftsanteile gegen Abfindung den verbleibenden Gesellschaftern anwachsen, wird (bei Ablehnung der Ausschreibung) den verbleibenden Gesellschaftern die Verwertungsmöglichkeit genommen. Die verbleibenden Gesellschafter sind in diesem Fall zu entschädigen. Anders (allenfalls) dann, wenn direkter Anteilsverkauf vom Ausscheidenden an Dritten vorgesehen ist. 13

Die Begründung -BSG B 6 KA 70/97 R Wie im Gesetzgebungsverfahren ausgeführt worden ist, soll mit 103 Abs. 4 SGB V den Erfordernissen des Eigentumsschutzes Rechnung getragen werden, indem dem Inhaber einer Praxis deren wirtschaftliche Verwertung auch in einem für Neuzulassungen gesperrten Gebiet ermöglicht wird. Der wirtschaftliche Wert des Anteils am Gesellschaftsvermögen wächst bei einer Gemeinschaftspraxis, die nach dem Ausscheiden eines Partners und dem Ende von dessen Zulassung bestehen bleibt, in der Regel den in der Praxis verbleibenden Partnern zu. Die Begründung -BSG B 6 KA 70/97 R Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den Regelungszweck, dem Inhaber der Rechtsposition deren wirtschaftliche Verwertung zu ermöglichen, ist es konsequent, dass ebenso, wie der wirtschaftliche Wert des Anteils in der Regel den verbleibenden Partnern zuwächst, diese auch die Initiative zu dessen wirtschaftlicher Verwertung ergreifen können, indem ihnen die Befugnis zuerkannt wird, die Ausschreibung der Praxis zu beantragen. 14

Der Gesellschaftsvertrag Wer ist zur wirtschaftlichen Verwertung des Gesellschaftanteils berechtigt und verpflichtet? Grundsatz: Die verbleibenden Gesellschafter ( 738 BGB) Ausnahme: Berechtigung zum Anteilsverkauf ( 717 BGB) Wenn dem ausscheidenden Gesellschafter die Verwertung obliegt, ist er zu entschädigen. Wenn dem oder den verbleibenden Gesellschafter/n die Verwertung obliegt, sind sie zu entschädigen. (Allein) bei diesem Verständnis ergeben sich stringente und sachgerecht Ergebnisse. Verwertungsrisiko I Der ausscheidende Gesellschafter erhält keine Abfindung für seine Beteiligung am materiellen und immateriellen Vermögen, er ist berechtigt, seinen Gesellschaftanteil zu veräußern, der hierfür erzielte Kaufpreis steht ihm zu. Wird dem Antrag nach 103 Abs. 3 a SGB nicht entsprochen, so erhält er die Entschädigung. Der ausscheidende Gesellschafter erhält die Verkehrswertabfindung. Diese entspricht dem Marktwert, also dem bei Veräußerung erzielbaren Preis. Die verbleibenden Gesellschafter werden weder belastet noch begünstigt. 15

Verwertungsrisiko II Der Gesellschaftsanteil wächst den verbleibenden Partnern an. Der ausscheidende Gesellschafter erhält eine Abfindung in Höhe des Kaufpreises, den ein Nachfolger für diesen Gesellschaftsanteil an die verbleibenden Gesellschafter zahlt. Wird nicht ausgeschrieben, erhalten die verbleibenden Gesellschafter die Entschädigung und der ausscheidende Gesellschafter von diesen eine Abfindung in gleicher Höhe. Keiner wird im Vergleich zur Nachbesetzung begünstigt oder benachteiligt. Verwertungsrisiko III Der Gesellschaftsanteil wächst den verbleibenden Partnern an. Der ausscheidende Gesellschafter erhält eine Abfindung in Höhe von 600.000,-, unabhängig davon, ob der Vertragsarztsitz nachbesetzt wird oder nicht. Wird nicht ausgeschrieben, erhalten die verbleibenden Gesellschafter die Entschädigung und der ausscheidende Gesellschafter von diesen 600.000,-. War die Entschädigung höher, machen die Verbleibenden Gewinn, dies ist aber auch richtig, da sie auch bei einer Veräußerung des Anteils an einen Nachfolger einen Gewinn erzielt hätten. 16

Verwertungsrisiko IV Der Gesellschaftsanteil wächst den verbleibenden Partnern an. Der ausscheidende Gesellschafter erhält eine Abfindung in Höhe seiner Beteiligung am materiellen und immateriellen Vermögen, wird der Vertragsarztsitz nicht nachbesetzt, reduziert sich die Abfindung auf den Wert seiner Beteiligung am materiellen Vermögen. Gerade die Beispiele III und IV zeigen, dass die These des Entschädigungsanspruchs der verbleibenden Partner richtig ist: Verwertungsrisiko IV Beispiel: Goodwill Anteil 500 TSD, Anteil materielles Vermögen 100 TSD, Entschädigung 600 TSD, 2 Partner, Partner 1 scheidet aus: Partner 2 erhält Entschädigung 600 TSD, muss 100 TSD an Partner 1 zahlen (erlangt dafür aber Alleineigentum), verbleiben 500 TSD Gewinn, ihm wurde aber auch die Möglichkeit genommen, den Anteil zu verwerten. Alternative Auffassung (Entschädigungsanspruch des Partners 1): Partner 1 erhält 100 TSD Abfindung, diese ist auf den Entschädigungsanspruch anzurechnen (Vorteilsanrechnung), Entschädigung also 500 TSD. Partner 2 erhält nur Alleineigentum am materiellen Vermögen, obwohl auch in sein immaterielles Vermögen eingegriffen wurde; die KV spart - ohne Rechtfertigung - 100 TSD. 17

Die Vertragsgestaltung Soll (a) der ausscheidende Partner 1 seinen Anteil durch Verkauf an Dritten verwerten oder (b) soll der Grundsatz des Anwachsens gegen Abfindung gelten? Wenn a): Partner 1 erhält die Entschädigung, keine weiteren Regelungen im Vertrag erforderlich. Partner 1 trägt das Verkehrswertrisiko, Partner 2 das Risiko, die Praxis allein fortführen zu müssen. Wenn b): Partner 2 erhält die Entschädigung, ob die Abfindungshöhe an die Entschädigungshöhe gekoppelt wird oder sich nach anderen Maßstäben bestimmen soll, ist eine Frage der Verteilung von Chancen und Risiken zwischen den Parteien. Die Vertragsgestaltung der Anteil wächst Partner 2 an. Partner 1 erhält im Fall der Ablehnung des Antrages nach 103 Abs. 3 a SGB V eine Abfindung in Höhe des Teilbetrages, mit dem der (anteilige) Wert des materiellen Vermögens in der Entschädigung nach 103 Abs. 3 a Satz 8 SGB V bewertet wurde. Im übrigen steht die Entschädigung dem Partner 2 zu. Für die abweichende Auffassung: der Anteil wächst Partner 2 an. Erhält Partner 1 im Fall der Ablehnung des Antrages nach 103 Abs. 3 a Satz 8 SGB V eine Entschädigung, so ist er verpflichtet, diese in Höhe des Teilbetrages, mit dem seine Beteiligung am immateriellen Vermögen in der Entschädigung bewertet wurde, an den Partner 2 zu zahlen. 18

Die Vertragsgestaltung Solange sich noch kein Konsens darüber gebildet hat, ob der ausscheidende Partner oder der verbleibende Partner im Fall des Anwachsen des Gesellschaftanteils Inhaber des Entschädigungsanspruches ist, müssen in Gesellschaftsverträgen beide Varianten alternativ geregelt werden. Dies ist möglich, wenn man die Abfindung mit der Entschädigung koppelt und den ausscheidenden Partner (als ggfls. Entschädigungsberechtigten) verpflichtet, einen (Teil)betrag der Entschädigung an den verbleibenden Partner zu zahlen oder mit einer entsprechenden Abtretung arbeitet. Vertragsgestaltung weitere To Do s Die Entschädigung dürfte umsatzsteuerpflichtig sein, die Umsatzsteuer ist aber nach dem allgemeinen Entschädigungsrecht von der KV zusätzlich zu zahlen. Diese muss bei vertraglichen Regelungen beachtet werden, auch dass evtl. Ausgleichszahlungen vom Ausscheidenden an den Verbleibenden umsatzsteuerpflichtig sein können. Immer wenn die Entschädigung wirtschaftlich mehreren Partnern zustehen soll, müssen alle berechtigt werden, gegen die Festsetzung der Höhe vorzugehen. Vertraglich müssen Pflichten zur Einlegung von Rechtsmitteln auf Weisung und Kosten des dies verlangenden Partners aufgenommen werden. 19

Fazit Die Änderung von Kann in Soll ist auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahme(und Haftungsfalle) für Anwälte. Bei BAG-Verträgen mit Fortsetzungsklausel und Abfindungsregelung muss differenziert beachtet werden, wer die Entschädigung erhält. Etwaig gewollte wirtschaftliche Ausgleiche sind vertraglich zu regeln, ggfls. in den zwei Alternativszenarien. Die frühzeitige Planung des Nachbesetzungsverfahrens gewinnt noch mehr an Bedeutung als bisher. Dies betrifft sowohl Gestaltungen mit Anstellung und Rückumwandlung als auch die Einzelpraxis, um die Risiken aus Dauerschuldverhältnissen zu minimieren. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 20

Dr. jur. Ingo Pflugmacher www.busse-miessen.de Fax: 0228-98391- 40 Tel: 0228-98391- 41 Oxfordstr. 21 53111 Bonn Pflugmacher@Busse-Miessen.de 21