FRAGE 83 Jahrbuch 1985/III, Seiten 350 Geschäftsführender Ausschuss von Rio de Janeiro, 13. - 18. Mai 1985 Q83 FRAGE Q83 Entschliessung Die IVfgR hat den Bericht der Kommission zur Kenntnis genommen und I. befürwortet eine Prüfung der Einführung eines Gebrauchsmustersystems, und zwar aus folgenden Gründen: 1. Das Gebrauchsmuster ist geeignet, den Erfinder zu ermutigen, indem technische Entwicklungsergebnisse geringerer Erfindungshöhe, als für Patente erforderlich, geschützt werden und indem ein billigerer und schnellerer Schutz gewährt wird. Daher ist es insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen interessant und kann in Entwicklungsländern die technische Entwicklung fördern. 2. Das Gebrauchsmuster kann einen vom Erfindungsschutz ausgelassenen Leerraum ausfüllen, wenn der Mangel an Erfindungshöhe zur Versagung des Patents führt. Durch diese Form der Erfindung wird auch verhindert, dass das Patent durch Erstreckung auf technisch geringfügigere Erfindungen entwertet wird. Es verhindert ferner durch den Schutz rein technischer Gegenstände eine Entartung der anderen Schutzrechte des geistigen Eigentums wie der Geschmackmuster und des Urheberrechts. 3. Ferner kann das Gebrauchsmuster, sofern dies das nationale Recht erlaubt und soweit es sich mit einer Patentanmeldung deckt, dem Erfinder einen Schutz während des Prüfverfahrens seiner Patentanmeldung verschaffen, zu einer Zeit, wo die letztere ihm noch keinen wirksamen Schutz bietet. Dies ist besonders vorteilhaft, wenn die Patentanmeldung veröffentlicht worden ist, so dass die Erfindung den Wettbewerbern offenbart wurde. 1
II. Die IVfgR nimmt die schwierigen Probleme zur Kenntnis, die mit der Einführung eines neuen Gebrauchsmusterschutzes verbunden sind, und ist sich bewusst, dass ein Gebrauchsmustersystem mit seiner Einführung der Allgemeinheit insgesamt nur nützlich sein kann, und III. beschliesst die Fortsetzung des Studiums auf der Grundlage der Berichte der Landesgruppen, des Zusammenfassenden Berichts und der Diskussion in der Sitzung. * * * * * * * * * 2
FRAGE 83 Jahrbuch 1986/VII, Seiten 225-227 Q 83 33. Kongress von London, 8. - 14. Juni 1986 FRAGE Q83 Entschliessung A. Die IVfgR befürwortet die Einführung eines Gebrauchsmustersystems aus folgenden Gründen: 1. Gebrauchsmuster sind geeignet, Erfinder oder Unternehmer zur Investition in und zum Schutz von technischen Entwicklungen zu ermutigen, die die Bedingungen für die Patentfähigkeit nicht erfüllen, und einen billigeren und schnelleren Schutz zu gewähren. Daher sind sie insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen interessant und können in Entwicklungsländern die technische Entwicklung fördern. 2. Gebrauchsmuster können einen Leerraum im Erfindungsschutz ausfüllen, wenn die Erfordernisse, welche an die Erfindungshöhe gestellt werden, es mit sich bringen, dass bestimmte Erfindungen diesen Erfordernissen eines Patents nicht entsprechen. Diese Form des Schutzes verhindert auch die Entwertung des Patentsystems durch Anwendung auf technisch geringerwertige Erfindungen. Es verhindert ferner eine Entartung anderer Schutzrechte des geistigen Eigentums wie der Geschmacksmuster und des Urheberrechts durch Ablenkung von ihrem Hauptgegenstand in Richtung auf technische (nicht künstlerisch-ästhetische) Gegenstände. 3. Wird ein Gebrauchsmuster gleichzeitig mit einem Patent nachgesucht, so kann es, wenn das nationale Recht es erlaubt, dem Erfinder Schutz während der Dauer des Patenterteilungsverfahrens gewähren, solange die Patentanmeldung keinen wirksamen Schutz gewährt. Dies hat besondere Bedeutung, wenn die Patentmeldung veröffentlicht wurde, so dass sie den Wettbewerbern bekannt wurde. 3
B. Die IVfgR erkennt an, dass ein einzuführendes Gebrauchsmustersystem der Allgemeinheit Nutzen bringen muss. Sie spricht sich daher für die Einführung eines Gebrauchsmustersystems unter folgenden Regeln und Bedingungen aus: 1. Gegenstand des Schutzes Gebrauchsmuster sollen wenigstens räumliche Gegenstände schützen. Obwohl es dem nationalen Recht überlassen ist, auch andere Gegenstände zum Schutz zuzulassen, kann es gute Gründe für die Empfehlung geben, den Schutz auf alle dem Patentschutz zugänglichen Gegenstände auszudehnen, insbesondere wenn eine materielle Prüfung durchgeführt wird. Keinesfalls sollen dem Gebrauchsmusterschutz mehr Gegenstände zugänglich sein als dem Patentschutz. Gegenstände, die dem Gebrauchsmusterschutz zugänglich sind, dürfen vom Patentschutz nicht ausgeschlossen sein. 2. Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Gebrauchsmusters a. Neuheit b. Zudem ein zusätzliches, vom nationalen Recht bestimmtes Erfordernis, vorzugsweise ein über den Stand der Technik hinausgehender schöpferischer Schritt ( apport créatif, creative effort ), der jedoch geringer ist als die für ein Patent erforderliche erfinderische Tätigkeit. c. Eine Beschreibung und ein oder mehrere Ansprüche. 3. Neuheitsschonfrist Dieselbe internationale Neuheitsschonfrist wie für Patente, zurückgerechnet vom Prioritätsdatum. 4. Offenbarung Die Offenbarung des Gegenstands des Gebrauchsmusters soll so ausführlich sein wie bei einem Patent. 5. Prüfung Wenigstens in formeller Hinsicht, nämlich hinsichtlich der Formvorschriften und der Definition des Schutzobjektes. Das Gebrauchsmuster bedarf vor Erteilung oder Registrierung keiner Sachprüfung. Nach Erteilung oder Registrierung soll jedoch wenigstens die Möglichkeit bestehen, einen amtlichen Recherchenbericht einzuholen, und zwar auf Antrag eines Dritten oder des Inhabers. Der Inhaber hat den Recherchenbericht im Verletzungsprozess vorzulegen. Wenn eine Sachprüfung vorgesehen ist, darf sie niemals die Zielsetzung gemäss Punkt A verlassen. 4
6. Löschung Es ist ein Verfahren zur gänzlichen oder teilweisen Löschung auf Antrag eines Dritten vorzusehen. 7. Dauer Nicht weniger als fünf Jahre vom nationalen Anmeldedatum an und, wenn eine Sachprüfung nicht vorgesehen ist, nicht länger als zehn Jahre von diesem Datum an. 8. Schutzumfang Der Schutzumfang richtet sich nach den nationalen Gesetzen, soll aber die folgenden Grenzen nicht überschreiten: Der Schutzbereich wird durch den Inhalt des bzw. der Ansprüche bestimmt. Die Beschreibung und Zeichnung sind jedoch zur Auslegung des bzw. der Ansprüche heranzuziehen. 9. Wirkung und Schutz Dieselben wie beim Patent, gemäss den nationalen Gesetzen. Sie sollen aber nicht vor einer Veröffentlichung entstehen. 10. Mehrfachschutz für denselben Gegenstand Patente und Gebrauchsmuster können nebeneinander bestehen, vorausgesetzt, dass der Verletzer durch die Überlappung des Schutzes nicht schlechter gestellt wird und dass Patente und Gebrauchsmuster mit gleichem Anmeldetag sich nicht gegenseitig unwirksam machen. 11. Ko-Existenz von Gebrauchs- und Geschmacksmustern Die Ko-Existenz von Gebrauchs- und Geschmacksmustern für denselben Gegenstand ist möglich. * * * * * * * * * 5